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Apfelsaft- Gefühle

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20.08.2003
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Apfelsaft- Gefühle

Sie saugte schon zum zehnten Mal an ihrer Apfelsafttüte und wunderte sich zum zehnten Mal, daß nichts mehr kam von dem süßen Saft, den sie so brauchte. Der Energie. Dem Schutz.
Sie legte den Hörer ans andere Ohr.
„Nein, eigentlich komme ich jetzt wirklich damit klar. Ich bin doch kein Kind, Papa.“
Und doch wußte sie, daß man ihren Protest hörte. Besessen schüttelte sie das Trinkpäckchen.
„Das hat doch nichts mit dem Alter zu tun.“
Stille.
Doch.
„Ich will ehrlich zu dir sein, Maus.“
Maus.
Kleine Maus.
Meine Höhle ist nicht mehr deine.
„Ja?“ fragte sie betont desinteressiert.
Das Problem war, er kannte sie. Kannte sie seit sie die von ihm ausgesuchten Babyschuhe getragen hatte.
„Interessiert dich das nicht?“ Er kannte sie nicht. Innerlich jaulte sie.
„Doch“, sagte sie.
„Also“, er räusperte sich. „Ich werde mit ihr zusammenziehen. Wir lieben uns wirklich, das mußt du mir glauben.“
Sie reagierte nicht.
„Wie könnte ich euch denn sonst so was antun, wenn nicht aus Liebe?“
Keine Ahnung.
„Du hast sie mehr lieb als mich.“
Ihre Stimme klang heiser, weinerlich, beschlagen. Als wenn sich kleine undurchsichtige Nebelschwaden auf ihr niedergelassen hätten.
„Mäuschen, wie kannst du so etwas denken? Ich liebe sie nicht mehr... nur anders.“
Lügner.
Die Nebelschwaden verdickten sich, wurden zu einem Nebelkloß, den sie loswerden wollte.
Eigentlich war alles prima. Er würde mit ihr zusammenziehen, doch er war nicht weg. Er war noch da. Ein Apfelsafttropfen fiel aus dem Strohhalm auf ihre Zunge. Sie schluckte ihn nicht. Wollte ihn festhalten.
„Aber... ihr bleibt doch hier?“
Flehend. Drängend. Panisch.
„Maus. Wir gehen weg.“
Der Nebel verwandelte sich in Regen. Ein heißer Regen nach einem Sommertag, lasch und weich, aber durch seine Sänfte so ungeheuer schmerzhaft. Ein Tropfen fiel auf ihren Mund. Sie schmeckte das Salz.
Apfelsaft, Apfelsaft. Keine Tränen. Nur Apfelsaft.
„Wie... weg?“
Es fiel ihr schwer, den Regen verdunsten zu lassen. Apfelsaft.
„Nach Hamburg. Sie hat da einen Job. Es tut mir so leid.“
Lügner. Lügner. Lügner. Apfelsaft. Nebel. Sie schluckte das Gemisch aus liquiden Gefühlen hinunter.
„Freut mich für dich.“
Eine Spur zu kühl. Jeder Idiot hätte das gemerkt. Sie biß auf den Strohhalm, kaute auf ihm rum, entlud sich in ihm.
„Was machst du da?“
„Apfelsaft.“
Immer wieder Apfelsaft. Und Regen. Und Nebel.
„Freut mich echt für dich, weißt du.“ Und dann die Schleimspur:
„Es freut mich alles, was dich glücklich macht.“
Aber nicht gelogen. Er war ihr Held, ihr Ein und Alles, ihr... Apfelsaft.
„Du kannst uns mal besuchen. Annette hat eine wirklich schöne Wohnung. Und ihr würdet euch gut verstehen. Sie ist dir sehr ähnlich.“
„Dann kannst du auch bei mir bleiben.“
Jetzt kam es doch durch, das kleine Mädchen, das nicht wollte, daß sein Daddy wegging.
Sie schluchzte jetzt lauter. Sollte er es doch merken. Sollte er fühlen, wie weh er ihr tat, was für eklig liquide Gefühle er in ihr ausgelöst hatte. Auch wenn es ihm weh tat. Es sollte ihm weh tun.
Seine Stimme klang traurig, als er weiter sprach. Sie war immer noch dunkel, beruhigend, schön, schützend.
„Kleines, es tut mir so leid. Aber es ist das Beste für uns alle. Mama und ich haben uns so oft gestritten.“
Sie hörte nicht auf. Der Regen wurde stärker. Sie wollte ihn verdrängen. Übertrumpfen. Wo war der Apfelsaft? Keiner mehr da. Es kam nichts mehr raus.
„Ich habe dich so lieb, glaub mir.“
Sie wollte seine Stimme nicht mehr hören. Sie tat ihr so weh, löste sie auf, bis sie zerfloß und kaum noch da war.
„Ich... muß... aufhören.“ weinte sie. „Rufe dich morgen an. Ja?“
Bestätigung. Wo war die Bestätigung?
„Ja natürlich. Ich habe dich so lieb.“
„Ich dich auch. Bis morgen.“
Ohne auf seine Reaktion zu warten, legte sie auf.
Alles war salzig. Eklig. Sie ging in die Abstellkammer und suchte ein Apfelsaft- Trinkpäckchen. Erleichtert fand sie eins und wunderte sich, da sie fest überzeugt gewesen war, daß kein Apfelsaft mehr da gewesen war.
Sie öffnete es.
Sog den Saft in sich auf.
Spuckte.
Er schmeckte anders. Sie sah auf das Datum. Sie hatte doch gewußt, daß da was faul war.
Der Apfelsaft war abgelaufen.
Und abgelaufener Apfelsaft kann einen Regen nicht ersticken.

 

Willkommen minyatur.
Dein Text ist sprachlich gut und fehlerfrei, allerdings fand ich das Apfelsaft-Motiv etwas überzeichnet. "Er war ihr Apfelsaft"? :susp:
Ebenso das oft bemühte Wetter. Der erste Nebelvergleich ist klasse, den "Nebelklos" könnte man noch durchgehen lassen, wenn der Rest stimmen würde, aber auch hier übertreibst du es meines Erachtens und gipfelst in einer Verknüpfung im Schlusssatz.
Hört sich jetzt härter an, als es ist.
Trotzdem: Vielleicht behutsam streichen, so, dass du deiner Intention und dem Titel noch gerecht wirst, dann ist es ein gutes Ding.
...para

 

Hey Paranova!
Sorry, dass meine Reaktion erst so spät kommt. "Apfelsaft- Gefühle" ist eine meiner ersten Kurzgeschichten und eben noch nicht so perfekt...
Danke auf jeden Fall für deine Kritik, die ich sehr schätze, da ich sie als Hilfe sehe. Ich denke, wenn ich Zeit habe, werde ich sie ein wenig abändern.
Thx erstmal und alles Liebe. Minyatur

 

Eine nette Geschichte. ;)
Es gab zwar schon öfter so eine Art von Text, aber nicht in Verbindung mit Apfelsaft (das hat mir vor allem am Ende gefallen - als sie bemerkte, dass der Apfelsaft abgelaufen war.)
Allerdings finde ich nicht, dass es zu übertrieben war - man merkt eben, dass sie versucht sich auf den Apfelsaft zu konzentrieren, um ihre eigenen Gefühle nicht bemerken zu müssen.
Was mich ein wenig gestört hat, war, dass es teilweise ein wenig distanziert erzählt wurde ... fast ohne Gefühl. Dem Vater z.b. scheint es fast egal zu sein, wie es seinem Kind geht.
Das "liquid", wirkt übetrieben, es klingt so, als hättest du zwanghaft versucht, ein Fremdwort einzubauen.
Naja und das Wetter ... eine gute Idee, durch das Wetter ihre Gefühle beschreiben zu wollen, nur übertrieben ... aber das wurde ja schon gesagt ;).

 

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