Auserwählter
Auserwählter
Mit schwitzigen Händen glitt ich in meine Manteltasche, auf der Suche nach dem Instrument meiner mir zugewiesenen Aufgabe. Adrenalin durchflutete meine Adern, ich zitterte am ganzen Körper. Lange schlich ich hinter ihr her, auf den rechten Moment wartend. Nun war er gekommen. Die Abstraktion meiner Bestimmung lies mich zuerst zweifeln, doch die höhere Macht täuschte sich nicht, täuscht sich nie! Sie schritt eindeutig zu aufreizend, zu unfrömmlich. Einer Hure gleich; sicher war sie auch eine! Derartiges spürte ich, deshalb war ich sicher auch zu dieser Aufgabe berufen worden. Die Sünde stand ihr buchstäblich auf den Körper geschrieben. Diese Blasphemistin! Etwas derartig unhumanes, wie konnte so etwas solang ungesühnt bleiben?!
Nun umschlossen meine Hände fest den Knauf, doch musste ich mich vorsehen, nichts durfte funkeln, nichts durfte blitzen im schummrigen Licht der Straßenlaternen. Sofort wäre ich aufgefallen. Ihre Schritte hatten sich ohnehin schon beschleunigt. War mein Folgen etwa zu offensiv, zu offensichtlich? Nein! Unmöglich, ich stand unter der Aura des Hochgeborenen! Daher bescheunigte ich meine Schritte, doch dennoch beharrt schritt ich hinter ihr her. Ich wusste ohnehin wo ihr Ziel lag, durch meine Eingebung war ich einem Allwissenden gleich! Ihr Highheels klackerten unaufhörlich auf dem Teer, du kleines Miststück, so selbstsicher, doch der Herr sieht alles! Deine Sünden werden am heutigen Tage ihr Opfer fordern und ich bin der agierende Arm. Welch eine übermenschliche Ehre, ich, ein Auserwählter!
Plötzlich wurde ich von einer hallenden Stimme in meinem Kopf aus meinem Schwelgen gerissen. Es war soweit, ich sollte zuschlagen. Sofort begann ich zu sprinten, mit dumpfen Schlägen brachten mich meine Sohlen zur Sünderin. Bis auf zwanzig Meter war ich nun an sie heran gelangt, ihre Schritte beschleunigten sich abermals. Doch ich war zu schnell für sie, durch die Berührung des heiligen Lichtes war ich ja auch zu einem Übermenschen mutiert; unaufhaltsam und unverwüstlich. Nach zwei großen Schritten und einem Sprung aus dem Lauf lag sie am Boden. Ich hatte sie mit einem Tritt in den Rücken auf die feuchtkalte Straße gedrückt. Ihr Kopf nach rechts verdreht, mit der Wange am Boden, mein Schuh drückte stark in ihr Genick. Sie wimmerte, versuchte gar nicht sich zu währen. Aber ich meinte Schreie zu vernehmen, doch ich war in einen Wahn versunken, alles vernahm ich gedämpft, völlig unscharf. Was mich in meiner Berufung aber nicht beeinflusste. Ich nahem mein Sühnewerkzeug und stach es ihr vorerst in die Niere. Aus Büchern, die mir zu lesen auferlegt worden waren, um nichts falsch zu machen, wusste ich genau wo sie lag. Ich vernahm ein schmerzerfülltes Zucken und warmes Blut floss in breiten Bahnen unter ihrem Körper hervor. Sie weinte. Daraufhin schrie ich sie an, sie hätte es doch wissen müssen, wie konnte sie so naiv gegen des Herren Regeln verstoßen?! Wie könne sie es wagen einen Mann vor der Ehe in sich ejakulieren zu lassen? Ich hatte es gesehen. Schon vor der Erleuchtung, ich hatte sie enttarnt. Ihr widerliches vergehen aufgedeckt! Nun ging ich in Gottes Namen gegen diese Unzucht vor.
Ich zog das Messer aus ihrer Niere und stach abermals zu, diesmal in ihren Hals. Dann in ihren Bauch, ich sollte als Zeichen ein Kreuz hinterlassen, ich schlitze es in ihre Bauchdecke. Danach wischte ich meine Klinge, die Klinge des Lichts, an ihren nuttigen Klamotten ab.
Ich musste als Denkzettel in die Nacht hinein schreien: „ SO ENDED JEGLICHE BLASPHEMI! WELT, MERKT EUCH JENES, SEHT SIE AN!“
Meine Tat war nun vollbracht. Ich fühlte mich vollends in meinem Glauben erfüllt! Ich hatte für den Herrgott gedient und ihn nicht enttäuscht! Nach meinem Tode werde ich Ambrosia im Himmel trinken können. Ich werde mich nun zurückziehen und den Heiligen meine Taten berichten, obwohl er es eh schon gesehen haben muss. Ich werde meinen gesamten Gefährten von der unermesslichen Macht Gottes berichten.
Sofort, als ich Das Zentrum des Glaubens betrat, wurde ich von meinen frommen Brüdern umringt. Ich fühlte mich wie ein Gott, ein Gott, der Gottes Auftrag erfolgreich auszuführen vermochte. Doch, als ich meine Augen schloss, um dieses überwältigende Gefühl aufzusaugen, durchzog ein unendlich schmerzlicher Stich mein Körper, beginnend am Kopf. Ich dreht noch im Fall mein Kopf um die Ursache auszumachen und vernahm einen meiner Brüder mit einer blutverschmierten Statue in der Hand, den dumpfen Aufschlag auf die Kacheln vernahm ich schon nicht mehr…
Ich wurde von meinen Kameraden aus Neid verraten, doch nun bin ich ein Märtyrer, ein wahrer Gott! Das Licht empfing mich, doch rot zuckende Schatten an den Wänden ließen es in meinem Magen mulmen, und wo sind denn die Engel?