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Am Ende
Es war ein eiskalter Winterabend und ich schritt einmal mehr allein durch die Straßen. Mein Blick glitt über die Blumen am Wegrand, die vom fahlen Licht der Laternen nur spärlich erhellt wurden. Ein kalter Windhauch wirbelte mir eine Strähne meines braunen Haares ins Gesicht. Ich drehte mich um und erwartete dich hinter mir zu sehen. Spürte schon deine braunen, warmen Augen auf meiner Haut und deine Umarmung in meinem Herzen. Doch hinter mir war nur eine leere Straße. Ich strich mir meine Haare aus der Stirn und ging weiter, ließ meine Augen die Gegend nach dir absuchen, obwohl ich wusste, dass sie dich nicht finden würden.
Ich erinnerte mich an die dummen Dinge, die wir getan hatte, an alle Momente, in denen wir uns wehgetan hatten, in denen wir einander beinahe verloren hätten. An schöne Dinge konnte und wollte ich nicht denken. Mir fiel ein, wie sehr ich es geliebt hatte mit dir zu streiten, wie oft wir über unsinnige Dinge diskutiert hatten und mehr als einmal einen Elefanten aus einer Mücke geformt hatten. Doch aus irgendeinem Grund hatten uns all diese großen und kleinen Dinge nie voneinander entfernt. Im Gegenteil. Manchmal glaubte ich, dass wir uns bei jeder sinnlosen Streiterei besser kennen lernten und dass genau dieses Gefühl der Nähe, es wert war, sich ständig in die Wolle zu kriegen. Ich konnte mich daran erinnern, wie oft ich die Sache beenden wollte. Wie oft ich dir leb wohl gesagt hatte, weil ich glaubte, dass wir ohneeinander besser dran wäre und sowohl ich als auch du nur leiden würden. Wenn ich mir aber der Sache zwischen uns sicher war, warst du groß darin alles über den Haufen zu werfen oder irgendjemand anders störte unser Glück. Es gab ungefähr eine Millionen ungenutzte Möglichkeiten. Gelegenheiten, die ich nie werde nutzen können, weil sie an mir vorbeigegangen sind ohne, dass ich sie wahrnahm. Du hast sie gesehen, jede Gelegenheit. Du hast mir immer gesagt du sähst nicht die Zeiten, in denen wir uns hätten verlieren können sondern jene, in denen wir schon zueinander hätten finden können. Ich weiß nicht warum wir so unterschiedlich und doch so gleich sind. Aber ich denke, dass genau das es so schwer machte. Dass diese Gleichheit uns so sehr mit Angst erfüllt hat, dass es so lange dauerte, bis wir einander sicher waren.
Ich blieb stehen und sah in den Sternenklaren Himmel. Der Mond war nicht mehr als eine dünne Sichel und um sie verstreut funkelten tausende von Sterne.
„Ich werde nie wieder jemanden so sehr lieben wie dich.“, sagte ich und lächelte durch die Tränen in meinen Augen hindurch.
„Aber ich muss gehen …“ Ich stockte für einen Augenblick, hatte Angst vor den Worten, die in mir ruhten und die du sowieso schon kanntest.
„Aber ich muss gehen und für immer leb wohl sagen.“
Für wenige Sekunden spürte ich dich. Glaubte, du würdest hinter mir stehen und nur darauf warten, dass ich mich umdrehte. Und so gern ich es wollte, konnte ich es doch nicht, denn ich wusste, dass dort nichts sein würde, egal wie sehr ich es mir auch wünschte. Ich sah dein Gesicht vor mir, die tiefen, braunen Augen und die schwarzen Haare, die Grübchen, die sich bei jedem Lachen zeigten. Ich bereute jede Minute, die ich nicht mit dir geteilt hatte aber keine, die ich, egal ob Streit oder Frieden mit dir verbracht hatte. Auch wenn es jetzt wehtat, so konnten mir diese Stunden nicht genommen werden. Niemals. Das würde ich nicht zulassen.
Ich streifte den goldenen Ring von meinem linken Ringfinger und ließ ihn auf die Marmorplatte gleiten. Tränen liefen mir über die Wangen als ich deinem Grab den Rücken kehrte und auf die einsamen Straßen zurückkehrte, die ich nun wieder alleine durchqueren musste.