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Auf der Straße
Er lag auf der Straße. Wie lange er schon dort lag, wußte er nicht. Im Grunde war es ihm auch egal. Die meisten Leute gingen vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Manche schienen angestrengt in eine andere Richtung zu schauen. Autos fuhren vorbei. Im Vorbeifahren warfen ihm die Insassen einen abschätzenden Blick zu. Alles, was er von dem vorbeifahrendem Bus mitbekam, waren Augen voller Neugier und Abscheu. Man schien sich zu unterhalten, ob der Sitznachbar das auch gesehen hätte.
Andere Leute standen wartend um ihn herum. Ein älterer Mann sah ihn angewidert an. Eine Gruppe Jugendlicher riß Witze und lachte mehrmals. Einige schauten sich entsetzt nach den Jugendlichen und nach ihm um. Andere starrten ihn nur erwartungsvoll an. Eine junge Frau drückte ein Kind an sich, offenbar um dessen Sicht zu verdecken. Seh ich so schrecklich aus?
Einer der Leute griff in die rechte Tasche seines Mantels. Ein Mobiltelephon kam zum Vorschein. Will er die Polizei rufen? Oder den Krankenwagen? Der Mann hielt sich das Telephon vor das Gesicht und schaute konzentriert auf die Anzeige. Es gab mehrmals einen kurzen Signalton von sich. Schnell wurde das Telephon zusammengeklappt und wieder in der Tasche verstaut.
Ein Kleinbus hielt in der Nähe. Es rannten Männer heraus. Einer trug einen schlichten Anzug, die anderen schleppten allerlei Technik hinter ihm er: Jede Menge Kabel, Filmkameras, Mikrophone mit dem Logo eines bekannten Privatfernsehsenders. Eine Frau in der Menge fing an, einen Spiegel herauszuholen, wohl um ihre Fernsehtauglichkeit zu prüfen. Die Kamera wurde herumgeschwenkt. Die Totale des Szenarios war im Kasten. Die Jugendlichen fingen an zu winken und Grimassen zu schneiden. Man warf ihnen strafende Blicke zu. Die Kamera schwenkte zu dem Mann im Anzug, der anfing, eine Frau zu befragen.
Er lag weiter auf der Straße. Daß die Frau die Fahrerin des Autos war, das ihn erfaßt hatte, wußte er nicht. Im Grunde war es ihm auch egal.