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Aus den Schatten
Sie schloss die Augen und lies sich mit der Musik treiben. Die harten Gitarrenriffs, das schnelle Drum und der klare Gesang nahmen ihre Gedanken für eine Weile mit auf die Reise. Nur einen Augenblick ohne die Zweifel und die scheinbar ewig währende Trauer. Ein Moment der Ruhe, in der die Scham ihr nicht ins Ohr säuselte. Keine lange Zeit, nur eine kurze Pause. Wirklich nur, um sich ein wenig gehen zu lassen und erneute Kraft zu sammeln.
Die Zeit der Schatten war wieder gekommen, egal welchen Gedanken sie zu fassen bekam, am Ende stand ein großer schwarzer Schatten. Hämisch grinsend und darauf lauernd, ihre Seele mit in die Dunkelheit zu reißen. Am Ende jedes Gedankens hatte sie wieder den alten Kampf zu fechten und am Ende jedes Kampfes lag sie in Tränen nieder. Und doch stand sie immer wieder trotzig auf, wischte die Tränen aus ihren Augen und ging weiter. Zum nächsten Schatten, und zum nächsten, und zum nächsten.
Es war niemals ihr Weg gewesen, aber um die Erinnerung zu wahren hatte sie ihn beschritten. Schließlich war sie es ihm Schuld. Ihm - der ihr so vieles gezeigt hatte und dann viel zu schnell verschwunden war.
Und außerdem waren da noch die alte Scham und die alte Angst, die sie verfolgten. Auf diesem Weg kamen die beiden nicht so schnell voran, erreichten sie etwas seltener um ihr ihre Schwächen und die schändliche Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen.
Manchmal splitterte ihre Seele in unzählbar viele Teile, die sie immer wieder einsammeln musste. Mit einer stoischen Geduld machte sie auch das jedes Mal.
Außerhalb ihrer Gedanken hatte sie gelernt, vieles zu ertragen. Sie fand einen Weg, auf dem sie sich durchmogelte. Wenn ihr etwas weh tat, so schaltete sie einfach die Gedanken ab und ließ ihren Körper ohne jegliches Gefühl durch die Qualen gehen. Anfangs war es nicht leicht gewesen, doch irgendwann musste sie noch nicht mal mehr über Situationen nachdenken um zu entschwinden.
Manchmal, vor allem in der Nacht wurde sie jedoch oft an den Schmerz erinnert, denn ihr Körper zitterte fürchterlich und ihre Seele verlangte nach Tränen. Und genau diesen Nächten folgte die Zeit der Schatten.
Eine starke junge Frau, ja. Manchmal macht sie noch einen abwesenden Eindruck, doch sie lächelt in letzter Zeit sehr oft und strahlt eine latente Hoffnung aus. Hoffnung worauf? So genau lässt sich das nicht sagen.
Wenn sie die leise Stimme ihrer Vergangenheit hört, so weiß sie, dass diese Stimme von Vergangenem spricht, das sich nun mal nicht mehr ändern lässt. Sie ist dabei mit einer Vergangenheit voller Angst und falscher Demut leben zu lernen und sie weiß, dass sie es schaffen kann, ohne ebenfalls den Weg ins Nichts zu wählen. Ihr ist bewusst, dass jeder Mensch eine Wahl hat und ihre ist nach langem Irren auf den Weg des Verstehen und der Ruhe gefallen. Noch strauchelt sie vielleicht manchmal, aber sie gibt sich Mühe.
Und mit jedem Rückschlag lächelt sie und ist sich bewusst, dass im Leben nun mal nichts gerecht ist.