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- 12.02.2005
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Antwort
Ich höre ihn wieder. Er verfolgt mich schon tagelang, mit seinem unaufhörlichen Drang frei zu sein, auf der Erde. Ich fühle mich gequält, gar gefoltert von ihm. Ich mochte ihn, aber das ist schon Tage her, nun hat er es zu weit getrieben. Er war ein verlässlicher Partner, hatte mir immer einen guten Fischfang eingebracht. Ich war den anderen Fischern immer etwas voraus gewesen. Ich wusste, wenn er uns besucht, ich konnte mich wirklich immer auf ihn verlassen, auf ihn den Regen. Ich habe nämlich ein Haus, ganz nah am See steht es und mein kleines bezauberndes Fischerboot steht davor. Es scheint immer bereit zu sein, immer fertig zum Auslaufen. Es lacht mich jeden Morgen an, ladet mich ein, auf ihm Platz zunehmen. Ich bin sein Partner schon seit sehr langer Zeit. Morgens, wenn die Sonne ihre Kraft an die Erde noch nicht vergeben hat, ja da stehe ich immer am See, werfe meine Gedanken dem See zu, er reinigt sie und gibt sie mir zurück. Genau wie heute.
Ich mag ihn nicht diesen kühlen, feuchten, erdrückenden Frühlingsmorgen. Ich gehe vom See zurück, er hat genug für mich getan. In der einen Hand halte ich den Regenschirm, da höre ich ihn plötzlich noch etwas sagen.
„ Auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal.“
„Was noch etwas“
„Ja danke, gute Idee, werde ich sofort machen“ sage ich.
Wieder hat mir mein Partner einen guten Ratschlag gegeben. Ich werde nun sofort die Post holen, genau wie er es gesagt hat. Schnell laufe ich, gar nicht so wie an einem normalen Morgen, aber es ist ja der Ratschlag eines Partners gewesen. Sumpfig ist der Boden heute, nass aber doch empfinde ich die leichte Antwort des Bodens auf meine Schritte als angenehm. Einzelne Grashalme zeigen mir den Weg zum Ziel des kühlen Morgens. Ja jetzt war ich da, angekommen an meinem Briefkasten. Er steht schief genau wie mein Leben. Er passt eben zu mir, genau wie alle meine anderen Partner. Silber ist er, nicht so wie damals. Als ich ihn vom Schmied geholt habe. Nein er ist durch meine Post gealtert. Da blickt etwas Weißes aus ihm heraus. Ich bin leicht geschockt, verunsichert. Ich frage mich unaufhörlich: Warum? Wie? Wieso? Wer? Warum?
Doch dann durchstreift mich ein leichtes Licht, ich habe ihn berührt. Der Brief ist kalt, ohne Herzlichkeit, aber er ist weiß, das beruhigt mich doch sehr. Ich frage mich, warum er zugeklebt ist. Spannung durchfährt mich und ein Gefühl der Neugierde. Sofort reiße ich ihn auf, kann einfach nicht widerstehen. Ich habe ihn geöffnet, schon halb zerrissen in meiner Hektik. Die Spannung schwindet, die Knie zittern weniger. Es kehrt wieder Alltag ein. Der Brief scheint unwichtig.