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Auf der Reise

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24.08.2003
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Auf der Reise

Ich bin schon einmal in England gewesen, im Sommer. Hingefahren bin ich mit dem Schiff, mit so einem Piratenschiff aus Holz und einem schwarzen Segel. Du hättest mal die Sonne spüren sollen, und wie die Möwen geschrien haben! An Land bin ich mit einem der großen roten Doppeldeckerbusse gefahren, bis zum Trafalgar Square, und da bin ich einmal quer durch die Tauben gelaufen. Alle sind sie weggeflogen, während der Regen Spuren über meine Wangen zog.
Ich war auch schon in Spanien. Die Sonne brannte vom Himmel, der war fast so blau wie deine Augen sein werden, wenn du das erste Mal die Welt siehst. Die Straße war hart und staubig. Links und rechts wuchsen kleine Grasbüschel, und hin und wieder fuhr ein Pferdewagen an mir vorbei. Darauf saßen Männer, die an Grashalmen kauten. Keiner hat angeboten, mich mitzunehmen, aber das war mir ganz recht, ich wollte allein sein, mit dir reden und mich auf dich freuen.
Irgendwann kam ich in eine Stadt. Die Straßen waren wie ausgestorben. Sogar die Läden waren zu. Ich wusste nicht genau, welcher Wochentag es war, also machte ich mich auf die Suche nach den Menschen. Ich fand eine Arena, in der ein Torero gegen einen Stier kämpfte. Der junge Mann stand in der Mitte und wedelte mit einem roten Tuch. In der anderen Hand hielt er einen Degen, mit dem er zustach.
Der Junge tanzte mit dem Stier, genau so sah es aus. Seine Hosen waren schwarz, eng und schmutzig vom Staub, den die Hufe seines Gegners aufwirbelten. Er bewegte sich mit einer Leichtigkeit, wie ich sie sonst nur in Avalon gesehen habe. Immer wieder ließ er das Tier ins Leere rennen, eine Ewigkeit lang. Das Publikum auf den Rängen hielt den Atem an, immer wieder brüllten die Menschen. Ich schmeckte meinen eigenen Schweiß, roch das heiße Blut des Tieres, wie es auf den Boden tropfte. Als der Torero dem Stier den letzten Stoß versetzte, fühlte ich den Schmerz beinahe selbst. Das Tier brach zusammen und brüllte auf.
Ich bin in Irland gewesen. Die Sonne hat geschienen, und ich bin barfuß über den Rasen von Tara gegangen. An diesem Ort liegen tote irische Könige. Herrscher.
Ich bin dann einfach über das Gras geschritten, es hat mich an den Fußsohlen gekitzelt, das weiß ich noch. Es roch nach Sonne, sie brannte auf meine Haut. Und als ich Avalon sehen konnte, bin ich einfach dorthin gegangen, die Tür war ja weit genug offen. Der Schleier ist nur dünn an diesem Ort, und er zerreißt leicht, weißt du.
In Avalon ist es schön. Da blühen die Blumen, und es ist immer Frühling. Man kann die Priesterinnen sehen, Jungfrauen und Mütter, die in ewigen Gesängen eine ewige Göttin ehren. Sie tragen weiße Kleider und Blütenkränze im Haar. Sie haben mich eingeladen, eine Weile bei ihnen zu bleiben. Sie haben mir nur den süßesten Wein zu trinken gegeben, und zum Essen Brot, Kräuter, Gemüse, Obst. So etwas habe ich hier noch nie gegessen!
Es war ein bisschen wie im Himmel. Ich trug einen langen Rock aus Leinen, und ein helles Hemd. Wenn es regnete, blieben wir einfach draußen stehen und ließen uns vom Regen bis auf die Haut nassmachen.
Ich war auch schon in Berlin. Das ist eine riesige Stadt. Überall sind Menschen, in den U-Bahnen, in den Bussen, auf den Straßen, in den vielen, vielen Autos, die überall herumfahren. Auf dem Kurfürstendamm war ich einkaufen. Es war recht kühl und ein leichter Nebel lag in der Luft, so wie Gischt, die vom Meer aufs Land geweht wird. Die Luft schmeckte nach Abgasen.
Ich sah einen Punker mit seinem Hund. Er hatte einen Kamm auf dem Kopf, einen Irokesenschnitt, der war grün, leuchtend grün, wie Gras. Der Hund war schwarz und trug ein Halstuch. Die beiden sahen traurig und hungrig aus. Ich hätte ihnen gern Geld gegeben, aber ich hatte keins.
Morgen ist der Aufzug fertig. Dann fahren wir spazieren.

 

Hallo morti,
danke fürs Kritisieren und Ausgraben! Ja, du hast schon Recht, es ist eine Frau, die ihrem Ungeborenen etwas erzählt - wobei sie fantasieren muss, denn sie ist gehbehindert und kann nicht verreisen. Schön, dass du Spaß beim Lesen hattest.
Nein, ich habe sozusagen keinen eigenen Stil. Die Geschichte gibt ihn vor. Vielleicht finde ich ja irgendwann eine kongruente Linie, aber bis dahin werde ich wohl weiter wurschteln. Wenn meine Schreibblockade irgendwann mal aufhört.

gruß
vita
:bounce:

 

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