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Ana
SIE hat gesagt, wir könnten Freunde bleiben
Es ist dann der erste Fick meines Lebens. Sie versucht irgendwie sexy zu wirken, aber eigentlich will sie es nicht. Und ihr hellblauer Slip hängt über dem Stuhl. Ihr Gesicht verschwindet, ihre Brüste verschwinden. Ich bumse sie unkonzentriert und wenn da vorher etwas zwischen uns gewesen wäre, irgendwas mit Gefühl, dann wäre es jetzt tot. Wir sind zwei Menschen in zwei Welten und geben und keine Mühe, das vorm anderen zu verheimlichen.
Als ich denke, dass es vorbei ist, hoffe ich nur noch, dass ich den Bus nicht verpasse.
- Hallo, sage ich, sollen wir mal die Luft aus den Gläsern lassen?
- Ha, ha, lacht sie übertrieben und bemüht sich erst gar nicht, ihre geringe Begeisterung zu verstecken.
- Das habe ich ja noch nie gehört.
- Ich bin ja auch witzig.
- Dürfte ich dich was fragen?
- Sicher, meine ich.
- Du sprichst mich an, weil alle anderen Mädchen unerreichbar für dich sind und du denkst, dass ich mich auf dich einlasse, oder?
Nur für einen kurzen Moment bin ich verdutzt. Dann antworte ich.
- Genauso ist es. Dürfte ich dich auch noch was fragen?
- Natürlich.
- Und du wirst dich auf mich einlassen, weil du weißt, dass dich nie jemand anspricht, der auch nur annähernd aussieht wie Brad Pitt?
Sie nickt.
- Die Tatsache, dass ich mich im Tierschutz engagiere und dass ich gut zuhören kann und Pazifistin bin, machen mich nicht unbedingt sexy, oder?
- Nein, antworte ich, innere Werte machen nicht sexy. Das sagen die Schönen zu den Hässlichen, um sie zu trösten oder weil sie keine Ahnung haben. Ich meine, du bist nicht hässlich, du bist einfach nur gewöhnlich.
- Ich weiß.
- Aber mein Humor und meine Gabe, Menschen zu trösten, täuschen auch nicht darüber hinweg, dass meine Zähne ein wenig schief sind und ich eigentlich aussehe wie mein kleiner Bruder.
- Das steht fest.
- Und wir werden gleich miteinander schlafen, weil der andere weiß, dass er nie etwas besseres bekommen wird. Es ist so, als wüsste man, dass man 40 Jahre lang das selbe Gehalt bekommt und einem deshalb klar ist, dass man sich den Porsche nie wird leisten können.
- So ist es. Oben ist gerade ein Zimmer frei geworden. Bringen wir es hinter uns?
Ich nicke.
Als ich ins Haus zurückkehre, sehe ich sie alleine an der Theke stehen, ein halbleeres Glas in der Hand haltend. Sie ist nicht sonderlich schön, aber es reicht mir, dass sie mich nicht anekelt. Genau genommen, ist sie ideal für mich.
Ich betrachte sie genauer. Auf ihrem schwarzen Shirt steht in weißen Buchstaben "Zicke". Ich fand das noch nie komisch, doch ich habe heute ohnehin nicht vor zu lachen. Ihr Rock endet ein paar Zentimeter über den Knien. Er sieht neu aus. Ihre Schuhe sehe ich mir nicht mehr an. Ach ja, sie hat Brüste. So ganz okay.
SIE sagt, dass SIE mich nicht liebt, aber wir können ja Freunde bleiben. SIE sagt es höflich, aber IHRE überlegene Reife in IHRER Stimme macht mich rasend. Ich wünsche mir, dass SIE alt wird. Ich wünsche mir, dass SIE anfängt zu stinken und dass IHRE Haare ausfallen. Niemand soll SIE je berühren.
- Ich möchte nicht, dass wir Freunde bleiben, sage ich ruhig, denn Freunde ficken nicht miteinander und Freunde wachen nicht nebeneinander auf.
Ich treffe sie auf der Holzbank am See. Es ist fast halb eins, eine ungewöhnlich warme Julinacht. Die Party hat nicht den erhofften Erfolg gebracht. Ich fühle mich schlecht und will nur noch alleine sein. Die Bank ist dazu immer der ideale Ort gewesen. Schon als Kind bin ich dort immer hin geflohen, wenn wieder einmal etwas anders gelaufen ist, als ich mir das vorgestellt habe.
Doch jetzt ist sie da und ich besitze nicht die Dreistigkeit, sie zu verjagen. Also setze ich mich einfach neben sie. Sie blickt zu mir herüber und ich sehe in ein Gesicht, das ich auf Anhieb mag. Ihre Haare sind braun und schulterlang. Sie wirkt niedergeschlagen, aber mir scheint es zu platt, sie darauf anzusprechen. Also schweigen wir eine Weile und suchen irgendwas mit den Augen im See.
- Kommst du häufiger hierhin? frage ich schließlich.
- Geht so, antwortet sie ausdruckslos und eigentlich denke ich, sie wolle noch etwas hinzufügen, doch sie schweigt.
- Ich komme hier immer hin, wenn ich in Ruhe nachdenken will, sage ich.
- Darf ich fragen, worüber du nachdenkst?
Ich scheine, ihr Interesse geweckt zu haben.
- Das ist nicht ganz einfach, antworte ich, sagen wir: Manchmal erwidern Menschen deine Liebe nicht.
- Mädchen?
- Zum Beispiel. Sie sagte, wir könnten Freunde bleiben, aber ich habe erwidert, dass Freunde einige Dinge nicht miteinander machen.
- Es war heute Abend, richtig?
Ich nicke.
- Es ist keine 20 Minuten her.
- Und war es das erste Mal?
- Nein, genauer genommen passiert mir das ständig. Und wenn sich ein Mädchen in mich verliebt, dann kann ich ihre Gefühle nicht erwidern.
Sie seufzt.
- Ich weiß genau, wovon du sprichst. Vor einer halben Stunde hat mir der Junge, der mir seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf geht, gesagt, dass er für mich nie mehr als freundschaftliche Zuneigung empfinden wird.
- Tut mir leid.
- Warum? Du kannst ja nichts dafür.
- Trotzdem. Wenn man Liebe doch so einfach abstellen könnte und anschalten, wie es es einem beliebt. Das würde vieles einfacher machen.
- Und schmerzloser.
Sie lacht fast.
- Hattest du je eine Freundin?
- Nicht wirklich. Es gab mal so etwas wie einen Flirt im Urlaub, aber wir haben und nicht einmal geküsst.
Überrascht bemerke ich, dass sie ihren Kopf an meine Schultern gelehnt hat. Doch mehr als Zuneigung empfinde ich nicht und das macht mich wütend.
Ich fahre fort.
- Und ich zerbreche mir jeden Tag den Kopf darüber, warum das so ist.
- Aber?
- Nun ja, vielleicht... also abstoßend sehe ich nicht aus, ich bin einfach nur ein wenig...mmm anders. Ich trage mich nicht öffentlich zur Schau, ich mag keine schnellen Autos und ich liebe die Beatles. Und wenn alle vorm PC sitzen oder in der Disco sind, liege ich auf meinem Bett und schreiben auf, was ich denke. Und mein Bücherregal quillt über. Ich mag Sartre und Kerouac. Vielleicht kann ich damit kein Mädchen beeindrucken.
- Denkst du, ich könnte das Herz eines Jungen gewinnen, wenn ich ihm erzähle, meine größten Hobbys seien die moderne Malerei und der Existentialismus? Die wollen doch eine Freundin, die alle zwei Wochen zum Friseur rennt, ihre Freizeit in Boutiquen verbringt und Abends blendend aussieht. Einmal habe ich einem Jungen meine Bilder gezeigt, doch er hat nur gelacht und gefragt, was das denn sein solle.
Ich lege den Arm und sie und beschließe, mich um sie zu verlieben. Ich habe noch nie ein Mädchen getroffen, das mir so ähnlich ist. Doch es funktioniert nicht.
- Was ist dein größter Wunsch? fragt sie.
- Nicht mehr alleine aufzuwachen, antworte ich.
Sofort ist mir klar, dass ihr Wunsch der selbe ist.
Auf einmal lacht sie.
- Was ist? frage ich.
Sie löst sich aus meiner Umarmung und richtet sich auf.
- Weißt du, eigentlich wäre es die logische Konsequenz, wenn wir beide jetzt ficken würden oder rumfummeln oder uns anfassen würden. Auf jeden Fall irgendwas tun, was mit Liebe zu tun hat. Aber wir sind nun einmal nicht ineinander verliebt.
- Obwohl wir uns so ähnlich sind.
- Die Liebe ist eben nicht lo...
- Bitte spricht nicht wie eine Mädchenzeitschrift.
Sie grinst und zieht sich ihr Shirt aus und den Rock, dann ihre Unterwäsche.
- Lass uns schwimmen gehen.
Ich lache erleichtert auf und ziehe mein Hemd aus, meine Jeans, dann meine Shorts. Als ich ins Wasser springe, bin ich froh, dass ich mich nicht in sie verliebt habe. Ich denke wieder an SIE.