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Angst
Nach einem ortsbeschreibenden Anhaltspunkt suchend, drehte ich mich mehrmals um die eigene Achse. Wo war ich nur? Ich blickte mich nochmals um. Nichts. Nur schwarz. Kein Licht. Keine Farbveränderung. Alles um mich herum war einfach nur schwarz. Ich war mir nicht mal so sicher, ob sich meine Füße auf festem Boden befanden oder ich einfach nur in der Leere schwebte.
In mir kroch ein Angstgefühl hoch. Ich spürte, wie es mit zunehmenden Tempo meinen ganzen Körper durchflutete. Mir schoss immer wieder die momentan wichtigste Frage durch den Kopf: Wo war ich? Und wie kam ich hier wieder heraus? Nach einer Weile vernahm ich ein leises Geräusch, das mich an den Klang eines leichten Herbstwindes erinnerte. Nur das dieses Geräusch im Gegensatz zu einer leichten Brise immer lauter wurde und immer näher zu kommen schien. Plötzlich riss mich ein unberechenbarer Sog in das Nichts unter meinen Füßen. Ich stürzte immer schneller in die Tiefe. Das Echo meines todesangsterfüllten Schreies durchbrach für wenige Sekunden die betäubende Stille um mich herum. Ich konnte nicht mehr klar Denken und schloss meine Augen in der Hoffnung den tödlichen Aufprall nicht zu spüren.
Krach. Nach diesem mir endlos erscheinenden Fall spürte ich festen Boden unter mir. War ich tot? Langsam öffnete ich voller Angst meine Augen. Ich fuhr zusammen und schloss sie sofort wieder. Oh nein, wo war ich denn nur? Was war das für ein Ort? Ich versuchte mich zu beruhigen. Erfolglos. Meine Angst steigerte sich in jedem Moment, indem ich überlegte, wo ich mich befand. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und öffnete langsam meine Augen.
Leider hatte sich an der Umgebung, die ich vor kurzer Zeit flüchtig wahr-
genommen hatte, nichts verändert. Um mich herum befanden sich schwarze, einengende Wände, an denen neonweiße Buchstaben leuchteten, die immer wieder das Wort TOD bildeten. TOD. Einfach nur TOD. Verängstigt blickte ich an die Decke. Kein Unterschied. Schwarz mit neonweiß leuchtender Schrift. Langsam stand ich auf und ging auf die Wand, die sich vor mir befand, zu. Keine Klinke. Keine Tür. Kein Ausgang. Ich versuchte um Hilfe zu schreien, bekam aber kein Wort heraus. Ich war den Tränen nahe. Wie komme ich hier raus?
Schweißgebadet schreckte ich hoch. Schon wieder. Schon wieder hatte ich diesen furchtbaren Traum. Ich hörte meinen schnellen Herzschlag. Was hatte das zu bedeuten? Warum träumte ich seit Wochen fast jede Nacht dasselbe? Ich stieg aus meinen Bett und tappte in der Dunkelheit ans Fenster. Auf der Straße unter unserer Stadtwohnung war es ruhig. Nur ab und zu sah man ein Auto vorbeifahren. Ich sah wie die Äste der wenigen Bäume, die sich im gegen- überliegenden Park befanden, im Wind tanzten. Die Straßenlampen waren schon ausgeschaltet worden, die einzige Lichtquelle, die die Stadt erhellte war der Mond. In dieser Nacht war es leicht bewölkt, man sah nur wenige Sterne am Himmel. Mir traten Tränen in die Augen, die sanft meine Wangen berührten. Was hatte dieser Traum zu bedeuten? Was nur? Schluchzend kroch ich wieder in mein Bett. Ich wollte nicht, ich wollte doch nicht... das Wort versank in meiner Angst.
Meine Eltern waren in ihre morgendlichen Gespräche vertieft, es fiel ihnen nicht auf, dass ich zum Frühstück nichts as und kaum sprach. Sie beachteten mich kaum. Ich nahm meine Schultasche und verließ lautlos die Wohnung. Draußen war es für einen Septembermorgen schon sehr kalt, ich zog den Reißverschluss meiner Jacke bis zum Anschlag und wartete an der Ecke auf meine beste Freundin Mia. Wir kannten uns schon seit Kindesalter und gingen jeden Morgen gemeinsam zur Schule. Ihr konnte ich einfach alles erzählen.
"Was guckst du den so deprimiert? Der Tag hat doch gerade erst angefangen!", sagte Mia freudestrahlend als sie mich sah und drückte mir flüchtig einen Kuss auf die Wange. Wir gingen am Park entlang und ich begann sofort von meinem Traum und meiner Angst zu erzählen. Sie würde mich verstehen, das wusste ich. Sie hatte mich immer verstanden. Als ich fertig war schaute sie mich besorgt an und sagte mit verständnisvoll klingender Stimme: "Das hört sich ja furchtbar an. Und du hattest diesen Traum schon öfter? " Ich nickte. " Weißt du, Caro, das ist ganz sicher nur ein dummer, bedeutungsloser Alptraum. Mach dir keine Sorgen, ich pass schon auf dich auf. Versprochen." Ihre aufmunternden Worte taten mir gut. Wir gingen jetzt an der vielbefahrenen Hauptstraße entlang und ich sah wie einige wenige Sonnenstrahlen langsam den bewölkten Himmel durchbrachen. "Oh, sieh mal! ", quiekte Mia, " Da vorne läuft Nick! Stört es dich, wenn ich ihm hinterherlaufe? " Ich sah ihren verliebten Blick und schüttelte verständnisvoll den Kopf. Mia umarmte mich lächend und stürmte los. Während sie rannte schwebten ihre beneidenswerten, langen Haare im Wind. Sie war schnell. Und wie ich Mia kannte, hatte sie jetzt jeden einzelnen Gedanken auf Nick fixiert und ihr Blick konzentrierte sich ausschließlich auf seine schöne Erscheinung. Das Auto sah sie nicht.