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Ara ist lieb!

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10.02.2010
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Ara ist lieb!

- Mensch, Mensch, Mensch,
krächzte der alte Papagei. Er saß auf seiner Stange, in seiner Ecke des Wohnzimmers. In der Wohnung der alten Frau, die dort mit ihm zusammen lebte. Er schrie nicht mehr so oft wie früher, er war nicht mehr der Jüngste, Papageien leben lange und altern, wie wir Menschen, und sein Federkleid, wie auch er selbst, wirkte müde, war stumpf und kraftlos. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte er sich aufgestellt und die Flügel ausgebreitet und gesprochen und war hin und her getänzelt, wie ein Artist, mit der Leichtigkeit eines Clowns, doch dieser Clown war behäbig geworden, schminkte sich in traurig schweren Nuancen, und schwieg mehr und mehr, ließ seine Mimik für sich sprechen. Seine Fußkette raschelte immer seltener und seine Augen öffnete er, ob der Trübheit seines Blickes, oder aus Gründen mangelnder Kraft nicht mehr vollends. Das Tier schien am Ende seines Lebens angekommen zu sein und wirkte wie ein Relikt aus einer noch nicht vergessenen Zeit, aber einer Zeit, mit der das heutige Leben abgerechnet hatte. Die rustikalen Möbel, Gelsenkirchener Barock, die Bücher mit Lederrücken und die Bilderrahmen, Aufnahmen rotäugiger Kommunionkinder. Die Vitrine, gefüllt mit „den guten“ Gläsern, die nur zu bestimmten Anlässen heraus geholt wurden, die Schublade, in ihr eine matte, gelblich schimmernde Lupe und mehrere Alben voller Briefmarken. Eine Schere, die nicht fest zusammen geschraubt war, Briefe, Erinnerungen, Zeit. Der Papagei, auf seiner Stange.

In ihm ruhten Gedanken. Er hatte sich im Laufe seines Lebens an Abläufe und Handlungen gewöhnt, hatte sich wiederholende Muster zu erkennen gelernt und war in seiner Welt, mit dem sich ihm bietenden Tagesgeschäft, den Aufgaben, den Rechten und den Pflichten eines Individuums, ein weiser und bedachter Bewohner geworden. Er war gut erzogen. Ein Ärgernis war er nie gewesen. Er spielte mit und spielte gut. War satt und genügsam, folgsam.

- Mensch, Mensch, Mensch,
krächzte der alte Papagei. Ich blicke an ihm vorbei, auf eine riesige Schrankwand, über einen Wohnzimmertisch mit gekachelter Oberfläche hinweg, an den alten Polstermöbeln entlang, hin zu einem Sessel. Mein Blick wird von einem Kissen angezogen, der graugrüne Kordstoff ist ganz dünn geworden, an mehreren Stellen. Es liegt, wie frisch aufgeschlagen, auf der Sitzfläche, der Reißverschluss ist sorgsam hinter der Blendnaht verborgen. Ich gehe hinüber und berühre es, fahre sachte mit der Handfläche meiner rechten Hand darüber. Es ist dunkel im Wohnzimmer, die Vorhänge sind zugezogen und die Jalousien sind hinuntergelassen. Eine Stehlampe neben dem Beistelltisch ist die einzige Lichtquelle. Ich lösche das Licht, für einige Sekunden ist es nun dunkel und ziehe dann die schweren Gardinen beiseite. Lichtpunkte dringen durch die Schwärze, ich ziehe die Jalousien langsam nach oben, das Band brüchig und hart, faserig in meinen Händen, der alte Mechanismus laut und direkt. Es ist zwölf Uhr dreiunddreißig. Meine Uhr hängt locker an meinem Handgelenk, ich werfe einen kurzen Blick auf sie und schaue dann hinunter, aus dem Fenster in den Innenhof. Da gibt es mehrere eiserne Stangen, mit Wäscheleinen verbunden, zwei Jungen um die zehn spielen dazwischen Fußball. Es regnet nicht, aber es ist grau.

Ich schüttle meinen Kopf und ziehe meine Handschuhe aus. Da sind einfach zu viele Gedanken, die ich formulieren möchte, ich bin traurig, dass ich noch keinen Weg gefunden habe. Meine linke Hand berührt die Fensterscheibe, sie ist kalt und es fühlt sich gut an, ich nehme die rechte hinzu, fahre willkürlich unbestimmten Bahnen nach und umfasse dann mit beiden Händen meine Wangen, mein Kinn, mein Gesicht. Ich presse meinen Kopf gegen die Scheibe, die Kälte tut mir gut, augenblicklich geht es mir besser, ich fühle mich getröstet.

- Mensch, Mensch, Mensch,
krächzte der alte Papagei. Ein kühler Windstoß fuhr ihm durch seine Daunen. Er hatte den Kopf zur Seite gedreht, um aus dem Fenster blicken zu können. Er nickte langsam, auf und ab, es waren keine hektischen Bewegungen. Dies war ihm die liebste Zeit des Tages. Erst hatte er frisches Wasser und Futter bekommen, nun wurde die Wohnung gelüftet. Es war sein Abenteuer. Manchmal sah er etwas, was er noch nie gesehen hatte. Da draußen. Oft passierte gar nichts. Er wusste, dass es jenseits der Wohnung, hinter den Scheiben, mehr gab, aber er hatte keine Vorstellung davon, was, wie und warum dies alles war. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, er könnte sich erheben und hinaus fliegen, er hatte keinen Begriff von Freiheit, hatte sich an seine Kette gewöhnt, war ein konditionierter Beobachter, ohne Phantasie, ohne den Wunsch, etwas an seinem Dasein zu verändern. Die Fenster gingen im Laufe der Jahre auf und wieder zu. So war es. Der Papagei machte zwei kleine Schritte nach links, zum Fenster hin, und verharrte dort eine Zeit lang ruhig. Dann ging er wieder zurück. Zwei Schritte. Auf der Fensterbank blühte eine Kaktee, auf der Heizung lag Staub. Eine Uhr tickte, eine Sirene heulte auf. Der Papagei trank einen Schluck Wasser, eine lange Schwanzfeder fiel ihm aus, er bemerkte es nicht.

Ein junger Mann, in Uniform, schaut mich an. Ich streife mir meine Handschuhe über. Ich kenne ihn nicht, wir sind uns nie begegnet. Er lächelt, aber in seinen Augen ist noch ein anderer Ausdruck. Er hat Angst davor, etwas zu verlieren, etwas zum letzten Mal zu tun, etwas zu verpassen. Er überspielt es, aber er überspielt es nicht gut. Er ist noch sehr jung, jünger als ich es bin. Ich wende meinen Blick von ihm ab, von seinem Foto und öffne eines der Fenster. Die Luft in diesem Zimmer ist abgestanden, es riecht nicht unangenehm, es muss mehr Sauerstoff hinein. Ich denke an diesen Soldaten, was für Geheimnisse er gehabt haben mag, welchen Weg er gehen wollte und welchen er gezwungen war zu beschreiten. Ich atme tief ein. Ich nehme mir einen weiteren Bilderrahmen von der Vitrine, schaue mir die Aufnahme kurz an und stelle ihn wieder zurück. So viele Menschen, so viele Bilder. Aus meiner Jackentasche ziehe ich eine Flasche Cola Light und trinke einen Schluck daraus. Ich bin genauso wie sie alle und ich bin anders. Ich trinke, ich esse, ich atme, aber ich fühle, ich verlange, ich strebe. Ich bin mir meiner bewusst. Hinter mir krächzt der alte Papagei, ich blicke nicht zu ihm zurück. Ich verlasse den Raum. Ich höre ihn rufen: Mensch, Mensch, Mensch.

Der Papagei hatte zu den Sanitätern hinüber geschaut. Sie trugen die alte Frau auf einer Bahre aus dem Zimmer. Sie hatte lange auf dem Boden gelegen. Er krächzte: – Mensch, Mensch, Mensch. Sie kamen noch einmal wieder, sie holten eine Tasche, sie öffneten sie, taten etwas hinein, holten etwas heraus. Ein Mensch stellte sich direkt vor ihn und nickte mit dem Kopf. Er öffnete den Mund und imitierte seinen Ruf. Dann waren sie gegangen und er war alleine.

- Heutzutage werden kaum noch Papageien gekauft. Meistens findet man sie in den Wohnungen und Häusern von alten Menschen. Sie werden einfach zu alt, heute lädt sich niemand mehr eine solche Verantwortung auf, heute, wo viele ja nicht mal mehr Kinder haben wollen, was will man da schon mit einem Papagei. Und das Sprechen, das ist doch immer nur schön, wenn der Vogel vorgeführt werden kann und seine Tricks brav aufführt. Ansonsten ist es doch eher lästig. Niemand spricht mit einem Vogel, es gibt doch genug Menschen und genug Telefone. Nein, die Zeit des Papageien als Haustier ist vorbei, darüber sind wir uns hier im Klaren.

In einer Schublade hatte sie etwas Bargeld aufbewahrt, ich hatte es gesehen, als ich ihr das Essen in die Wohnung gebracht hatte. Ich arbeite für einen mobilen Pflegeservice und wir, beziehungsweise ich bringe ihr sieben Tage die Woche ihr warmes Mittagessen. Es gibt keine Verwandtschaft in der Nähe, es scheint niemanden zu kümmern. Es wird gezahlt. Das muss genügen. Den Fotos von strahlenden Kindern waren Überweisungen von Erwachsenen gefolgt. Der Mann vom Tierheim, mit dem ich wegen des Papageien telefoniere, macht mir wenig Hoffnung.

- Dieser Papagei wird sterben, es wird nicht mehr lange dauern. Er hat sich an ein Leben, an einen Rhythmus, an eine Struktur gewöhnt. Die gibt es nun aber nicht länger. Das wird er nicht verkraften. Er wird leiden, und an seinem Leid wird er zu Grunde gehen.
Er macht eine kurze Pause, ich höre, wie er sich ein Zigarette anzündet, das Klicken eines Feuerzeugs.
- Selbstverständlich nehmen wir in hier auf, wir sind dazu sogar verpflichtet, aber man muss dazu einen Antrag auf Verzicht der Übernahme des Tieres einreichen, den ein Verwandter der Verstorbenen ausgefüllt hat. Sie wissen schon, Bürokratie, der gesamte Verwaltungsapparat und so weiter…
Ich höre ihm weiter zu, notiere mir Einzelnes und verabschiede mich freundlich. Zuletzt hatte er mich gefragt, ob ich mich nicht um den Papagei kümmern möchte, aber ich hab sofort abgelehnt.

- Mensch, Mensch, Mensch,
krächzte der alte Papagei. Er hatte gesehen, wie die alte Frau die Türe geöffnet hatte und der Mann, der immer das Essen brachte, eintrat. Er hatte gesehen, wie die alte Frau ihm etwas gab und wie der Mann lächelte. Er hatte nicht gehört, was die alte Frau und der Mann gesprochen hatten, er hatte gesehen, dass die alte Frau von dem Mann in den Bauch geschlagen wurde, er hatte gesehen, wie der Mann etwas aus der Schublade nahm. Dann hatte der Mann der alten Frau ein Kissen auf den Kopf gedrückt. Die alte Frau lag auf dem Boden und bewegte sich nicht, ihre Beine lagen verdreht, so dass beide Schuhinnenseiten auf dem Teppich lagen. Und als der Mann dann ging, hatte er die Lippen zusammen geschürt und eine Melodie gepfiffen.

Es sind dreihundert fünfundsiebzig Euro, die ich in der Schublade finde. Plus die fünf, die sie mir zuvor gegeben hatte. Ich wache nachts auf und begreife es einfach nicht. Ich sehe mich das Fenster abwischen, ich sehe mich es schließen, die Vorhänge vorziehen, eine Melodie begleitet diesen Wachtraum. Als ich neulich nicht schlafen konnte, habe ich Fernseher eingeschaltet und mir eine Tierreportage angesehen. Eine Eisbärin nimmt einen gefahrvollen und langen Weg auf sich, um zu einer Insel zu gelangen, wo es noch genügend Futter für sie gibt, um den nächsten Winter zu überleben. Doch sie ist nicht der einzige Eisbär dort. Ein großes, altes Männchen beansprucht die Robben und Seeelefanten für sich und lässt nicht zu, dass sie in seinem Revier jagt. Die Bärin ist tagelang geschwommen und am Ende ihrer Kräfte, doch es kümmert das Männchen überhaupt nicht. Es vertreibt sie jedes Mal, sobald sie einen Versuch auf die Robben startet. Erst als sie sich ihm unterwirft, lässt ihr das Männchen die Reste eines Kadavers übrig und trottet davon.
War es das wert? Ich frage mich das sehr oft. Ich denke oft an den Papagei. Ich hatte überlegt, ihn frei zulassen. Warum geht er mir nicht aus dem Kopf. Ist es, weil er in seinem Verhalten immer menschlicher geworden war? Und wenn ja, frage ich mich, bin ich am Ende animalischer geworden, oder folge ich einem alten, rudimentären Ruf? Meiner und unserer Natur? Überleben des Stärkeren? Oder habe ich bewusst mein Handeln getestet, nicht nach einem Nullpunkt gesucht, aber nach einem, …, einem Grenzwert? Ich weiß nicht, was mich zu dieser Tat verleitet hat, ich weiß es nicht und werde es wohl auch nicht wissen. Ich habe beschossen, weiter durch die Straßen zu fahren und meine Augen offen zu halten. Nach Anhaltspunkten. Ich werde versuchen, mich mit dem Leben zu arrangieren, mich an diesem stoßen, Reibungspunkte finden, und mich zu friedlicheren Zeiten an seiner Brust laben und zufrieden schmatzen. Ich habe einige Ideen. Also aufgepasst.

- Mensch, Mensch, Mensch,
krächzte der alte Papagei. Er wusste nichts von Untersuchungen und Beweisführungen und auch nichts von Verbrechen. Man konnte ihm nicht erklären, was der Unterschied zwischen Tod an Altersschwäche und Raubmord war. Man konnte ihm auch nicht erklären, was Gerechtigkeit bedeutete. Aber man konnte ihm ansehen, dass er verstand, dass sich etwas verändert hatte und dass ihm diese Veränderung nicht gefiel, dass er unter den neuen Bedingungen litt. Er war kein Mensch, er war zu komplexen Kausalverknüpfungen nicht in der Lage. Aber das Band, welches vor Jahrzehnten zwischen ihm und der alten Frau geknüpft worden war, dieses Band hatte er gefühlt und verlangt und angestrebt. Er hatte eine Form des Glücks kennen gelernt. Traurig saß er auf seiner Stange und

Ich habe vergessen zu erzählen, dass die Eisbärin selbstverständlich gestorben ist.

versteckte seinen Schnabel unter einem Flügel.

Manchmal blicke ich in den Spiegel und wenn ich genau hinschaue, und wenn ich in der richtigen Stimmung bin, dann sehe den Papagei vor mir, wie er traurig den Schnabel unter einem Flügel versteckt. Ich habe das Gefühl, mit ihm fing alles an.
Könnt ihr ihn rufen hören? Jetzt? Was ruft er noch gleich?

 

Fast hätte ich gesagt: Wow.

Aber leider nur fast. Ich bin den ganzen Text über, den ich dennoch mit gewissem Genuss las, nicht hinter den Zusammenhang zwischen dem Erzähler, für den du die Kursive benutzt, dem Papagei und der alten Frau gestiegen. Ja, ich konnte herauslesen, dass es sich beim Erzähler wohl um denselben Pflegedienst handelt, der die Frau später wegen letztlich 375 Euro umbringt. Das verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Dass er Mitleid für den Papagei hat, für dessen Situation er doch verantwortlich ist.

Die rustikalen Möbel, der „Gelsenkirchener Barock“, die Bücher mit Lederrücken und Bilderrahmen, mit Aufnahmen von Kommunion-Kindern, mit roten Augen.
  • Satz holpert >> Die rustikalen Möbel, Gelsenkirchener Barock, die Bücher mit Lederrücken und die Bilderrahmen, Aufnahmen rotäugiger Kommunionkinder. Vorschlag.

Da gibt es mehrere eiserne Stangen, mit Wäscheleinen verbunden, zwei Jungen, nicht älter als zehn, spielen dazwischen Fußball. Es regnet nicht, aber es ist grau.
  • Satz auch holprig >> ... zwei Jungen um die zehn spielen dazwischen Fußball.

Er wusste, dass es jenseits der Wohnung, hinter den Scheiben, mehr gab, aber er hatte keine Vorstellung davon, was und wie und warum dies wohl sein möge.
  • Geht einfacher mit >> ... was, wie und warum dies alles war. Der Optativ ist hier für mein Empfinden fehl am Platz.

Diese Geschichte, wenn ich sie auch nicht wirklich verstehe, erzeugt in mir eine eigenartige Wehmut. Aber ist eben schade, dass ich sie nicht verstehe. Lass uns auf noch mehr Kritiken warten, vielleicht wird es mir dann klarer.

Und natürlich herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de.

-- floritiv.

 

vielen Dank!

Diese Geschichte, wenn ich sie auch nicht wirklich verstehe, erzeugt in mir eine eigenartige Wehmut.

Meine Kurzgeschichten sollen in erster Linie Stimmungen wiedergeben. Wenn mir dies gelungen ist, freu ich mich natürlich!

Und auch Deine Anregungen und Satzüberarbeitungen sind zutreffend und werden von mir noch eingebaut.

Soll ich jetzt Zusammenhänge erklären?
Oder lieber warten, bis ein paar Erklärungsversuched im Raume stehen?

Fühl mich hier gut angekommen und freue mich auf mehr Fragen/Kommentare/Äußerungen/Kritiken.

schönen Abend noch,
tierwater

 

Soll ich jetzt Zusammenhänge erklären?
Oder lieber warten, bis ein paar Erklärungsversuched im Raume stehen?
Nur ein allgemeiner Tipp nebenbei: Enthalte dich der Erklärung. Vertraue deinen Werken ("Werkimmanenz": Kann man durch Erklärung nur falsifizieren :D). Wird eine Geschichte einem Leser nicht klar, ist das nicht schlimm. Das ist es erst, wenn sie niemandem klar wird. Aber dann helfen auch keine Erklärungen.

-- floritiv.

 
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Die Geschichte gefällt mir sehr gut. Ich interpretiere sie ähnlich wie floritiv.

Den Anfang finde ich etwas zu gewichtig, vor allem das Bild mit dem Clown.

Es hatte Zeiten gegeben, da hatte er sich aufgestellt und die Flügel ausgebreitet und gesprochen und war hin und her getänzelt, wie ein Artist, mit der Leichtigkeit eines Clowns, doch dieser Clown war behäbig geworden, schminkte sich in traurig schweren Nuancen, und schwieg mehr und mehr, ließ seine Mimik für sich sprechen.

Puh!

Seine Fußkette raschelte immer seltener und seine Augen öffnete er, ob der Trübheit seines Blickes, oder aus Gründen mangelnder Kraft nicht mehr vollends.

Fehlt da ein "wegen"? Wenn nicht finde ich die Konstruktion unpassend altmodisch. Liest sich ungelenk. Vorschlag: "...seine Augen öffnete er nur noch selten vollständig, vielleicht wegen der Trübheit seines Blicks, vielleicht fehlte ihm einfach die Kraft."

In ihm ruhten Gedanken.
Schulligung, aber "Jetzt sind wir mal gaaanz tiefsinning"

Im weiteren Verlauf ist mir so etwas nicht mehr aufgefallen, ich bin aber auch gut eingesogen worden. Aus meiner Sicht kann ich bestätigen, daß Dir das Erzeugen von Stimmungen ganz gut gelingt.

Die Passage mit dem Anruf im Tierheim könnte ein bißchen klarer sein, ich mußte kurz zurückspringen, weil ich zwischendurch den Faden verloren habe, wer gerade was sagt.

Ein letzter Hinweis: Könnte einen Tacken kürzer sein; nicht viel, vielleicht 5 oder 10%?

Doch noch was (nenn mich Columbo): Der Titel ist mir zu weit entfernt vom Inhalt.

Enthalte dich der Erklärung.
Jepp. Wie bei Witzen.

 

hello,

Den Anfang finde ich etwas zu gewichtig, vor allem das Bild mit dem Clown

jau, der erste absatz ist ein bisschen lang...
finde ich auch, aber kürzen will ich da nichts, man muss ja irgendwie reinkommen. Und Clowns, wer mag schon Clowns?
Das Bild ist aber gewählt, weil, ähnlich wie Papageien, auch Clowns nicht mehr so "hipp" sind, mir eher wie ein Relikt erscheinen...

Fehlt da ein "wegen"? Wenn nicht finde ich die Konstruktion unpassend altmodisch.

sätze mit "ob der" finde ich super, vielleicht altmodisch, aber trotzdem schön!

Die Passage mit dem Anruf im Tierheim könnte ein bißchen klarer sein, ich mußte kurz zurückspringen, weil ich zwischendurch den Faden verloren habe, wer gerade was sagt.

tja, zuerst hatte ich da ANRUF: davor stehen. Aber warum nicht etwas noch einmal lesen?

Im weiteren Verlauf ist mir so etwas nicht mehr aufgefallen, ich bin aber auch gut eingesogen worden. Aus meiner Sicht kann ich bestätigen, daß Dir das Erzeugen von Stimmungen ganz gut gelingt.

JUHUUUUUUUUUUUUUU (so homer simpson mäßig)

vielen Dank!!
eine schönen Tag noch,
tierwater

 

@ floritiv

Dass er Mitleid für den Papagei hat, für dessen Situation er doch verantwortlich ist.

Er sieht eine Verbindung zwischen dem Papagei, für den es in der Welt keinen Platz mehr zu geben scheint und sich selber. Er findet keine Erklärung, warum er der alten Frau das Leben nahm. 375 Euro sind ja lächerlich. Und dadurch wird es ihm noch unverständlicher. Er vergleicht sich mit dem Papagei, vereinnahmt dessen "neue" Isolierung. Das Tier mit den menschlichen Zügen, welches aber kein Mensch sein kann, und der Mensch mit seinem Unverständnis für die Welt um ihn herum, seinem Gefühl, verloren zu sein, der einfach kein Mensch dieser Zeit sein kann und will.

 

Hey tierwater,

und ein verspätestes Willkommen.

Also, ich hatte mich etwas schwer durch den Text zu kommen. Zum einen lag es am Stil, zum anderen am Inhalt. Mir war es oft einfach zu ... viel.
Und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was Du erzählen möchtest. Worauf Du hinaus willst. Was ist die Aussage der Geschichte? Das Papageien unzeitgemäß sind? Reue nach der Tat? Stimmung - welche?

Er sieht eine Verbindung zwischen dem Papagei, für den es in der Welt keinen Platz mehr zu geben scheint und sich selber.

Das kommt bei mir nicht an. Leider. Weil ich auch nicht verstehe, warum es für ihn keinen Platz mehr gibt. Da fehlt ein Stück Text. Dieses Gedankengefassel - hilft mir dabei auch nicht.


Zum Text:

- Mensch, Mensch, Mensch,
krächzte der alte Papagei. Er saß auf seiner Stange, in seiner Ecke des Wohnzimmers. In der Wohnung der alten Frau, die dort mit ihm zusammen lebte. Er schrie nicht mehr so oft wie früher, er war nicht mehr der Jüngste, Papageien leben lange und altern, wie wir Menschen, und sein Federkleid, wie auch er selbst, wirkte müde, war stumpf und kraftlos.

Wortwiederholungen lesen sich immer unschön.
Wenn Du zwei Sätze zuvor sagst, dass es ein alter Papagei ist, tja - cleverer Leser weiß, dass er dann nicht mehr der jüngste ist ;).
Ich glaube es liegt vor allem a den vielen Erklärungen und Stil, dass man sich mit dem ersten Absatz so schwer hat. Weniger ist sehr oft, sehr viel mehr.

Mensch, Mensch, Mensch,
krächzte der alte Papagei. Er saß auf seiner Stange, in der Ecke des Wohnzimmers der alten Frau. Er schrie nicht mehr so oft wie früher und sein Federkleid wirkte müde, stumpf und kraftlos.

Wenn Du Dir das durchliest, frage Dich mal, auf welche Information der Leser nun verzichten muss. Und das Papageien lange leben und altern - so viel Wissen trau Deinen Lesern mal zu ;).

Früher hatte er sich aufgestellt, die Flügel ausgebreitet und gesprochen. War hin und her getänzelt, wie ein Artist, mit der Leichtigkeit eines Clowns. Doch dieser Clown war behäbig geworden, schminkte sich traurig und schwieg mehr und mehr. Seine Augen öffnete er, ob der Trübheit seines Blickes oder aus Gründen mangelnder Kraft, nicht mehr vollends.
Er hockte inmitten der rustikalen Möbel, Gelsenkirchener Barock, die Bücher mit Lederrücken und die Bilderrahmen, Aufnahmen rotäugiger Kommunionkinder. Die Vitrine, gefüllt mit „den guten“ Gläsern, die nur zu bestimmten Anlässen heraus geholt wurden, die Schublade, in ihr eine matte, gelblich schimmernde Lupe und mehrere Alben voller Briefmarken. Eine Schere, die nicht fest zusammen geschraubt war.

Ich möchte das hier nicht als besser oder so darlegen, sondern Dir einfach nur mal zeigen, wie Dein Text auch wirken kann, wenn man den ein oder anderen Schnörkel entfernt und den belehrenden Erzähler mal kurz mundtot macht. Weil, genau in diesen Lücken, kann sich Leser selbst einbringen und durch die Bilder Stimmungen aufbauen - und darum geht es Dir ja. Dazu müssen die Bilder aber fließen und nicht ständig durch Erklärungen unterbrochen werden.

Übrigens gefällt mir dieser Blick ins Wohnzimmer sehr gut. Von den Möbeln und den roten Augen Fotos bis zur kaputten Schere.

In ihm ruhten Gedanken.

In wem, in dem Papageien? :D

Es ist dunkel im Wohnzimmer, die Vorhänge sind zugezogen und die Jalousien (sind) hinuntergelassen.

Wortwiederholung, davon hast Du echt viele im Text

Eine Stehlampe neben dem Beistelltisch ist die einzige Lichtquelle. Ich lösche das Licht, für einige Sekunden ist es nun dunkel und ziehe (dann) die schweren Gardinen beiseite.

Füllwörter sind auch nicht von Vorteil ;)

Lichtpunkte dringen durch die Schwärze, ich ziehe die Jalousien langsam nach oben, das Band brüchig und hart, faserig in meinen Händen, der alte Mechanismus laut und direkt.

Stilkunde Nummer drei: Vorsicht im Gebrauch von Adjektiven und Adverbien. Sie brauchen Raum zum wirken. Das ist wie eine Knetfigur zur Erinnerung an die Kindheit. Allein stehend - sieht man sie, in Omas Setzkasten geht sie unter.

Da gibt es mehrere eiserne Stangen, mit Wäscheleinen verbunden, zwei Jungen (um die zehn) spielen dazwischen Fußball.

Völlig egal wie alt, Informationen die der Leser nicht benötigt.

Es regnet nicht, aber es ist grau.

Das ist schön! Da kommt Stimmung rüber.

Er wusste, dass es jenseits der Wohnung, hinter den Scheiben, mehr gab, aber er hatte keine Vorstellung davon, was, wie und warum dies alles war. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, er könnte sich erheben und hinaus fliegen, er hatte keinen Begriff von Freiheit, hatte sich an seine Kette gewöhnt, war ein konditionierter Beobachter, ohne Phantasie, ohne den Wunsch, etwas an seinem Dasein zu verändern.

Das ist mir echt zu viel Tiefsinn für einen Papageien und ich frage mich, was es dem Leser übermitteln soll. Die Kette an seinen Füßen - ist doch Bild genug. Und um ehrlich zu sein, kann ich mir durchaus vorstellen, dass Papageien auch mal fliegen - ist doch ihre Natur. Fenster hin, Fenster her.

Ich atme tief ein. Ich nehme mir einen weiteren Bilderrahmen von der Vitrine, schaue mir die Aufnahme kurz an und stelle ihn wieder zurück. So viele Menschen, so viele Bilder. Aus meiner Jackentasche ziehe ich eine Flasche Cola Light und trinke einen Schluck daraus. Ich bin genauso wie sie alle und ich bin anders. Ich trinke, ich esse, ich atme, aber ich fühle, ich verlange, ich strebe. Ich bin mir meiner bewusst. Hinter mir krächzt der alte Papagei, ich blicke nicht zu ihm zurück. Ich verlasse den Raum. Ich höre ihn rufen: Mensch, Mensch, Mensch.

Das ist mir irgendwie zu viel: alles und nichts. Ich bin mir meiner bewusst - ich esse ...
Bleib bei einem Bild. Bleib bei dem Soldaten und beschreibe das Foto. Aber nicht so - das er noch Wünsche hatte oder so. Beschreibe, wie die Angst aussieht. Als hätte man das Foto im Augenblick einer Gefahr von ihm gemacht. Zeig sein Gesicht. Ich glaube, das geht viel mehr unter die Haut und besagt in etwa das, was Du sagen willst. Nur eben nicht so plakativ.

- Heutzutage werden kaum noch Papageien gekauft. Meistens findet man sie in den Wohnungen und Häusern von alten Menschen ...

Dieser ganze Absatz - zäh und überflüssig. Reine Belehrung. Tut nichts zur Stimmung, Handlung oder Figurenzeichnung.

- Dieser Papagei wird sterben, (es wird nicht mehr lange dauern). Er hat sich an ein Leben, an einen Rhythmus, (an eine Struktur) gewöhnt. Die gibt es (nun aber) nicht länger. Das wird er nicht verkraften. Er wird leiden, und (an seinem Leid wird er) zu Grunde gehen.

Die Eisbärengeschichte - wofür? Das das Leben hart und ungerecht ist. Das es Gewinner und Verlierer gibt. Das Kämpfe/Risiken nicht immer belohnt werden? Okay, aber kürzer - pointierter. So erzählst Du eine Geschichte in der Geschichte. Das bringt mich raus. Dein ganzes Stimmungsbild fällt in sich zusammen, weil Du ein neues in mir aufbaust. Ein anderes.

War es das wert? Ich frage mich das sehr oft ...

Wieder so ein Absatz. Wieso zeigst Du nicht, wie sinnlos ihm dieses Geld jetzt erscheint? Was kann er machen mit dem wenigen Geld? Einen Fernseher kaufen und Tierreportagen gucken? Das wäre doch ein Aufbau. Er kauft sich einen Fernseher und schaut dann die Eisbärengeschichte (natürlch gekürzt ;) ). Dann macht er den Fernseher aus und holt den Papageien ... wegen dem Gewissen. Oder er fährt hin und hockt sich daneben. Wobei ich mich schon frage, wieso es an ihm ist, sich um den Papageien zu kümmern und wie er in die Wohnung kommt.

Er wusste nichts von Untersuchungen und Beweisführungen und auch nichts von Verbrechen. Man konnte ihm nicht erklären, was der Unterschied zwischen Tod an Altersschwäche und Raubmord war. Man konnte ihm auch nicht erklären, was Gerechtigkeit bedeutete.

Schon klar.

Aber man konnte ihm ansehen, dass er verstand, dass sich etwas verändert hatte und dass ihm diese Veränderung nicht gefiel, dass er unter den neuen Bedingungen litt. Er war kein Mensch, er war zu komplexen Kausalverknüpfungen nicht in der Lage. Aber das Band, welches vor Jahrzehnten zwischen ihm und der alten Frau geknüpft worden war, dieses Band hatte er gefühlt und verlangt und angestrebt. Er hatte eine Form des Glücks kennen gelernt.

Nicht sagen. Wie genau sieht den der Papagei nun aus. Rupft er sich die Federn aus? Sagt er gar nix mehr? Was tut er den Tag über? Warten?

So, das war nun sehr viel. Ist natürlich alles subjektiv aus meinen Leseempfindungen heraus. Vielleicht ist ja was für Dich dabei. Nicht entmutigen lassen! Die Geschichte ist schon okay, nur für mich eben noch ausbaufähig.

Beste Grüße Fliege

 

Hallo Fliege!

wow, da bist Du ja richtig ins detail gegangen!
gefällt mir!

dafür vielen Dank!

Zur Frage, was ich eigentlich damit aussagen will:

nimm als grundtenor bob dylans the times they are a-changing,
dazu eine prise identitätskrise und werteverlust in unserer schnelllebigen zeit (auch wenn ich nicht explizit darauf eingehe, aber ein lieferant für essen an rentner bekommt auch einiges zu sehen)
und die scheinbar spontan unüberlegte und im affekt begangene Tötung als härtesten widerspruch zum eingliedern in unsere Gesellchaft:

375 Euro: hätte ich (monats)bedarf eines lebens schreiben sollen?

dann verpacke es in ein bild von einem gefesseltem Tier, dass nur ein wort sagt:

Mensch

fertig ist meine gesellschaftskritik!

Über den Informationsgehalt muss ich nachdenken, ich hab mehr an den rhythmus beim schreiben gedacht. Aber Deine Sätze klingen sehr gut.

ich werde auf jeden fall noch einige Änderungen vornehmen.

Die eisbären geschichte muss bleiben ;)

jetzt muss ich darüber nachdenken, freu ich mich aber auch schon drauf!
merci!

bis später dann wieder,
tierwater

 

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