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Aus der Tiefe

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Aus der Tiefe

23. Januar 1960, westlicher Pazifischer Ozean:

Das Tauchboot Trieste ächzte und knarrte bedenklich. Nicht unbedingt verwunderlich, da es sich momentan fast 11000 Meter tief im Meer befand. Genauer gesagt, es tauchte an der tiefsten Stelle der Erde, im Mariannengraben.
Die Schrauben des Antriebs wirbelten jede Menge Staub und Dreck vom Meeresboden auf. Wäre die Kameratechnik schon weiter entwickelt gewesen und hätte die Besatzung an dieser Stelle etwas verweilt, dann wäre ihnen die seltsam ebende Fläche am Meeresboden sicher aufgefallen. So aber schwamm das Tauchboot mit Jacques Piccard und Don Walsh an Bord noch einige hundert Meter weiter, um dann irgendwann wieder langsam aufzutauchen. Sie hatten einen neuen Rekord gebrochen, einen Rekord, den bis heute niemand überboten hatte.

*​

Raymond de Bruijne nippte an seinem Drink und genoss die Sonnenstrahlen. Eine leichte Brise umwehte sein lockiges Haar, als Luis das Deck betrat.
Raymond war mit sich und der Welt höchst zufrieden. Lebte sein Leben. Als vielfacher Multimillionär war er unabhängig, gönnte sich Vergnügen und Zerstreuung, ja und zum Teufel – warum auch nicht? Für ihn arbeiteten gute und hoch bezahlte Leute, die sein Geld stetig vermehrten, was ihm von seinem Vater hinterlassen worden war. War es da nicht billig und recht, im Jahr drei bis vier Monate durch die Welt zu gondeln? Sein Geschäft konnte ohne ihn auskommen, solange es so gut lief wie jetzt. Verdammt, er war jung, reich und attraktiv. Und das wollte er auch auskosten, solange es ging.
Seit drei Wochen dümpelten sie jetzt im Pazifischen Ozean herum. Fuhren von Insel zu Insel. Mit einer 750.000 Dollar Jacht. Am Bord befand sich sein langjähriger Freund Paul. Dann noch Mary und Liz, zwei bildschöne junge Frauen. Beide auf ihre Weise sehr talentiert und auch willig.
Raymond grinste. Er hatte sie natürlich beide schon gefickt, sowohl einzeln, als auch zusammen. Einmal sogar zusammen mit Paul, obwohl er ansonsten eher nicht auf die Vierer-Variante stand.
Ach ja, Luis war auch noch an Bord. Luis war sein p.A., sein persönlicher Assistent. Hier auf dem Schiff sein Butler und Steuermann. Ja, eigentlich Mädchen für alles. Und der einzige kühle Kopf an Bord, Antialkoholiker und anscheinend unempfindlich gegenüber allen weiblichen Reizen.
Raymond musste unwillkürlich lachen, als er Luis kommen sah und daran dachte.
Ob er wohl jemals ein Mädchen gebumst hatte? Vielleicht als er jung war? Luis war ja schon Ende vierzig. Er würde ihn bei Gelegenheit mal danach fragen.
„Ray, wenn sie sich das bitte mal ansehen könnten? Ich hab’ eine sonderbare Entdeckung gemacht, sehr außergewöhnlich.“
Raymond nippte noch mal an seinem Drink.
„Worum geht’s denn genau? Kann das nicht noch warten?“
Luis wirkte richtig aufgeregt und das kam eher selten bei ihm vor.
„Vielleicht sollten sie sich das doch sofort mal ansehen. Ich habe...“
„Luis, warum erzählen sie mir nicht einfach, was sie entdeckt haben?“
„Natürlich. Es geht um das Echolot. Das zeigt sehr merkwürdige Werte an. Eigentlich müsste die Wassertiefe an dieser Stelle des Meeres bei fast 11000 Metern liegen. Und das tut sie ja auch. Aber ich habe eine ungefähr 100 mal 70 Meter große Stelle entdeckt, dort beträgt die Wassertiefe nicht mal 1500 Meter. Aber das Seltsamste ist noch, das die Wassertiefe dort stetig sinkt!“
Luis hatte gebräuchliche Längenangaben verwendet, weil niemand an Bord Seemannsbezeichnungen verstand. Außer ihm selber natürlich. Trotzdem zog Raymond ein Gesicht, das zeigte, das er längst nicht alles kapiert hatte, was er ihm erzählt hatte. Aber davon ließ sich Luis nicht beeinträchtigen.
„Die Fläche, die sich nach oben bewegt, ist ungewöhnlicherweise dreieckig und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 3 km/h. Wenn sie so weiter steigt, wird sie in einer halben Stunde die Wasseroberfläche erreichen.“
Jetzt wurde in Raymond doch die Neugierde geweckt.
„Was könnte das sein, das dort aufsteigt? Ein Wal?“
„Unwahrscheinlich. Selbst große Wale werden selten größer als 25 Meter. Außerdem erklärt das auch nicht die dreieckige Form.“
Paul torkelte verschlafen an Deck und reckte seine steifen Glieder.
„Paul, hör’ dir das hier mal an!“, rief Raymond ihm zu und Luis schilderte ihm seine Entdeckung.
„Was könnte das nur sein?“
„Ich vermute schon fast“, fuhr Luis fort, „das ein Teil des Meeresbodens von Faulgasen angehoben wurde und jetzt langsam nach oben steigt. Nur sind die Maße doch sehr gigantisch und das ganze Gebilde müsste eigentlich schnell zusammen brechen und wieder absinken. In diesem Fall würden in wenigen Minuten ziemliche Gasmengen hier oben ankommen und das Wasser mächtig aufwirbeln. Faulgase sind noch dazu hoch explosiv, ich würde also empfehlen, schnell einen Sicherheitsabstand zu gewinnen, damit wir uns das Ganze aus einiger Entfernung in Ruhe ansehen können.“
Paul und Raymond sahen sich an.
„Na dann nichts wie los!“
Sie gingen auf die Brücke und Luis warf die schweren Dieselmotoren an und brachte das Schiff außerhalb der geschätzten Reichweite. Gerade so weit weg, das sie außer Gefahr waren, aber doch noch so nah, das sie das Ereignis detailgenau verfolgen konnten.
Das Echolot hatte immer noch ein Ansteigen der seltsamen Fläche angezeigt, es war jetzt schon bis auf unter 900 Meter gestiegen. So weit entfernt von der aufsteigenden Fläche, konnten sie jetzt aber mit dem Echolot die Stelle nicht mehr messen.
„Noch ungefähr drei Minuten!“, sagte Luis gebannt und beobachtete die Wasserfläche mit einem Feldstecher.
Auch die beiden Frauen waren inzwischen an Deck gekommen. Die vollbusige Liz hielt eine kleine Digitalkamera vor sich, um das Ereignis festzuhalten. Mary rauchte, und pustete dunstige Wolken in die Luft, die aber vom der leichten Brise schnell auseinander gewirbelt wurden. Eher gelangweilt kaute sie einen Kaugummi.
Raymond und Paul unterhielten sich angeregt. Das Ereignis brachte eine kleine Abwechslung und war durchaus willkommen.
Luis hoffte, das der Abstand zu der aufsteigenden Gasblase groß genug war. Immerhin konnten sie keinen Anker werfen. Bei 11 Kilometern Wassertiefe kein Wunder. Und sollte es doch zu größeren Wellenbewegungen kommen, waren sie durchaus vorbereitet. Das Wasser würde dem Schiff frontal begegnen, und es so kaum schwanken lassen.
„Da kommt es!“, rief Luis den anderen zu, und gespannt erwarteten sie, was passierte.
Zuerst sprangen einige kleine Fische hektisch aus den Wasser. Dann stiegen Blasen an die Oberfläche, sehr viele Blasen. Sie verwandelten das Meer in eine brodelnde Fläche aus kleinen, schäumenden Fontänen. Das Wasser schien tatsächlich zu kochen, und peitschende Dunstwolken verdichteten sich zu einer nebeligen Fläche.
Schlammiges Wasser mischte sich mit Gas und Luft und wirbelte nach allen Seiten.
„Wow, so was hab’ ich noch nie vorher gesehen!“, rief Paul und starrte gebannt auf das Ereignis.
Plötzlich schien die Wasserfläche angehoben zu werden und floss nach allen Seiten gleichzeitig. Wellen bildeten sich, und vereinten sich zu immer größer werdenden, tosenden Wassermassen.
„Da kommt was aus dem Wasser! Seht doch!“, schrie Paul und seine Stimme überschlug sich.
Etwas tauchte aus der Tiefe auf, verdrängte tausende von Kubikmetern Wasser und verschob es nach allen Seiten. Die ersten kleineren Wellen hatten das Schiff erreicht und schaukelten es hin und her.
Ein Koloss kam aus dem Wellen empor, ähnlich einer schwarzen glänzenden Insel. Das Ding stieg immer höher an, schob zehn Meter hohe Wellen vor sich her. Ein entsetzliches Jaulen begann, das sich zu einem tosenden Gebrüll steigerte, wobei immer mehr Wasser nach außen gedrückt wurde.
Erste größere Wellen trafen die Jacht und warfen sie wie einen Spielball durch das Meer.
Mary wurde quer über Deck geschleudert und verschwand dann über Bord im tosenden Wasser.
„Was um alles in der Welt ist das?“, schrie Luis, und versuchte, sich weiterhin an der Reling festzuhalten. Immer noch gebannt starrte er auf das, was da aus dem Wasser aufstieg.
Ein dreieckiges Ding von der Größe eines Fußballfeldfeldes tauchte auf und verwandelte den Ozean in einen überkochenden Topf mit heißem Wasser.
Metall glitzerte durch die Wellen.
„Mein Gott!“, schrie Luis, „Seht doch nur! Es ist ein Schiff!“
Haushohe Wellen trafen jetzt auf ihre Hochsee-Jacht und drückten sie flach auf die Seite.
Liz und Raymond wurden von Bord gewirbelt und verschwanden im kochenden Wasser.
Pauls linker Fuß verhakte sich in der Reling und eine furchtbare Welle brach ihm das Rückrat, bevor sie ihn vom Schiff spülte.
Luis stand noch immer an seinem Platz. Er kämpfte mit aller Kraft gegen die Urgewalten an.
Das Schiff lag jetzt ganz auf der Seite und begann zu sinken. Wasser brach überall ein und beschleunigte den Vorgang.
„Ein Raumschiff! Es ist ein Raumschiff!“, kreischte Luis und spuckte salziges Wasser aus seinen Lungen.
Das Ding musste tatsächlich ein Raumschiff sein. Motoren brüllten und hoben es ganz aus dem Wasser. Dicke Muschelkrusten hatten die Oberfläche besiedelt, Schlamm und grüner Schlick tropften herunter ins Wasser. Das Schiff sah aus, als hätte es Ewigkeiten in der Tiefsee gelegen.
Das Jaulen der Motoren schwoll an zu einem schrecklichen Getöse. Dann entfernte sich das Raumschiff. Zuerst langsam, dann aber immer schneller, bis es schließlich irgendwo im Himmel verschwand.
Während sich das Meer langsam beruhigte, versank die Jacht im Wasser.
Luis wurde unter die Oberfläche gedrückt, halb betäubt, aber immer noch lebend. Wasser drang in seine Lungen, vermischte sich dort mit Luft und Blut zu einem tödlichen Gemisch. Luis starb und versank zusammen mit dem Schiff im Ozean. Elf Kilometer in die Tiefe.
Das Meer hatte sich jetzt wieder beruhigt und wirkte so friedlich wie noch vor einer Stunde...

 

Hallo Rainer,

danke für deine Kritik!

Du hast schon an der einen oder anderen Stelle recht, muss ich zugeben. Die Geschichte zählt nicht zu meinen Highlights.
Leider hab' ich im Sommer kaum Zeit zu Schreiben und Lesen, das wird sich zum Herbst hin sicher wieder ändern. Trotzdem versuche ich hier das Geschehen zu verfolgen.

Bis dahin,
Nordwind64

 

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