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Auf ´m Poller
Wenn du die ganze Nacht durchgegurkt hast auf St. Pauli, dann hast du so Schmacht, dass du dem Hagenbeck alle Elefanten wegfressen könntest. Und noch ein bis zwei Nilpferde.
Ich fang mal mit einer Currywurst an. Heiß schmeckt die am besten, aber da müsste ich sie am Stand essen, bei all den Besoffenen. Also gehe ich runter zur Pier und lasse mich dort auf einem Poller nieder. Hier ist nix mehr los – das spielt sich alles draußen im Containerhafen ab, das ganze Geschäft mit den bunten Kästen.
Zu meiner Zeit waren die noch nicht in Mode. Aber eigentümlicherweise war 1969 mein letztes Schiff - die "Hammonia" - das erste Containerschiff der ehrwürdigen Hapag, der Hamburg-Amerika-Linie. Na ja, damit war das Ende der echten Seefahrt beglaubigt und besiegelt.
Von da an ging alles nur noch zackzack. So schnell kannst du gar nicht gucken.
Der Pott kommt abends rein und die Männer gehen an Land. Die Stadt ist weit und Taxis sind teuer. Aber sie legen zusammen und dann reicht`s doch noch zur Fahrt in den Puff. Ja, was denn sonst? Erst mal die Hauptsache, außerdem haben sie schon an Bord ihr Abendessen verputzt. Nasi Goreng, schärfer als auf Java! Ihrem Smutje sollten sie einen Lorbeerkranz flechten, aber der bewahrt diese begehrten Blätter unter Verschluss. Muss er sich eben selbst einen flechten.
Was er auch gut macht, sind Kohlrouladen. Das hat er nicht in der Lehre gelernt, sondern bei seiner Mutti. Und genau so schmecken die auch, besonders die zweite, mit ´n büschen Speck obenüber, Kartoffelbrei und brauner Sauce. Wenn es das gibt, wird das ganze Schiff über die Toppen geflaggt – nee, ist nur ein Scherz.
Aber die Nacht ist vorbei, oft reicht die Zeit nicht mehr für eine Currywurst oder Frikadelle auf die Hand, der Kahn ist neu beladen und kann nicht länger warten. Aktionäre sind streng.
Oh Mann! Jetzt ist bei all diesen Gedankensprüngen die Wurst kalt geworden. Aber bei meinem Kohldampf bedeutet das gar nichts. Der Curry kitzelt meinen zarten Geruchssinn und ich verspüre einen kräftigen Niesreiz. Ich recke meine Wurst, damit ihr nichts geschieht, hoch in die Luft, schließe meine Augen und niese mit Hingabe. Ein Ruck an meiner Hand öffnet meine Augen in Sekundenschnelle: Ich werd verrückt! Da fliegt meine Wurst davon! Ich hatte schon den Mund offen, um kräftig hineinzubeißen!
Mir bleibt das Brötchen mit der erstarrten Sauce. Ein wenig animierender Anblick, doch ich werde die Augen ein zweites Mal schließen – und dann runter damit!
Hunger ist furchtbar, aber Möwen auch. Man sagt, die picken Schiffbrüchigen die Augen aus.