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An jenem Abend

Seniors
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30.08.2001
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An jenem Abend

An jenem Abend war sie eine Ballade, ein wehmütiges Lied über meinen Lenden. Sanft bewegte sie ihr Becken vor und zurück. Sie ritt mich. Nicht fordernd. Nicht ungeduldig. Nicht an jenem Abend.
Unentwegt sah ich sie an, wie sie sich auf mir wiegte. Ihr Rhythmus war erregend. Synchronisierter Atem hauchte die Begleitung. Ihre Seufzer waren die Melodie. Wir liebten uns in Moll.
Ich lag einfach nur da und ließ es geschehen. Steif wie nie steckte mein Schwanz in ihr – als wäre ich eine Maschine, bar jeden Gefühls, nur ein Programm ausführend.
Fragmente sinnhafter Gedanken stolperten durch meinen Kopf, sanken nieder, krochen verzweifelt aufeinander zu und fanden dennoch nicht zueinander. Sie konnten sich nicht vereinen, so wie wir es konnten.
Ich fand keine Worte, versagte in diesem Moment so endgültig, daß es schmerzte. Ein Gott ohne Himmel, ein Vogel ohne Flügel, ein jämmerlicher Poet auf der ohnmächtigen Suche nach einer einzigen Silbe, einem einzigen Laut.
Sie war der Mutterleib meiner embryonalen Sehnsucht. Die Liebe, die ich nie zu erhoffen gewagt hatte. Mein Fundament in einer verrückt gewordenen, haltlosen Welt.
Sie war so schön, so stark, so vollkommen. Und doch so abstoßend, so zerbrechlich, so unfertig. Ich wollte ihr das Herz brechen, es herausreißen, ihr das meine geben, in der Hoffnung, sie könnte mich verstehen. Dummkopf, der ich immer schon gewesen war.
Sie ritt mich auf einen farbenprächtigen Regenbogen zu, der sich über unserer zweisamen Erde gebildet hatte. Aber ich wußte, daß es lediglich ein schillerndes Trugbild war. In einer Dunkelheit wie an jenem Abend erblüht kein Regenbogen. Dazu bedarf es der Sonne. Und dennoch, dennoch...
Ich krampfte meine Finger in das Laken. Die verstörende Erregung ließ mich erzittern. Ich wollte noch nicht... Ich konnte noch nicht...
Mein Gott, bitte, wenn es dich gibt – laß es mich zurückhalten. Bis in die Ewigkeit. Bis an das Ende aller Tage. Und darüber hinaus. Richte mich noch nicht... nicht heute... nicht heute!
Sie stöhnte. Beugte sich vor. Legte ihre Hände auf meine Brust. Sie kam. Sie kam, um zu gehen. Wurde schneller. Bedacht auch auf mein Glück. Wie gerne hätte ich verzichtet.
Doch der Reiz war zu intensiv, als daß ich hätte widerstehen können. Es glitschte und pochte und rieb und saugte. Sie keuchte, wilderte auf mir herum, plünderte und brandschatzte. Fickte mich. Fickte meinen Schwanz. Fickte meine Seele. Fickte meine Liebe.
Sie nahm sich, was ich ihr noch zu geben hatte. Und ich gab es ihr, gab es ihr mit einem stummen Schrei, während mir Tränen die Wangen hinabliefen.
Als es vorbei war, stützte sie ihre Hände neben meinen Schultern auf dem Laken ab. Lange schwarze Haare streiften mein Gesicht, verwischten die Tränen zu einem farblosen Ornament. Ihre Brüste ruhten mit einer verschwitzten Hitze auf mir. Ich spürte die Härte ihrer Brustwarzen.
Als ich sie küssen wollte, drückte sie meinen Kopf auf das Kissen zurück und sah mich an. Ihre blauen Augen waren plötzlich wie eisige Seen. Schockgefroren.
Ihr Atem streichelte mein Gesicht. Ich wollte etwas sagen. Was auch immer. Etwas mußte ich doch sagen. Aber sie legte mir ihren Zeigefinger auf die Lippen.
Sie hatte recht. Es war alles gesagt. Wir hatten uns ausgesprochen. Es war vorbei. Dieses eine Mal noch. Bittersüßer Abschied. Das war die Abmachung.
Vorsichtig glitt sie von mir herunter. Ich war geschrumpft. Ich war leer.
Sie ging hinüber ins Badezimmer. Was sie nie getan hatte, tat sie an jenem Abend. Sie duschte danach. Sie wusch mich fort. Reinigte sich für den Neuen.
Ich war wie aus Stein, zu keiner Regung fähig. Lag da und starrte auf die Tür. Sie kam wieder herein. Angezogen. Wie schön sie doch war. Sie trat an das Bett heran. Beugte sich zu mir hinunter. Ein letzter Blick, ein letzter Kuß. Eine Träne benetzte meine Stirn. Sie weinte. So kannte ich sie gar nicht.
„Ich liebe dich“, flüsterte ich.
Sie atmete schwer aus. Dann drehte sie sich um, griff nach dem Koffer und ging. Als die Wohnungstür ins Schloß fiel, preßte ich meine Hand auf den Mund und taumelte aus dem Bett. Ich schaffte es gerade noch bis zum Waschbecken.

 

Hallo somebody,

hat zwar schon ne kleine Zeit hinter sich, deine Geschichte, aber nach dem Durchstöbern der Empfehlungen (wollte ma gucken, welche Messlatte in dier Rubrik so gilt, da ich selbst gerade an einer Story für r/e schreibe :D) bin ich darüber gestolpert - und darin versunken. Wirklich beeindruckend, wie du die Erotik rüberbringst, das Prickeln. Erst sanft, dann heftig, doch immer mit dem Hauch der Melancholie, die den Rahmen der Geschichte bildet.
Ich konnte den Schmerz deines Protagonisten spüren, aber ich war ihm auch auf anderen Pfaden ganz nah ;)
Sprachlich wirklich schön umgesetzt, agemessene Länge und eine gelungene Auflösung!
Lediglich die letzten beiden Sätze empfinde ich als störend.

Als die Wohnungstür ins Schloß fiel, preßte ich meine Hand auf den Mund und taumelte aus dem Bett. Ich schaffte es gerade noch bis zum Waschbecken.
Das ist zuviel. Die Leere deines Prots würde viel mehr Nachdruck haben, wenn du ihn einsam in dem nun leeren/ kalten Bett zurück lässt.

ansonsten hat mir die kg ausgesprochen gut gefallen :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Tach Weltenläufer (natürlich auch an Bernadette und Elisha, sollten sie das hier noch lesen),

hat zwar schon ne kleine Zeit hinter sich, deine Geschichte,
Dann passt es ja zu meiner erstaunlichen Reaktionszeit auf die Kritiken :D

wollte ma gucken, welche Messlatte in dier Rubrik so gilt, da ich selbst gerade an einer Story für r/e schreibe :D
Rubrik Romantik/Erotik ... Messlatte ... schätze, du bist, fernab von kauzigen Synonymen wie Lustpfahl oder Schwengel, auf dem richtigen Wege :D

Danke für deinen wärmenden Worte. Muntert auf, so etwas. Schlage mich seit geraumer Zeit mit meiner x-ten Schreibblockade rum.

Hm, die letzten beiden Sätze gefallen mir selbst als Abschluss ganz gut. Würde sie nur ungern entfernen wollen.


@ Elisha
Das „Überall“ fliegt raus. Hast recht.

Wenn er in zwei Fällen auch schon etwas Patina angesetzt hat: Dank an euch drei!

Gruß,
Some

 

Ich find die Regenbogenmetapher an sich vielleicht ein bisschen zu viel des guten, aber ansonsten muss ich ganz ehrlich sagen, Respekt! Die Stimmung wird optimal vermittelt - die Geschichte geht ab wie eine Rakete, selten hatte ich so deutliche Bilder im Kopf.

Weiter so! Beste Grüße
Rian

 

Hallo Somebody,

Amy sang gerade "Tears dry on their own" als ich über die Geschichte stolperte. Und aus den verschiedensten Gründen habe ich jetzt Gänsehaut. ;)

Meine untertänigste Verbeugung für die wunderbaren Bilder. Der Soul, den Du in dieses letzte Mal legst, geht unter die Haut.

Ist natürlich auch ein ganz billiger Trick, das mit dem Plot! Also kommt jetzt Schwierigkeitsstufe 10: Schreib uns eine erotische Geschichte, in der sich zwei glücklich Liebende vereinen - und die mindestens genauso gut ist! :D

Liebe Grüße
melisane

 

Tach zusammen,

@ Rian
Freut mich ungemein, dass Dir die Geschichte gefallen hat. Und danke, dass Du so tief im digitalen Archiv von kg.de rumgekramt hast.

@ melisane

Der Soul, den Du in dieses letzte Mal legst, geht unter die Haut.
Eieiei (passend zum Osterfest). Das ist ein großes Lob. Danke.

Ist natürlich auch ein ganz billiger Trick, das mit dem Plot! Also kommt jetzt Schwierigkeitsstufe 10: Schreib uns eine erotische Geschichte, in der sich zwei glücklich Liebende vereinen - und die mindestens genauso gut ist! :D
Was mich betrifft, liegt eine solche Geschichte jenseits aller Schwierigkeitsstufen. Wollte immer etwas derartiges schreiben, aber ich krieg´s einfach nicht hin. Doch wer weiß, eines Tages möglicherweise ...

Jedenfalls, nochmals bedankt euch beiden,
Some

 

WOW!
stimmige Bilder, angenehmer Sprachrhythmus und verdichtete Atmosphäre. Eine schöne Geschichte die du hier erzählt hast und ein Beweis dafür, das es sich immer wieder einmal lohnt sich älteren Geschichten zu widmen.
Einziges Manko: Der Titel
Der wirkt so trivial und losgelöst von der Geschichte, als wollte er eigentlich eine ganz andere langweilige Geschichte einleiten.

Danke für die Kurzweil, ich bin immer wieder beeindruckt über was für Schätze man hier stolpern kann wenn man sich ein wenig tiefer ins Forum gräbt.

les' dich
Nice

 

Tach Nice,

hey, danke für die überaus positive Rückmeldung zu meiner Geschichte. Angesichts meiner hilflosen Versuche, in den letzten Monaten etwas auch nur annähernd Gescheites zu Papier zu bringen, ist das ´ne kolossale Aufmunterung.

Zugestanden, der Titel kann mit „Der Mitternachts-Fleischzug“ (Clive Barker) oder „Das Bananengummiboot ritt in den Sonnenuntergang“ (unser aller Cerberus81) nicht konkurrieren, aber er scheint mir für die Geschichte stimmig zu sein.

Großen Dank fürs Lesen und Gutfinden,

Some

 

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