Mitglied
- Beitritt
- 16.10.2009
- Beiträge
- 34
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Auf einen Kaffee
Auf einen Kaffee
Er hatte sie vor einer halben Stunde auf Frankfurts Einkaufsmeile ins Visier genommen. Kam wie aus dem Nichts auf sie zugesteuert und strahlte sie dabei überglücklich an, als hätte er eine alte und lange vermisste Freundin endlich wieder gefunden. Er streckte schon Verena seine Hand entgegen, die sichtlich verwirrt wegen der stürmischen Begrüßung ihn fest in den Blick nahm. Eines war sicher, diesen Mann mit blondem Haar, um die 30, stahlblaue Augen, normal groß und weder dick noch dünn, hatte sie in ihrem Leben noch nie gesehen. Vor lauter Überrumpelung hatte sie ihm ihre Hand hingestreckt, als sie ihn fragte, ob sie einander kennen würden. Er strahlte sie weiterhin an, ohne ihre Augen zu verlieren und entgegnete prompt „Nein, aber das macht nichts. Ich stelle mich Ihnen gerne vor. Mein Name ist Joachim Neubert. Sie erinnern mich an jemanden. Sie sehen ihr zum Verwechseln ähnlich. Sie hat mir vor vielen Jahren das Herz gebrochen und mich verlassen…Sie haben den gleichen offenen und sympathischen Blick wie Vera, meine damalige Freundin. Ich würde Sie gerne auf einen Kaffee einladen und ihnen von ihr erzählen, darf ich?“
Oh nein, das hat mir gerade noch gefehlt! Jetzt habe ich diesen Typ an der Backe. Merkwürdig, dass er mich einfach so anspricht - aber vielleicht erinnere ich ihn wirklich an seine Exfreundin und er ist über ihren Verlust nicht hinweggekommen. Warum nicht mit ihm einen Kaffee trinken gehen, vielleicht kommt dabei eine interessante Geschichte zu Tage und ich kann sie als Kurzgeschichte verwerten. Ich halte ihn mir einfach auf Distanz und höre mir an, was er zu sagen hat.
Verena versuchte desinteressiert zu wirken und ließ sich Zeit mit einer Antwort. Er lächelte sie noch immer freundlich an und sagte: „Na, haben Sie sich schon entschieden? Sie dürfen die Örtlichkeit auch aussuchen und sind mich in einer halben Stunde wieder los. Interessiert es Sie, was ich mit Ihrer Doppelgängerin erlebt habe und warum ich finde, dass Sie ihr ähnlich sind? “, sagte er verschmitzt. Verena schwankte zwischen Neugier und der Angst vor Manipulation.
Er zieht alle Register, um mich ins Café zu kriegen. Auf der anderen Seite begegnet einem so jemand nicht alle Tage und es könnte interessant werden, er hat einen faszinierenden Blick, beinahe hypnotisch. Was er mir wohl sagen will? Ich gebe zu, dass mich meine Neugier ganz schön plagt. Ich gehe einfach mit und höre mir an, was er zu sagen hat, was ist schon dabei... „Okay, für eine halbe Stunde, dann muss ich weiter. Ich kenne ein nettes Café, das nur wenige Minuten von hier entfernt ist.“
Es sollte nicht so aussehen, dass er die Führung übernahm und so führte sie ihn zielstrebig zu einem kleinen Café in einer Seitenstraße.
Es mag zwar etwas verrückt sein, einfach so mir nichts dir nichts mit einem Fremden mitzugehen, aber Verrücktheiten haben ihren Reiz. Sie holen einen heraus aus dem Trott des Alltags, sie sind Wachmacher wenn wir schlafwandelnd durch das Leben torkeln, wie Ferngesteuerte unseres Über-Ichs. Wer auch immer hat uns dort den Keim des Funktionierens eingepflanzt. Doch das Abenteuer wartet nicht. Wenn es ruft, musst du gehen, überlegte Verena auf dem Weg zum Café.
Das Café war bis auf zwei Tische gut belegt. Sie steuerte auf den Tisch am Fenster zu, legte ihre Jacke und ihren Hut ab und nahm Platz.
„Es ist sehr nett hier. Die Atmosphäre ist sehr angenehm. Hier kann ich meine Geschichte gut loswerden“, sagte Joachim. Die Bedienung kam zu ihnen, eine junge Dame mit Hochsteckfrisur und einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht.
„Was kann ich Ihnen bringen?“, fragte sie. Wir bestellten beide Milchkaffee und sahen einander an. „Ich erzähle Dir nun von Maria, meiner damaligen Freundin, die Dir so ähnlich ist, ja?“, sagte er und legte los. „Maria war eine ganz besondere Frau. Sie war meine erste große Liebe. Ich war damals erst 20 Jahre alt und hatte kein Glück bei den Frauen. Irgendwie war ich nicht ihr Typ, ich weiß nicht, woran das genau lag, aber andere Jungs aus meiner Klasse hatten schon mit 15 sexuelle Beziehungen. Ich hingegen hatte mit 20 Jahren noch keine Erfahrungen mit Frauen gesammelt. Eines Tages jedoch lernte ich Maria kennen. Sie saß beim Unterricht in der Fahrschule neben mir. Ich erinnere mich noch an ihr Parfum, es war ein Moschus-Duft und ich fühlte mich sofort davon angezogen. Sie hatte eine offene und sympathische Art, lachte viel und wirkte so unbeschwert. Mir gefielen ihre langen braunen Haaren, die sie nach hinten warf und ihre blau-grünen Augen, die frech und neugierig funkelten, genau wie Deine“, sagte Joachim und schaute ihr intensiv in die Augen. Es war Verena sichtlich unangenehm, denn sie rutschte auf ihrem Stuhl zurück, so dass sich der Abstand zwischen ihnen vergrößerte. „Merkwürdigerweise hatte sie auch an mir Gefallen gefunden und ich lud sie ins Kino ein, was sie zu meiner Überraschung sogar annahm“, fuhr er fort.
„Wir haben dann irgendeinen Liebesfilm gesehen und ich legte ihr meine Hand auf ihren Oberschenkel, zog sie an mich, küsste sie und fasste an ihre Brüste. Wir saßen ganz hinten und da wir in eine Nachmittagsvorstellung gegangen sind, hatten wir viel Platz um uns herum, so dass uns kein Mensch bemerken konnte. Irgendwann sind wir unter den Sitzen gelandet. Ich zog sie aus und genoss die Begierde, die sie in mir geweckt hatte. Es dauerte nur wenige Sekunden bis ich kam und sie war schließlich enttäuscht und sauer aus dem Kino gerannt. Ich habe sie seitdem nie mehr gesehen und da ich ihren Nachnamen und ihre Adresse nicht kannte, musste ich sie wohl oder übel ziehen lassen, was sehr schwierig für mich war, denn so schnell gebe ich nicht auf…“, erzählte er atemlos und Verena fand kein hörbares Wort dafür, nur einen entsetzten Blick .
Ih, das ist ja unerträglich, wie kann der mir so etwas zumuten. Ich muss sofort aufstehen!, dachte sie und fühlte zugleich ihren bleischweren Unterkörper am Stuhl haften, wie in einem der Alpträume, in denen sie eilig vor etwas fliehen wollte und nicht von der Stelle kam.
Joachim fing ihren Blick ein. „Oh, es tut mir, wenn ich Ihnen mit meinen Schilderungen zu nahe getreten bin, doch ich war so in der Situation gefangen, als hätte ich sie erneut erlebt…“, sagte er entschuldigend. „Ist schon gut“, sagte sie und die Spannung in ihrem Körper löste sich wieder. „Nach Maria habe ich noch andere Frauen getroffen, doch sie sind alle nach dem ersten Mal weggelaufen.“, fuhr er fort. „Wie bitte?“, fragte Maria, als spräche er Esperanto.
„Als ich ihn den Damen vorgestellt habe, sind sie alle auf und davon gelaufen. Aber mit Dir ist das sicherlich anders. Ich will Dir mein Geheimnis zeigen und ich weiß, dass Du mich nicht verraten wirst.“, sagte er und öffnete blitzschnell den Reißverschluss seiner Hose, um sein erregiertes Glied heraus zu holen. Es geschah alles so schnell, dass Verena mit aufgerissenen Augen und offenem Mund auf das starrte, was sich da vor ihren Augen zu entblößen begann. Sie wurde kreidebleich, stand mühsam auf und wankte hinaus. Als sie draußen war, löste sich ihre Bewegungsblockade und sie fing zu laufen an. Sie lief und lief, bis sie irgendwann an einem Gebäude anhielt. Die Tür war ihre Rettung. War sie offen oder verschlossen? Sie riss an ihr und befand sich Sekunden später im Inneren einer Kirche. Irgendwie gelangte sie durch den Mittelgang zu der vordersten Bank, auf der sie sich nieder ließ. Hier fühlte sie sich sicher. Hierhin würde er ihr nicht folgen. Verena blieb dort eine Weile sitzen bis sie den Impuls verspürte, eine Toilette aufzusuchen. Sie verließ die Kirche und betrat eine benachbarte Bar. Als sie am Waschbecken stand, ließ sie den Wasserhahn laufen und versuchte, das Bild vor ihren Augen wieder loszuwerden. Doch es ließ sich nicht abwaschen. Es war tief eingegraben in ihr Gedächtnis.