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Angst vor morgen

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17.02.2005
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Angst vor morgen

Angst vor morgen

Er lag auf seinem schmutzigen, kargen Bett und starrte den sich langsam kreiselnden Ventilator an der Decke an. Die grellen Neonreklamen der Straße warfen ihr blitzendes Licht in sein Schlafzimmer. „So weit sind wir gekommen.“ dachte er sich. „Glück und Wohlstand für jeden. Und wo bleibt das Glück?“ Mark war nie wie alle anderen gewesen. Er verabscheute die an jeder Straßenecke stehenden Amusement Clubs, welche mit ihren verschiedenen Motiven, Musikstilen und Unterhaltungsspielen eine Form von Abwechslung suggerieren wollten. Tatsächlich aber waren sie alle gleich. Sie sollten von der Eintönigkeit und Kälte des Lebens und Arbeitens ablenken, indem sie mit bunten Bildern, lauter Musik und für den Körper angeblich völlig harmlosen Drogen das Bewusstsein betäubten. Er hatte einmal einen solchen Club besucht. Es war das erste und letzte Mal gewesen. Er hatte Männer gesehen, die schrill kichernd in den Sesseln saßen, den Blick starr geradeaus ins Leere gerichtet. Überdimensionale Videobildschirme hatten unentwegt verkündet, welche Artikel man kaufen sollte, um restlos glücklich zu werden.
Das schlimme war, dass es kaum jemanden gab, der nicht daran glaubte. Man wurde jederzeit und überall mit Werbebotschaften überschwemmt, was einen, wenn man nicht aufpasste, schnell zu einem Materialisten machte. Die Gesellschaft war geprägt von Konsum, geistloser Unterhaltung und Arbeit. Besonders Arbeit. Sie war meist so schmutzig und deprimierend, dass man es nicht lange durchstehen konnte. Es sei denn, man besuchte die Amusement Clubs. Deshalb waren sie erdacht und erbaut worden. Um den Arbeitern einen Anreiz zu geben, und um zu verhindern, dass sie durchdrehten. Sie waren für viele der einzige Antrieb. Oasen der Betäubung. Und so ging es Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Arbeiten, Amusement Club, Arbeiten, Amusement Club.
Die jüngste Generation hatte keine Ahnung, dass es einmal anders gewesen war. Und diejenigen, die sich noch erinnerten, verdrängten es. Die Verlockungen der Spaß- und Konsumgesellschaft waren zu hoch, als das irgendjemand seine Zeit mit Nachdenken hätte verschwenden wollen. Hinzu kam, dass Bildung klein geschrieben wurde. Ganz besonders Geschichte. Niemand sollte sich an irgendetwas erinnern. Arbeiten und Betäuben war der Lebensinhalt eines jeden.
Er blickte aus dem Fenster. Die Neonreklame pries einen Raumgleiter an, mit dem man „der Herr der Lüfte“ würde. Regenwasser rann über das bunte Bild. Es regnete ständig. Eine Folge der vielen chemischen und nuklearen Kriege. Natürlich wussten das nur wenige. Er wusste es. Und das nicht zufällig. Er richtete sich auf und verzog das Gesicht, da sich seine bohrenden Kopfschmerzen wieder bemerkbar machten. Sie verschwanden niemals völlig, änderten sich nur in der Intensität des Schmerzes. Er kannte den Grund. Es waren die giftigen Chemikalien, mit denen er jeden Tag die Militärtransporter reinigen musste. Das war seine Arbeit, zu der er gesetzlich verpflichtet war. Ein jeder, der nicht arbeitete, wurde auf einen der Gefägnisplaneten versetzt, auf denen die durchschnittliche Überlebenszeit Gerüchten zufolge nur wenige Stunden betragen sollte.
Er hatte sich freiwillig für die Arbeit als Reinigungskraft entschieden. Nicht, weil er für die Arbeit besonders gut geeignet war, und erst recht nicht, weil sie ihm Spaß bereitete. Er hatte nur, wie alle anderen, gar keine andere Wahl. Jeder Job war geprägt von Monotonie und Geistlosigkeit, war aber zugleich körperlich enorm anstrengend. Arbeiten, die leichter fielen, mit einem höheren Einkommen vergütet wurden, oder sich in sonst einer Art von den stumpfsinnigen Strapazen der einfachen Bürger unterschieden, wurden seit Generationen familienintern vergeben. Auch das war vielen nicht bekannt, aber er wusste es, und er kannte auch den Grund. Die Personen, welche die hohen Posten in Politik und Wirtschaft besetzten, waren die Nachkommen derer, die nach dem dritten Weltkrieg über enorme finanzielle Möglichkeiten verfügt hatten. Dabei war es egal, ob es Politiker, ehemalige Offiziere oder sogar Popstars gewesen waren. Reichtum war unersetzbar gewesen, und er hatte bewirkt, das die Ururenkel dieser wohlhabenden Menschen heute zu den wichtigsten und mächtigsten im Land zählten.
Sein Ururgroßvater war ein armer Schlucker gewesen. Aber er hatte ihm etwas hinterlassen, das viel wertvoller als Geld war: Erinnerung. Erinnerung in Form von Sach-, und Tagebüchern sowie sonstiger Aufzeichnungen, die im zeigten, das die Welt einmal anders ausgesehen hatte. Nicht wie die heutige Welt, die ihr kaltes, hässliches, von Krieg und Verzweiflung entstelltes Gesicht hinter einer Maske aus Konsum und sinnentleerter Unterhaltung versteckte.
Sein Ururgroßvater bewies in der Nachkriegszeit enorme Weitsicht, indem er so viele Informationen wie möglich sammelte und aufbewahrte. Dann wurden sie von Generation zu Generation weitergegeben, bis sie nun letztendlich in seinem kahlen Zimmer aufgetürmt an der Wand lehnten. Es war nicht verboten, diese Dinge zu besitzen, denn der Regierung war klar, dass ein einzelner Mensch, der sich erinnerte, nicht gefährlich werden konnte. Es gab weltweit viel zu wenige, die sich dieselbe Mühe gemacht hätten, und wer würde ihm schon zuhören? Es gab schließlich die Amusement Clubs.
Allerdings gab es noch ein wesentlich schwerwiegenderes Problem. Der Sinn dieser Unternehmung bestand darin, dem Vergessen vorzubeugen. Sein Ururgroßvater hatte die Absicht gehabt, dass jede Generation der Sammlung neue Informationen hinzufügen sollte. Was er allerdings nicht ahnen konnte, war, dass die Informationsquellen schon sehr bald gar nicht mehr existieren sollten. Schon Marks Urgroßvater konnte nur sehr schwierig neues Wissen hinzufügen, da Bildung und Berichterstattung von Werbung und Unterhaltung zunehmend verdrängt wurden. Also konnte ab einem bestimmten Punkt nur noch spekuliert und beurteilt werden. Doch selbst das war nicht umsonst gewesen. Mark konnte durch diese Aufzeichnungen die Entwicklung der jetzigen Gesellschaft zurückverfolgen, und einige Dinge verstehen, deren bloße Existenz seinen Mitbürgern unbekannt war.
„Sinnlos!“ dachte er sich. „Ich verstehe die Welt, aber ich kann sie nicht ändern.“
Damit hatte er nicht Unrecht. Das Verlangen des Volkes nach Informationen und Wahrheiten war innerhalb eines Jahrhunderts komplett ausgelöscht worden. Und für jemanden wie ihn, der sich erinnerte, blieb nur die simple Angst vor morgen. Die Angst vor der nächsten Entwicklung, die das Volk noch dümmer und blinder machen würde. Die Angst, dass der Krieg in die Stadt getragen würde, wovon die Lemminge in ihren Amusement Clubs völlig überrumpelt würden. Und die Sehnsucht nach Liebe. Er kannte das Gefühl nicht, aber es war ein zentraler Punkt der gesamten Aufzeichnungen, etwas das sein Großvater als „einzigen Grund zum Leben“ bezeichnete. Auch sein Vater hatte in den höchsten Tönen davon geschrieben, aber am meisten beeindruckten ihn die Schilderungen seines Urgroßvaters. Er hatte in seinem Tagebuch vermerkt, dass selbst Momente größter Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit erträglich wurden, wenn man nur von jemandem geliebt wurde. Dieses Gefühl schien ihm ein Rettungsanker zu sein, etwas durch das selbst die schmutzige und verregnete Stadt wieder schön wirken könnte. Aber er kannte es nicht. Im Alter von zwei Jahren waren seine Eltern verstorben, und er hatte keinerlei Erinnerung an sie. Er war im Waisenhaus aufgewachsen, in dem die Betreuer aufgrund der großen Masse an Kindern gar keine wirkliche Liebe geben konnten. Und er hatte nie eine Frau geliebt. Er war verheiratet gewesen, doch eine Beziehung bestand mittlerweile mehr aus Distanz als aus Nähe. Da sowohl Frauen als auch Männer mit 14 zum Arbeiten verpflichtet wurden, sahen sich beide Partner den ganzen Tag nicht, um sich danach in den Amusement Clubs noch weiter voneinander zu entfernen. Marks Frau hatte sich scheiden lassen, weil er nicht mit in die Clubs ging. Die ganze Ehe hatte drei Monate gedauert.
Sein kleiner Bildschirm in der Wand verkündete, dass es 7:30 Uhr sei, und er zur Arbeit aufbrechen müsse. Mit steifen Gliedern kroch er aus dem Bett, wobei ihm leicht übel wurde. Er schluckte zwei Koffeintabletten, und verließ danach gebückt seinen Wohnkomplex, der grau und dunkel vor dem verregneten Himmel aufragte.

Er sah sie erst, als es bereits zu spät war. Er war mit raschen Schritten um die Ecke gebogen, den Blick auf die Straße geheftet, ganz in Gedanken versunken, und prallte in vollem Lauf gegen das Mädchen, das nur noch ein erschrecktes „Oh!“ ausrufen konnte. Er war dabei selbst so überrascht gewesen, das er auf dem nassen Straßenbelag das Gleichgewicht verloren hatte, und der Länge nach hingefallen war. Leise fluchend rappelte er sich vom Boden auf, nicht ohne sich in Gedanken selbst für seine Unachtsamkeit zu schelten. „Tut mir leid.“ murmelte er, ohne einen Blick von der Straße zu wenden. „Macht nichts!“ lachte das Mädchen vergnügt. „Rennen sie immer so schnell?“ Mark wollte sie gerade fragen, was sie das angehe, als er in ihr Gesicht blickte. Er konnte sich nicht erinnern, jemals etwas so hübsches gesehen zu habe. Sie war jung, vielleicht 20, mit dunklen, schönen Augen, und kurzen braunen Haaren, die ihr lockig auf die Schulter fielen. Wie paralysiert starrte er sie an. „Haben sie ihre Stimme verloren?“ lachte sie wieder. „Ja… ich denke schon“ krächzte er. Die Welt war nicht mehr dieselbe. Sie war immer noch dunkel, deprimierend und schmutzig, aber es war erträglicher. Er hatte die Liebe gefunden. Sie hieß Mariah, und hatte die Aufgabe, die Turbinen der Airforce-Raumgleiter zu reinigen. Aber das war nicht die einzige Gemeinsamkeit, die sie mit Mark teilte. Sie verabscheute die Amusement Clubs ebenso wie er, interessierte sich für die Geschichte und die Fehlentwicklung der Gesellschaft. Mark wusste von diesem Zeitpunkt an, was Liebe war. Er war nicht mehr derselbe Mensch, selbst sein Job bereitete ihm an manchen Tagen Spaß. Und er genoss jede Minute, die er mit Mariah zusammen sein konnte.
Er versäumte nicht, alle Beobachtungen und Erfahrungen aufzuschreiben, und zur Sammlung der Erinnerungen hinzuzufügen. Er hatte mittlerweile begriffen, dass diese Arbeit nicht nur einen Kampf gegen das Vergessen darstellte, sondern auch ein Plädoyer für Hoffnung und wahres Glück war. Die Liebe war das Glück, das er sein ganzes Leben gesucht hatte, und das kein Gegenstand und kein Amusement Club dieser Welt geben konnte. Und er sehnte den Tag herbei, an dem er Kinder haben würde, denen er sein Wissen vererben konnte. Denn in ihm war erst Hoffnung gekeimt, als er zu lieben begonnen hatte. Und nur wer hoffte, konnte auch kämpfen.

Der Tag war schlimm gewesen. Seine Arbeit bereitete einem nie besonders viel Freude, aber am schlimmsten war es, wenn es einen Unfall gab. Er berührte leicht seinen linken Arm, zuckte aber sofort zusammen, als er die tiefe Wunde streifte, die das chemische Reinigungsmittel hineingefressen hatte. Um neun Uhr war einer der Bottiche explodiert, und hatte hundert Liter der giftigen Flüssigkeit in der Halle verspritzt, in der Mark und einer seiner Kollegen gerade mit der Arbeit begonnen hatten. Sein Kollege, der arme Teufel, stand direkt unter dem Gefäß, als es passierte. Er war sofort tot. Mark konnte sich hinter einen der Transporter retten, wurde aber an seinem linken Bein und Arm getroffen. Nachdem ihn der Arzt versorgt hatte, wurde er zum ersten Mal seit 20 Jahren vorzeitig nach Hause geschickt. Aber erfreut war er nicht, im Gegenteil. Der Vorfall hatte ihm vor Augen geführt, dass sein Leben innerhalb eines kurzen Moments vorbei sein konnte, unabänderlich, ohne Einflussmöglichkeit. Er war höchst deprimiert, als er die zahlreichen Treppenstufen zu seiner Wohnung hinaufstieg. Er wollte sich einen Drink genehmigen, und sich seinen Frust danach von der Seele schreiben. Denn das war auch etwas, was er während der vielen Jahre, die er an seinen Aufzeichnungen gearbeitet hatte, herausgefunden hatte: Dass es ihm besser ging, wenn er schrieb. Und dann würde er auf Mariah warten. Und sie würde ihm Hoffnung und Trost spenden. Bei diesem Gedanken wurde ihm warm ums Herz. Ja, wenn er sie gegen 21 Uhr, wenn sie von der Arbeit zurückkehrte, in seine Arme schließen konnte, würden alle dunklen Gedanken wie weggefegt sein! Er öffnete die graue Wohnungstür, schloss sie so geräuschlos wie möglich, und ging in die Küche. Er brauchte einen Drink. Ein Whiskey würde perfekt sein. Aber während er die Küche vom Flur aus betrat, erstarrte er plötzlich.
Mariah saß am Tisch. Ihre Augen waren geschlossen, und sie schien zu schlafen, aber ihre Brust hob sich nicht. Sein Herz schlug schneller und er hatte einen metallischen Geschmack im Mund. „Mariah?“ krächzte er mit zitternder Stimme. Sie schlug die Augen so schnell auf, dass er erschrocken einige Schritte zurücktaumelte. Als sie ihn sah, strahlte sie sofort über das ganze Gesicht. „Hallo Schatz, wie war´s in der Arbeit?“ fragte sie ihn, so heiter wie immer. „Es,…, Ich…“ stotterte er. „Stimmt was nicht?“ fragte sie und zwinkerte ihm zu. „Du… Was machst du hier?“ fragte er, als er endlich seine Stimme wieder gefunden hatte. „Ich hab auf dich gewartet.“ entgegnete sie. „Aber es ist Nachmittag. Wieso bist du nicht in der Arbeit?“ Seine Stimme überschlug sich beinahe. „Oh!“ sagte sie nur. „Oh. Oh.“ Plötzlich starrte sie ihn an, und ihre Stimme veränderte sich. Sie wurde dunkel und metallisch. „Sollten Probleme auftreten, rufen sie 0003165, und wir werden uns umgehend darum kümmern“ sagte diese Stimme. „Nein!“ flüsterte Mark, während seine Hände schweißnass wurden, und er einen unglaubliche Wut in sich aufsteigen fühlte. Die Worte dröhnten in seinen Ohren. „Synthetic Love garantiert für eine einwandfreie Funktion aller ausgelieferten Geräte. Sollten dennoch Probleme auftreten, rufen sie 0003165, und wir werden uns umgehend darum kümmern. Das Gerät kann genau nach ihren Wünschen programmiert werden. Defekte Geräte tauschen wir selbstverständlich aus.“ „Nein!“ schrie er, und taumelte zurück. Alles, die Küche, der unentwegt quasselnde Roboter, der Flur, das alles verschwamm vor seinen Augen. Laut schreiend stürzte er auf den Balkon und schrie die Neonreklame an. Nur ein Nonarc am Tag! blinkte darauf. Und sie werden glücklich und zufrieden.

 
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Hallo Chris221 und
HERZLICH WILLKOMMEN auf KG.DE und da besonders im SCIFI-FORUM! :D

Hier wird offen (soll heißen: Möglichst objektiv, der eigenen Erfahrung nach) kritisiert und alles was ich ab jetzt schreibe ist lediglich meine persönliche Meinung.

Also, dann mal los:

Eine düstere SciFi-Story über die nicht sehr glückliche Zukunft der Menschheit. Gefällt mir von der Thematik her, hat sogar philosophische Aspekte ala "Konsum=Glück?".

Du fängst ohne Umschweife gleich mit einer Szene aus Marks Leben an, das ist sehr gut. Man wird als Leser sozusagen gleich ins Geschehen hineingesogen. Auch die Grundidee an sich ist zwar nicht neu, aber man kann was draus machen.

Allerdings verläuft mir deine Geschichte zu sehr im "Tell"-Sumpf. Soll heißen: Du beschreibst die Dinge im Text, ohne dem Leser wirklich Bilder anzubieten, mit denen er was anfangen kann. Beispiel dafür ist z.B. die folgende Passage:

Das schlimme war, dass es kaum jemanden gab, der nicht daran glaubte. Man wurde jederzeit und überall mit Werbebotschaften überschwemmt, was einen, wenn man nicht aufpasste, schnell zu einem Materialisten machte. Die Gesellschaft war geprägt von Konsum, geistloser Unterhaltung und Arbeit. Besonders Arbeit. Sie war meist so schmutzig und deprimierend, dass man es nicht lange durchstehen konnte. Es sei denn, man besuchte die Amusement Clubs. Deshalb waren sie erdacht und erbaut worden. Um den Arbeitern einen Anreiz zu geben, und um zu verhindern, dass sie durchdrehten. Sie waren für viele der einzige Antrieb. Oasen der Betäubung. Und so ging es Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Arbeiten, Amusement Club, Arbeiten, Amusement Club.
Die jüngste Generation hatte keine Ahnung, dass es einmal anders gewesen war. Und diejenigen, die sich noch erinnerten, verdrängten es. Die Verlockungen der Spaß- und Konsumgesellschaft waren zu hoch, als das irgendjemand seine Zeit mit Nachdenken hätte verschwenden wollen. Hinzu kam, dass Bildung klein geschrieben wurde. Ganz besonders Geschichte. Niemand sollte sich an irgendetwas erinnern. Arbeiten und Betäuben war der Lebensinhalt eines jeden.
Das liest sich eher wie ein wissenschaftlicher Exkurs als wie eine Kurzgeschichte. Und da passiert überhaupt nix. Null. Nada. Nothing, zero. Bei solchen Passagen langweilt sich der Leser. "Materialist", gähn. Show, don't tell lautet die Devise. Biete ihm Bilder an wie bei den Nachtclubs, in denen verschrobene Gestalten kichernd auf Plastiksofas sitzen (du siehst, das Bild ist hängen geblieben :) ). Erzeuge genauso ein Bild, dass die "schmutzige" Arbeit symbolisiert, anstatt darüber zu schwafeln. Das machst du zwar später (Militärtransporter), aber nicht an dieser Stelle.
Das Ende z.B. bietet ein schönes Bild: Die Frau seiner Träume entpuppt sich als "Roboter".

Die Passage über den Großvater kommt mir hanebüchen vor, sorry, besonders diese Stelle:

Es war nicht verboten, diese Dinge zu besitzen, denn der Regierung war klar, dass ein einzelner Mensch, der sich erinnerte, nicht gefährlich werden konnte.
Natürlich hätte die Regierung ihm lieber ein paar Kugeln in den Kopf gejagt oder es allgemein verboten, Informationen zu besitzen - denn aus vielen Einzelnen wird ja schließlich schnell eine Gruppe. Allgemein erklärst du zu viel. Der Leser merkt, dass du ihm deine Welt erklären willst, und das wirkt aufgesetzt. Auch hier gilt wieder: Zeige ihm die Welt in Bildern.

Er war mit raschen Schritten um die Ecke gebogen, den Blick auf die Straße geheftet, ganz in Gedanken versunken, und prallte in vollem Lauf gegen das Mädchen, das nur noch ein erschrecktes „Oh!“ ausrufen konnte.
Der Satz z.B. ist stilistisch ziemlich unschön. Es wäre schöner, wenn du erwähnen würdest, woran er gedacht hat, oder das ganz weglassen würdest, wenn es nicht wichtig ist.

Wie er seine Frau kennenlernt kommt auch etwas kurz: Mich hätte noch interessiert, wie die beiden miteinander warmgeworden sind. So wirkt das Ende auch viel heftiger. Aber so

Sie war immer noch dunkel, deprimierend und schmutzig, aber es war erträglicher. Er hatte die Liebe gefunden.
geht das doch alles recht schnell. Ach ja, auch hier: SHOW, DON'T TELL!


Nur ein Nonarc am Tag!
Sehr gut! Selbst ausgedachte Währungen, Namen, Sprachen etc. erhöhen die Atmosphäre ungemein.


Das Ende mit der Roboterfrau hat mich wie gesagt positiv überrascht. Mit einer Überarbeitung könntest du aus der Story noch was machen. :)

Gruß
MisterSeaman

PS: Vielleicht hast du ja Lust, dir einige Empfehlungen durchzulesen, um dich hier "einzuleben"? :)

 

Ja, erstmal hallo! Ich finde die Seite hier absolut super, und schätze die Ehrlichkeit, mit der hier kritisiert wird. Ich stimme, deinen Kritikpunkten voll zu, ich habe die Geschichte nämlich ziemlich schnell geschrieben, sodass ich mir schon denken konnte, das da ein paar Ungereimtheiten drin sind. "Show, don´t tell" höre ich aber zum ersten mal, aber es ist super! Ich bin froh, wenn ich solche Sachen lernen kann, das bringt einen echt weiter! Sobald ich Zeit habe, werde ich die Geschichte verbessern.

Übrigens: Unter Horror/Grusel hab ich auch noch eine Geschichte mit dem Titel "Der Puma" reingestellt. Würde mich freuen, wenn ich da auch noch Kritik zu hören kriegen würde...

 
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Hallo Cris,

njor, ganz interessant, doch - wie Mr. Seaman. schon klarstellte - liest es sich mehr als Zusammenfassung einer Geschichte, einer Nacherzählung als die Geschichte selbst. Soll heißen: Bring Handlung rein, richtige. Lass deinen Protagonisten aus einem bestimmten Grund in diese Bars gehen. Er hat sich am Arbeitsplatz verletzt und blutet, er braucht Hilfe - sowas in der Art. Fädele die Liebesbeziehung besser ein. Vielleicht hat die Regierung spitz gekriegt, dass sich da jemand rausklinken will und gehandelt, indem sie ihm einen Roboter unterjubelt. "Glückliche Menschen arbeiten besser!" :D Meines Erachtens lohnt es sich wirklich, das Ding komplett aufzuschrauben. Wie gesagt: Mehr Handlung, mehr Dialoge, weniger Erklärungen. Zeige die verzweifelt glücklichen Menschen. Zeige die Stadt, zeige die Clubs. Zeige es uns! (Da hab ich die Predigt jetzt aber mal schön abgebunden :schiel:. )

Weitermachen! :)

Dante

 

Hallo Chris

Ich finde die Seite hier absolut super
Ooh, die Überschwenglichkeit der Neuheit, die hatte ich auch mal :D Ne, im Ernst, wir finden die Seite auch klasse, sonst wären wir ja längst abgewandert.

ich habe die Geschichte nämlich ziemlich schnell geschrieben,
Trotzdem ist sie erstaunlich gut geworden für ein Erstlingswerk hier auf Kg.de. Respekt ;)

Vor allen Dingen MrSeaman hat ja schon versucht, dir sehr eindringlich zu erläutern, wo es noch hapert im Text. Ich bin da voll und ganz seiner und Dantes Meinung.
Ich hoffe, dir ist klar geworden, was es mit dem berühmt-berüchtigten "Show, don't tell!" auf sich hat. Das ist hier sozusagen die Basis allen Wissens, das grundlegende Axoim an dem sich alles messen lassen muss :D


Nun zum Text:
Der erste Abschnitt ist gut (wie MrSeaman schon erwähnt hat): Protagonist, Handlungseinleitung, Andeutung des zugrundeliegenden Problems
Der zweite Abschnitt driftet aber bereits deutlich ab. Du versuchst uns die Atmosphäre dieser Gesellschaft zu beschreiben, anstatt uns zu zeigen (Wenn du nicht genau weißt, was wir meinen, dann frag ruhig)
Darauffolgend halten Show und Tell sich zwar die Wage, aber mehr ersteres und weniger zweites wäre besser.

Sein kleiner Bildschirm in der Wand verkündete, dass es 7:30 Uhr sei
Im Prinzip greifst du erst mit diesem Satz die Handlung des ersten Abschnitts wieder auf. Viel zu spät.

Dafür geht mir dann seine plötzliche Romanze mit Mariah zu schnell.

Was mir ehrlich gesagt überhaupt nichtgefallen hat, weil ich es nicht verstanden habe, war deine Auflösung mit dem Roboter. Warum denn nun das? Ich dachte es geht in deiner Geschichte um die klassische dystopische Gesellschaft, die den Einzelnen unterdrückt und die Masse tumb und fügsam halten will. Was hat denn da jetzt ein Roboter zu suchen?

Gleichzeitig brockst du dir mit dieser Pointe ein Haufen logischer Fehler ein: Wer hat den Roboter bezahlt? Wer hat ihn auf den Prot programmiert? Hätte der Prot das nicht leicht vorher bemerken können? Warum wird der Prot so hinters Licht geführt? Was hat das alles für einen Sinn? usw usf


Jetzt noch ein paar Textstellen:

Er war im Waisenhaus aufgewachsen,
Und wie kommt er an sein Erbe ran? Wenn der Staat die Dokumente verwaltet, wäre das doch die Gelegenheit, sie zu vernichten.

„Tut mir leid.“ murmelte er, ohne einen Blick von der Straße zu wenden. „Macht nichts!“ lachte das Mädchen
"Tut mir leid ohne Punkt"Komma murmelte er...
"Macht nichts!"Komma lachte das...
Formalismus:
Hochkomma - wörtl. Rede - Satzzeichen (wenns ein ! oder ? ist) - Hochkommma - Komma - Freizeichen - ergänzender Satzteil (sagte er/ fragte sie/ etc.)

„Rennen sie immer so schnell?“
Anrede "Sie" groß

Er hatte die Liebe gefunden.
Boah watt fürn Klischeehammer! :D

Nur ein Nonarc am Tag! blinkte darauf. Und sie werden glücklich und zufrieden.
Klingt wie wörtl. Rede uns sollte deswegen auch mit Hochkommatas eingegrenzt werden.

Fazit:
Objektiv gesehen bin ich nicht wirklich begeistert von deiner Geschichte, dazu hab ich mittlerweile viel zu viele gute SciFi-Stories hier gelesen (schau dir wirklich mal die Empfehlungen an). Aber ich bin gespannt auf deine nächsten Werke hier und kann mir vorstellen, dass sie mich mehr zu fesseln vermögen :)

gruß
Hagen

 

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