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Anti Anti Demokratie
Heute habe ich gewählt! Nein viel besser! Heute hätte ich gewählt! Vor einigen Jahren noch da wäre es so gewesen. Da hatten wir noch, ich nenne es mal „Volksherrschaft“, denn das griechische Wort darf ich, Tom, ja seit einiger Zeit nicht mehr in den Mund nehmen. Zum Rathaus wären wir Sonntags gegangen und hätten einen Wahlschein ausgefüllt, so mit Erststimme und Zweitstimme. Aber da war einmal. Nun sind wir ohne das, was sich, ich sage es mal leise damit es niemand höre, Demokratie nennt. Uns regiert nun, oh wie toll, ein einzelner Mann, der sich als Führer bezeichnet. Von Diktatur ist keine Rede, wieso auch? Was passiert ist fragt ihr?
Seit über 60 Jahren hatten wir nun Demokratie in Deutschland. Die Leute wählten ihren Abgeordneten und die Partei, die ihre Interessen am meisten vertrat. Es gab Menschen- und Bürgerrechte, die Volkssouveränität wurde garantiert und ein Gesetz wurde vor der Verabschiedung von verschiedenen Institutionen geprüft. So ging eigentlich alles lange gut, bis zum Tag X. Viele Politiker waren der Ansicht Demokratie würde alles bloß endlos in die Länge ziehen außerdem bekamen sie meist doch mehr Geld durch ihre Zweitjobs bei Unternehmen, so dass sie ihre Verantwortung als Politiker nicht mehr gerecht wurden. Entsprechend wurde dann auch Politik gemacht und der Unmut in der Bevölkerung wuchs. Die falschen Leute kamen an die Spitze, bloß aufgrund der Tatsache, dass man aus der eigenen Vergangenheit nicht gelernt hatte, obwohl es immer wieder betont wurde.
Nun bin ich hier und lebe in einer Antidemokratischen Welt und ich fühle mich keineswegs gut. Jeden Morgen stehe ich auf, gehe ins Bad. Wie auch sonst immer. Bis hier ist noch alles wie früher. Die Zahncreme reinigt immer noch wie damals und das Wasser läuft auch heute noch beim Anmachen des Wasserhahns. Aber spätestens nach dem heraustreten aus dem Bad merke ich deutliche Veränderungen. Gerne habe ich morgens immer das Radio angemacht mit der Musik und dem Siebenuhr Nachrichten. Zwar laufen die noch immer, bloß nun hören wir ständig solche Propaganda Reden, die über die Stärke des Militärs berichten und wie weit der Krieg schon voran geschritten ist, der uns auch diesmal wieder mit Sicherheit irgendwann einholen wird. Es denkt mal wieder kaum jemand daran. Meine Großeltern behaupteten immer, sie seien nur kleine Leute, was können diese schon anrichten. Scheinbar haben so viele gedacht und es hat sich daher nichts verändert.
Na ja wie dem auch sei, ich muss jetzt in die Schule. Auf dem Weg zum Bus beobachte ich diese Plakate mit hetzerischen Aufschriften wie: „Raus mit dem Ungetüm!“ oder „Lasst keine Ausländer rein!“. Wenn ich daran denke, dass ähnliche Plakate zu Zeiten des Nationalsozialismus aushangen, wird mir unwohl im Margen. Diskriminierung und Rassenfeindlichkeit sind allgegenwärtig. So werden die unwissenden Leute manipuliert und die Ausländer werden als staatsfeindlich dargestellt, obwohl viele von ihnen in den letzten Jahren es geschafft haben das Wort Integration in voller Form zunutzen. Was ist bloß aus unserem Land geworden?
Nichts mehr mit lachenden Kindern an den Bushaltestellen. Tritt dort einer aus der Reihe, bekommt er einen Schlag mit dem Knüppel. Strenge Disziplin wie bei den Soldaten. Nachwuchsförderung heißt es offiziell. Die Wahrheit sieht aber anders aus. Der Krieg ist im vollen Gange und das Land braucht neue Soldaten. Am besten sind diese die willenlos gehorchen wie Maschinen.
Nachdem alle sich im Bus befinden, geht die Fahrt los. Zu mindestens die Fahrt verläuft ohne weitere Unannehmlichkeiten. Ich zähle schon die Stunden bis Schulschluss. Gut! Ich gäbe zu, dies damals schon getan zu haben aber nun tue ich dies, weil ich weiß was gleich kommen mag und glaubt mir das gefällt gar nicht. Sitzend warte ich im Raum auf den Lehrer. Na ja immerhin bin nicht alleine im Raum und neben mir sitzt meine süße Mitschülerin Tina mit der ich, mal unter uns gesagt, mich schon seit einiger Zeit, prächtig verstehe.
Wie doch so oft ändert sich die Stimmung dann auch als der Lehrer den Raum betritt. Jetzt heißt es aufstehen und begrüßen, obwohl wir schon alle über Sechszehn Jahre alt sind. Es wäre ja nicht schlimm, müssten wir uns nur hinstellen und setzen, aber leider und das widert mich an, sollen, Ach, müssen wir solche Sätze wie „Treue dem Führer“ rufen. Auf was das hindeutet kann sich wohl jeder vorstellen. Bloß was ich immer nicht verstehe ist diese Begeisterung dabei. Freudige Gesichter als wüsste niemand von denen, was dies bedeute. Ich meine, denkt denn keiner an die 40er Jahre in Deutschland! Aber scheinbar sind meine Mitschüler doch schon zu stark manipuliert.
So etwas wie Sozialkunde im eigentlichen Sinne haben wir nicht mehr. Erörterungen über Themen im eigenen Land wie man sie in Klausuren oder Hausaufgaben auch im Fach Deutsch hätte schreiben müssen, sind strengstens verboten. Überhaupt ist Meinungsäußerung alles andere als erlaubt, es sei denn es diene dem „Wohle des Führers.“
Ich weiß nicht, was ich noch soll in diesem Land. Neulich war erst von Demonstrationen in den Nachrichten die Rede, die niedergeschlagen wurden und die Nachrichtensprecher sprachen von gewissenlosen Verrätern gegen ihr eigenes Vaterland. Demonstrationen, Meinungsäußerungen oder jeder andere Ausdruck von Kritik wird als illegal gesehen und mit brutalster Gewalt niedergestreckt. Ist das ein Leben, welches man führen sollte?
In der Pause, die wir haben nach Sport, dass „wichtigste“ Fach überhaupt für einen angehenden Soldaten, mache ich mich mit meiner Mitschülerin aus dem Staub. Ich hatte ihr erzählt, dass ich abhauen will. Sie ist wohl, die einzigste neben meiner Familie, die das gleiche Gefühl, wie ich empfindet. Wir beide wissen das kein Bus zu dieser Zeit fährt und laufen daher. Um nicht von irgendwelchen Polizisten angehalten zu werden, die überall in der Stadt sind, gehen wir die Gassen entlang. Dort sehen wir das soziale Elend, was die Regierung hinterlassen hat. Bettler, verlauste Straßenmusiker und Obdachlose teilweise in Müllbergen sitzend. Ratten rennen anbei den Menschen. Der Müll brennt und jeder dort versucht es sich irgendwie warm und gemütlich zu machen. Ich habe Angst und sie auch. Wir beeilen uns und trotzdem bittet man uns um Gaben jeglicher Art. Grausam was aus diesem Land geworden ist!
Zuhause angekommen, steht schon das Auto vor der Tür. Alles ist zur Abreise gepackt. Meine Eltern sind zwar überrascht mich so früh zu sehen, aber als ich ihnen erkläre, dass ich mich nicht mehr diesen Bedingungen weiter aussetzen wollte, haben sie Verständnis. Gott sei Dank ist mein Vater ein weiser Mann und macht sich nicht viel aus Meinungen anderer, sonst würde das was wir jetzt vorhaben sicherlich nicht stattfinden. Meine Freundin darf mit. Ihre Eltern werden nachkommen. So hieß es erst mal. Wir wissen was wir vorhaben und andere gewiss auch, deshalb müssen wir auf der Hut sein, denn man könnte uns überwachen. Der gläserne Mensch wie es vor Jahren noch im Bundestag von der Opposition hieß. Da war es nur eine Debatte heutzutage ist es Wirklichkeit geworden. Ohne Opposition versteht sich, denn die hatte man abgeschaffen. Warum ist das wohl so gewesen?
Meine Eltern haben aber auch niemanden überhaupt niemanden außer mir davon erzählt. Offiziell hieß es daher nur, wir fahren in den Urlaub. Von Landesflucht keine Rede. Das Vertrauen in den letzten Jahren ist ja auch stetig gesunken. Wer wichtige Informationen zu den Funktionären brächte, hätte eine prächtige Belohnung kassiert. Wen sollte man da schon vertrauen?
Die Fahrt geht los. Fünf Personen sitzen im Auto. Vorne meine Eltern, mein Vater fährt. Hinten sitzen neben mir mein Bruder und meine Mitschülerin. Der Weg ist lang, viel zu lang. Wir überqueren Feldwege jeglicher Art, vorbei an verkommenen Bauernhöfen, an eigen errichteten Zeltlagern der Armen, die wir in Massen da sehen. Aus allen Ecken kamen sie herbei. Die Felder liegen brach und nirgendwo scheint auch überhaupt etwas zuessen zu wachsen. In den Nachrichten wird uns leider nur das vorgehalten was unser Land angeblich ausmacht, aber das Elend ist stärker denn je. Auf Agrarhilfe hielt die Regierung nicht viel. Unsere Familie besaß bloß das Glück, dass wir rechtzeitig genug Geld weggelegt hatten und das mein Vater, ein großer Unternehmer, der Partei genug spendete. Aber nun hat er auch genug, denn es wurde immer mehr und mehr von seinem Betrieb in die Hände des Staates genommen.
Nach einer Weile erreichen wir die Grenze. Endlich ein Licht in der Ferne. Hoffnung kommt auf. Im Auto geht eine freudige Stimmung um. Noch sind wir nicht drüben. Drüben klingt wie damals in der DDR. Als alle nach den Westen wollten. Diesmal ist unser Land nicht geteilt, sondern das ganze Land eine Diktatur. Das ist der Unterschied und der ist ob es jemand glaubt oder nicht gewaltig.
Neben der Grenze ist ein Wald. Das Auto wird an einer Raststätte in der Nähe der Wachposten abgestellt. Unbemerkt verlassen wir diese durch den Hintereingang, immer auf der Hut vor sogenannten Parteifunktionären. Wir schleichen in den Wald. Alle zusammen kämpfen wir uns durch das ganze Geäste. Ständig gucken wir umher, ob uns niemand verfolgt. An den Wachposten müssen wir vorsichtig sein. Jederzeit könnte uns jemand sehen und eventuell die Hunde los schicken. Aber wir schaffen es. Endlich am Ziel an gekommen! Endlich raus auf dem Land, wo nichts mehr ist wie früher! Nicht weit müssen wir laufen bis in die nächste Stadt und da herrscht das worauf wir seit langem gewartet haben. Der Geruch von Freiheit. Hier sieht unser einer, Menschen, die für ihre Rechte demonstrieren. Ohne davon in irgendeiner Form mit Gewalt abgehalten, zu werden. Ich sehe sogar Wahlplakate. Oh ist das schön! Ist das alles ein Zeichen für Demokratie?
Sicherlich ist hier auch nicht alles perfekt. Armut wird es auch hier leider geben und Demokratie sollte auch öfters mal hinterfragt werden. Es ist immer ein Unterschied zwischen dem was herrscht und dem was sein sollte. Aber Demokratie heißt ein Zeichen setzen für eine bessere Welt und gemeinsam können wir das schaffen.