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Angst

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14.03.2006
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Angst

Sie traf Simone unvorbereitet. Hannes Erklärung, es noch einmal mit Werner versuchen zu wollen. In ihr wurde alles wirr. Und es war schwierig für Simone, ihre Gefühle und Gedanken zu sortieren, die sich unter dem nicht enden wollenden Unglauben ansammelten.

Hanne hatte – wie immer, bevor sie zum Thema kam – lange über Dies und Das geredet. Sie fiel nie mit der Tür ins Haus, sondern umschrieb vorsichtig, umkreiste das Thema, verlor sich oft in Andeutungen und benutzte Worte als Lockvögel für das, was sie eigentlich sagen wollte.

Wie es ihre Gewohnheit war, hatte sie scheinbar belanglos von der Party zu erzählen begonnen, berichtete dann, dass sie lange geblieben war. Sieben Stunden. Bemerkenswert lange nach dem höllischen Arbeitstag, den Hanne am Samstag gehabt hatte. Merkwürdig lange. Zu lange für Hannes Gewohnheiten.

Hanne neigte dazu, nach derart anstrengenden Arbeitstagen mit Migräne in der Ecke zu liegen, wie sie sich stets ausdrückte. Und genau nach dieser Migräne fragte Simone nun.

„Ich hatte keine Migräne. Mir ging es gut.“

Die Verwunderung auf Sabines Seite war zunächst nur kurz. Es freute sie eher, dass ihre Freundin nicht mehr so drastisch auf Anstrengungen reagierte.

„Erzähle mal von der Party!“ forderte Simone sie erfreut auf, holte sich eine Zigarette, Aschenbecher und Kaffee, und stellte sich auf ein längeres, angenehmes Gespräch ein.

„Es war Jennie’s Geburtstagsfete“, sagte Hanne aufgeräumt aber wie gewohnt knapp.

Simone blies den Rauch in die Luft und richtete sich einem inneren Impuls folgend, gerade auf. Nichts Gutes ahnend. Jenny war die Tochter Werners, zu der Hanne immer noch ein erstaunlich inniges Verhältnis hatte.

„Und du warst eingeladen?“ Simone wurde unruhig.

Dann kam Hannes Standardsatz, den sie immer benutzte, wenn sie sich ertappt fühlte: „Habe ich dir das nicht erzählt?“ schlängelte sie sich durch die Leitung.

„Natürlich nicht. Und du weißt auch warum.“ Simone wurde wütend. „Nun mal raus mit der Sprache: War Werner auch da?!“

„Ja“, flötete Hanne und tat, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. "Jenny wollte ihn unbedingt dabei haben."

Das Entsetzen breitete sich in Simone aus, wie ein kalter, nasser Mantel. Hanne hatte eineinhalb Jahre versucht, von Werner loszukommen. Er hatte sie nicht nur mit einer anderen Frau betrogen und eine Menge ihres Geldes veruntreut. Er hatte sie verunglimpft und war sogar am Ende auf sie losgegangen.

Sie versuchte trotzdem nicht in Panik auszubrechen. Ließ es zu, dass ihre Gefühle den rationalen Überlegungen Platz machten. Das machte sie immer so. Oft half es über die schlimmsten Augenblicke hinweg.

„Wie bist du damit umgegangen?“ fragte sie stattdessen betont zurückhaltend und zog an ihrer Zigarette um sich zu beruhigen. Sie war froh, dass Hanne ihr erschrecktes Gesicht jetzt nicht sehen konnte. „Ich nehme an, es hat sich viel Kraft gekostet …“, tastete sie sich vor.

„Ich habe mich sehr wohl gefühlt“, warf Hanne ihr den nächsten Brocken hin.

Hanne liebte dieses Spiel. Sie spielte es ständig. Sie war nicht unehrlich. Nein, das nicht. Aber sie gab nur das Äußerste preis. Nur derjenige, der geschickt fragte, erfuhr Hannes ganze Wahrheit.

„Wohlgefühlt? Wie kann das sein …“, bohrte Simone nun ganz unverholen. „Wie kannst du dich in der Gegenwart dieses Blödmannes wohlfühlen?“ Alle Stragegien, die Ruhe zu behalten, waren fehlgeschlagen. Es war genau das passiert, was Simone vermeiden wollte. „Jetzt mal raus mit der Sprache! Was ist los? Rede mit mir! Sofort!“, brüllte sie ungehalten in den Hörer und stieß dabei ihre Kaffeetasse um.

Hanne reagierte überhaupt nicht auf Simones Gefühlsausbruch, sondern berichtete völlig beseelt von ihrem Gespräch mit Werner. Er hätte seinen Fehltritt und alle anderen Dinge, die er ihr angetan hatte, bitter bereut. Und die Frau, wegen der er Hanne verlassen hatte, hätte sich schnell als Irrtum entpuppt. Offensichtlich war das Balsam für Hannes Seele.

„Er hat einen Offenbarungseid geleistet“, erzählte sie Simone beeindruckt.

„Ein Wolf im Schafspelz“, ereiferte Simone sich. Es war ihr egal, ob die Nachbarn sie hören konnten. „Der wird so lange im Staub vor dir liegen und Kreide fressen, bis du dein mühsam neu geordnetes Leben wieder aufgegeben hast.“

„Nein, Simone“, sagte Hanne mit ihrer sanften Stimme. „Er hat richtig was gelernt.“

„Narzissten lernen nichts mehr. Narzissten denken: Die kann ohne mich nicht leben“, sagte Simone, die sich plötzlich entnervt und erschöpft fühlte. Hanne war plötzlich unerreichbar für sie geworden.

„Es geht ihm nicht gut“, fuhr Hanne unbeirrt fort.

„Mein Gott, das ist Klassisch“. Simone war jetzt wieder in Rage. „Wenn der Typ nur wieder lieb ist, dann verzeiht Frau alles. Und dann noch die Kombination mit dem Mitleidsfaktor ... Aus welchem Lehrbuch ist das noch mal?“ höhnte sie.

Jetzt wurde Hanne aufgebracht: „Jetzt übertrage nicht deine schlechten Erfahrungen auf mich. Du bist ja nur eifersüchtig“.

„Eifersüchtig? Ja, das bin ich wohl“, gab Simone zu. Aber, Hanne, das hat doch seinen Grund. Er mag mich nicht und ich kann ihn ebenfalls nicht ausstehen. Ich fürchte, wir werden uns zukünftig kaum noch sehen. Wahrscheinlich wieder nur dann, wenn Werner auf Fortbildung ist. Wie soll ich da nicht eifersüchtig werden. Außerdem habe ich mitbekommen, wie sehr er dich verletzt hat. – Ich könnte mich nie mehr auf solch einen Menschen einlassen. Dazu hätte ich viel zu viel Angst!“ schrie Simone außer sich, als wäre es das letzte Mittel, womit sie Hanne zur Vernunft bringen könnte.

„Ich bin da kaltblütiger“, sagte Hanne erstaunlicherweise.

Kaltblütig ...

Resigniert klickte Simone das Gespräch weg. "Kaltblütig" hallte es in ihr nach. Die Angst rann ihr genauso kalt den Rücken hinunter und sie erinnerte sich an die eisige Februarnacht im letzten Winter, als sie den Anruf aus der Klinik erhielt. Ganz kaltblütig hatte Hanne sich wegen Werner das Leben nehmen wollen.

 

Hanne hatte – wie immer, wenn sie etwas Wichtiges äußerte – einen langen Vorlauf am Telefon gebraucht.
Wie sieht solch ein Vorlauf aus? Der Anfang eines solchen Gesprächs mit drei Punkten, um dem Leser die komplette Schwafelei zu ersparen, würde die Situation bildhafter gestalten.
Wie es ihre Gewohnheit war, hatte sie scheinbar belanglos von der Party zu erzählen begonnen, berichtete dann, dass sie lange geblieben war. Sieben Stunden. Bemerkenswert lange nach einem derart höllischen Arbeitstag. Merkwürdig lange für Hanne.
Wandle das in wörtliche Rede um. Erzähle weniger selbst. Lass deine Protagonisten handeln.
„Erzähle mal von der Party!“, forderte Simone sie erfreut auf
„Habe ich dir das nicht erzählt?“, schlängelte sie sich durch die Leitung.
Das Entsetzen breitete sich in Simone aus, wie ein kalter, nasser Mantel. Hanne hatte eineinhalb Jahre versucht, von Werner loszukommen. Er hatte sie nicht nur mit einer anderen Frau betrogen und eine Menge ihres Geldes veruntreut. Er hatte sie verunglimpft und war sogar am Ende auf sie losgegangen.
Lass das Simone erzählen. z.B.: "Du kannst dich aber schon daran erinnern, dass du eineinhalb Jahre gebraucht hast bis ..."
Aber sie gab nur das Äußerste preis.
Und dann noch die Kombination mit dem Mitleidsfaktor ... Aus welchem Lehrbuch ist das noch mal?“, höhnte sie.

Hallo momarei,

ich finde die Story an sich, nicht schlecht. Gerade bei dieser Geschichte würde sich eine fast reine Dialogform anbieten. Du hast es ja gut umgesetzt, dass du die Informationen nur Stück für Stück durchsickern lässt. Jedoch bin ich mit dem Schluss nicht ganz glücklich. Du erwähnst ganz beiläufig in einem Nebensatz, dass sich Hanne zweimal wegen diesem Typen umbringen wollte. Leg diese Worte als Schlusssatz Simone in den Mund. Ich glaube, das würde besser wirken.

Ciao

MiK

 

Hallo MiK,

danke für deine schnelle Antwort. Ich wollte den Schluss-Satz absichtlich etwas beiläufig erscheinen lasssen, weil ich einen nachdenklichen Effekt erzielen wollte. Aber das scheint, zumindest bei dir einen anderen Geschmack zu erzeugen. :hmm: Ich lasse das mal sacken ... Tschö

 

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