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Ankunft an der Himmelspforte ODER "Der Himmel muss nicht immer das Paradies sein"
Ankunft an der Himmelspforte ODER "Der Himmel muss nicht immer ein Paradies sein"
Dies ist die Geschichte eines Mannes namens Eddie und sie fängt am Ende an, mit Eddie, wie er sterbend in der Sonne liegt. Es mag vielleicht ungewöhnlich erscheinen, eine Geschichte mit dem Tod eines Menschen zu beginnen, doch jeder Tod ist auch gleichzeitig ein neuer Anfang, auch wenn wir dies zu jener Zeit noch nicht wissen.
Ein gleißender Lichtblitz und dann das große Dunkel...dies sind die letzten Eindrücke, die Eddie von dieser Welt hatte...
In den späten 20ern in einem überfüllten Krankenhaus in einem der ärmsten Viertel der Stadt raucht Eddies Vater zusammen mit den anderen Männern im Warteraum Zigaretten. Die Schwester kommt herein und ruft seinen Namen; er hebt die Hand. "Herzlichen Glückwunsch" sagt sie; er folgt ihr den Gang entlang. "Warten Sie hier bitte." Kurze Zeit später kehrt sie mit einem kleinen Bündel zurück und übergibt es ihm. Er atmet schwer, bedankt sich bei ihr mit einem Nicken; dann, nachdem es kurz so aussah als würde er anfangen zu weinen, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. SEIN Kind!
"Wo...?"
Der Himmel über ihm erstrahlte in einem so schönen Blau, wie Eddie es schon lange nicht mehr gesehen hatte.
"Wo...?"
Plötzlich fiel ihm auf, dass irgendetwas anders war. All der Schmerz, der in den letzten Jahren sein ständiger Begleiter gewesen war, war wie weggeblasen. Er fühlte auch keine Agonie oder Traurigkeit, sondern war innerlich ganz ruhig und entspannt.
Aus dem Hintergrund hörte er auf einmal eine Stimme: "Hab keine Angst!"
Er fuhr herum und sah vor sich einen blauen Mann, den er in seinem früheren Leben einmal flüchtig gekannt hatte. Warum begegnete er ihm jetzt?
"Dein Körper fühlt sich wieder so jung an wie damals, als du ein Kind warst, stimmts, Eddie?" fragte ihn der blaue Mann.
Eddie nickte, brachte aber keinen Ton heraus.
"Das kommt daher, dass du ein kleiner Junge warst, als wir uns kannten."
Der blaue Mann ging auf ein Pier zu und dann hinunter zum Strand, beide Plätze lagen wie verlassen da. War der ganze Planet so leer?
Nachdem sie eine Weile den Strand entlanggelaufen waren, konnte Eddie seine Neugier nicht mehr zurückhalten.
"Wie bin ich gestorben?" wollte er wissen.
"Durch einen Unfall" antwortete der blaue Mann.
"Wie lange ist es her, dass ich gestorben bin?"
"Eine Minute, eine Stunde, tausend Jahre ... wen interessiert das schon? Zeit spielt hier keine Rolle."
"Wo bin ich überhaupt?"
"Wo du bist?" Der blaue Mann lachte. "Wo glaubst du denn? Im Himmel natürlich!"
Eddie schüttelte vehement den Kopf. "Das kann doch überhaupt nicht sein!"
"Nicht? Wieso sollte dies nicht der Himmel sein? Weil es der Ort ist, an dem du aufgewachsen bist?"
"Ja genau."
"Ah, verstehe." Der blaue Mann nickte. "Nun, die Leute unterschätzen gewöhnlich den Ort ihrer Kindheit. Aber den Himmel kann man an den ungewöhnlichsten Plätzen finden. Und der Himmel selbst hat mehrere Stufen. Dies ist meine Zweite und für dich die Erste."
"Himmel, was für eine lächerliche Vorstellung" dachte Eddie.
Er hatte die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht von diesem Ort wegzukommen. Die Vorstellung, dass dies eine Stätte war, an der man Frieden finden konnte, überstieg seine Vorstellungskraft.
Er versuchte erneut zu sprechen, aber es gelang ihm nicht.
Der blaue Mann drehte sich zu ihm um. "Deine Stimme wird bald zurückkehren; wir mussten alle dieses Stadium durchlaufen. Es hilft dir zuzuhören." Er lächelte.
"Du wirst auf deinem Weg die Stufen des Himmels hinauf 5 Leuten begegnen" fuhr der blaue Mann mit seiner Erläuterung fort "jede davon ist aus einem bestimmten Grund in dein Leben getreten, auch wenn du diesen zu jener Zeit noch nicht verstanden hast. Dafür ist der Himmel da: um dein Leben auf der Erde zu verstehen."
Eddie sah ihn verwundert an.
"Dies ist das größte Geschenk, was Gott dir machen kann: zu verstehen, was in deinem Leben passiert ist und es erklärt bekommen. Das ist der Frieden den du gesucht hast. Ich bin deine erste Person Eddie. Als ich starb, wurde mein Leben von 5 anderen erhellt und dann kam ich hierher um auf dich zu warten, dir meine Geschichte zu erzählen, die dann ein Teil von dir wird. Es werden noch andere nach mir kommen, an einige davon wirst du dich erinnern, andere hast du im Laufe deines Lebens bereits wieder vergessen. Aber alle haben sie deinen Weg gekreuzt bevor sie starben und ihn in eine andere Richtung gelenkt.
"Was...?" Endlich brachte Eddie wieder einen Laut hervor. "Was hat dich...?"
Der blaue Mann wartete geduldig. "Was mich umgebracht hat?" Er wirkte überrascht. "Das warst du Eddie!"
"Hören Sie mal gut zu, ich hab sie sicherlich NICHT umgebracht, ich KENNE sie ja nichtmal!" verteidigte sich Eddie.
"Lass mich mit meinem Namen beginnen" sagte der blaue Mann. "Ich bin Joseph Kreviazuk, geboren als Sohn eines Schneiders in einem kleinen Dorf in Polen. Wir kamen hierher, als ich noch ein kleiner Junge war. Wie viele Einwanderer, die einen Neuanfang wagen wollten, hatten wir kein Geld. Wir schliefen auf einer Matratze in der Küche meines Onkels, der schon seit längerem hier war. Da der Verdienst meines Vaters nicht ausreichte, nahm er mich mit 10 von der Schule und ich half ihm bei seiner Arbeit."
"Wieso erzählt er mir das alles?" fragte sich Eddie.
"Ich war von Natur aus ein nervöses Kind und der Lärm auf der Arbeit machte alles noch schlimmer. Ich war zu jung für diesen Ort, zwischen all den fluchenden und klagenden Arrbeitern. Wann immer der Vorarbeiter sich näherte wies mein Vater mich an nach unten zu sehen und nichts zu t un, was dessen Aufmerksamkeit erregen könnte. Einmal jedoch stieß ich versehentlich einen Sack Knöpfe um, welcher sich auf dem Boden ergoß. Der Vorarbeiter schrie mich an, ich sei wertlos, ein wertloses Kind, deshalb müsse ich gehen. Ich sehe noch immer den Moment vor mir, als mein Vater ihn auf Knien anflehte wie ein Bettler. Dann fühlte ich etwas warmes an meinem Bein herunterlaufen und als ich hinabsah, zeigte der Vorarbeiter auf den Fleck auf meiner Hose und fing an zu lachen und alle Arbeiter stimmten in sein Gelächter ein. Nach diesem Vorfall weigerte sich mein Vater mit mir zu sprechen, da ich ihm Schande bereitet hatte. Auch ich wurde durch d iesen Vorfall geprägt.
Ich wuchs vom nervösen kleinen Jungen zum nervösen Jüngling heran und als ob meine Nervosität nicht schon Strafe genug war, nässte ich zu dieser Zeit immer noch ins Bett. Damit niemand davon etwas mitbekam, zog ich die Laken am nächsten Morgen ab und reinigte sie. Eines Morgens, als ich aufwachte, stand mein Vater vor mir, natürlich hatte er die Laken gesehen und er sah mich mit einem Blick an, als ob er gerne jede Verbindung zwischen uns leugnen würde."
Der blaue Mann machte eine Pause und Eddie konnte ihn nur anstarren.
"Ich war nicht immer ein Freak, Eddie" sagte er. "Aber damals steckte die Medizin noch in den Kinderschuhen und als ich einen Apotheker aufsuchte, damit dieser mir etwas gegen mein Nervenleiden gab, bekam ich von ihm eine Flasche Silbernitrat mit der Anweisung jede Nacht einen Schluck gemischt mit Wasser einzunehmen. Silbernitrat! Es wurde später auf die Liste von Giftstoffen gesetzt. Aber es war alles, was ich hatte und als es keinerlei Wirkung zeigte, führte ich es auf eine zu geringe Dosierung zurück und fing an, 2 oder 3 Schluck zu trinken, unverdünnt. Bald begannen die Leute mich komisch anzusehen, da meine Haut begann aschfahl auszusehen. Die Fabrik, wo ich Arbeit gefunden hatte entliess mich. Der Vorarbeiter sagte ich verschrecke die anderen Arbeiter. Doch wie sollte ich mich ohne Arbeit ernähren? Und wo sollte ich leben? Dann verschlug mich das Schicksal an diesen Pier, wo ein Freizeitpark eröffnet werden sollte und sie für eine Show namens >>Ungewöhnliche Menschen, die sie noch nie zuvor gesehen haben<< noch Leute suchten. Dies wurde mein Zuhause und manchmal, früh morgens, wenn ich ein langes Hemd anzog und meinen Kopf in eienm Handtuch vergrub, konnte ich sogar einen Strandspaziergang machen, ohne andere Leute zu erschrecken. Das mag sich nach nicht viel anhören, aber für mich war es eine seltene Freiheit."
Er blieb stehen und sah Eddie an.
"Sieh dich um Eddie! Verstehst du jetzt, warum wir hier sind und an diesem Strand entlangspazieren während ich dir all das erkläre? Dies ist nicht DEIN Himmel, es ist MEINER!"
Ein Mann sitzt am Steuer eines Ford, den er sich von einem Freund geliehen hat, um für seine Fahrprüfung zu üben. Die Straße ist noch nass vom morgendlichen Regen; plötzlich hüpft ein Baseball über die Straße und ein Junge rast hinterher. Der Fahrer tritt auf die Bremse und reißt das Steuer herum; der Wagen schlittert, die Reifen quietschen. Irgendwie gelingt es dem Mann, die Kontrolle über das Fahrzeug wiederzuerlangen, doch beim Gedanken daran, wie knapp er grade an einem Unglück vorbeigeschlittert ist, fühlt er sich immer noch ganz benommen und fährt beinahe auf ein anderes Auto auf. Wieder tritt der Fahrer des Ford auf die Bremse und reißt das Lenkrad herum. Anschließend schlittert er in eine Seitenstraße, wo er gegen einen geparkten Wagen prallt. Die Wucht des Aufpralls wirft den Mann gegen das Steuer und er blutet am Vorderkopf. Er steigt aus dem Wagen aus, begutachtet den Schaden und bricht auf dem nassen Asphalt zusammen.
"Du siehst," sagt der blaue Mann zu Eddie, "wo Licht ist, da gibt es auch immer Schatten und das Glück des Einen ist das Unglück des Anderen."