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Ausflug ins Netz

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13.04.2006
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Ausflug ins Netz

"Ich bin jetzt hier und warte auf dich!"
So begann das Treffen.

Linda Albrecht gehörte zu den Frauen, die fast alles ausprobierten und Kommunikation mochten.
Innerlich beschäftigte sie sich seit geraumer Zeit mit den Versuchungen des Internets. Was versprach sie sich davon? Getrieben von ihrer chronischen Neugier ohne großen sexuellen Frust wäre sie für die meisten User uninteressant. Trotzdem, es hatte etwas Verführerisches.
Sie war eine Frau mittleren Alters, die sich Mühe mit sich selber gab und versuchte, ihren Jahren noch etwas Attraktives abzugewinnen, nicht groß, nicht dick, nicht dünn, mit einer der modernen Kurzhaarfrisuren, für die man ein Vermögen beim Friseur hinlegen musste. Sie hatte schöne Augen mit wachem Blick und einen Mund, der ständig zu lächeln schien.
Seit zwei Jahren lebte sie mit ihrer Tochter Melanie allein.

Sie loggte sich unter dem Nick 'AndieLeine', 44, verheiratet, Wohnsitz Wismar ein und setzte diesen Aphorismus dazu:
"...jeder mensch trägt einen kontinent unentdeckten wesens in sich. wohl dem, der sich zum kolumbus der eigenen seele machen kann...."
Schon am gleichen Tag klickten eine Menge Männer ihren Nick an, was sie völlig überraschte.
"Du kannst dir nicht vorstellen, was sich da alles tummelt und relativ schnell als chronisch untervögelt outet!" sagte sie zu einer Freundin.
Zwei Männer fand Linda nach mehreren Kontakten interessant, einen Architekten aus Osnabrück und einen Übersetzer aus Hamburg. Während der aus Osnabrück sehr offen war, sogar seine richtige Adresse der Firma gepostet hatte, hielt sich der Mann aus Hamburg eher bedeckt. Sie favorisierte beide und kommunizierte mit beiden gleichzeitig. Der Architekt musste wohl ähnlich veranlagt sein wie sie, denn er schrieb ihr nach knapp einer Woche, dass auch er mit mehreren Frauen korrespondiere und nun keine Lust mehr habe, ihr zu schreiben. Seine Wahl wäre auf eine Frau aus der Nähe von Köln gefallen.
"Das gibt's doch nicht! Da schreibt der einfach, dass er keine Lust mehr hat!" sagte sie laut vor sich hin und wunderte sich.

Der Übersetzer aus Hamburg, 48, verheiratet, nannte sich ElevenDark und verbreitete eine geheimnisvolle Aura um sich. Seine aktive Zeit wäre die Zeit um elf Uhr nachts, wenn es dunkel ist, die geheimnisvolle Stunde vor Mitternacht. Er begann jedes Mailing mit Zitaten von Schriftstellern, kannte viele Aphorismen und schickte selbstverfasste Kurzgeschichten, die oft voller Rätsel waren. Linda war begeistert! Sie selber hatte schon versucht, kleine Kurzgeschichten zu verfassen, es aber aus Mangel an Talent wieder aufgegeben. Und nun Dark! Morgens war ihr erster Gang zum PC und abends, bevor sie schlafen ging, war es der letzte.
Aber er war chronisch untervögelt, woraus er keinen Hehl machte. Beim Chatten tauchten regelmäßig Sätze auf, dass er Lust auf sie hätte, jetzt in diesem Moment gerade scharf auf sie sei, sie lecken wolle und ob sie nicht Lust auf Telefonsex hätte.
Linda hatte kein Foto eingestellt, aber als Dark nach einiger Zeit um eins bat, schickte sie ihm eins. Ja, meinte er, er könne sich durchaus vorstellen, mit ihr ein Verhältnis anzufangen. Sie sähe ganz gut aus.
Linda bat ebenfalls um ein Foto. Nichts. Er schickte keines, beschrieb sich nach mehreren Bitten als Mischung aus 'Tukur-Ochsenknecht-von der Lippe'! Und er wolle um seiner selbst geliebt werden, nicht wegen seines Äußeren, schrieb er.
Ein Standpunkt, den Linda nicht so recht nachvollziehen konnte, da sie nie von Liebe gesprochen hatte. Inzwischen begann sie sich zu fragen, wohin das führen sollte, was sie eigentlich wollte. Aber dieser Adrenalinstoß, wenn eine neue E-mail kam oder die Aufforderung zum Chatten, ließen sie solche Gedanken gleich wieder vergessen. Diese schnelle Kommunikation fesselte sie ungemein.
Irgendwann kamen sie beim Chatten auf Hamburg zu sprechen und dass Wismar nicht weit entfernt lag. Der Gedanke eines Treffens tauchte auf. Linda beschloss, die nächste Dienstreise nach Hamburg mit einem Treffen zu verbinden, dachte, 'den Vogel' guckst du dir bei dieser Gelegenheit aus der Nähe an. Es muss ja ein ganz besonders interessanter Mann sein, wenn er sich so bedeckt hält.
Inzwischen schrieb er ihr, dass er sie liebt!
Auf irgendwelche Anzüglichkeiten oder Liebesbekundungen ging sie nie ein, sondern sagte immer nur, dass sie glücklich verheiratet sei. Das machte ihn noch mehr an. Er wurde immer fanatischer und Linda war manchmal am Überlegen, ganz aufzuhören. Aber nicht ernsthaft genug.
Seine Ausdrucksweise auf literarischem Gebiet faszinierten sie zunehmend, während sie gleichzeitig von seinen Aufdringlichkeiten abgestoßen wurde. Ein ganz eigenartiger, ambivalenter Zustand.
Auf der Fahrt nach Hamburg fragte Linda sich wiederholt, was das Treffen brachte. Aber ihre Überlegungen führten zu keinem Ergebnis.
Der Treffpunkt war auf dem Hauptbahnhof.
Drei Minuten vor Zugeinfahrt rief er an und sagte: "Ich bin jetzt hier und warte auf dich!"
Sie stieg aus, sah sich um und versuchte, ihn auszumachen. Nichts. Keiner reagierte auf ihre suchenden Blicke.
In ihrem Inneren wurde sie wieder unschlüssig, ob sie nicht weitergehen sollte, aber da war diese riesengroße Neugier.
Hin- und hergerissen überlegte sie, anzurufen, tat es aber nicht. Nach zehn Minuten beschloss sie, loszugehen.
Auf dem Weg aus dem Bahnhofsgebäude klingelte er, fragte, wo sie bleibe und nannte seinen Standpunkt, genau gegenüber auf der anderen Seite der Gleise und bat um eine Info, wo sie denn gerade sei. Dann kam er.
Oder anders, sie nahm an, das sei er, da sich die Neuankömmlinge aus den Zügen bereits verlaufen hatten.
Es kam ein eher kleiner, etwas älterer Mann, dünnes, strähniges Haar, schmale Schultern, Fliespulli, dazu eine zu kurze Trevira-Schurwoll-Hose mit Bundfalten, Turnschuhe, von denen einer nicht zugebunden war und Rucksack auf dem Rücken!
Das kann er nicht sein, dachte Linda, weder Tukur noch Ochsenknecht waren an der Optik dieses Mannes im entferntesten zu erkennen! Soviel Fantasie besaß kein Mensch! Jemand, der sich so ausdrücken kann, kann nicht so aussehen.
Sie hatte sich hinter einer Anschlagtafel halb versteckt gestellt und blickte geschockt in Richtung dieses Mannes. Wenn er jetzt das Telefon rausnimmt und anruft, dann ist er es wirklich, dachte sie.
Er blickte sich suchend um, nahm das Telefon, wählte und bei ihr klingelte es.
Oh Gott, wie kann man sich beschreiben und dann so daherkommen? Und dann sie selber! Stundenlang hatte sie am Abend vorher vor ihrem Schrank gestanden. Was anziehen? Wichtig war, dass sie gut aussah! Sie wollte ihn durch ihr Äußeres beeindrucken, wollte mit ihm mithalten. Literarisch schaffte sie es nicht, wenigstens die Optik sollte stimmen. Nach mehrmaligem Umziehen entschied sie sich für die schwarze Lederjacke, helle Jeans und darüber einen orangefarbenen Trench. Noch nie hatte sie sich so overdresst gefühlt wie in diesem Moment!
Blitzschnell drehte sie sich um und lief langsam aus dem Bahnhofsgebäude hinaus.
Sie verschwand in der Fußgängerzone.
Das Handy klingelte noch sechsmal. Dann kam eine sms, dass sie eine Mailbox-Nachricht habe. Sie hörte sie ab und grübelte.
Irgendwie tat er ihr Leid. Er konnte ja nichts dafür, dass er so aussah, Aussehen war ja nicht alles. Sie rief zurück und vereinbarte mit ihm, dass sie sich im Alsterpavillon im Centrum der Stadt treffen.

Als er dazu kam, saß sie schon an einem der Außentische. Linkisch versuchte er, sie zu umarmen, was sie sofort abwehrte.
"Du bist einfach weggerannt, weil ich so hässlich bin, stimmt's?", begann er die Unterhaltung.
Linda merkte, wie ihr Blut nach unten sackte und antwortete spontan, etwas heiser:"Ja!"
Von Nahem sah er nicht unbedingt besser aus, Froschaugen, Hautekzeme und schlimme, ungepflegte Zähne, zwischen denen noch die Speisereste der letzten Mahlzeit klebten. Irgendetwas muss doch schön oder angenehm an ihm sein, dachte sie, wurde aber nicht fündig.
Er musterte sie mit stechendem Blick und Linda fühlte sich noch unwohler.
"Du kannst dir nicht vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man so aussieht wie ich, oder?", führte er die Unterhaltung fort, nachdem sie etwas zu Trinken bestellt hatten.
"Das ist dir völlig fremd, so wie du aussiehst. Du kannst jeden haben. Du brauchst dich doch nur irgendwo hinzusetzen und alle liegen dir zu Füßen. Solche Frauen wie du wissen doch überhaupt nicht, wie das Leben wirklich ist!", fuhr er fort.
Jeden haben? Und wessen Leben kenne ich nicht? Seines? dachte sie und wünschte sich an einen anderen Ort. Sie rührte den dritten Löffel Zucker in ihren Kaffee, den sie grundsätzlich schwarz, ohne alles, trank.
"Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, ständig Männer zu sehen, die älter sind als ich und alle eine Frau und Sex haben. Und daneben ich! Seit sieben Jahren schläft meine Frau nicht mehr mit mir. Kannst du dir das vorstellen?", fragte er und rückte dichter an sie heran.
Sie roch, dass die Zahnbeläge und die Speisereste schon länger ein Paar waren und ihr eigenes Aroma entwickelt hatten, das sie zurückzucken ließ.
Es war Mittagszeit, der Pavillon gut besucht. Seine Stimme wurde lauter und die Umsitzenden aufmerksam.
Linda hatte noch gar nichts gesagt, weder zustimmend noch ablehnend reagiert. Was sollte sie auch gegen diese Selbstanklagen vorbringen?
Die Situation wurde zunehmend grotesker.
Er erzählte Einzelheiten aus seiner Ehe, ununterbrochen.
"Warum hast du dich dann nicht von deiner Frau getrennt?", fragte sie schließlich.
"Weil ich so sensibel bin und mich nicht durchsetzen kann. Ich möchte endlich Sex! Aber von dir bekomme ich nichts, so wie du aussiehst. Und du kannst jeden haben!"
Sie schwieg.
"Das habe ich gleich gewusst, du bist wie alle anderen. Ihr wollt nur mein geistiges Gut, blöde Gedichte, Geschichten und Aphorismen. Glaubst du eigentlich im Ernst, dass ich diese Scheißdinger selber verfasst habe? Ihr Weiber wollt immerzu reden oder schreiben! Ich will aber vögeln!"
Sie schaute ihn an und schauderte. Der Zucker auf dem Tisch war inzwischen alle.
"Was ich dir jetzt sage", begann er erneut, "wirst du mir nicht glauben. Ich habe im letzten Jahr eine Frau kennengelernt, mit der ich gleich auf einer Wellenlänge war. Sie sah ein bisschen aus wie du, nur lange Haare, nein, nicht so wie du, besser sah sie aus. Wir verabredeten uns auf dem Parkplatz vor einem Hotel, in dem ich schon ein Zimmer bestellt hatte. Ich stand oben auf dem Flur, als ihr Auto in die Einfahrt bog, ging ganz langsam hinunter. Als sie mich sah, fiel sie sofort über mich her!"
"Hä.............?"
"Das kannst du dir nicht vorstellen, was? Das glaubst du nicht, dass Frauen über mich herfallen? Das ist außerhalb deiner Fantasie!"
"Ja, stimmt, außerhalb meiner Fantasie, völlig außerhalb, wenn du mich so fragst. Und warum bist du nicht mit ihr zusammengeblieben? Sie gab dir doch das, was du am meisten in deinem Leben vermisst: Sex!"
"Sie war verheiratet."
"Du doch auch."
"Sie hat sich dann scheiden lassen und einen anderen genommen."
"Und du? Warum hast du dich nicht von deiner Frau getrennt, die dich sowieso nicht ranlässt?"
"Weil ich so sensibel und ohne Selbstvertrauen bin."
"Was machst du eigentlich beruflich?"
Ihr fiel in dem Moment auf, dass er zwar gesagt hatte, dass er Übersetzer sei, aber wo und was er genau machte, darauf hatte sie nie eine Antwort bekommen.
"Das sage ich dir nicht! Ich sehe keinen Sinn, dir so etwas Intimes über mein Leben mitzuteilen. Du willst mich doch gar nicht wiedersehen, stimmt's? Du doch nicht!"
Er konnte also nicht über die Intimität der Arbeit sprechen, aber breitete detailliert die Intimitäten seiner Ehe aus. Linda spürte, dass sie etwas tun musste, handeln, die Situation ändern. Doch sie war wie gelähmt. Das, was hier ablief, passierte nicht ihr. Das konnte nicht sein. Das sollte 'ihr' Dark sein, ihr Poet aus dem Netz?
Es ging weiter, ständige Anschuldigungen, dann Sätze, die sie geschrieben und schon vergessen hatte, legte er ihr als Notizen vor und zeigte auf, wo sie sich falsch ausgedrückt und Fehler gemacht hatte. Linda starrte ihn an und fragte sich, wie sie sich so irren konnte.
Die Situation war inzwischen nicht nur grotesk sondern fast schon pervers!
Er war noch dichter an sie rangerückt und sprach ganz laut, so dass einige Leute schon ständig hinüberschauten.
"Siehst du, die können sich nicht vorstellen, dass wir zusammen sind. Und dabei......"
"Gut jetzt," unterbrach sie ihn "Es reicht! Wir müssen uns hier nicht die Zeit vertrödeln, wo alles geklärt ist. Du hast Recht, ich will dich nicht. Ich wünsche dir alles Gute. Deinen Kaffee bezahle ich! Tschüss!"
Abrupt stand sie auf und reichte ihm die Hand.
Verdutzt ergriff er die Hand und lief sofort los. Die Gespräche an den umliegenden Tischen verstummten ganz und die Leute schauten nun offen zu ihr hinüber.
Die Kellnerin kam an den Tisch und fragte, ob sie noch einen Wunsch habe.
"Einen Wunsch? Ja, ich brauch etwas Starkes. Bringen Sie mir bitte einen Gin Tonic und die Speisekarte!", antwortete sie nach kurzem Überlegen.
Als sie aufschaute und die Gesichter der Leute sah, musste sie lachen. Es war ein Lachen, das tief aus ihrem Inneren kam.
Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so erleichtert war.

 

Hallo, Jurewa.

und überhaupt viel Zeit dort verbringen! " sagte sie
Hinter den schließenden Anführungszeichen fehlt das Komma. Der Fehler kommt bei dir noch öfter vor.

und einen ganz normalen Mund.
Ich kann mir unter 'normaler Mund' nichts vorstellen.

Ich finde, die Geschichte ist ganz gut, denn durch den anonymen Chatter und dadurch, dass das Treffen kurz bevor steht, entsteht Spannung. Allerdings habe ich den Eindruck, dass Claudia keine Rolle in der Geschichte spielt, sondern nur dazu da ist, damit die Gedanken der Protagonistin geäußert werden können. Ich denke, es würde auch ohne sie gehen, aber lass sie ruhig drin, wenn du willst. Ist nichts Schlechtes.
Hm, bei der Stelle, nachdem sie den Mann das erste Mal gesehen hat und Selbstgespräche führt, merkt man schon, dass die Claudia als Übermittler fehlte. In dem Fall würde ich sie auf keinen Fall rausnehmen. Ohne die bist du ja verloren... nimm's nicht persönlich.

"..........."
Anstatt einfach zu schreiben 'sie schwieg'... und eigentlich reichen drei Punkte, wenn überhaupt.

Sie sah bisschen aus wie du
ein bisschen

"Weil ich so sensibel und ohne Selbstvertrauen bin."
Dafür redet er aber sehr selbstsicher über sich selbst und er traut sich sogar, sie zu treffen... Ist das diese berühmte Mitleidsmasche?

Und beim Scrollen ist mir aufgefallen, dass die erste Hälfte nur Rückblick ist, da ich die ersten Zeilen wieder gelesen habe. Die vergisst der Leser wieder, da sie so knapp sind und nicht im Gedächtnis haften bleiben.

So, damit wäre erstmal alles gesagt.
Bleib fleißig.

Grüße von Jellyfish

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jellyfisch,

und noch einmal danke für's Lesen und Kommentieren.
Ich wollte mit dieser Geschichte die Verführbarkeit durch das Internet zum Ausdruck bringen, wollte aufzeigen, dass das nicht an Alter gebunden ist, man Träume/Wünsche in einen anonymen Gegenüber hineinprojeziert und dass die Hemmschwelle niedrig ist. Man chattet manchmal aneinander vorbei und geht gar nicht auf die Wünsche seines Gegenüber ein.
Den Mann habe ich absichtlich so dargestellt. Im Grunde hat er seine Wünsche genau artikuliert, die Prota hörte nicht zu oder deutete anderes hinein. Sie hatte ein Bild von ihm im Kopf, das vorher nie bestätigt wurde. Das Äußere war für sie eine Enttäuschung, aber sie redete sich ein, dass es auf das Wesen ankommt. Aber auch da wurde sie enttäuscht. Das war für sie sogar noch schlimmer.
Stimmt, die Claudia spielt keine große Rolle und könnte ganz wegfallen. Ich möchte sie aber als, ja, sagen wir mal, als eine Art Rückkopplung zur Realität beibehalten.
Die ersten Zeilen sollten die Prota charakterisieren, zeigen, dass sie ein 'durchschnittliches' Leben führt.
Deine Kritik hat mir sehr geholfen und ich werde die anderen Punkte durcharbeiten.

Liebe Grüße,
jurewa

 

Hallo Jurewa!

Du schreibst sehr kurzweilig und flüssig, deine Geschichte liest sich sehr schnell. Die Gefühle und Gedanken bringst du sehr gut rüber, die Idee gefällt mir. Was mir nicht so gefallen hat ist die Umsetzung. Der Stil ist mir zu berichtend und die wörtliche Rede finde ich meist unglaubwürdig. Da mangelt es meiner Meinung nach an Feingefühl, ich glaube nicht, dass ein Gespräch zwischen Freundinnen so ablaufen würde. Deine Protagonistin ist ja hin- und hergerissen, einerseits braucht sie diesen Kick, andererseits ist da ja noch die Vernunft, jedenfalls spricht sie mir zu sehr Klartext für diesen inneren Zwiespalt. Den Typen fand ich auch schon sehr grotesk, fast schon übertrieben. Ich glaube so ein 08/15-Milchgesicht hätte es da besser getroffen, allerdings müsste man dann den gesamten letzten Teil umbauen und das ist sicher auch Geschmackssache.
Also insgesamt spannend geschrieben, aber stilistisch würde ich da noch dran arbeiten. Vielleicht kommentieren ja jetzt noch ein paar andere. ;)

Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

Hallo Jurewa, du schreibst immer so nett unter meine Geschichten, da will ich mich auch mal an deiner versuchen!
Die Idee finde ich gut, es ist zwar nichts Neues, das "im Internet jmd. kennenlernen", aber du gibst der Sache einen Twist, indem der Mann eben kein irrer Sexverbrecher ist, sondern ein unhygienischer Aufschneider. Es ist dir auch gut gelungen, diese "Sucht" darzustellen, mit der e-mails gecheckt werden, mit der man immer wieder zum "chat" zurueckkehrt, weil die Hemmschwelle eben niedriger ist. Gut kommt auch die Ernuechterung herueber, die damit einhergeht. Man "surft" eben nicht im "Cyberspace". Man sitzt alleine in seinem vermuellten Wohnzimmer und schreibt Schreibmaschine, mal deutlich gesagt.
Insgesamt finde ich die Geschichte aber ein bisschen zu langatmig, das muss ich sagen. Die ganze Sache mit der Freundin zum Beispiel koennte man in ein, zwei Saetzen abhandeln, bzw. koennte die Prota auch mit sich selber hadern, das waere vielleicht sogar authentischer. Hingegen wurde ich die e-mails der beiden noch mehr ausleuchten, zitieren. Was ist es denn, das ihn so reizvoll macht, worin liegt seine poetische Staerke?
Denn Mann selber finde ich ein wenig unglaubwuerdig, ein bisschen zu eklig und zu aggressiv. Vielleicht waere jemand Schuechternes, aber dennoch Penetrantes da besser. Jemand, der nicht ganz so furchtbar aussieht, aber am Tisch schreckliche Macken entwickelt: wie ein Pferd lacht, den Rotz hochzieht, sich Ohrenschmalz rauspuhlt usw.
Ich hoffe, du verstehst einigermassen, worauf ich hinauswill. Ich bin nicht so eine gute Kritikerin, wie manche hier.
Viele liebe gruesse, sammamish

 

Hallo Apfelstrudel und Sammamish,

danke für euer Lesen und für eure Kritik.
Die Geschichte steht ja schon drei Monate im Netz:shy: und ich hatte sie schon abgehakt, da eh keine Kommentare kamen. Innerlich war ein Gefühl, dass ich sie ändern müsste, aber nicht so genau wusste, wie.
Nun habe ich eure Hinweise berücksichtigt und eine Änderung vorgenommen. Die Freundin, die letztlich für mich nur Alibicharakter hatte, nahm ich ganz raus. Ich hoffe, dass die KG nun insgesamt straffer ist. Den Typ wollte ich nicht ändern, weil dann nicht rüberkäme, was ich aussagen will. Er hatte seine Wünsche artikuliert, sie hatte nicht hingehört. Und dass er so eklig rüberkommt, ist Absicht. Das Leben hat nicht immer eine schöne Optik.
Würde mich freuen, wenn ihr nochmals einen Kommentar geben würdet, ihr müsst natürlich nicht.

Lieben Gruß,
jurewa

 

Hi Jurewa,

komisch die Zufälle, gerade heute habe ich im Radio ne Sendung über die diversen Präsentationsmöglichkeiten im Internet gehört und das die Tendenz weg vom Chat hin zur virtuellen Realität geht und nun diese Geschichte, die relativ weit oben steht.

Aber kommen wir zum Text.

Ich hatte beim Lesen das Gefühl, daß die Geschichte dort vorbei ist, wo sie aus dem Bahnhof flüchtet.
Vor allem wird die Protagonistin dadurch charakterisiert, die auf Gedichte und Prosa steht und beim häßlichen Frosch davon läuft.
Am Ende hat er damit recht, wenn er ihr keine Fotos schickt und sich zurückhält.

Einen leichten Twist gab es dann, als sie sich dann mit ihm treffen will, denn das war so nicht vorhersehbar und war für mich als Leser überraschend.
Leider hat sich das Gespräch mit ihm dann sehr schnell erschöpft und dafür ging es noch recht lang. Ich konnte nicht einmal richtig die Motivation erkennen, warum sie es genau gemacht hat. Denn wenn sie wirklich Mitleid gehabt hätte, dann hätte sie ihm eine Illusion aufrecht erhalten können und ihm später mal mitgeteilt, daß sie krank geworden sei oder sonstiges.

Die Auflösung bringst Du erst selbst:

Ich wollte mit dieser Geschichte die Verführbarkeit durch das Internet zum Ausdruck bringen, wollte aufzeigen, dass das nicht an Alter gebunden ist, man Träume/Wünsche in einen anonymen Gegenüber hineinprojeziert und dass die Hemmschwelle niedrig ist. Man chattet manchmal aneinander vorbei und geht gar nicht auf die Wünsche seines Gegenüber ein.

Da hast Du Dir ne recht anspruchsvolle Aufgabe gesucht.
Ersteres ist ja immer das gleiche, daß das Internet die Vorstellungskraft anregt, weil man sich geistig sehr nah kommt und der Mensch wohl den Rest trotzdem irgendwie ausfüllen muß - mit eigenen Phantasien und Wünschen.
ABER, das man aneinandervorbeichattet, das kann ich mir nicht richtig vorstellen und das kam für mich nicht rüber.
Den gerade, wenn einige Sinne (die Du unten dann sehr plastisch agieren läßt) nicht bedient werden, sind die anderen wacher.
Aus meiner Sicht reduziert es sich auch bei Ihr auf obiges - sie wollte die Zeichen nicht sehen, weil eben alles paßte. Das hättest Du aber bereits oben mit der Flucht aus dem Bahnhof zeigen können.
Ihn unten als "ausgehungerten Psychopathen" auflaufen zu lassen, kann ich nicht nachvollziehen.
Offensichtlich mangelt es ihm nicht an Intelligenz und auch wenn sein Trieb viel steuert, sollte ihm klar sein, daß man sich vor einem solchen Treffen die Zähne putzt und evtl. mal mit Mundspray nachhilft, gerade wenn es nun wohl um die körperlichen Reize geht.
Auf der anderen Seite ist mir eben nicht ganz klar, was ihre Motivation ist. Und damit meine ich nicht, was sie als Protagonistin erzählen würde, sondern wie sie handelt.
Von Anfang an übernimmt er die Aktion und sie läßt sämtliche Anklagen über sich ergehen, ohne jegliche Re(Aktion) bis dann eine erneute Flucht erfolgt.

Der Autor muß sich dann also fragen lassen, was mit dem zweiten Teil wirklich beabsichtigt werden sollte und ich für meinen Teil würde sagen, daß dies noch nicht angekommen ist.

Fazit:
Durch die (für mich) überraschende Entscheidung der Prot. doch noch den Kontakt zu suchen, hätte die Geschichte Potential, sich von anderen abzuheben. Aber die Motivation beider Charaktere sollte noch mal überdacht werden.
a) was will sie wirklich bzw. was steckt hinter dem kleinen Satz (Aussehen ist nicht alles)
b) muß er wirklich unbedingt häßlich und von vornherein so frustriert sein

Zu b) würde ich sagen:
Psychologisch für mich eher die Ausnahme. Jemand, der von der eigenen Frau nicht wegkommt, weil "so sensibel", wird einer Fremden (auch wenn im Chat sehr nah) eher nicht sofort dermaßen die innersten Ansichten entgegenschleudern, auch wenn es in der Lendengegend großen Druck gibt.
Diese von Dir gezeichnete Offenheit und Kommunikativität kann sich eigentlich nur aus einem großen Selbstvertrauen speisen. D.h. er müßte eigentlich ein Ziel haben, daß er versucht (wenn auch falsch) zu erreichen. Und wie gesagt, ich glaube nicht, daß er so blöd ist, es gleich mit Druck zu erreichen.
Wenn er aber verzweifelt ist und es schon sehr oft erlebt hat und es gerade an diesem Tag aus ihm herausbricht, dann sollte es irgendwie rauskommen und es müßte einen Hinweis geben, einen Auslöser, den man als Leser erkennt bzw. der mitgeteilt wird
z.B.
- Mut angetrunken und darum enthemmt und verzeifelt (ja ist billig)
- er hat wirklich seine Frau verlassen und nun stürzt durch ihre Ablehnung alles ein (dann läuft das Gespräch aber anders und sie wird ihn vor allem auch nicht so schnell los)

Aber so, wie hier gezeichnet, wirkt es etwas unnatürlich nach meinem Dafürhalten.

Kleine Zusatzanmerkung zu Deinem Kommentar:

Und dass er so eklig rüberkommt, ist Absicht. Das Leben hat nicht immer eine schöne Optik.
Zwischen Ekel und unvorteilhafter Optik liegen tatsächlich Welten. Und Menschen, die Ekel erzeugen (können), sind sich entweder dessen nicht bewußt oder aber sie kapseln sich ab.
Heißt: es wirkt eben nicht natürlich, wenn er weiß, daß er "kein Adonis" ist aber, trotzdem recht forsch vorgeht.

Die Episode mit der Frau, die sich dann auf ihn geworfen hat, kann ich auch nicht ganz einordnen. Warum erzählt er das, warum gibt er so eine Bastion auf? Was willst Du als Autorin dem Leser hier mitgeben? Welche neue Facette lerne ich als Leser hier kennen?
Wenn er nicht gekonnt hätte, wenn es ihm zuviel geworden wäre, weil sie Nymphomanin gewesen wäre, wenn sie krank gewesen wäre und sich kurz danach umgebracht hätte etc.
Irgendwas, was ihm eine weitere Note gegeben hätte, dann evtl. okay. Aber so bleibt das Fazit: Hat er mal Glück gehabt, warum auch immer, aber ändert nichts an der Situation von ihm und zwischen diesen beiden.

Hier sollte dann doch irgendwie eine Motivation hindurchschimmern, wenn Du es mit reinbringst.

Gut, jetzt habe ich nach meinem Fazit noch einen draufgepackt :hmm:

Nunja, auch wenn Du an dieser Geschichte evtl. nicht mehr viel investieren willst, so glaube ich, daß man aus Ihr einige interessante Ansatzpunkte herauslesen kann, auch für spätere Texte.

Grüße
mac

 

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