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Apfelsaft

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31.07.2005
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Apfelsaft

Am Himmel dieses grauen Oktobertages türmen sich regenschwere Wolken.
Iskar schlängelt sich durch die dichte Menschenmenge, die jeden Tag Fengaras Markt von morgens bis abends bevölkert, während er mit dem geübten Blick des Diebs nach lockeren Geldbörsen Ausschau hält.
Gerade da zwinkert ihm ein Lederbeutel zu, der nur lasch an den Gürtel eines vornehmen Bürgers in der roten Kniebundhose und dem Wams eines Gildemeisters geknotet ist.
Mit einer flinken Handbewegung ist der Knoten gelöst, und ohne, dass der Gildemeister etwas merkt, der Beutel in Iskars Ärmel verschwunden. Den Fang wird Iskar später betrachten, jetzt ist Arbeitszeit.
Gut gelaunt setzt er seinen Weg über den Markt fort.
Doch etwas ist heute anders als sonst. Immer wieder sieht er Leute besorgt miteinander sprechen, die Köpfe zusammenstecken, oder offen debattieren. Gesprächsfetzen fliegen vorbei, bevor sie in Richtung des grauen Himmels verschwinden.
„Hast du es auch schon mitbekommen? Es gibt keinen einzigen ….“
„Ich glaube, es liegt an …“
„Wie kann es denn sein…“
„In der ganzen Stadt…“
„Mildra meinte, es sei im ganzen Land…“
„…und das hier, im Land der Äpfel.“
Verwirrt steuert der schlanke Dieb auf sein allmorgendliches Ziel zu, die Stände der Obsthändler, um sich sein Frühstück zusammenzuklauen.
Je näher er den Obstständen kommt, desto lauter wird das beunruhigte Gemurmel.
Schließlich steht er genau vor dem ersten Stand und bleibt verwirrt stehen. Etwas ist falsch, so anders als sonst, und dann sieht er es: Keine Äpfel, es gibt keine Äpfel. Er eilt an den anderen Ständen vorbei, auch hier gibt es keine Äpfel.
„Jald“, ruft er, als er ein bekanntes, pockennarbiges Gesicht in der Menge sieht. Der angesprochene, ein Mann von Iskars Alter, aber etwas schmächtiger, zuckt wie ertappt zusammen, wirft ihm einen finsteren Blick zu und schlängelt sich dann durch die Menge durch zu ihm.
„Vielen Dank“, beschwert er sich im Flüsterton zur Begrüßung, „Ich war gerade dabei dem dicken Heruas seine Börse zu klauen, damit ist es jetzt Essig…“
„Nicht aufregen, soviel wird er schon nicht dabei gehabt haben“, beschwichtigt Iskar.
„Du kannst mir ja zur Entschädigung heute Abend einen ausgeben“, mault Jald, immer noch schlecht gelaunt, während er dem dicken Heruas einen letzten wehleidigen Blick hinterher wirft.
Iskar tippt sich an die Stirn. „Bin ich Krösus?“
„Ach, immer dasselbe mit Dir. Niemand ist so geizig und gierig wie Du…“
Nachdem er hinreichend verzweifelt den Kopf geschüttelt hat, fragt er:
„Was gab es denn so Wichtiges?“
„Du hast es noch nicht gemerkt?“, fragt Iskar ungläubig, „Alle Äpfel sind weg, und wenn man dem glaubt, was die Leute erzählen, gibt es in der ganzen Stadt, ja im ganzen Land keine mehr.“
„Deshalb war der dicke Heruas so unaufmerksam!“, triumphiert Jald.
„Kannst du nicht endlich deinen dicken Heruas vergessen? Bist Du ein Mann von 20 Jahren oder einer dieser kleinen Taschendiebsbürschchen? Seine Börse kannst du auch noch morgen holen.“
„Ich muss mich wieder an die Arbeit machen“, meint Jald kurz angebunden.
Mit diesen Worten verschwindet er wieder in der Menge, während Iskar sinnend stehen bleibt und gedankenverloren seine zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haare ordnet.
Da reißt ihn das Dröhnen der Marktglocke aus den Gedanken, die immer das Nahen eines Magistraten ankündigt.
Sofort wenden sich alle Gesichter dem Podest im Zentrum des Platzes zu.
Auch das Murmeln verstummt, als der Magistrat das Podest betritt und eine Schriftrolle unter dem Umhang hervorzieht. Da er die Meisten um ein gutes Stück überragt, hat Iskar keine Probleme, der Ansprache des Magistraten auch mit den Augen zu folgen.
„Auf Befehl der Magistraten von Fengara wird auf dem Marktplatz ein Untersuchungstribunal eingerichtet, um zu untersuchen, wo die Äpfel und der aus der Ratskammer verschwundene Edelstein Fengars verblieben sind.
Da der Edelstein unseres Gründers zu den mächtigsten magischen Artefakten gehört, und seit einer Woche kein Bauer mit seinen Äpfeln mehr Fengara erreicht hat, ist die Angelegenheit von entsprechender Dringlichkeit.
Der Markt wird zu diesem Zwecke abgebrochen und der Platz zeitweilig geräumt. Die Bürger von Fengara werden aufgefordert, sich vor Anbruch der Nacht in ihren Häusern einzufinden und sie bis zum Morgengrauen nicht zu verlassen.“
Sofort ist Iskar umschwirrt von flüchtigen Wortschwärmen.
„Fengars Edelstein …“
„…aus der Ratskammer…“
„...dort seit Gründung der Stadt...“
„…doch völlig unmöglich!“
„Warum sollen wir unsere Häuser nicht mehr verlassen? Warum will die Magistratur uns einsperren?“, kommt ein aufgebrachter Ruf aus der Menge.
Zustimmendes Gemurmel erhebt sich.
Statt zu antworten, tritt der Magistrat zur Seite und macht einer in lange rote Roben gekleideten Gestalt Platz. Ehrfurchtsvoll verneigt sich die Menge sofort vor dem Hohepriester.
„So höret die Worte der alten Schriften von Fengar, dem Gründer unserer Stadt:“, ruft er in dem den Priestern eigenen Singsang und sofort herrscht absolute Stille auf dem Platz, während die ersten dicken Regentropfen auf die Menge hinunterfallen.
„Wenn es im Land der Äpfel / nicht mehr gibt dergleichen Früchte / erhebt sich die dunkle Nacht / zu zerschmettern der Menschen Welt“, tönen die Worte Fengars aus dem Mund des Priesters wie ein Todesurteil über den Platz.
Aus der ehrfurchtsvollen ist eine bedrückte Stille geworden, nur das monotone Geräusch des Regens ist zu hören, der nun alle ganz durchnässt hat.
Langsam beginnt der Priester von dannen zu schreiten. Doch plötzlich entfällt das Buch seiner Hand, sein Stab klappert zu Boden.
Einen abwesenden Ausdruck auf dem Gesicht wendet er sich wieder der Menge zu, die ihn entgeistert anstarrt. Da entringen sich Worte seiner Kehle, doch die Stimme klingt blechern, unmenschlich.
„Sternenlicht, gestohlen, gehütet, gegeben, allein dies kann die Finsternis durchdringen!“
Dann bricht er zusammen.
Sofort stürzen Beamte zu ihm, während die Menge in helle Aufregung ausbricht.
Im allgemeinen Chaos schnappt sich Iskar einen unbeobachteten Laib Brot und zwei Birnen, dann eilt auch er durch den Regen zurück ins Armenviertel, wo die Diebe und Bettler wohnen.
„Ich kann mich jetzt nicht von alten, verstaubten Prophezeiungen einschüchtern lassen“, sagt er sich, die letzten Worte des Priesters verscheuchend, deren Echo immer und immer wieder in seinem Kopf nachhallt: „Sternenlicht, gestohlen, gehütet, gegeben…“
Heute Nacht wird er noch genug zu tun haben. Ausgerechnet heute Nacht…

Quietschend und knarrend holpert der hölzerne Pferdekarren die, mehr an einen Feldweg erinnernde, Straße nach Fengara entlang.
Immer wieder nickt Arwo auf dem Kutschbock ein, nur damit ihn das nächste Schlagloch wieder unsanft aus dem kurzen Schlummer reißt, während der alte Klepper still dahintrottet.
„Tock“, schon wieder ein Schlagloch. Arwo fährt hoch, reibt sich über die eben angestoßene Glatze und blickt sich um. Im Westen ist gerade noch der letzte feine Streifen des sterbenden Tages zu sehen, doch sonst ist es schon finster außerhalb des schwachen Lichtkreises, den Arwos Laterne wirft. Noch vor Mitternacht wird er mit seiner Ladung Äpfel in Fengara sein.
Er hat gehört, dass es dort seit gut einer Woche keine mehr gibt und rechnet sich ein gutes Geschäft aus. Bei dem Gedanken an das gemütliche Gasthaus, hebt sich seine Stimmung direkt ein wenig und er reibt sich in Vorfreude seinen fülligen Bauch.
Gerade tauchen er und sein Wagen in die dunkle Masse des Waldes von Vengor ein, hinter dem Fengara liegt.
Da, ein Sirren, ein schmerzerfülltes Wiehern, und das Pferd bricht zusammen. Arwo fährt aus seinen dösigen Träumen hoch.
Noch ein Sirren, die Laterne fällt klappernd zu Boden und verlischt.
Um ihn herum ist nur Dunkelheit, aber keine Stille. Die Finsternis ist erfüllt vom Rascheln schneller Füße im Laub und dem Knirschen gespannter Bogensehen. Gehetzt blickt Arwo sich um, doch er sieht die Gegner nicht.
„Was wollt ihr von mir?“, ruft er beinahe panisch in die feindselige Dunkelheit.
Keine Antwort. „Ich habe doch nichts Wertvolles dabei! Nur Äpfel!“, versucht er es noch einmal. Kalter Schweiß bricht ihm aus.
„Was wollt ihr?“ schallt seine sich vor Angst überschlagende Stimme durch die Nacht.
Plötzlich hört er eine hämische Stimme hinter sich: „Du wirst lachen – deine Äpfel sind sehr wertvoll für uns!“
Noch bevor er sich umwenden kann, hört er mit Schrecken das metallische Schaben einer Klinge, als sie aus der Scheide gezogen wird, dann explodiert der Schmerz an seinem Hinterkopf, als ihn die Breitseite des Schwertes trifft. Vor seinen Augen wird es rot, dann schwarz. Stille.

Iskar sitzt an dem klobigen Holztisch in seinem einfachen Quartier im Armenviertel und blickt hinunter in die dunklen Gassen des am meisten gemiedenen Teils von Fengara.
Vom Giebel über seinem Fenster tropft es immer noch, aber der Regen hat aufgehört.
Am dunklen Himmel dieses kalten Abends, der gerade seine letzte Kraft aushaucht, und der noch kälteren Nacht weicht, ist nur noch ein schmaler Streifen grauen Schimmers zu sehen, der kein Licht mehr spendet. Eine Bewegung unten auf der Straße erregt seine Aufmerksamkeit. Eine schattenhafte, hagere Gestalt huscht die noch regennasse Gasse entlang, eine Fackel weit vor sich hertragend, in deren schwachen Schein etwas Silbriges an der Hand der Gestalt blitzt, das sofort Iskars Diebesinstinkt anspricht. Doch schon ist die Gestalt um die Ecke und verschwunden.
Im Zimmer ist es genauso dunkel wie draußen, denn eine Kerze anzuzünden hieße, die Anwesenheit der Nacht zu bestätigen, und seit heute ist die Nacht ein Feind.
Da bemerkt er den Beutel des Gildemeisters, der noch immer unter seinem Wams auf Investigation wartet.
„Hatte ich dich bei dem ganzen Trubel ganz vergessen…“, murmelt Iskar.
Er löst das Band und schüttet den Inhalt des Beutels auf den Tisch.
Ein paar Münzen kullern über das grobe Holz – und dann stockt ihm der Atem.
Zwischen den Münzen funkelt etwas im schwachen Licht des aufgehenden Mondes, der kurz zwischen den Wolken hervorlugt.
Mit zitternden Fingern packt Iskar den kleinen Diamanten, der wie ein Apfel geformt ist, und hält ihn sich vors Auge.
Er versinkt in den sich immer wieder brechenden, spiegelnden Tiefen des Steins, betrachtet ihn lange.
Kurz schießt ihm der Gedanke an Verkauf durch den Kopf. „Für immer ohne Geldsorgen…“
Doch dann fängt das Glitzern wieder sein Auge, und er will nur noch eines: Diesen Stein behalten, ich hüten wie seinen Augapfel. Kaum kann er sich losreißen, doch dann lässt er ihn behutsam wieder in den Beutel gleiten, hängt sich diesen mit einem Band um den Hals und steht auf.
Denn trotz der Ausgangssperre muss er diese Nacht noch hinaus. Der Diebesbaron duldet kein Versagen, und Iskar hat einen Auftrag für heute Nacht. Er packt sein ‚Werkzeug’ zusammen, dann geht er die knarrenden Stiegen hinunter und tritt aus der Tür hinaus in die kalte, nasse Dunkelheit.
Wieder hat es angefangen dicke Tropfen zu regnen und in der Ferne ertönt die grollende Ankündigung eines Gewitters.
„Wie eine Motte in die Flamme“, schießt es ihm durch den Kopf.
Ärgerlich vertreibt er den Gedanken und macht sich auf den Weg.

Wie eine dicke Suppe schwappt tiefste Dunkelheit aus der Kellertür im heruntergekommenen Armenviertel Fengaras.
Allerion fröstelt, ein großer silberner Siegelring mit fremdartigen Zeichen darauf blitzt an seiner Hand, er zieht den dunklen Umhang fester um die Schultern und tritt an den Abgang heran, der auf die schwarze Leere des Kellerlochs dahinter zuführt.
Sein hageres Gesicht mit den eingefallenen Wangen und den dunklen Ringen unter den Augen sieht im Fackelschein noch verhärmter aus.
Bevor er in die Finsternis eintaucht, wendet er sich noch einmal um und blickt unsicher die Gasse hinauf und hinab, als wolle er sich vergewissern, dass ihm niemand gefolgt sei.
Ängstlich blickt er in die wabernden, flackernden Schatten in den Winkeln und Seitengassen, die im Licht seiner rußenden Fackel einen grotesken Tanz aufführen.
Nervös spielt er mit ein paar Münzen in der Tasche seiner roten Kniebundhose und merkt nicht, dass eine dabei herausfällt und mit einem leisen „Plitsch“ in einer der schwarzen Spiegeln gleichen Pfützen landet.
Das letzte Licht des Tages dringt schon nicht mehr in die Gassenschluchten vor.
Schließlich reißt er sich vom schaurigen Tanz der Schatten los, geht die ausgetretenen Stufen hinunter und verschwindet in der Dunkelheit.

Arwos Kopf droht zu zerspringen.
Langsam öffnet er Augen. Wo ist er bloß?
Um ihn herum ist nur Dunkelheit, ein ständiges Quietschen und Knarren und der Geruch von – Äpfeln.
Was ist nur passiert?
Als er seine Hände bewegen will, schneiden ihm Fesseln schmerzhaft ins Fleisch, auch seine Füße sind gefesselt.
Plötzlich gibt es einen Ruck und er stößt mit dem Hinterkopf gegen etwas Hartes.
Sofort explodieren Sterne vor seinen Augen.
Woher hat er denn diese Beule am Kopf?
Dem Quietschen und Karren und Rumpeln nach, muss er auf einem Wagen liegen. Sein Wagen?
Nein – dieser hier scheint viel größer.
Arwo versucht die Ereignisse der letzten Stunden – oder waren es Tage? – zu rekapitulieren.
Ganz langsam hebt sich der Schleier und er erinnert sich. Die Äpfel – der Überfall – der Schwerthieb.
Mit der Erinnerung kehrt die Angst zurück.
Angestrengt lauscht er in die Dunkelheit. Er hört das Geräusch von Regen, der auf eine Plane fällt, über sich, weiter vorne das Klappern von Pferdehufen auf Straßenpflaster und Stimmgemurmel, das durch Regen und Plane an seine Ohren dringt.
Um sich herum müssen Kisten über Kisten voller Äpfel gestapelt sein.
Plötzlich ruckt der Wagen, das Geräusch der Hufe hört auf, weicht dem von Rädern im Matsch. Die Fahrt wird unruhiger. Immer wieder scheint der Wagen stehen zu bleiben. Dann hört man das saugende Geräusch von Schuhen auf dem matschigen Untergrund, und das Ächzen der Männer, wenn sie die Räder aus dem Morast befreien. Und weiter rumpelt der Wagen.
Arwo beginnt einzudösen. Da geht plötzlich ein Ruck durch den Wagen, Rufe werden laut, die Plane wird zurückgeschlagen.
Regen prasselt auf Arwo nieder.
Plötzlich fühlt er sich unsanft hochgerissen. Die Angst ist wieder da.
Eine in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt schneidet ihm die Fußfesseln durch und schnauzt ihn an: „Los, aufstehen!“
Das Gesicht des so gekleideten verschwindet im Schatten der tiefen Kapuze des Umhangs.
Wacklig kommt Arwo auf die Beine, als die Gestalt ihn auch schon rüde vom Wagen stößt.
Arwo fällt in den Matsch und wird wieder hochgerissen.
Was soll das alles? Am liebsten ließe er sich hinfallen und liegen bleiben und schlafen, um aufwachen zu können und zu bemerken, dass alles nur ein Alptraum gewesen ist.
Doch schon wird er weitergestoßen, weg vom Wagen, an dem sich nun weitere schwarz Beumhangte zu schaffen machen und die Kisten abladen.
Verzweifelt blickt Arwo sich um. Ob er eine Möglichkeit hat, zu fliehen?
Er blickt in die Dunkelheit, die wie ein Schattenheer um den kleinen Lichtkreis der Fackel des schwarz Gekleideten herumwabert, als hielte nur das Licht sie davon ab, über Arwo herzufallen, und sofort ersticken alle Fluchtgedanken im undurchdringlichen Geflecht seiner Angst.
Immer wieder stolpert Arwo auf dem matschigen, unebenen Grund, fühlt sich hochgerissen und taumelt weiter.
Gerade will er beschließen vollends aufzugeben und hier und jetzt zu sterben, als sie in ein Waldstück treten. Sofort rücken die feindlichen Schatten im Schutz der Bäume näher.
Da taucht etwas zwischen den Bäumen auf, eine kleine Kapelle, oder ist es eine Gruft?
Der Torbogen in ihrer Frontseite öffnet sich in absolute Finsternis, so dunkel, dass selbst die Schatten der Nacht sie zu fliehen scheinen.
Unwillkürlich bleibt Arwo stehen. Diese Finsternis macht ihm mehr Angst als alle Schatten der Nacht zusammen.
„Vorwärts!“ bellt der Beumhangte ihn an.
Er wird nach vorn gestoßen und stolpert fast.
„Nein!“, schreit Arwo und wirft sich mit der letzten Kraft des Verzweifelten dem Beumhangten entgegen – und sackt durch ihn hindurch.
Völlig perplex bleibt Arwo am Boden liegen und blickt zu seinem Peiniger auf, der sich nun über ihm aufbaut. Plötzlich kommt ein Wind auf und fegt die Kapuze des Beumhangten zurück.
Ein Schrei will sich Arwos Kehle entringen, kommt aber nur als heiseres Keuchen aus seinem Munde.
„Das kann doch nicht sein…“
Mit einem grausamen Lachen packt ihn der Beumhangte und stößt ihn hinab in die absolute Finsternis.

Als wolle er ihn abhalten, weiterzugehen, trommelt der Regen in dicken Tropfen auf Iskar ein. Immer, wenn wieder eine Sturmböe durch die Gassen heult und wie ein riesiges Tier an den Fensterläden und Dachpfannen rüttelt, flackert seine Laterne, und die Schatten rücken näher, Lichtscheuen Raubtieren gleich, um dann vor dem wieder aufflackernden Schein der Laterne heulend zu fliehen.
Eine Ecke, eine Gasse, wieder eine Ecke.
Der Regen durchnässt seine Kleidung, läuft seine Haare hinunter, ergießt sich in seinen Nacken, platscht unter seinen Füßen und durchdringt seine Schuhe.
Eine neue Gasse, eine Ecke, ein kleiner Platz, noch eine Gasse, hier muss es sein.
Iskar steht vor einem ehemals pompösen Stadthaus. Die Jahre haben an der weißen Vertünchung der Außenwände genagt, und die Fensterläden sehen morsch aus.
Sein Auftrag ist einfach: Rein, nehmen, was da ist, raus.
„Leichter gesagt als getan“, murmelt er missmutig, als er die Hauswand emporblickt, die zum Klettern völlig ungeeignet ist, während die massive – und obendrein verschlossene – Eingangstür ihn finster-hämisch anblickt.
Schon will er sein ‚Werkzeug’ aus der Tasche holen, als er in einer Pfütze etwas im Schein seiner Laterne blitzen sieht.
Schnell geht er zu der Pfütze, hockt sich hin und holt den blitzenden Gegenstand heraus.
„Bloß ein Heller…“, denkt er verdrossen und steckt ihn mit einem „Aber, wer den Pfennig nicht ehrt….“ in die Tasche.
Als er sich wieder erhebt, entdeckt er einen kleinen Treppenabgang an der Seite des Hauses.
Aller durch glatte Wände und massive Türen ausgelöster Unmut schwindet bei der Hoffnung auf die förmliche Einladung einer offenen Kellertür.
Katzengleich huscht er in die Seitengasse und schaut die Stufen hinab.
Die vermeintliche Kellertür ist bloß ein Durchgang, hinter dem nichts als Finsternis zu sehen ist, so dick, als könnte man sie in Stücke schneiden und auf dem Markt verkaufen.
„Das ist ja wirklich eine Einladung“, frohlockt er.
Die Stufen hinuntergestiegen leuchtet er mit der Laterne in die Dunkelheit, doch der Lichtschein wird schon nach einigen Schritten von der Dunkelheit verschlungen ohne etwas anderes als die kahlen, feuchten Wände eines Ganges zu enthüllen.
Etwas Kleines, Fliegendes flattert gegen die Scheibe seiner Laterne. Verärgert vertreibt Iskar die Motte, die seltsamerweise nicht in den Gang fliegt, sondern hinaus in den Regen, wo sie alsbald von den Tropfen flugunfähig gemacht in eine Pfütze trudelt, in deren schwarzen Spiegelwassern sie ihr Leben aushaucht.
Iskar schüttelt den Kopf und reißt sich von seinen Mottenbetrachtungen los.
Dann hebt er die Laterne und taucht ein in die Finsternis.

Der Gang ist erfüllt vom monotonen Tropfen des Wassers. Boden, Wände, Decke, alles ist feucht. Allerion eilt von einer Pfütze in die andere tretend durch den Gang, während der zitternde Lichtschein seiner Fackel der Dunkelheit Stück um Stück des Ganges entreißt, um es gleich darauf wieder an die Finsternis abzugeben, die lauernd außerhalb des Lichtkreises wartet, seltsam dicht und wabernd nur wie ein Nebelschleier zerfließt, wenn das Feuer sie vertreibt
Allerion beschleunigt seinen Schritt, und zwingt sich, nicht in die Schatten zu sehen.
„Es gehört zum Plan, die Meisterin hat sie unter Kontrolle“, sagt er sich immer wieder, um die Angst zu unterdrücken, die langsam ihren Klauengriff um seinen Verstand legt.
Sein Schritt wird noch schneller. Die Tunnelwände eilen vorbei, Fels, Fels, immer mehr Fels, endlich, nach einer Biegung, der ersehnte Anblick.
Durch ein zur Seite gehendes Tor im Stein fällt diffuses, leicht bläuliches Licht.
Allerion läuft beinahe schon darauf zu, biegt um die Ecke – und prallt fasst gegen eine hohe Gestalt.
Erschrocken fährt er zurück.
„Wir haben schon auf Dich gewartet, Allerion“, sagt die in blaue und schwarze Roben gekleidete Frau. Dabei fixieren ihre eisgrauen Augen Allerions, sodass er nicht fähig ist, sich zu bewegen, während die Augen ihn zu durchleuchten scheinen.
„Komm, es bleibt nicht mehr viel Zeit“, herrscht sie ihn an.
Allerion nickt nur stumm und folgt dem wallenden schwarzen Haar.
Über eine Galerie betreten sie eine große, von enormen Feuern beleuchtet Halle, in der schon fünfzehn andere Gestalten um ein stark blau leuchtendes Pentagramm versammelt sind.
Auf der Treppe stolpert er fast, fängt sich und eilt dem Haarschopf nach.
Unsicher blickt er sich im Kreise der Verschwörer um. Wie er haben auch die anderen ihre Gesichter im Schatten ihrer Kapuzen verborgen. Im Hintergrund der von Pentagramm und Feuern in flackerndes Licht getauchten Szenerie steht eine monströse Apparatur. Sie besteht aus unzähligen Rohren, durch die Flüssigkeiten fließen, Kolben in denen es seltsamfarbig blubbert, Ventilen, aus denen unablässig Dampf zischt, und Zahnrädern, die die Halle mit einem allgegenwärtigen Rattern und Knirschen erfüllen.
„Heute wollen wir vollenden, was wir begonnen haben“, ruft die Meisterin mit siegesgewisser Stimme und einem triumphierenden Blitzen in den kalten Augen.
Unter den Kapuzen dringt verhalten freudiges Gemurmel hervor.
Nun wendet sie sich wieder Allerion zu.
„Hast Du erledigt, was ich Dir auftrug?“
„Ja, Meisterin, wie Ihr befahlt.“
„Gut, es war die letzte Gefahr, das einzige, das uns noch hätte aufhalten können. Gib es mir!“
Allerion fasst an seinen Gürtel, will den Lederbeutel greifen, der dort hängen muss.
Doch seine Hand findet nichts, tastet suchend den ganzen Gürtel ab, sucht in seinen Taschen, beginnt zu zittern, als auch dort nichts ist. Schweißperlen treten auf seine Stirn.
„Wo hast Du es?“, wir der ungeduldig angeherrscht.
Gehetzt gleitet sein Blick über den Boden, die Treppe hinauf.
„Was dauert das so lange? Gib es mir jetzt!“
Die Stimme der Meisterin zittert vor mühsam verhaltenem Zorn.
„Ich…Ich…Es muss mir heruntergefallen sein…auf dem Weg hierher…“. Seine Stimme erstickt im Blick der Meisterin
„Du hast es nicht?“, presst sie zwischen den Zähnen hervor.
Allerion sieht sich von ihren Worten lauernd umstellt, ganz langsam, kaum merklich nickt er.
„Unfähiger!“, donnert sie. Wie von einem Schlag getroffen zuckt Allerion zusammen.
„Du gefährdest unser gesamtes Vorhaben. Wir brauchen es zwar nicht für die Beschwörung, doch es ist das einzige, das unserem Plan gefährlich werden kann. Wenn es gelingen soll, muss jeder seinen Teil tun.“
Sie wendet sich von ihm ab und den anderen zu.
„Aber wenn es gelingt, ist Euch allen Macht und Reichtum sicher, in einem Ausmaß, das Euer Vorstellungsvermögen übersteigt!“
In den Augen der Meisten blitzen wieder die Habgier und die Machtsucht auf, die sie dazu gebracht haben, auf das Angebot der charismatischen Frau einzugehen.
Während sie spricht, bemerkt Allerion plötzlich eine huschende Bewegung auf der Galerie.
Er schaut hoch, doch da ist nichts mehr. Gerade will er die Meisterin darauf aufmerksam machen, da dreht sich diese mit kaltem Blick wieder zu ihm um und zischt: „Dein Fortleben verdankst Du lediglich der Tatsache, dass wir keinen entbehren können.“
„Bestrafen kann ich Dich aber trotzdem“, setzt sie mit einem sadistischen Lächeln hinzu.
Sie hebt die Hand und plötzlich sieht sich Allerion von dichter werdenden Schatten umhüllt, die ihn umschlingen, in wilden Tänzen um ihn herum eine unnatürliche Wand aufbauen, bis er nichts mehr sieht als die tanzenden wirbelnden Schatten.
Da beginnen sich Konturen aus den Schatten zu schälen. Er erkennt Fratzen, Zähne, Klauen, will aufstehen und wegrennen, doch er kann sich nicht bewegen. Plötzlich stößt eine Schattenfratze auf ihn zu. Er schreit auf vor Schmerz. Die anderen Schatten stürzen sich auf ihn. Der Schmerz ist nicht der eines Schlages, sondern so, als loderte in seinen Eingeweiden ein unersättliches Feuer. Es brennt immer stärker, er sackt vollends zusammen, hat nicht einmal mehr die Kraft, zu schreien, wimmert nur noch.
Vor seinen Augen wird es gänzlich schwarz, nur noch gedämpft dringt sein eigenes Wimmern an seine Ohren, schon will er sich den warmen, stummen Tiefen der Bewusstlosigkeit, dem erlösenden Nichts des Todes hingeben, da schwinden die Schatten und die harte, kalte Realität macht ihm seine Schmerzen noch einmal bewusst, bevor sie nachlassen.
Keuchend rafft er sich auf, blickt unsicher Hilfe suchend in die Runde, doch alle schauen weg, verbergen sich in ihren Kapuzen.
„Dass Dir das eine Lehre sei! Und nun, zurück auf Deinen Platz!“
Immer noch keuchend nimmt Allerion wieder seinen Platz im Kreis ein und mustert unter seiner Kapuze hervor die schwarzhaarige Frau mit den kalten Augen finster.
Da ertönt ein Poltern und Knarren, die Meisterin fixiert das Tor auf der Galerie und alle Augen folgen ihrem Blick.
„Nun werden wir unser Werk vollenden!“, triumphiert sie.

Der Gang scheint sich endlos zu erstrecken, ein einziger langer Tunnel bestehend aus Fels, Feuchtigkeit und Fäulnisgeruch.
„So lang kann doch kein Kellergang sein“, denkt sich Iskar.
„Aber in einem außergewöhnlichen Keller können auch außergewöhnliche Schätze liegen“, erwidert eine kleine Stimme in seinem Kopf und Gier leuchtet in seinen Augen auf.
Er schreitet schneller voran.
Der Gang beschreibt eine Kurve und fast springt Iskar erschreckt zurück vor dem unerwarteten Lichtschimmer, der aus einer Öffnung in der Wand dringt. Langsam nähert er sich dem Torbogen. Der Gang scheint daran vorbei noch weiter in die Dunkelheit zu laufen. Vorsichtig löscht Iskar seine Laterne, stellt sie ab und blickt um die Ecke in den Eingang, hinter dem sich ein großes Gewölbe öffnet, das von bläulich flackerndem Licht erfüllt ist. Der Eingang führt auf eine umlaufende Galerie, von der aus Treppen nach unten führen. Doch das Gewölbe ist nicht leer: Mehrere in dunkle Umhänge gehüllte Gestalten stehen in der Mitte des Raumes, die von großen Feuern und einem blau leuchtenden Pentagramm halb rot, halb blau angeleuchtet werden, und in ihrer Mitte eine Frau, die in ihren wallenden Roben und mit stolzer Haltung wie eine Königin zwischen ihren Dienern steht. Ein ständiges Mahlen, Rattern und Blubbern erfüllt den Raum.
In Iskar widerstreiten die Angst entdeckt zu werden, und die Überzeugung, dass bei einer solch seltsamen Gesellschaft viel zu holen sein muss. Schließlich siegt die Gier.
Langsam schleicht er geduckt zur Brüstung der Galerie und hockt sich dahinter, vorsichtig aus dem Schatten einer Säule heraus nach unten blickend. Gerade hebt die Frau ihre Hand – und einer der in Schwarz gehüllten verschwindet in einer Schattenwolke. Kurz darauf ertönt ein Schmerzensschrei, der Iskar, der sich neugierig vorgelehnt hat, erschreckt zurückfahren lässt. Gerade hat er sich wieder gesammelt, da ertönt hinter ihm ein lautes Knarren und Poltern. Erschrocken fährt er abermals herum, nur um eben noch die Faust auf sich zurasen zu sehen. Dann schlagen die lautlos tosenden Fluten der Bewusstlosigkeit über ihm zusammen.

Arwo blickt verstohlen am Kopf des Mannes vor ihm nach vorne. Dort schwebt der Schatten vor ihnen her. Er erkennt ihn nicht wirklich, sondern nur ein sich fortpflanzendes Verdichten der Dunkelheit. Hinter ihm ächzen einige Männer unter der Last der Kisten voller Äpfel.
„Wo führt dieser Gang hin?“, versucht er zum so-und-so-vielten Mal etwas aus einem seiner menschlichen Bewacher herauszubekommen.
„Schnauze, lauf weiter!“ und ein derber Stoß in den Rücken sind alles, was er zur Antwort erhält.
„Was ist er eigentlich?“, fragt er plötzlich und deutet auf den Schatten. Kurz scheint das Gesprächsthema bei seinem Bewacher Angst zu verursachen, dann ist der kurze Augenblick vorbei, und die dessen Blick wird wieder hart.
„Sei ruhig und lauf, bevor ich Dich zum Schweigen bringe!“
Da fährt der Schatten plötzlich herum und erschrocken bleiben Arwo, seine Bewacher und die Männer mit den Apfelkisten stehen.
„Du wirst ihm kein Haar krümmen! Wir brauchen ihn noch und wenn Du ihn umbringst nehmen wir Dich!“
Schweigend setzt der Zug sich wieder in Bewegung.
„Endlich...“, haucht der Schatten, als nach einer Kurve ein blauschimmernder Lichtkegel auftaucht, der aus einer seitlichen Öffnung hereinfällt.
Der Gang verschwindet dahinter wieder in die Dunkelheit. Arwo bemerkt eine kleine Laterne, die auf der anderen Seite der Öffnung an der Gangwand steht.
„Seltsam“, denkt er, „Bisher habe ich sie bloß Pechfackeln benutzen sehen...“
Doch da wird er schon grob in die Öffnung hineingestoßen.
Plötzlich hört er hinter sich ein Poltern, dreht sich herum und sieht, dass eine der Apfelkisten zu Boden gefallen ist. Eine schnelle Bewegung im Augenwinkel lässt ihn herumfahren. Gerade noch sieht er, wie einer seiner Bewacher einen jungen Mann niederschlägt.
„Hat wohl gedacht, er könnte uns ausspionieren!“, triumphiert jener.
„Was ist da oben los?“, tönt eine herrische Frauenstimme aus dem Gewölbe, das Arwo gerade durch den Torbogen betreten hat.
„Ein Spion, Meisterin“, ruft der Schatten.
„Bringt ihn her!“
Schon haben die Männer die Apfelkiste wieder aufgenommen, und Arwo und den Spion in den tieferen Teil der Halle gebracht.
„Ah, ein Opfer habt Ihr also auch mitgebracht. Ja, er wird es brauchen“, lobt die Frau, die Arwo nun mit Augen mustert, die so kalt und grau sind wie eine Winterdämmerung, und ihre Stimme klingt beinahe euphorisch.
Sie erhebt die Arme und wendet sich einer Gruppe in schwarze Kutten Gehüllter zu, die um ein Pentagramm stehen.
„Dann lasst es beginnen!“
Wie ein Fluch hallt ihr Ruf durch das Gewölbe.
Ächzend schleppen die Männer die Apfelkisten zu einem monströsen Gerät an der Schmalseite der Halle.
„Was macht ihr mit meinen Äpfeln?“, rutscht es Arwo heraus.
„Wir destillieren aus ihnen den Untergang“, fährt die Meisterin Genannte zu ihm herum und bricht in ein schauerliches Gelächter aus.
Die Männer kippen die Äpfel in einen großen Trichter, und sofort schwillt das Rattern und Blubbern zu einem Dröhnen an. Die ganze Halle scheint zu vibrieren. Aus Glaskolben brodelt es verschiedenfarbig, füllt die Halle mit nach Äpfeln riechendem Dampf und dem Geräusch des Zerdrückens von Äpfeln. Dann beginnt einer helle Flüssigkeit durch die Glasröhrchen der Maschine zu fließen und die fast gefüllten Kolben ganz zu füllen. Eine Kettenreaktion kommt in Gang, Kolben für Kolben quillt über, ergießt sich kaskadenartig in einen Nächsten. Die ganze Maschine ist nur noch überkochender Saft.
„Es ist fast fertig, nun ist Deine Zeit gekommen, Ancharchas!“, sagt die Frau und deutet auf den Schatten, der plötzlich auf die Maschine zurast – und sich in den Trichter stürzt.
Ein blecherner, unmenschlicher Schrei hallt von den Felswänden wieder.
„Was tut ihr da?“, kann Arwo nicht länger an sich halten. Die riesige Maschine, der Schatten, all das flößt ihm Angst ein. Was hier geschieht, darf eigentlich nicht sein.
„Dummkopf, als ob Du verstündest, wenn ich es Dir sagte“, lacht die Frau, „Weißt Du, warum die Äpfel von Fengara weithin bekannt sind? Warum die Fengarianer länger leben als andere?“
Arwo schüttelt verständnislos den Kopf.
„Weil ihren Äpfeln die Kraft des Lebens selbst innewohnt, Unwissender, und wir haben aus ihnen das Elixier des Lebens destilliert. Wenn die Synthesis mit der Schattenessenz “ – sie deutet auf die Maschine, in deren Rohren nun ein dunkles, zähes Liquid fließt – „abgeschlossen ist, werden wir damit ihm zur Existenz verhelfen. Wir sind der Wurm im Apfel von Fengara, der der Fäulnis Einlass gewährt!“
Ihre Stimme verliert sich in einem schrillen Lachen.
Arwo blickt wieder zur Maschine. Da erreichte die Schattenessenz den in einem Kolben gesammelten Rest des Elixiers und eine seltsame Metamorphose des goldenen Extrakts beginnt. In dem kleinen Kolben toben goldenes Elixier und schwarze Essenz gegeneinander an, beginnen sich zu vermischen, bis das Liquid eine seltsame, purpurschillernde Farbe angenommen hat.
„Es ist soweit, beginnt mit der Beschwörung!“, schreit die Frau, scheinbar so nah an ihrem Ziel in eine hysterische Euphorie verfallen.
Die Männer ziehen Arwo und den bewusstlosen Spion in die Dunkelheit unter der Galerie.
Die Gestalten und die Frau stellen sich um das Pentagramm herum auf, dann beginnen sie einen fremdartigen, atonalen Singsang, dessen aufeinander folgende Kakophonien an den Felswänden zerschellen und noch vielstimmiger zurückgeworfen werden, wie die Antwort eines dämonischen Chores. Da beginnt sich im Pentagramm etwas zu regen. Ein Schattenwirbel entsteht, zunächst klein, dann immer größer werdend schwebt er im Pentagramm. Dann schälen sich Konturen aus den tanzenden Stücken Dunkelheit und Arwo stockt der Atem, neben ihm schreit ein Mann erstickt auf. Eine gewaltige Klaue hat den Rand des Schattenstrudels ergriffen und eine zweite folgt. Sie ziehen einen massigen, unförmigen Körper aus dem wirbelnden Nichts. Flügel tauchen auf, ein stachelbewehrter Rücken, eine Fratze, mit ungleich langen, säbelartigen Zähnen, die allenthalben aus einem schiefen Maul herausragen, kleine, lodernde Augen, die alles Lebende feindselig anstarren. Arwo kann sich vor Angst nicht rühren. Der Anblick bereitet ihm körperliche Schmerzen. Sein Verstand negiert die Existenz eines solchen ... Dings. Und doch ist es da. Mit einem verzweifelten Schrei flieht einer der Bewacher, sofort folgen die anderen, panisch die Treppe hinaufstolpernd.
Immer noch kann sich Arwo vor Angst nicht rühren, gebannt von dem grausamen Schauspiel.
Der Singsang wird abgehackter, schwächer. Die Kuttenträger, die wie in Trance dastehen, sehen ausgelaugt aus, blass, mit eingefallenen Wangen und glasigen Augen und als der Dämon seinen blasphemischen Körper ganz aus den Schatten gezogen hat, und mit einem markerschütternden Krach auf den Boden aufsetzt, sackt der erste Kuttenträger in sich zusammen, dann der nächste, bis sie alle leblos am Boden liegen. Auch die Frau scheint entkräftet, nur mühsam hält sie sich auf den Beinen, sieht um Jahre gealtert aus, mit weißem Haar, gräulicher Haut und nur noch einem letzten Schimmer der einstigen Macht in ihren Augen.
„Es ist vollbracht!“, keucht sie mit einem diabolischen Grinsen.
Da erfassen plötzlich die kleinen Augen des Dämons Arwo, der wie festgenagelt an der Wand steht. Der Dämon spannt sich, wie zum Sprung, schnellt nach vorne – und prallt zurück. Heulend fällt er zurück ins Pentagramm und beginnt gegen die unsichtbaren Wände anzurennen, die das Pentagramm um ihn herum bildet. Heulend und tobend, fegt er von einer Wand zur anderen, speit Feuer und Galle, sodass die Frau sich vom Pentagramm entfernen muss.
„Er braucht das Elixier“, krächzt die Frau und beginnt langsam auf die Maschine zuzuwanken. Als sie sie erreicht hat, nimmt sie die Phiole mit der purpurschillernden Flüssigkeit heraus und wankt auf das Pentagramm zu, die Phiole in der ausgestreckten Hand. Der Dämon stellt sein Toben ein, fixiert die Phiole und scheint etwas zu begreifen. Er beginnt gegen die Wand in Richtung der Frau anzurennen. Da endlich löst sich Arwo aus seiner Starre.
„Nein“, schreit er und will auf die Frau zu eilen, ihr die Phiole entreißen und auf dem Boden zerschmettern.
Doch plötzlich fährt diese herum.
„Du hältst mich nicht mehr auf. Du wirst seine erste Nahrung sein!“
Wieder lacht sie schrill.
„Vernichte ihn! Du kannst es schon, seine Angst ist genug Nahrung dafür!“ ruft sie mit versagender Stimme dem Dämon zu.
Der Dämon bäumt sich auf und stößt einen markerschütternden Schrei aus, in den sich ein weiterer Schrei mischt, der in dem des Dämons untergeht.
Er wendet sich Arwo zu und plötzlich schlagen Flammen aus seinem Maul.
Dann ertönt ein ohrenbetäubendes Fauchen und Dröhnen und ein Ball aus Feuer rast auf Arwo zu.

Iskar brennt, das Feuer sitzt auf seiner Brust, frisst sich hinein. Langsam kehren seine Sinne zurück. Seine Ohren sind erfüllt von einem Tosen und Dröhnen. Langsam, qualvoll langsam verziehen sich die Schatten, die vor seinen Augen tanzen. Ungeschickt versucht er das Feuer auf seiner Brust wegzustoßen. Schemen, Farbflecken bewegen sich nun vor seinen Augen.
Immer noch hält das Tosen an – klingt in seinen Ohren wie ein Brüllen, ein Schreien, aber was brüllt so?
Er bekommt etwas zu fassen, will es wegziehen, es ist etwas kleines, ein Lederbeutel, brennt denn ein Lederbeutel?
Der Schmerz lässt ihn noch immer nicht ganz zur Besinnung kommen. Er schwebt in einem von Feuer erfüllten Zustand zwischen Wachen und Ohnmacht. Seine Hand greift den Lederbeutel, findet eine Öffnung zum hineinpacken, will den Grund der Qual wegreißen, fortwerfen, doch da berühren seine Finger im Beutel etwas. Ein kleines Ding, das so heiß ist, dass er seinen Griff nicht mehr lösen kann, zu verbrennen glaubt.
Doch dann ist alles vorbei, kein Schmerz mehr, kein Feuer. Er sieht endlich wo er ist – und stößt einen Schrei des Erschreckens aus. Ein dicklicher Mann steht nur einige Schritte von ihm entfernt, und in der Mitte der Halle stehen mit hässlichem Grinsen eine alte Frau und ein... Ding, die Inkarnation der Schrecken, das Feuer aus seinem Maul schlagen lässt.
Unwillkürlich packt Iskar den Gegenstand aus dem Lederbeutel – er erinnert sich, es ist ein kleiner, apfelförmiger Edelstein – und springt auf.
Da zuckt ein Gedanke von dem Stein in seinen Kopf und ohne weiter nachzudenken, rennt er los und reißt den dicklichen Mann mit sich zu Boden. Sekundenbruchteile später ertönt ein Fauchen und Flammen schießen über Iskar und den Mann hinweg in eine Säule, die die Galerie trägt. Mit einem Krachen bricht ein Stück der Galerie zusammen, als die Säule zerschmilzt. Staub und Gesteinssplitter sprühen durch die Halle.
Schützend hält Iskar den Arm vors Gesicht. Als der Steinregen aufhört sieht er nach dem Mann, doch der hat schon begonnen von dem Pentagramm wegzurobben. Iskars Blick sucht in der Staubwolke nach Bewegungen. Da taucht eine Silhouette auf. Die alte Frau – es ist die Frau, die er zu Anfang beobachtet hat, fällt Iskar auf – wankt in Richtung des Pentagramms weiter. Durch den Staub sieht er das Ungetüm Flammen in die Luft speien. Die Frau hat etwas in der Hand, eine Phiole. Wieder blitzt ein Gedanke vom Stein in seinen Kopf.
„Das Ding darf die Phiole niemals bekommen!“
Die Frau fährt herum.
„Was ist das?“ kreischt sie mit heiserer Stimme.
Sie blickt Iskar an.
„Ich kann es fühlen, da ist etwas.“
Ihr Blick gleitet über Iskar, findet seine Hand, den Edelstein, der darin liegt.
„Nein!“, brüllt sie, „auch Du wirst es nicht verhindern können!“
„Warum?“, fragt Iskar ohne viel nachzudenken. Irgendwie scheint der Stein zu wissen, was richtig ist zu sagen.
„Weil Du den Stein abgeben musst! Noch nie hat jemand es geschafft, Fengars Stein abzugeben. Gemordet wurde seinetwegen schon. Nur wenn man den Stein freiwillig abgibt, kann man seine Macht entfesseln! Niemals kannst Du das schaffen“
Ihr schrilles Gelächter füllt das Staubuniversum, in dem es nur Iskar, die Frau und das Stampfen des Monsters gibt, das immer wieder gegen eine unsichtbare Wand anrennt.
Eine Stimme meldet sich in Iskars Kopf.
„Niemals darfst Du den Stein weggeben. Er ist Dein, dein, nur Dein!“
„Ja, höre auf Deine Habgier!“, krächzt die Frau hämisch, „damit die Welt untergehen kann!“
Wieder das hysterische Lachen, das sich ins Brüllen des Dämons mischt.
„So schön die Menschen aussehen, in ihnen allen sitzt die Habgier, wie ein Wurm in einem roten Apfel, der ihn von innen vernichtet, gegen den der Apfel machtlos ist.“
Die Frau dreht sich um, beginnt im Staubnebel zu verschwinden, in Richtung des Dämons.
„Empfange meine Gabe, empfange das Elixier des Untergangs, Herrscher!“ hört er ihre Stimme durch den Staub.
„Du musst mich behalten“, hört er wieder die Stimme, „ich befehle es Dir!“
Plötzlich ist da eine Flut von Gedanken, die aus dem Stein auf ihn einströmen, seine eigenen Gedanken zu ersticken suchen.
Aus der kleinen Stimme wird ein schrilles Kreischen.
„Du darfst mich nicht wegwerfen, kannst mich nicht weggeben!“
Iskars fühlt sich wie benebelt, sein Kopf ist voll fremder Gedanken, alter, mächtiger Gedanken, die unbedingt Gehör haben wollen.
Eine letzte freie Ecke seines Verstandes sieht die Frau, wie sie die Phiole dem Dämon empor reicht.
„Nur durch mich kannst Du ewig sein, ich gebe Dir Macht, wie Du sie Dir nicht vorstellen kannst!“, beschwört die Stimme nun, während immer mehr Gedanken auf ihn einfluten.
„Aber wenn das Monstrum vollendet wird, werde ich gar nicht mehr sein!“, ruft die letzte Bastion freien Willens in Iskars Kopf.
„Hör auf mich, ich kann...“, beginnt die Stimme wieder.
„Nein!“, brüllt Iskar und katapultiert alle fremden Gedanken aus seinem Kopf, holt aus, und schleudert den Stein auf den Dämon.
Wie in Zeitlupe sieht er den Stein die Staubschleier zerteilen, sieht, wie die Phiole dem Pentagramm näher kommt, wie der Dämon seine Klaue ausstreckt. Die Phiole kommt der Klaue immer näher, will sie umschließen, doch in diesem Moment trifft der Stein den Dämon und alles geht in einem grellen Blitz unter.
Iskar sieht sich überrollt von einer Woge gleißender Dunkelheit und pechschwarzen Lichts, als für einen kurzen Moment das Aufeinanderprallen der Gewalten die Zeit die Luft anhalten lässt, bis sich Stein und Dämon in einer magischen Supernova gegenseitig vernichten.

Als Iskar erwacht, liegt er in einem großen Bett. Schläfrig blinzelt er, erkennt einige Gestalten, die um sein Bett herum stehen.
Der dickliche Mann aus dem Gewölbe ist dabei und einige, die aussehen wie Magistraten.
„Herr Arwo hat uns von den Geschehnissen berichtet, soweit er konnte. Scheinbar verdanken wir Ihnen nicht wenig“, beginnt einer von ihnen.
Als Iskar nichts antwortet, fährt ein anderer fort:
„Sie dürfen jede Belohnung fordern, die Sie haben möchten. Geld, ein Haus, einen Ratsposten, schließlich haben Sie wohl unsere Stadt gerettet, und vielleicht sogar noch mehr.“
Iskar runzelt die Stirn.
„Glauben Sie uns, alles was Sie wollen!“, versichert ein weiterer.
„Alles, was ich will?“, fragt Iskar verblüfft.
„Alles, wirklich alles“, bestätigt der erste wieder.
„Dann hätte ich gerne... einen Apfel!“

 

Hallo Niccolo, schön, dass du wieder da bist... :)
Ich muss dir leider sagen, dass ich die Geschichte nur eingeschränkt gut fand. Ich hab sie gerade durchgelesen und finde, sie ist stellenweise etwas arg langatmig. Den Anfang, gerade das mit dem "Diebesinstinkt", fand ich klasse - ich schreibe selber gerade an einer Geschichte über eine Diebin, von daher kann ich mich da gut hineinversetzen. Ab dem Punkt, wo der Edelstein ins Spiel kam, fand ich sie dagegen eher wirr, vielleicht habe ich sie nicht genau verstanden.
Da ist dieser Arwo, der irgendwelche Äpfel transportiert. Es hat mich ein bisschen genervt, dass ich am Ende jedes Absatzes das Gefühl hatte, dass er jetzt tot ist. Und dann tauchte er doch wieder auf.
Diese Sache mit dem Edelstein habe ich nicht so ganz verstanden, das wirkt auf mich, als hättest du ihn nicht vernünftig eingeführt. Der ist also irgendeinem Fürsten geklaut worden, dann landet er beim Dieb, der ihn daraufhin wie seinen Augapfel hüten will. Am Ende findet er nur deswegen heraus, dass er ihn freiwillig abtreten muss, weil die Böse es ihm sagt. Was für ein Schwachsinn. Warum sollte sie das tun?
Die Bösen finde ich auch ein bisschen wirr. Also, sie klauen alle Äpfel, weil da irgendwelche Lebensenergie drin ist (Apfelwein, habe ich ja schon immer gesagt! :D). Ich habe aber zuerst gedacht, dass sie sie wegen der Prophezeiung am Anfang auf dem Marktplatz klauen und dass die Welt von ganz allein untergeht, das hat mich irritiert.
Das Ende ganz am Ende finde ich zu fragmentarisch. Plötzlich haufenweise Dialog, und er wünscht sich einen Apfel, wo er doch alles haben kann was er will? Finde ich etwas unwahrscheinlich... sorry... wenn es meine Geschichte wäre, würde ich sie straffen.

Außerdem ist mir aufgefallen, dass du hinter den drei Punkten keine Leertaste setzt, sondern der nächste Satz direkt daran anschließt. Ist aber strenggenommen nicht richtig. Außerdem möchte ich dir den allgemeinen Inforthread im Korrekturcenter ans Herz legen, da steht auch was zum Thema Kommasetzung, da ist mir doch einiges an Fehlern aufgefallen...

gruß
vita
:bounce:

 

hi konfusivita ;)

danke für die Kritik :)

Da ist dieser Arwo, der irgendwelche Äpfel transportiert. Es hat mich ein bisschen genervt, dass ich am Ende jedes Absatzes das Gefühl hatte, dass er jetzt tot ist. Und dann tauchte er doch wieder auf.
Ich habe nirgendwo geschrieben, dass er umgebracht wird, aber vllt sollte ich das etwas klarer machen....
Auch, dass er als Bauer zum Markt fährt um seine Äpfel zu verkaufen sollte ich deutlicher machen, vermute ich, hab mal wieder mit Subtext geschrieben ;)

Diese Sache mit dem Edelstein habe ich nicht so ganz verstanden, das wirkt auf mich, als hättest du ihn nicht vernünftig eingeführt. Der ist also irgendeinem Fürsten geklaut worden, dann landet er beim Dieb, der ihn daraufhin wie seinen Augapfel hüten will. Am Ende findet er nur deswegen heraus, dass er ihn freiwillig abtreten muss, weil die Böse es ihm sagt. Was für ein Schwachsinn. Warum sollte sie das tun?
Ich sehe, die zeitlichen Zusammenhänge mit Fengar werden nicht so ganz klar, und dass ich den Stein besser vorbereiten muss. Die Motivation der Bösen ist ihre Überheblichkeit. In ihrer Rede wird deutlich, dass es noch nie jemand in der langen Geschichte der Stadt geschafft hat, den Stein freiwillig abzugeben, wodurch sie auch überzeugt ist, dass der Prot das auch nicht schafft.

Die Bösen finde ich auch ein bisschen wirr. Also, sie klauen alle Äpfel, weil da irgendwelche Lebensenergie drin ist (Apfelwein, habe ich ja schon immer gesagt! ). Ich habe aber zuerst gedacht, dass sie sie wegen der Prophezeiung am Anfang auf dem Marktplatz klauen und dass die Welt von ganz allein untergeht, das hat mich irritiert.
Wieder mein Subtext...Die Bösen haben vorher schon alle Äpfel geklaut, also alle Händler überfallen und ihrer Äpfel beraubt, sodass es in der Stadt keinen einzigen Apfel mehr gibt, um aus diesen Äpfeln das benötigte Elixier zu destillieren, um dem Dämon zur vollständigen Existenz zu verhelfen. Muss das auch noch im Text verdeutlichen... Die Geschichte muss schließlich ohne Anmerkungen des Autors verständlich sein. Die Prophezeiung ist wie üblich nicht wörtlich zu nehmen und das Vorhaben der Bösen, das schon einige Zeit läuft, ist sozusagen das "Erheben der dunklen Nacht", (das wenn ist nciht konditional, sondern temporal: "sobald es keine äpfel mehr gibt, geschieht das und das" nicht "sofern es irgendwann mal keine mehr gibt,....")

Das Ende ganz am Ende finde ich zu fragmentarisch. Plötzlich haufenweise Dialog, und er wünscht sich einen Apfel, wo er doch alles haben kann was er will? Finde ich etwas unwahrscheinlich... sorry... wenn es meine Geschichte wäre, würde ich sie straffen.
Der Prot macht natürlich ne Katharsis durch. Vorher ist er Geiz und Gier in Person (nicht ungewöhnlich bei nem Dieb denke ich), und er muss am Ende diese Gier überwinden um den Stein abzugeben. Die erfahrene Katharsis drückt sich dann darin aus, dass er nurn Apfel will, als die Ratsherren ihm alles erdenkliche anbieten. Hab vllt ein wenig zu sehr die Exaggeratio gebraucht, um die Katharsis darzustellen, aber ich hielt es für angemessen.

Ich erwarte deine Detailkritik ;)

lg

ein müder Johannes

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Niccolo,

zu wilden Begeisterungsstürmen konnte mich deine Geschichte nicht gerade hinreißen, sorry.
Du schilderst eine relativ einfache Handlung mithilfe mehrerer Protagonisten, was das Ganze natürlich verwirrend macht, weil die Perspektivenwechsel so schnell und überraschend vonstatten gehen, dass man sich kaum auf die Figuren einstellen kann. Ja, die vielen handelnden Personen sind mMn die große Schwäche dieser Geschichte. Nimmt man dieses negative Element weg, bleibt leider auch nicht viel Positives übrig - nur ein relativ banaler Plot und ein etwas wirres Ende.
Dein Stil ist seit der letzten Geschichte viel holpriger geworden; damals habe ich dir gesagt, dass du in dieser Hinsicht nicht mehr viel zu lernen hättest, heute hast du Nachholbedarf. Du verwendest übermäßig viele Adjektive und versuchst manchmal, hochgestochen zu schreiben (was in den meisten Fällen in die Hose geht); hinzu kommen seltsame Formulierungen und relativ viele Fehler, die das Lesen auch nicht gerade leichter machen …
Nein, mit dieser Geschichte hast du mich nicht wirklich überzeugen können.

Anmerkungen:

Apfelsaft​
Ein noch langweiligerer Titel ist dir wohl nicht einfallen? Mir auch nicht, obwohl ich mir Mühe gegeben habe.
Doch leider: "Apfelsaft" ist schwer zu unterbieten.

Gesprächsfetzen fliegen vorbei, bevor sie in Richtung des grauen Himmels verschwinden.
Also fliegen sie zuerst an ihm vorbei und steuern dann den Himmel an?

"Hast du es auch schon mitbekommen? Es gibt keinen einzigen …."
"Wie kann es denn sein…"
Die Auslassungspunkte setzt du immer relativ willkürlich: Drei Punkte reichen, außerdem wären Leerzeichen davor (und ggf. danach) auch nicht schlecht.

Iskar tippt sich an die Stirn. "Bin ich Krösus?"
Wieder dieses alte Problem, wenn in autonomen Fantasywelten historische Personen aus unserer Welt in den Sprachgebrauch der dortigen Bewohner einfließen. Klartext: Woher kennen die Krösus?

"Ach, immer dasselbe mit Dir. Niemand ist so geizig und gierig wie Du…"
Es erschließt sich mir nicht ganz, wieso du diese Anreden groß schreibst. Da du das andauernd machst, werde ich das nicht mehr hervorheben.

Bist Du ein Mann von 20 Jahren oder einer dieser kleinen Taschendiebsbürschchen?
Mal davon abgesehen, dass "du" schon wieder großgeschrieben wird: Lass "von 20 Jahren" weg, es ist nur eine unbeholfen eingebaute Information.

"So höret die Worte der alten Schriften von Fengar, dem Gründer unserer Stadt:", ruft er in dem den Priestern eigenen Singsang und sofort herrscht absolute Stille auf dem Platz, während die ersten dicken Regentropfen auf die Menge hinunterfallen.
- Doppelpunkt bei der wörtlichen Rede entfernen
- der Satz holpert von vorne bis hinten; kannst du den nicht etwas klarer machen?
Aus der ehrfurchtsvollen ist eine bedrückte Stille geworden, nur das monotone Geräusch des Regens ist zu hören, der nun alle ganz durchnässt hat.
kann weggelassen werden

Langsam beginnt der Priester von dannen zu schreiten. Doch plötzlich entfällt das Buch seiner Hand, sein Stab klappert zu Boden.
Spar dir diese künstlich hochgestochene Sprache, sie wirkt im Text wie ein Fremdkörper.

Quietschend und knarrend holpert der hölzerne Pferdekarren die, mehr an einen Feldweg erinnernde, Straße nach Fengara entlang.
beide Kommata entfernen
Immer wieder nickt Arwo auf dem Kutschbock ein
beim ersten Mal habe ich diesen Perspektivenwechsel glatt überlesen, kannst du den nicht deutlicher machen?

"Tock", schon wieder ein Schlagloch.
Tock. Schon wieder ein Schlagloch.

Iskar sitzt an dem klobigen Holztisch in
Genau so sollen Perspektivenwechsel sein: Den Namen der Person immer schön am Anfang, dann gibt's auch keine Verwirrung beim Leser ;)
Am dunklen Himmel dieses kalten Abends, der gerade seine letzte Kraft aushaucht, und der noch kälteren Nacht weicht, ist nur noch ein schmaler Streifen grauen Schimmers zu sehen, der kein Licht mehr spendet.
- zweites Komma weg
- Der Satz ist schon fast ein Musterbeispiel für Adjektivitis

Wie eine dicke Suppe schwappt tiefste Dunkelheit aus der Kellertür im heruntergekommenen Armenviertel Fengaras.
Allerion fröstelt, ein großer silberner Siegelring mit fremdartigen Zeichen darauf blitzt an seiner Hand,
Wieder ein PW, den ich beim ersten Mal glatt überlesen habe.

Nervös spielt er mit ein paar Münzen in der Tasche seiner roten Kniebundhose und merkt nicht, dass eine dabei herausfällt und mit einem leisen "Plitsch" in einer der schwarzen Spiegeln gleichen Pfützen landet.
gleichenden (glaub ich jedenfalls; bei diesem Satzbau verflüssigt sich mein Gehirn, sorry)

Arwos Kopf droht zu zerspringen.
Arwo, Arwo, Arwo ... Wer war das noch gleich?

Um ihn herum ist nur Dunkelheit, ein ständiges Quietschen und Knarren und der Geruch von - Äpfeln.
drei Punke fände ich an dieser Stelle besser
Um sich herum müssen Kisten über Kisten voller Äpfel gestapelt sein.
um ihn, oder?

Am liebsten ließe er sich hinfallen und liegen bleiben und schlafen, um aufwachen zu können und zu bemerken, dass alles nur ein Alptraum gewesen ist.
Geh über den Satz noch einmal drüber ...

Gerade will er beschließen, vollends aufzugeben und hier und jetzt zu sterben, als sie in ein Waldstück treten.
Komma vergessen

"Vorwärts!", bellt der Beumhangte ihn an.

flackert seine Laterne, und die Schatten rücken näher, Lichtscheuen Raubtieren gleich, um dann vor dem wieder aufflackernden Schein der Laterne heulend zu fliehen.
klein

Die Stufen hinuntergestiegen leuchtet er mit der Laterne in die Dunkelheit,
Wieso nicht einfach: "Als er die Stufen hinuntergestiegen ist, leuchtet …"

Dabei fixieren ihre eisgrauen Augen Allerions, sodass er nicht fähig ist, sich zu bewegen, während die Augen ihn zu durchleuchten scheinen.
Allerion

Über eine Galerie betreten sie eine große, von enormen Feuern beleuchtet Halle, in der schon fünfzehn andere Gestalten um ein stark blau leuchtendes Pentagramm versammelt sind.
- Adjektiv-Säuberungsaktion
- beleuchtete

Sie besteht aus unzähligen Rohren, durch die Flüssigkeiten fließen, Kolben, in denen es seltsamfarbig blubbert
Komma vergessen

"Gut, es war die letzte Gefahr, das einzige, das uns noch hätte aufhalten können.
groß

"Wo hast Du es?", wir der ungeduldig angeherrscht.
interessanter Tippfehler

"Ich…Ich…Es muss mir heruntergefallen sein…auf dem Weg hierher…".
"Ich … ich … es muss mir heruntergefallen sein … auf dem Weg hierher …"

Seine Stimme erstickt im Blick der Meisterin.
schön!

Wir brauchen es zwar nicht für die Beschwörung, doch es ist das einzige, das unserem Plan gefährlich werden kann.
groß

"Aber wenn es gelingt, ist Euch allen Macht und Reichtum sicher, in einem Ausmaß, das Euer Vorstellungsvermögen übersteigt!"
klein

In den Augen der Meisten blitzen wieder die Habgier und die Machtsucht auf, die sie dazu gebracht haben, auf das Angebot der charismatischen Frau einzugehen.
klein

Eine Kettenreaktion kommt in Gang, Kolben für Kolben quillt über, ergießt sich kaskadenartig in einen Nächsten.
klein

"Empfange meine Gabe, empfange das Elixier des Untergangs, Herrscher!", hört er ihre Stimme durch den Staub.

Iskar sieht sich überrollt von einer Woge gleißender Dunkelheit und pechschwarzen Lichts, als für einen kurzen Moment das Aufeinanderprallen der Gewalten die Zeit die Luft anhalten lässt, bis sich Stein und Dämon in einer magischen Supernova gegenseitig vernichten.
"Supernova" ist SF-Jargon, was hat das hier zu suchen? :D

Liebe Grüße
131aine

 

Holla Johannes,

die jeden Tag Fengaras Markt von morgens bis abends bevölkert,
"von morgens bis abends" kann man streichen

dem geübten Blick des Diebs
eines Diebes

Keine Äpfel, es gibt keine Äpfel. Er eilt an den anderen Ständen vorbei, auch hier gibt es keine Äpfel.
Zu oft "Äpfel" hier:
... vorbei, doch auch sie sind leer.

„Deshalb war der dicke Heruas so unaufmerksam!“, triumphiert Jald.
wieso triumphiert er denn bei der Erkenntnis?

„Wenn es im Land der Äpfel / nicht mehr gibt dergleichen Früchte / erhebt sich die dunkle Nacht / zu zerschmettern der Menschen Welt“,
Das finde ich irgendwie ein bisschen bescheuert... wenn man sich das vorstellt. Unfrewillig komisch, will ich damit sagen. Oder ist es Absicht?

Gerade tauchen er und sein Wagen in die dunkle Masse des Waldes von Vengor ein, hinter dem Fengara liegt.
Das "gerade" finde ich hier nicht schön:
Sein Wagen taucht in die dunkle Masse des Waldes von Vengor ein, hinter dem Fengara liegt.

ich hüten wie seinen Augapfel.
ihn hüten

Kolben in denen
Kolben, in denen

„Wo hast Du es?“, wir der ungeduldig angeherrscht.
wird er

Gerade hebt die Frau ihre Hand – und einer der in Schwarz gehüllten verschwindet in einer Schattenwolke. Kurz darauf ertönt ein Schmerzensschrei, der Iskar, der sich neugierig vorgelehnt hat, erschreckt zurückfahren lässt. Gerade hat er sich wieder gesammelt, da ertönt hinter ihm ein lautes Knarren und Poltern.
Hier zwei Satzanfänge mit dem mir verhassten "Gerade". Find ich nicht sehr schön.

„Weil ihren Äpfeln die Kraft des Lebens selbst innewohnt, Unwissender, und wir haben aus ihnen das Elixier des Lebens destilliert. Wenn die Synthesis mit der Schattenessenz “ – sie deutet auf die Maschine, in deren Rohren nun ein dunkles, zähes Liquid fließt – „abgeschlossen ist, werden wir damit ihm zur Existenz verhelfen. Wir sind der Wurm im Apfel von Fengara, der der Fäulnis Einlass gewährt!“
Ihre Stimme verliert sich in einem schrillen Lachen.
Jetzt wirds aber ein echt ein wenig trashig... :D Die böse Hexe erzählt dem Unwissenden ihren genialen Plan, die Welt zu erobern und lacht dann noch schrill und böse...

Ich denke, dass du dir eine Menge Mühe bei der Geschichte gegeben hast. Sie liest sich jedenfalls sehr bemüht.
Als ersten Verbesserungsvorschlag würde ich dir raten, die Geschichte nur aus zwei Perspektiven zu erzählen. Das würde heißen, die Stelle mit Allerion zu streichen bzw. es so umzuformen, dass entweder Iskar oder Arwo es miterleben. (Arwo könnte zB schon früher in das Geschehen gestoßen worden sein) Weil durch diese drei Handlungstragenden wird es manchmal etwas langatmig und man muß sich wieder komplett umstellen. Ich persönlich mag Geschichte mit einem deutlich festgelegten Protagonisten eh immer am liebsten und denke auch, dass es so am leichtesten sind.
Iskar nämlich hat mir als Prot gut zu gefallen gewußt. Über einen Dieb zu schreiben, fand ich eine recht spannende Idee.
Weiterhin ist die Endscene irgendwie wenig spannend. Erinnerte mich so an einen Zusammenschnitt aus Indiana Jones und der Tempel des Todes und der Kampf Frodos mit Gollum auf diesem bösen Berg da am ende. Will meinen, da kannst du wirklich noch ein wenig mehr rausholen, indem du mehr auf Iskar eingehst. Er sollte deutlicher als Prot zu erkennen sein.

Hat mir, wenn ich mal so drüber nachdenke, im Großen und Ganzen gut gefallen,
Eike

 

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