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Anya

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16.07.2009
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Anya

Ihre Gleichgültigkeit schockiert mich.
Wir sitzen im „Four Seasons“ an einem roten Plastiktisch und starren uns an. Hinter den deckenhohen Fenstern bringt die Sonne die Luft zum kochen und das Wasser in den Pfützen verdunstet. Plakate werden von Arbeitern mit Besen hochgezogen. Das Glas ist schmutzig vom Fliegenschiss und grell von der Sonne.
Anya trägt eine Sonnenbrille mit Plastikgestell, genau das selbe Modell, das ich auch trage, und wir tragen diese Sonnnenbrillen, weil wir uns nicht ansehen wollen, und weil ich versuche mich auf die Musik zu konzentrieren, und weil sie versucht, sich abzulenken.
„Du isst zu viel“, sagt Anya, „Sieh dich an. Du bist fett geworden.“
„Ich esse genau so viel wie du.“
„Aber du isst das Falsche.“
Anya kaut laut auf ihren Backenzähnen und das macht mich wahnsinnig.
Anya fickt mit anderen Kerlen und das macht mich wahnsinnig.
„Eigentlich waren wir gerade beim Spanienurlaub stehen geblieben. Lenk' nicht ständig ab!“
„Du kannst hinreisen, wohin du willst, mir egal...“
„Aber ich möchte mit dir zusammen dort hin...“
„Diese Suppe schmeckt scheußlich.“
„Anya!“
Anya lässt die Gabel fallen und nimmt die Sonnenbrille ab. Ihre Augen sind ganz trüb, alles drumherum ist schwarz. Draußen hängt das Plakat mittlerweile an seiner Stelle, und das nächste wird aufgezogen.
Ich habe Anya im Bett kennen gelernt.
Sie setzt die Sonnenbrille wieder auf.

Anya studierte Medizin in Bonn. Anya kam nach Berlin um mich kennenzulernen und ich kam aus Dresden nach Berlin, um sie kennenzulernen, und wir trafen uns dort vor einem Hotel, und stiegen ins Bett ohne ein Wort zu wechseln. Und der Alkohol ersetzte unsere Worte.
Nach dem Sex erfuhr ich ihren richtigen Namen. Anya.
Im Chat nannte sie sich Grace.
Dann sagte ich ihr, dass ich Tim heiße und Philosophie studiere.
Im Chat hieß ich Leon.
Sie stöhnte ohne zu antworten und setzte sich dann nackt mit der Zigarette im Mund aufs Fensterbrett und starrte nach draußen. Ich trank mindestens zwei Flaschen Champagner, sie trank nur eine, und mehr passierte an dem Abend nicht. Die Luft schnell kalt. Anya wurde nicht kalt, nur ich bekam eine ziemliche Gänsehaut, als ich sie so auf dem Fensterbrett sitzen sah.
In meiner Erinnerungen klemmt Anya ihre blonden Strähnen hinters Ohr, weil sie ihr im Gesicht hängen. Ihre Lippen sind so blass, wie die weiße Haut die sie umgibt und inmitten das schwarze Loch, das nicht mit mir sprechen will. Das Loch geht auf und zu, wenn sie atmet und ich kann ihren Atem hören.
Ich habe mich in Anya verknallt.
In die kleine Stupsnase, die auf den Bildern im Net keinen Schatten wirft.
In die Sommersprossen.

Anya studiert die Speisekarte und nimmt das Cordon Bleu.
Seit vier Monaten weiß ich nicht, ob sie sich auch in mich verknallt hat.
Sie klemmt ihr Handy zwischen Schulter und Ohr und redet mit ihrer Freundin Sandy. Sandy kann mich nicht ausstehen, deswegen sorgt Anya dafür, dass wir drei uns nicht mehr zusammen sehen. Sandy war mal ein Mann, mit dem sie was hatte, und jetzt ist sie eine Frau, und ihre beste Freundin, und man sieht ihren Schwanz wie eine riesige Beule, wenn sie im Jogginganzug die Straßen langläuft.
Anyas Nacken ist orange von der Hitze und die Stellen ihrer Träger sind schneeweiß.
Anya trägt ein Top, einen dünnen Seidenschal, dazu Hotpants, Sandalen und Ohrringe, und der Edelstein ihres Ringes, den ich ihr geschenkt habe, ist nach unten gedreht, und klopft laut auf die Tischplatte. Dann zieht sie den Ring ganz ab.
Dann sehe ich den weißen Streifen auf ihrem Ringfinger.

Wie nervös ich doch war, als ich sie kennenlernte.
Ich hatte mir ein Zimmer gemietet irgendwo, in der Nähe des Marktplatzes. Das Zimmer war klein, die Dusche war klein und die Schiebetüren klemmten. Ich legte mein Handy auf den Waschbeckenrand, damit ich sehen konnte, wenn sie mich anrief, während ich mich duschte. Ich duschte mich mehrmals, rieb mein Gesicht mit Seife ein bis es rot wurde und wellig und bis mir die Augen brannten. Dann zog ich mich an und beobachtete das Handy. Ich konnte nichts essen. Nichts trinken. Die Fernbedienung lag noch immer unberührt auf ihrem Platz. Die kleinen Seifenpackungen aufgerissen und im Zimmer verteilt, das Schokoladenpräsent in den Mülleimer geworfen.
Dann stand sie vor der Tür und klingelte und sie trug die selben Sachen wie heute.
Wir sagten uns „Hallo“ und mehr nicht, und sahen dabei zu Boden, und schoben dir Beine aufeinanderzu, bis wir anfingen uns zu betrinken und dann zu ficken, und als der Morgen kam, stand sie schon wieder im Türrahmen und hielt ihre Koffer in der Hand. Und ihre BH-Träger waren aufgerissen.
Sie sagte: „Treffen wir uns mal wieder?“
Und ich antwortete: „Warum nicht.“
Die Kälte brachte mich um.

Anya wendet ihr Cordon Bleu und konzentriert sich mehr auf die Stimmen der Leute hinter ihr, als auf meine Stimme. Und meine Stimme wird immer leiser. Bald nur noch ein Flüstern.
„Ich möchte mit dir nach Spanien fliegen“, sage ich und atme dabei laut.
„Weil ich dich wirklich liebe.“
Die Männer, die die Plakate aufziehen sind verschwunden. In der Sonne beginnen die Menschen ihre Hemden auszuziehen und nur noch in Unterhemden rumzulaufen, und jeder von ihnen trägt eine Sonnenbrille. Die Raucher drücken ihre Kippen auf Fenstersimsen aus und hinterlassen mit ihrer Asche weiße Flecken.
„Du könntest schwanger werden.“, sage ich, noch laut atmend.
Anya und ich haben jeden Tag ungeschützten Sex. Ich versuche ein Thema zu finden, auf das sie reagiert, und sie reagiert tatsächlich, das Gesicht gleichgültig und kaum verzogen.
„Ich werde nicht schwanger.“
„Wenn doch?“
„Abtreibung.“
Ich sehe auf mein Sahneschnitzel, in dem noch immer eine Gabel steckt und auf das Mineralwasser, dessen Glasrand noch feucht von meinen Lippen ist. Anyas Gesicht sieht ganz faltig aus und ihre Haare werden von Tag zu Tag grauer. Sie umklammert ihre Handtasche mit ihren gelben Fingern, als könnte jeden Moment jemand kommen und sie stehlen.
Im Radio läuft ein Song von Johnny Cash. „Burning ring of fire“
Anya nickt zum Takt.

In Spanien gehen wir am Strand entlang und bohren unsere Füße in den aufgeweichten Sand. Die Sonne ist so rot und schwach, dass man sie mit bloßem Auge beobachten kann ohne zu blinzeln. Alle Wolken sind nur noch von einer Seite grau, die andere Seite ist tief orange gefärbt und pulsiert.
Wir haben keinen Sex mehr, wagen einen Neuanfang. Wollen uns richtig verlieben.
Im Hotel schlafen wir in getrennten Zimmern. Anya schläft bis Mittag. Am Nachmittag legt sie sich auf eine weiße Liege am Pool und beobachtet die Kinder, die in das blaue Poolwasser springen. Der Himmel ist glasklar, das Wetter Top. Anya lässt sich von fremden Männern eincremen, die einen Stiefen in der Badehose haben, und die mit ihren Händen, immer nur auf einer Stelle reiben, bis sie wund ist.
Dann wischt Anya die Sonnencreme ab und wartet auf den nächsten, der sie eincremen will.

Ich beobachte sie von drinnen, während ich mit anderen Frauen rede, die alle nur Englisch verstehen. Die eine heißt Rika, die andere heißt Leonie und die dritte heißt Jenny. Alle drei haben braun gebrannte Haut und dunkle volle Lippen und ihre Ringfinger haben keine weißen Streifen. Wir sitzen auf Ledersofas vor einem Billiardtisch und erzählen uns gegenseitig von Internetbekanntschaften, die wir gemacht haben.
„Wenn man sich dann trifft, muss alles stimmen, so wie bei uns...“, sage ich lächelnd und die Spanierinnen lächeln zurück.
Alle drei tragen keinen BH unter ihren Tops.
Der Abend wird kühl und Sterne funkeln hell am Himmel. Ich tanze mit den Spanierinnen unten in der Lounge und Rika bietet mir eine Zigarette an. Rikas Mund ist spitz und küsst mich und dann küsse ich Jenny, die gerade eine Zigarette im Aschenbecher ausdrückt. Der ganze Raum ist voller Rauch und ich sehe irgendwann nicht mehr, wen ich genau küsse.
Betrunken bemerke ich, wie Anya an der Bar sitzt und mich beobachtet, und mehrere Gläser Caipirinha leert. Nur die leeren Gläser und Anyas Rücken sehe ich noch, als ich mir selbst was zu trinken holen gehe. Anya dreht sich nicht um und ich rufe ihr nicht nach.
Ich bezahle die Drinks und gehe auf mein Zimmer.
Als ich das Fenster öffne, wird es schlagartig kalt. Ich trinke noch ein paar Champagnerflaschen aus, die ich mir von Mädchen hochbringen lasse, und jedes dieser Mädchen frage ich noch ihren Namen und nach ihren Hobbys, doch sie verstehen mich nicht, und dann biete ich ihnen an, selbst etwas zu trinken, in dem ich ihnen ein Glas hinhalte, doch sie alle lehnen ab.
Anyas Zimmer liegt neben meinem. Ich lehne mich aus dem Fenster und lausche. Anya hat des Licht an und das Fenster offen. Ich höre fremde Stimmen und Gelächter, kann aber nichts genaues verstehen. Draußen ist es derartig kalt, dass mein Atem genauso hell schimmert wie der Zigarettenrauch. Ich warte, bis das Licht ausgeht, versuche keine Geräusche zu machen, um alles zu verstehen, und als das Licht ausgeht, merke ich, dass ich mehr als zehn Zigaretten geraucht habe.
Ich klopfe ein paar mal gegen die Wand, doch es reagiert niemand.

Am nächsten Tag treffen Anya und ich uns in der Stadt zum Shoppen.
Im Gewühl der Klamotten, die Handtasche um die Schulter geworfen sagt sie mir, sie bekäme keine Regel mehr und hätte Kopfschmerzen. Sie sagt, ihr sie die ganze Zeit schlecht und letzte Nacht musste sie brechen.
Ich nicke bloß und stelle mich unter den Deckenlüfter, weil mir so warm ist.
Beim Nachhausegehen trage ich die vollen Taschen neben ihr her und versuche an ihre Gang zu erkennen, ob sie wirklich schwanger ist. Bis zum Ende des Urlaubs sitze ich in meinem Zimmer und sehe fern, und auf allen Kanälen scheinen Western-Filme zu laufen, bei denen jedes Mal jemand von einer Kugel in den Unterleib getroffen wird, und stumm zu Boden geht. Ich warte auf einen Anruf von Anya, doch es kommt keiner. Das Handy liegt wieder auf dem Waschbeckenrand, in einer grauen Pfütze mit kleinen Härchen, und ich kontrolliere halbstündlich, ob die Batterien auch aufgeladen sind.
Bald ist es wieder Abend und ich betrinke mich allein in der Bar. Eine der Spanierinnen lade ich auf mein Zimmer ein und wir sehen zusammen einen Western und sie fragt mich: „Bist du auch so ein Cowboy?“, und lächelt dabei.
Aber ich lächle nicht.
Am nächsten Morgen sehe ich Anya im Foyer, wie sie mit ihren Koffern aus dem Hotel läuft.
Ich bleibe stehen und sehe ihr nach.

 

Ich versteh dich schon, aber der Text soll ja abgehackt, stockend und antriebslos wirken, ins Leere verlaufen....
Das ist Teil der Stimmung

Anya fickt mit meiner Schwester und das macht mich wahnsinnig.

Ooops, da ist mir wohl ein kleiner Fehler unterlaufen.... wir korrigiert.

 

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