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Angenehme Reise
Angenehme Reise
Mit einem teuflischen Grinsen betrachtete er noch einmal sein Werk. Den weißen 850er BMW, die Fahrertür geöffnet. Blut, dunkles Blut, verschmiert auf dem Sitz, an der Tür, auf dem Waldweg.
Ein geöffneter Koffer, verstreute Kleidungsstücke. Seine Kleider, sein Blut, das er sich in den letzten
Wochen abgezapft hatte. Jeder würde glauben, dass er, Mark Grota, einem Überfall zum Opfer gefallen war. Doch seine Leiche würde man nie finden...
Mark ergriff den schwarzen Aktenkoffer, in dem sich sein neues, ergaunertes Leben verbarg.
Es wird Zeit dachte er und machte sich auf den Weg zur einsam gelegenen Hütte seines Onkels.
Alles war bis ins Kleinste geplant. Drei falsche Pässe würden dafür sorgen, dass niemand die Spur
verfolgen konnte. Für seine Gläubiger wäre er tot. Und seine Frau Vera? Die war sowieso zu dämlich,um irgend etwas zu begreifen.
Mark schüttelte den Kopf. „Angenehme Reise!“ , hatte sie ihm gewünscht. Sie sagte immer „Angenehme Reise!“ , wenn er seine Koffer packte, um aus geschäftlichen Gründen das Haus zu verlassen. Diese beiden Worte, er konnte sie nicht mehr hören.
Mark grinste. Nein, er würde sie auch nicht mehr hören, nie wieder.
Jetzt gab es nur noch ein Problem. Tanja, seine langjährige Geliebte. Er war ihrer längst überdrüssig, doch sie wusste zu viel von ihm, viel zu viel.
„ Ich werde dein neues Leben mit dir teilen“, hatte sie gesagt und der Ausdruck ihrer Augen hatte keinen Widerspruch geduldet.
In vier Stunden erwartete er sie mit seinem und ihrem gepackten Koffer, so war es geplant.
Doch er dachte nicht daran, sie mit zunehmen. Seine Hand umklammerte die Aktentasche noch fester. Fünf Millionen Euro, sein Geld. Er hatte nicht vor, auch nur einen Cent mit jemandem zu teilen.
Triumphierend blickte er sich um. Der Wald war groß, keine Seele würde Tanja vermissen.
Er hatte die Hütte erreicht, öffnete die Tür...und erschrak. Er fühlte, da war jemand. Noch bevor er sie im Zwielicht des nahenden Abends sah, roch er das Parfüm.
„ Oh“ , sagte er, „ schon da?“
Sie antwortete ihm nicht, stand regungslos in einer dunklen Ecke des Zimmers und starrte ihn an.
Marks Hirn arbeitete fieberhaft. Er mochte es ganz und garnicht, wenn sie seine Anweisungen nicht korrekt befolgte. Wieso war sie schon da? Was hatte das zu bedeuten?
Plötzlich spürte er es, das Unheil, das sich ihm näherte und dabei war, seinen genialen Plan zu zerstören. Was dann geschah, schien sich in unwirklicher Zeitlupe abzuspielen.
Sie verließ den Schatten. Er sah ihre Hand. Finger mit rot lackierten Nägeln, die sich um eine Pistole geschlossen hatten. Er sah ihr Gesicht. Ungläubiges Staunen flackerte in seinen Augen. Sein Mund öffnete sich, doch kein Ton verließ seine Kehle. Er spürte keinen Schmerz, als die Kugel ihn durchbohrte.
Das Letzte was Mark vernahm, bevor er ins Nichts versank, waren ihre Worte: „ Angenehme Reise!“
Der erste Stern funkelte am Himmel, als Vera die Hütte verließ.