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Angst
Sie fuhr müde über die sich scheinbar endlos hinziehende Landstraße nach Hause.
Feierabendverkehr. Trecker und Großväter mit Hut vor ihr in der Autoschlange. “Wie immer!”, dachte sie gelangweilt und freute sich bereits auf einen ruhigen Abend zuhause, wo ihre Katzen, der verwilderte Garten und ein Glas Rotwein auf sie warteten.
Auf der Höhe der Brücke über den Fluß schüttelte sie gedanklich ihren Büroalltag von sich ab.
“Bloß nicht mehr daran denken! Zur Hölle mit allen Chefs und den kaum zu bewältigenden Papierbergen.”
Bereits vor ihrem kleinen Häuschen begrüßten sie die Katzen schnurrend, strichen um ihre Beine und bettelten nach Streicheleinheiten. “Wartet ab, Rasselbande”, murmelte sie leise. “Nur noch schnell die Waschmaschine befüllen und dann machen wir es uns gemütlich, okay?”
Im Gänsemarsch folgten ihr die Katzen durch das Haus, tobten etwas später vergnügt vor ihr her bei ihrem täglichen Gartenrundgang. Nur Mikesch, der sensibelste ihrer Kater, schien beunruhigt zu sein. Er maunzte ununterbrochen, stellte sein Fell und stupste sie mit seiner Schnauze, so, als wolle er sie in diese Richtung drängen, in den hinteren Teil des Gartens, den sie nur selten betrat.
In der Nacht hatte es geregnet, der Boden war aufgeweicht und während sie auf ihre Schritte achtete, bemerkte sie auf einem der Beete eine Fußspur. Dahinter fielen ihr mehrere frische Spuren ins Auge, die sie nervös betrachtete. “Mindestens Größe 47", vermutete sie und fragte sich ängstlich, wer wohl den Garten betreten haben könne während ihrer Abwesenheit. Und weshalb?
Da die Sonne langsam unterging, lief sie fröstelnd und nachdenklich ins Haus zurück, verschloß die Haustür besonders sorgfältig, legte die Kette vor und zog, entgegen ihrer Gewohnheiten, die Vorhänge im unteren Stockwerk zu. Eine bange Stimmung befiel sie.
Mit einem lauten “Quatsch!” versuchte sie sich abzulenken und “Zackig, Wäsche aufhängen!” befahl sie sich selbst, um die dunkle Stille des Hauses und ihr unheimliches Gefühl zu schmälern.
Im Keller spannte sie die Leine, schüttelte nach und nach die feuchten Wäschestücke aus, immer auf die Geräusche im Haus lauschend, und hielt plötzlich eine ihrer Spitzenunterhosen in der Hand, von der sie genau wußte, dass sie sie monatelang nicht getragen hatte. Wie kam dieser Slip in die Schmutzwäsche? Sie schauderte. Und da! Eine weitere Spitzenunterhose fiel ihr im Wäschekorb ins Auge. Auch diese, sie war sich ganz sicher, hatte sie für ein besonderes Date, einen besonderen Tag aufbewahrt. Sorgfältig verpackt in duftendes Seidenpapier lag dieser Slip bereits seit Monaten in ihrem Schrank, dafür bestimmt, sie ihrem Geliebten, der Hunderte von Kilometern entfernt wohnte, in einer intimen Stunde zu präsentieren.
Noch während sie den Slip ratlos in ihrer Hand hielt, sie sich fragte, ob ihr das Landleben, die von ihr freiwillig gewählte Abgeschiedenheit des Hauses, fern jeglicher Nachbarn, unerwartet doch zu einsam sei, hörte sie Schritte über sich...