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Ameisenfußball

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13.06.2002
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Ameisenfußball

Der Fernseher war kaputt.
Statt irgendwelcher sinnleerer Talkshows oder langweiliger Filme zeigte das Gerät nur Rauschen. Schwarze und weiße Punkte, die umeinander hertanzten - das Ballett des technischen Versagens.
"Kein Bild", sagte meine Frau.
"Also, das Schwarzweiß geht schon mal."
"Ja... wie Ameisenfußball... Sieh nur, Weiß gewinnt."
"Kunststück, sie haben ja auch zwei Mann mehr auf dem Platz." Wir lachten. Der gleiche Dialog wie gestern. Der gleiche Dialog wie jeden Tag. Meine Frau war der untrüglichen Meinung, dass der Fernseher sich vielleicht von selbst reparieren würde, wenn man ihn nur jeden Tag aufs Neue wieder anstellte. Ich hatte keine Ahnung, wie sie auf diese Idee kam, aber ich ließ sie gewähren.
Vielleicht ist sie irgendwann verrückt geworden. Ich hätte es ihr nicht einmal verdenken können, angesichts unseres Schicksals. Während da draußen das Leben tobte, saßen sie und ich eingepfercht in diesem Raum fest. Die Wiederentdeckung des Stubenhockertums. Vermutlich war ich auch einfach ein schlechter Gesellschafter und würde an ihrer Stelle ebenfalls den Fernseher anbeten. Das war sicher verlockender, als den Rest des Lebens mit mir allein verbringen zu müssen.

"Und wenn er gar nicht kaputt ist?", fragte ich um meine Frau zu beschwichtigen. Wie jeden Tag hatte sie unter Tränen realisiert, dass sie auch heute keinen Empfang haben würde. "Ich meine, vielleicht gibt es auch einfach keine Sender mehr."
"Mach dich nicht lächerlich. Egal, wie schlecht die Lage ist, es wird immer Fernsehen geben. So war es immer."
"Wir sollten das Ding wegwerfen. Sonst macht es dich nur jeden Tag noch trauriger." Am Anfang war der Fernseher unser Fenster zur Welt gewesen. Wir hatten uns durch die Programme zappen können und waren somit nie ganz alleine gewesen. Natürlich nur eine Illusion, aber seit das Gerät defekt war, brachte uns die unerträgliche Stille beinahe um den Verstand.
"Was, wenn niemand mehr dort draußen ist?"
"Natürlich sind sie da, Liebling. Ich bin sicher, dass viele überlebt haben. Du wirst sehen, irgendwann wird es wieder so sein wie früher."
"Es wird nie wieder so sein wie früher", sagte sie. "Damals waren wir jung. Und heute..." Sie betrachtete ihre faltigen Hände und erneut brach sie in Tränen aus.
"Heute sind wir immer noch jung", sagte ich. "Wir sind genauso jung, wie damals, weil wir uns nicht verändert haben. Nur die Zeit ist älter geworden." Vielleicht nicht das klügste, was je ein Mensch gesagt hatte, aber es brachte sie zumindest zum Nachdenken und lenkte sie ein wenig ab.
"Weißt du eigentlich, dass du der einzige Mensch bist, den ich je gesehen habe? Ich kann mich sonst an niemanden mehr erinnern. Es ist alles so lange her."
"Das liegt einfach an meinem einnehmenden Wesen", sagte ich und sie lachte. Es war schön, dass ich sie nach all der Zeit immer noch zum Lachen bringen konnte. Vielleicht war ich doch kein so schlechter Gesellschafter. Nicht ganz so gut wie der Fernseher vielleicht, aber in diesem Moment reichte es.
"Wie es draußen wohl aussieht..."
"Ich weiß nicht. Vielleicht hat sich gar nichts verändert."
"Es wird leer sein. Niemand ist mehr da." Wieder schluchzte sie.
"Was meinst du, wollen wir nachsehen?" Auch diese Frage stellte ich ihr jeden Tag. Normalerweise reagierte sie darauf mit einem zaghaften Lächeln und einer ablehnenden Geste. Aber nicht heute. Heute sagte sie: "Ja, wir sollten nachsehen. Der Fernseher ist sowieso kaputt."

Langsam erhob sich meine Frau von ihrer Pritsche und uns gegenseitig stützend gingen wir zur Einstiegsluke unseres Bunkers. Ein letztes Mal holten wir tief Luft, atmeten den vertrauten Geruch von Staub und Beton ein, und dann öffnete ich die Luke.

Draußen spielten ein paar Ameisen Fußball mit einem Menschenkopf.

 

Damit Hagen nicht mehr denkt, ich hätte eine Abneigung gegen SciFi... ;)

Ein kleines Gedankenfragment, inspiriert durch einen Dialog, den ich jüngst mit einem Bekannten führte. Die Idee ist nicht neu, der Plot ließe sich mit Edding auf einem Reiskorn notieren - aber vielleicht unterhält es trotzdem ein wenig.

 

Tach gnoe!

Du hier in Sci-Fi? Das musste ich jetzt lesen.
Zur Story: naja, wirklich nichts Neues aber es hat ein wenig unterhalten.
Ab dem zweiten Absatz ist der Rest im Grunde schon klar wie Kloßbrühe, ich wurde aber nicht abgehalten zu lese, was also heißen muss, dass es mich ein wenig "gefesselt" (ganz vorsichtig ausgedrückt) hat.

Vielleicht ist sie irgendwann verrückt geworden.
hehe

Nicht in den falschen Hals bekommen aber es war nett zu lesen.

Gruß

 

Was soll das sein??? :mad:
So ein Müll bietest du uns an??? :xxlmad:
RAUS HIER!!!
UND KOMM NIE WIEDER!!!


hihihi :lol: *dreckigablach*
Ne ne, so schlecht wars nicht, wenn auch die Gedankenschnipsel-Herkunft deutlich zu erkennen ist.

Viel lässt sich nicht über dein kleines Textlein sagen:
alte Idee(wo wir doch grad schon über Originalität und Innovation diskutiert haben ;) ), gekonnt witzig und flüssig umgesetzt.

Vielleicht ist sie irgendwann verrückt geworden.
Ich würd denken, da muss ein "war" hin.

Was mir hier besonders gut gefallen hat, war die sematische Ameisenfußball-Umklammerung des Textes :thumbsup: Wunderbares Stilmittel, das ich dringend selbst mal irgendwo einbauen muss.

Was bleibt mir sonst noch zu sagen, außer:
Akzeptable Leistung, Genosse Gnoebel. Aber es geht sicher noch besser (die Idee betreffend)


gruß
Hagen

 

Moin flashbak, moin Hagen,

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Nicht in den falschen Hals bekommen aber es war nett zu lesen
Das reicht mir hier schon. Danke
Was mir hier besonders gut gefallen hat, war die sematische Ameisenfußball-Umklammerung des Textes
Ja, mit Seemanntischen kenne ich mich gut aus.
Akzeptable Leistung, Genosse Gnoebel. Aber es geht sicher noch besser (die Idee betreffend)
Dank für den ersten, Zustimmung für den zweiten Satz.

 

Greetings gnoebel!

Hehe, als kleine Geschichte für zwischendurch wirklich gut. Sehr angenehm und flüssig zu lesen.

Draußen spielten ein paar Ameisen Fußball mit einem Menschenkopf.

:lol: :D

Mir hats echt gut gefallen!

Mfg Odin

 

Okay, der Schlussgag ist ganz gut. Ansonsten zieht es sich etwas. Fühlte mich etwas an einen Cartoon von Loriot erinnert. Ist auf der DVD von Papa ante portas.
Eine ruhige Geschichte, die statt einer einfachen Idee mit Pointe auch eine tiefgehende, ernsthafte Dystopie hätte werden können, aber auch so ihren Reiz hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Iiieh, wer hat denn unser schönes Forum vergnoebelt??? :D

Also, es ist wie immer: Jedesmal hoffe und bange ich, dass Herr gnoebel den Mut aufgebracht hat, zur Abwechslung mal etwas mit einer gewissen humorigen Ernsthaftigkeit zu verfassen und auch diesmal hatte ich schon die Hände gehoben, um ihm zu applaudieren und dann das:

Draußen spielten ein paar Ameisen Fußball mit einem Menschenkopf.

:heul: Warum tu er das nur immer! WARUM? Buhuhuhu!

Grüße

Dante

 

Moin Odin, Uwe, Dante,

Auch euch erstmal vielen Dank.

Hehe, als kleine Geschichte für zwischendurch wirklich gut. Sehr angenehm und flüssig zu lesen.
Danke
Fühlte mich etwas an einen Cartoon von Loriot erinnert. Ist auf der DVD von Papa ante portas.
Kenn ich nicht. Muß ich nachholen, da ich Loriot für einen der ganz wenigen wirklich witzigen Komi... Come... Humoristen überhaupt halte.
die statt einer einfachen Idee mit Pointe auch eine tiefgehende, ernsthafte Dystopie hätte
Ja, ich hatte die Wahl: entweder Dystopie oder Pointe. Da ich keine Ahnung hab, was eine Dystopie ist, hab ich mich für das andere entschiende. Nebenbei: Was ist eigentlich eine Dystopie? ;)
zur Abwechslung mal etwas mit einer gewissen humorigen Ernsthaftigkeit zu verfassen
Das hier ist doch ernst.
Okay, der Schlußgag ist absurd humorvoller Natur, aber letztlich geht es um zwei Leute, die nach einer Ewigkeit feststellen, daß ihre Welt nicht mehr existiert. Und da ich keine Aliens oder Atomkriege wollte und es zudem zum Anfang paßte, hab ich halt Killerameisen genommen.

 

Und da ich keine Aliens oder Atomkriege wollte und es zudem zum Anfang paßte, hab ich halt Killerameisen genommen.

Ach sooo, dann sei dir natürlich verziehen ... AARGH! ;)

 

Dystopie = Kunstwort aus düster und Utopie. Oder so. Glaube ich.
Ja, es ist ernst, aber wie ich finde, zu sehr auf die Pointe ausgerichtet. Ist aber sicher auch Geschmackssache, drum betone ich nochmal: schlecht ist die Story beileibe nicht, im Gegenteil.

 

Dystopie = Kunstwort aus düster und Utopie.
Heissa, und wieder was gelernt. Das hätte man draus machen können (wäre auch reizvoll), aber Endzeitstorys gibts sicher auch wie Meer am Sand.
Mit der Pointe hast du natürlich Recht, darauf ist der Text zugeschnitten. Geschmackssache, ja.

 

"Also, das Schwarzweiß geht schon mal."
"Ja... wie Ameisenfußball... Sieh nur, Weiß gewinnt."
"Kunststück, sie haben ja auch zwei Mann mehr auf dem Platz."
nennt man das Situationskomik? Weiß ich nicht, aber witzig wars trotzdem
Meine Frau war der untrüglichen Meinung, dass der Fernseher sich vielleicht von selbst reparieren würde, wenn man ihn nur jeden Tag aufs Neue wieder anstellte. Ich hatte keine Ahnung, wie sie auf diese Idee kam, aber ich ließ sie gewähren.
hehe

Hi gnoebel,

ich hatte die Geschichte vor längerer Zeit gelesen und wusste nicht recht, was ich dazu sagen sollte (ja, auch ich kann ab und zu schweigen, wenn es nichts zu sagen gibt).
Heute ist das nicht viel anders, aber ein wenig schon.
Die Gesamtszene erinnert mich ein bisschen an Eve und der letzte Gentleman, da ist doch auch irgendwie so ne Familie in nem Bunker aufgrund eines befürchteten Atombombenangriffs blablabla (hab den Film nicht gesehen).

Was das mit den Ameisen am Ende bedeutet haben soll, ist mir immer noch nicht klar. Sind durch Genversuche oder Laborausbrüche (des Wort gibts natürlich nicht, ich mein damit so was wie ne Atombombenexplosion ... also ... ja), die Ameisen um ein Milliardenfaches gewachsen und haben die Menschheit ausgerottet oder ...??

Aber so als Geschichte hat es mir (natürlich) gefallen, vor allem die Abwesenheit überflüssiger Information hat mir imponiert (bitte nicht falsch verstehen, das ist ein Lob an dieser Geschichte und kein Vorwurf an die anderen; ich will auch nicht gesagt haben, dass die anderen Geschichten solcherlei Infos enthalten).

Gut und kurz: Hat gefallen. Was soll man machen.

Tserk!
Gefundene Fehler:

"Und wenn er gar nicht kaputt ist?", fragte ich um meine Frau zu beschwichtigen.
ichKOMMA
Vielleicht nicht das klügste, was je ein Mensch gesagt hatte, aber es brachte sie zumindest zum Nachdenken und lenkte sie ein wenig ab.
Klügste

Außerdem sind in dieser Geschichte sehr viele "vielleicht"s. Könnte man ändern.

 

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