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Aufwachen!
Ich öffne meine Augen.
Kein nervtötendes Klingeln eines Weckers ist zu hören, kein Gedanke daran, ihn neuzustellen um noch einige Minuten herauszuholen. Mein Körper fühlt sich wie eine überflüssige Last an, die man nur zu gerne wegwerfen möchte. Doch diese Last scheint eine Notwendigkeit zu sein, wie etwas zu essen oder frische Luft, weshalb man dennoch widerwillen ein Leben lang im selben Körper lebt. Ich fühle mich erschöpft, niedergeschlagen, so kraftlos wie am Abend zuvor. Mit einem Ruck hieve ich mich hoch. Ich blicke zum Fenster hinaus in den Himmel. Draussen ist es schon hell geworden. 'Habe ich verschlafen?', denke ich und reisse mich in Panik in die Richtung des Weckers.
Zehn Uhr zeigt die Digitalanzeige. In mir staut sich eine Wut zusammen, jedoch ohne Ziel. Ich springe auf, bahne mir einen Pfad durch die Wohnung bis hin zum Badezimmer, betrete dieses und beginne, mich auszuziehen. Mein Blick huscht auf mein Spiegelbild im Spiegel des Badezimmerschränkchens. 'Bin ich das?', schiesst mir durch den Kopf und ich halte inne. Jahrelang betrachte ich die Gesichter meiner Mitmenschen. Einige sind mir alltäglich, andere belächle ich, weil ich sie als seltsam empfinde und doch sind sie meine Welt. Nun blicke ich einem Fremden in die Augen. 'Ist das wirklich meine Hülle?' Obschon ich mich gewiss hübsch finde, so wundere ich mich über die Befremdlichkeit meines eigenen Körpers. Schnell aber zerfällt der Gedanke, ich bin in Eile. Ich steige unter die Dusche und halte den Duschkopf an die Wand. Erfahrung, ich habe nicht vor, mit eiskaltem Wasser ins Leben gerufen zu werden. Angenehm fliesst das Wasser über meinen Körper, nachdem ich die Temperatur abgestimmt und mich an die Wärme gewöhnt habe. Ein gutes Gefühl, sich zu waschen, denn für mich geht nicht nur Schmutz, sondern ebenso ein böser Gedanke nach dem anderen den Abfluss hinunter. Die Zeit scheint still zu stehen, die Erde hört auf zu drehen. Für einige Sekunden nur bin ich frei von Gedankenvorgängen und Alltagssorgen., doch dann kommt der Grund mienes Aufstehens wieder, der Grund meiner Eile. Ich drücke den Hebel nach unten, das Wasser hört auf zu fliessen. Die Welt dreht sich wieder.
Ich trockne mich, säubere mit einem harten, rauen Handtuch die letzten Stellen. Das Anziehen fällt mir schwer, eine innere Kraft sträubt sich gegen diesen Prozess. Ich bekämpfe sie und stehe als gekleideter, gepfleger Mensch da. Ich habe meinen Alltagsumhang übergeworfen und bin nun für die Menschen akzeptabel. Ich bin bereit für den heutigen Tag. Bereit, meine Batterien bis zur Erschöpfung zu entladen.
Das Frühstück lasse ich ausfallen. Obwohl mich der Hunger dazu drängt habe ich keine Lust etwas zu essen. Ich schaue auf die Uhr.. halb Elf. Ich bin zu spät und viel ist nichtmehr rauszuholen. Ich würde um Elf auf der Arbeit sein, frühstens, und Wut über mich ergehen lassen, weil ich nicht tue, was man von mir erwartet. Ich schaue auf den Kalender rechts neben mir.
Heute ist Sonntag.