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23.05.2021
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Mit jedem zweiten Ticken des Sekundenzeigers der großen Wanduhr verhärten sich die Kiefermuskeln ein bisschen mehr. Nur um sich bei jedem folgenden Ticken wieder zu entspannen. Anspannung Stillstand Entspannung. Anspannung Pochen Entspannung. Anspannung Zittern Entspannung. Anspannung Beben Entspannung.


Der Eingangsbereich hat Ähnlichkeit mit einem Krankenhaus, allerdings sind hier nur stationäre Behandlungen vorgesehen. Informationsschalter und Anmeldeschalter in einem zusammengefasst. Optimierung. Den einzigen Anschein einer gewissen Lebendigkeit erweckt zaghaft das Brummen des Kaffeevollautomaten, der neben einer mannsgrossen Kunstpflanze positioniert, sein Dasein fristet. Damit wird mir bewusst, es dürfte sich hier doch um Menschen handeln und nicht, wie dem Ersteindruck geschuldet, um eine Institution voller Surrogate.


Mehrere Personen stehen vor mir in der Warteschlange zur Anmeldeinformation. Oder Informationsanmeldung, wahrscheinlich je nach Bedarf. Schnell wird mir klar, niemand ist sicher, jeden kann es treffen. Entsprichst du nur einem Wimpernschlag nicht dem Leistungsprinzip, das unsere Gesellschaft überflutet hat im wahnwitzigen Glauben an den goldenen Götzen des Fortschritts, dreht dich die Hackordnung im Handumdrehen durch den Fleischwolf. Einmal mit Alles. Und nur wenn du Glück hast, ohne Scharf. Glück bedeuet in dem Fall wohl eine gewisse Grundbildung genossen zu haben, ein gesunder Drang zur Selbstbestimmung und die Option sich überhaupt eine Wahl zu erlauben. Damit kannst du dann schon sehr viel anfangen, ist man bei diesem Service ja zu großen Teilen angehalten mitzuarbeiten und Eigeninitiative zu zeigen.


Arbeits – Markt – Service eben.


„Grüßgott, bitte, was kann man für Sie tun?“


„Grüßgott, guten Tag. Ich möchte mich arbeitslos melden.“


„Na da san's schon amal richtig bei uns. Füllen's des aus, dann schau ma ob Sie überhaupt an Anspruch ham, auf unseren Service. Des is nämlich net so fix wia olle glaubn.“


„Gerne, dankeschön. Gebe ich den Antrag dann bei Ihnen wieder ab?“


„Na, na. Hahaha. Des warad ja no schener.“ Ein süffisantes Lachen entspringt der gepflegten Raucherkehle. „Ham's an Ausweis da? Dann schau ma glei wer für Ihr Geburtsdatum zuständig ist. Dort gebens des dann hin. Alles weitere macht dann Ihr Berater.“


„Das ist aber nett, dass ich hier beraten werde. Hier mein Reisepass.“


„Jö schau, aus Innsbruck das Fräulein. Da san's extra nach Wien kummen um zu uns zu kommen?“ Glucksendes Grunzen. „Heat ma ja goar net so wie's reden. Sie san jo a no jung und sehr ansehnlich wenn i des sogn darf. Na guat, Termin übermorgen um 08:30 ist Ihnen recht? Und Sie wissen eh, die Termine miassen's streng einhalten. Vurschrift. So, bitte do steht alles drauf wo's dann hinmiassen. Na dann, olles Guate Ihnen. Hm...de Tiroler....“


Ich denke mir, zumindest konnte sich dieser Anmeldungsinformationsmensch amüsieren. Vielleicht ja der einzige Lichtblick so eines Tages.

Das AMS – der Partner für Ihre berufliche Zukunft. Wir bieten Vermittlung,


Beratung, Qualifizierung und finanzielle Förderung für Arbeitssuchende und


Unternehmen

DER Partner. In Zeiten der Selbstverpartnerung und der ständigen Suche nach Vervollkommnung des eigenen Selbst durch andere, die meiner Generation die Freude zu rauben scheint, wirkt ein derart offenes Angebot ja fast schon verlockend. Lass uns eine Partnerschaft eingehen, mit einer staatlich geförderten Behörde. Das Ende der so gefürchteten Einsamkeit.


Wie auch in Studenten- oder -Pensionistenheimen üblich, gleicht sich jeder Stock in jeder Zweigstelle des Services wie eine Schneeflocke der anderen. Auf den ersten Schein identisch, von der inneren Struktur der Beschaffenheit dieses Irrsinns jedoch individuell geartet, je nach Charakter des jeweiligen Bewohners. Man weiß nie was einen erwartet, wenn man eine Tür öffnet. Ein Varieté der Sonderbarkeiten, gehüllt in Monotonie, erweitert seine Pforten nur für den, der zu sehen vermag.


Tausende kleine Zellen in tausenden kleinen Zimmern.


Lethargie tropft dickflüssig von den eierschalenfarbenen Wänden und sammelt sich in den Köfpen der Bediensteten, die, ihrer Beratertätigkeit entsprechend als leere Gefäße, emotionslos darauf wartend gefüllt zu werden, ihre Arbeit ver-richten.


Die einzelnen Zimmer sind beschildert, jedem ein eigenes Zeitfenster zugeteilt, nach Geburtstagen geordnet. Wir sind also tatsächlich hineingeboren in dieses System und der Eintrittstag in diese Schöne Neue Welt definiert unsere Schubladenhaftierung im großen Stil. Die Schilder sind bedruckte Papierblätter, provisorisch mit Klebeband befestigt. Ein Gefühl umschleicht mich, diese gesamte Institution sei eine Illusion, könnte sich von heute auf morgen in Luft auflösen oder mit dem tiefen Schlund der Trostlosigkeit einfach verschmelzen und verschwinden. Schilder ab, Kunstpflanze raus und was bleibt, ist ein anonymes, kahles Skelett des Services für die Menschen.


Und so sitze ich auf dem äußersten Platz der Wartebank im 2. Stock vor Zimmer 2.010 „6.8. - 7.9.“, zuständig: Herr Orschewitz.

Ich wurde einer Zweigstelle nahe meines Wohnortes zugeteilt. Angesichts der überbordenden Bemühungen des Services, dem Leistungsprinzip folgend bei ihren sogenannten „Kunden“ eine gewisse Geschäftigkeit und Betätigung zu forcieren, konnte ich mich bei der Verkündung einer gewissen Verwunderung nicht erwehren. Wäre es doch in diesem System der Würdelosigkeit die logische Folge, die am weitesten entfernt liegende Zweigstelle zugewiesen zu bekommen. Damit die Lemminge zu ihrem monatlichen Zählappell schön brav in Bewegung gehalten werden.

Ziel des Arbeitsmarktservie ist gemäß §29 AMSG, im Rahmen der


Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung zur Verhütung und Beseitigung


von Arbeitslosigkeit unter Wahrung sozialer und ökonomischer Grundsätze im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, auf ein möglichst vollständiges, wirtschaftlich sinnvolles und nachhaltiges Zusammenführen von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage hinzuwirken.

Tick Tack. Tick Tack. Tick Tack. Anspannung Entspannung.


Ich nehme langsam eine Broschüre auf, die, lieblos mit anderen Prospekten vermischt auf einem kleinen Beistelltisch nach ein wenig Zuwendung lächzt. In diesem Gebäude etwas in normaler Geschwindigkeit zu tun, erscheint mir als deplatziert und so wage ich langsamen Augenaufschlags einen Blick auf meine Mitinsassen. Ordentlich aufgereiht, den Wänden entlang auf Wartebänke angepasst.


Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt auf der Abgrund in dich hinein. Diese Worte von Nietzsche gehen mir durch den Kopf während meine Augen von einer Gestalt zur nächsten gleiten. Ich fühle mich im Starren ertappt und öffne die Broschüre.

Das AMS Frauenprogramm

Wie auch bei dem Begriff „Frauenquote“ schnürt es mir unwillkürlich kurz den Magen zu.

Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt mit anderen Herausforderungen konfrontiert als Männer. Das arbeitsmarktpolitische Frauenprogramm des AMS ist dafür da, diese Schieflagen auszugleichen.

Ich komme nicht umhin, mir diese Worte im Klang einer Waschmittelwerbung aus den 1950er Jahren vorzustellen.


Arbeitsmarktpolitisches Frauenprogramm. Das sollte man sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen.


Herausforderungen. Ja. Leider wird die tatsächliche Herausforderung in der Berufswelt, sich nämlich maßgeblich mit potenzgesteuerten Männern in Machtpositionen auseinandersetzen zu müssen, und weniger mit Qualifikationen, nicht erwähnt.

Umso gespannter bin ich also welche Herausforderungen und dafür gedachte Lösungen dieses Programm für mich bereithält. Haben sich die Förderer doch offensichtlich viel dabei gedacht. Wir Frauen brauchen ein besonderes Programm. Wir sind ja auch wirklich besonders, richtet man das Augenmerk auf unsere offensichtlich ja selbst geduldete Unterwerfung und autonome Unfähigkeit sich im Urwald patriarchaler Berufsstrukturen zurecht zu finden. Also wunderbar, dass es so ein Programm gibt, denke ich mir, sonst wäre Frau doch verloren.


Fördere den Unterdrücker und bringe dem Sklaven bei sich anzupassen. Selbst im Sumpf gibt es noch Abstufungen, damit jeder genau weiss wo sein Platz ist. Den wirklichen Wert eines Menschen misst man an der Arbeit, der er nachgeht. Wusste schon Marc Aurel.


Es ist offenbar noch zu verzeihen, einfach aktuell nur kein Leistungsträger zu sein. Aber das auch noch als Frau, da braucht es ein spezielles Programm. Ganz klar,


Und so lese ich weiter.

Bildungsangebote:


FiT - -Frauen in Technik und Handwerk


Sie möchten einen Job mit Perspektive, in dem Sie gut verdienen?


Haben Sie schon an eine Ausbildung im Bereich „Technik und Handwerk“ gedacht?


Denn gut ausgebildete Fachkräfte sind am Arbeitsmarkt sehr gefragt – und gut bezahlt


Hier werden also tatsächlich Erkenntnisse vermittelt. Dass man als Frau also nur in sogenannten „technischen Berufen“ (in unserer Gesellschaft auch als „männliche Berufe“ konnotiert) Perspektiven und faire Entlohnung zu erwarten hat, zum Beispiel.


Ich will keine Quote sein. Ich will keine Sonderbehandlung. Ich will keine Programme für meine besonderen weiblichen Bedürfnisse. Ich will keine Vorzüge. Ich will Gleichberechtigung. So viel zum Feminismus. Gleichberechtigung. Sich respektvoll und zuvorkommend den Mitmenschen und Mitlebewesen gegenüber zu verhalten, verbuche ich unter der Rubrik „Selbstverständlichkeit“.


Kein Mann muss mir die Tür aufhalten weil ich eine Frau bin, wenn dies tatsächlich die sehr beschränkte Folge der Gleichberechtigung sein sollte. Aber ich werde sie ihm aufhalten, weil ich ein Mensch bin. Und kein Arschloch. Sind die Dinge doch eigentlich ganz einfach.


Aber auch die wenigsten Arschlöcher wollen ein Arschloch sein, also übe ich mich in Nachsicht.


Abgesehen von dem Frauenprogramm funktioniert das Service nämlich geschlechtsneutral. Als anonymes, stereotypisiertes Nummernsystem. Die Sozialversicherungsnummer. Dein Freund und Begleiter.

Die Tür von Herrn Orschewitz öffnet sich zögerlich einen Spalt. Ein großer, hagerer Mann mit fassungsloser Brille schlurft gebrochenen Schrittes heraus. Ein Blatt Papier gefaltet in der Hand, steuert er, ohne sich umzublicken die Glastüre an, die ihn ins Stiegenhaus und damit in die Welt entlässt.


Es scheint mir wie eine Art unausgesprochenes Gesetz, alle Menschen mit Papierblättern in ihren Händen, immer zum Kampf gegen die Bürokratie bereit gezückt. Die ordentlichen unter ihnen schützen diese offenbar wichtigste Utensil mit einer Plastikfolie.


Man gleicht sich an ohne es zu merken, sitze ja auch ich mit meinem ausgefüllten Auftrag in Händen hier. Gespannt warte ich darauf aufgerufen zu werden.

 

Nabend @Souleika,

für uns Leser ist es bedeutend besser, wenn du den Text ein wenig im Umbruch korrigierst. Oben rechts über dem Text siehst du 3 Punkte, da klick drauf und dann auf Text bearbeiten.

Beispiel wie es korrekt ist:

Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung zur Verhütung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit unter Wahrung sozialer und ökonomischer Grundsätze im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, auf ein möglichst vollständiges, wirtschaftlich sinnvolles und nachhaltiges Zusammenführen von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage hinzuwirken.
Lass die Absätze, die einen Sinnzusammenhang haben auch zusammen. Erst wenn Person oder Situation bspw. wechseln, kannst du ne Leerzeile reinhauen. Wenn du beim Einfügen eines Textes mit der rechten Maustaste ins Textfeld klickst, sollte eigentlich "Als reinen Text einfügen" stehen, so dass die Formatierungsbefehle aus Textverarbeitungen weitestgehend entfernt werden.

Grüße
Morphin

 

Servus Souleika!

Ich kenne den Text nur in seiner jetzigen äußeren Form. Auf mich wirkt die Absatzgestaltung lieblos, nicht dem eigentlichen Sinn entsprechend, nämlich sinngemäß zu erfolgen. Du hast einfach alle paar Zeilen eine doppelte Zeilenschaltung durchgeführt als würdest du Strophen eines Gedichts voneinander abgrenzen.
Dein Text erscheint mir als Klagelied einer sozial Gestrandeten, die alles und jeden für ihr persönliches Ungemach verantwortlich macht und quasi im Gegenreflex denunziert. Aus jedem Satz tropft Frust.
Ich erkenne keine Geschichte, kein persönliches Erlebnis, nichts, was mich nachdenklich stimmen oder für deine Prota Empathie empfinden lassen könnte. Der Text wirkt auf mich zu berichthaft, in seiner anklagenden Art fast schon propagandistisch; sprachlich durchaus bemüht, wenngleich da und dort auch schon wieder überstrapaziert.
Würdest du ein intensives persönliches Erlebnis als zentrales Element in deinen AMS-Rundgang einbauen, bildhaft aufzeigen, weniger berichten, um nicht zu sagen, zu behaupten, etwas, das deine Figuren lebendiger macht, könnte es eine gute Geschichte werden, die auch etwas aussagt.

Netten Gruß,
Manuela :)

 

Hallo @Souleika,

ich habe deine Geschichte gerne gelesen! Teilweise merke ich, dass dort bestimmt viele Gedanken reingeflossen sind und sprachlich ist es, finde ich, teils gut, teil mäßig und andere Stellen finde ich besonders toll. Es wurde schon gesagt, aber ich denke, wenn man eine richtige Handlung, mit Spannungsbogen vielleicht, erzählen könnte, und dafür die bereits fertigen Bauteile nimmt, kann daraus ein grandioser Text werden. Die Figur sollte auch noch etwas ausgefüllt werden. Jetzt wirkt es etwas abgehakt, fast wie Notizen, die noch ein wenig sortiert werden müssten. Den Dialekt fand ich übrigens sehr schön!

Danke für den Text, hat Spaß gemacht den zu lesen!

Viele Grüße!
Max

 

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