Ame no orchestra (Orchester des Regens)
Ich saß auf dem Fensterbrett unserer Wohnung und sah hinaus. Die Autos fuhren über die Straßen, die Lichter der Bürohäuser gingen langsam an.
Ich stand vorsichtig auf und beugte mich nach vorne. Der Wind durchwühlte meine Haare. Neben dem Fenster führte eine Leiter zum Dach. Ohne zu überlegen, kletterte ich die vier Etagen von den 14 Etagen hoch. Oben angekommen breitete ich die Arme aus und fühlte mich noch nie dem Himmel so nah. Der Wind wechselte seine Farbe, das tat er zur jeder Jahreszeit. Über dem Gebirge am Ende der Stadt zogen dicken Regenwolken auf und warfen ihre schwarzen Schatten schon voraus.
Ich sah mich auf dem Dach um, lief zum Rand und blickte hinunter. Die Autos waren winzig klein. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen ließ ich mich im Schneidersitz nieder und beobachtete die ersten Regentropfen. Konnte man ohne einem Menschen, den man liebt, den Weg alleine bestreiten? Der Regen wurde stärker. Er spielte wie ein Orchester. Ich wusste, dass mir was fehlen würde, wenn Shinya mich mal verlassen würde. Ich hätte keinen Sinn mehr für diese Welt und würde blind umherirren. Das Klappern der Leiter riss mich aus meinen Gedanken. Shinya zog sich an der Dachrinne hoch. Seine Haare waren von dem Orchesterregen durchnässt. Ich streckte Shinya meine Hand entgegen und er ergriff sie. Ich zog ihn hoch, direkt in meine Arme und hielt ihn einfach nur fest. Der Regen prasselte auf uns hinab, wusch unsere Gesichter, lief durch unsere Sachen und spielte und seine schönste Komposition vor. Ich schmiegte mich an Shinya, hörte seinen ruhigen Atem und wusste, dass ich ihn nie wieder hergeben würde. Der Wind ließ den Regen am Himmel tanzen, die Straßen waren von den Regenschirmen bunt.
Was schöneres als diesen Moment konnte es kaum geben.
Kurz donnerte es, dann fing der Regen an noch doller zu spielen. Ich hatte das Gefühl, als ob der Himmel vor Freude weinte. Shinya hatte seinen Kopf auf meine Schulter gelegt und streichelte mit seinem Atem meinen Hals. Er fuhr mit seiner Hand durch mein nasses Haar, doch dann wurde er wieder ruhig um den Moment zu genießen. Das Dach stand bald unter Wasser, wir hockten eng umschlungen barfuß drauf und uns war es egal, ob wir danach krank werden.
Ich ließ mich auf den Rücken fallen. Der Regen tropfte in meine Augen, in meine Nase oder perlte über meine Lippen. Plötzlich spürte ich Shinya, der mich küsste. Ich schlang meine Arme um ihn und fühlte mich so herrlich verloren. Shinya küsste mir wortlos jeden Tropfen vom Gesicht, während der Regen ihm selber über das Gesicht perlte.
Es donnerte wieder kurz, dann wurde das Orchester des Regens noch lauter. Ich konnte einfach nicht fassen was ich erlebte und rechnete jeden Augenblick damit aufzuwachen, doch die Gefahr konnte nicht bestehen, weil ich alles wirklich fühlte! Ich erlebte es und ich liebte ihn!
Es war genauso wie damals, als ich Shinya in einer Stadt voller Sünder umherschweifend gefunden habe. Ich wartete unter einem vom frühen Sommerregen nassen Kirschbaum auf sein kommen und sah aus wie eine durchnässte Katze. Unsere Fingerspitzen trafen sich und ich lud ihn unter meinen roten Regenschirm ein. Sein Profil schimmerte rot.
Orchester des Regens...