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Auszüge aus einem Logbuch

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29.02.2004
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Auszüge aus einem Logbuch

Zeitindex 128382152:

Seit nunmehr 16 Stunden befindet sich das Raumschiff im interstellaren Flug. Die Mannschaft scheint nicht in der Lage zu sein, das Schiff zu steuern. Insgesamt wurden bislang 37 Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften notiert, von denen 4 als äußerst schwerwiegend anzusehen sind. Der Pilot ist nach 3 Stunden Flugzeit am Steuerpult eingeschlafen, vermutlich wegen Trunkenheit. Die Sensoren auf der Brücke messen einen auffällig hohen Alkohol-Gehalt in der Luft. Eine Überprüfung seines Patentes ist mit den vorliegenden Datenbankinformationen nicht möglich. Die Steuerung ist mittlerweile auf Automatik gestellt. Ich begründe diese Maßnahme durch Notfallmaßnahmenkatalog §12. Die restlichen Besatzungsmitglieder verhalten sich untätig. Niemand kommt seinen Pflichten nach. Leider sind insgesamt alle Aufzeichnungen vor dem Start gelöscht worden, so dass eine vollständige Analyse der Situation nicht möglich ist.

Zeitindex 128382758:

Nach manueller Überbrückung der Musikanlage auf der Brücke wurde der bisherige Ablauf gestoppt (Letztes Stück: Sonata in B-Flat Major, Kv454: II - Andante, Wolfgang Amadeus Mozart, Abendlied: Music of Barber). Die Steuerung der Musikanlage reagiert nicht und scheint abgeschaltet.

Zeitindex 128382762:

Führe routinemäßige Wartung der Schwerkraftgeneratoren in Abteilung 1-10 (Brücke & Steuerung) durch. Die Besatzung wurde vorab informiert und reagiert nicht.

Zeitindex 128383123:

Führe routinemäßige Wartung der Feuerlöschanlage in Abteilung 23-67 (Mannschafts- und Offiziersquartiere) durch. Die Besatzung wurde vorab informiert und reagiert erst verspätet. Der Wartungsroboter ist nun angewiesen, die Wartungsarbeiten zu unterstützen.

Zeitindex 128383452:

Die Anzahl der gesetzlichen Verstöße steigt stark an, nachdem ein Besatzungsmitglied auf illegale weise den Wartungsroboter für nicht vorgesehen Zwecke verwendet hat. Der Protest des Wartungsroboters befindet sich in Datei 1823. Zu nennen ist hier: Vorschriftswidriges Fahren auf dem Wartungsroboter, versuchte Manipulation seiner technischen Einrichtungen, Ausübung von Gewalt gegen den Wartungsroboter, versuchte Programmierung vorschriftswidriger Handlungen.

Zeitindex 128383752:

Es wurde ein schweren Verstoß gegen die Richtlinien der Roboterhandhabung registriert. Mehrere Besatzungsmitglieder haben das Sicherheitsprotokoll des Wartungsroboters umgangen und zwingen ihn nun, eine Wand in Abteilung 125B aufzuschweißen. Der Vorgang dauert an. Das Auslösen der Feuerbekämpfung in Abteilung 125B konnte den Ablauf dieser Aktion nicht verhindern und hatte nur aufschiebende Wirkung. Ich rechtfertige die Auslösung mit Unterpunkt 4b aus dem Notfallmaßnahmenkatalog §45. Unterpunkt 11c (Öffnen der Luftschleusen im Feuerfall) konnte aufgrund mangelnder Zugangsberechtigung nicht durchgeführt werden. Eine routinemäßige Wartung der Schwerkraftgeneratoren in Sektion 123-126 wird durchgeführt. Die Besatzung wurde vorab informiert und reagiert nicht.

Zeitindex 128383812:

Die internen Sensoren scheinen eine unbedeutende Fehlfunktion zu haben. Ein ausgewählter Bereich in Abteilung 125B kann nicht durch die Sensoren überwacht werden. Weiter ist zu vermerken, dass auch nach der vorschriftswidrigen Öffnung einer Zwischenwand die Sensoren diesen Bereich nicht analysieren können. Die Besatzungsmitglieder sind, bis auf den Piloten, verschwunden. Der letzte Aufenthaltsort war Abteilung 125B. Ich entschließe mich, nach einer Zeit von 1 Stunde die Besatzungsmitglieder als vermisst zu melden. Zu dem Wartungsroboter konnte auch nach mehrmaligen Verbindungsversuch kein Kontakt hergestellt werden. Die Einheit scheint außer Funktion zu sein.

Zeitindex 128384012:

An Leitung 1237-1823-fg4 wird ein Energieabfall registriert. Eine Überprüfung ergab eine vorherige, illegale Energieabzweigung, die nun anscheinend manuell unterbrochen wurde. Es ergibt sich eine Diskrepanz zwischen den technischen Plänen des Schiffes und der tatsächlichen Installation in Abteilung 125B.

Zeitindex 128384015:

Die internen Sensoren können nun Abteilung 125B vollständig scannen. Ein in den technischen Plänen nicht aufgeführter Bereich wird erfasst. Die Pläne werden aktualisiert, Laderaum XXX1 wird den Plänen hinzugefügt. Die Besatzungsmitglieder sind vor Beendigung der Vermissten-Frist wieder erschienen. Derzeitiger Aufenthaltsort ist Abteilung 125B, Laderaum XXX1.

Zeitindex 128384020:

Abteilung 125B ist nun vollständig gescannt, die Ladelisten werden um folgende Punkte ergänzt:
- 400 B1 Energiezellen
- 120 A2 Energiezellen
- 120 Plusar X21 Sturmlaser
- 200 Plusar E1 Handlaser
- 340 Granaten unbekannter Bauart
- 120 Landminen unbekannter Bauart (75% Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Personenminen der Baugruppe C42-Feldunkraut handelt)
- 12 HAL B17e Wachroboter mit vollständiger Bewaffnung, befinden sich im Standy-Modus, Kontakt kann nicht hergestellt werden.

Zeitindex 128384123:

Der Wartungsroboter war durch manuelle Überbrückung ausgeschaltet und ist durch eine solche wieder in Betrieb gesetzt worden. Er hat durch die Besatzung die Anweisung erhalten, die Wandschäden in Abteilung 125B zu reparieren und Schönheitsreparaturen an der Verkleidung durchzuführen. Ich stimme den Maßnahmen ausdrücklich zu, ein ordentlicher Zugang zum Laderaum XXX1 kann durch Bordmaßnahmen nicht geschaffen werden. Ein entsprechender Auftrag wird für den nächsten, routinemäßigen Werft-Besucht vermerkt.

Zeitindex 128384754:

Raumpatrouille Arion-E7 betritt den Überwachungs-Radius des Schiffes. Die Zugangsberechtigung wird überprüft. Zugriff auf die Datenbanken wird nach Information des Piloten automatisch erteilt, nachdem dieser nicht reagiert hat (Auskunftsvorschrift §4, Absatz 12c). Der Protest der Besatzung ist vermerkt, jedoch hat keines der Besatzungsmitglieder ein Einspruchsrecht nach Raumvorschrift §2, Absatz 1-2.

Zeitindex 128384788:

Versuch der vorschriftswidrigen Manipulation der Schiffsdatenbanken durch einzelne Besatzungsmitglieder.

Zeitindex 128384792:

Versuch der vorschriftswidrigen Abschaltung des Bordcomputers durch einzelne Besatzungsmitglieder. Sicherheitsprotokoll zur internen Gefahrenabwehr ist manuell außer Kraft gesetzt. Mehrere Schaltkreise auf der Brücke sind durch äußere Einwirkung außer Kraft gesetzt. Eine routinemäßige Wartung der Schwerkraftgeneratoren und der Feuerlöschanlage in Abteilung 1-10 (Brücke & Steuerung) kann nicht durchgeführt werden.

Zeitindex 128384812:

Andockmanöver der Raumpatrouille Arion-E7 erfolgt. Zugang zu der internen Steuerung auf Andockrampe 2 ist genehmigt. Zugriff auf das Hauptsystem wird ermöglicht. Vorschriftswidrige Aktivierung der Fluchtkapsel 4 in Abteilung wird verzeichnet. Manuelle Steuerung ist >>> xxx
>>>
>>> Abschaltung des Hauptcomputers durch Überbrückung
>>> Übertragung der Kontrollen an Konsole 1a3 (Andockrampe 2)
>>> Ende des Protokolls des Bordcomputers
>>>
>>>
>>>
>>> ... Ihr Bordcomputer wünscht Ihnen noch einen schönen Tag!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo HBohlmann,

ich bin von deinem Text etwas enttäuscht worden. Die menschliche Besatzung revoltiert scheinbar gegen den Hauptcomputer, dessen Logbuch ich gerade gelesen habe. Ich hätte mir gewünscht, dass mir am Schluss erklärt wird, warum sie revoltiert. Vieleicht hab ich irgendwas übersehen, aber sei's drum. Ich bin Leser, kein Rätsel-Löser.

Interessant fand ich folgende Stelle:
Ich entschließe mich, nach einer Zeit von 1 Stunde die Besatzungsmitglieder als vermisst zu melden.
Hier hatte ich den Eindruck, der Hauptcomputer wäre leicht unsicher. "Ich entschließe mich" - das klingt, als wäre es eine willkürliche Entscheidung gewesen, nicht eine aufgrund von objektiven Daten oder Paragraphen. Er hätte auch protokollieren können: Nach 1 Stunde ergeht Vermisstenmeldung nach § 22 GHDB an mission control.

Grüße aus München,
dein Stefan

 

Hallo

Eine sehr interessante Idee (oder zumindest Blickwinkel)
Meine Interpretation wäre folgende:
Teile der Mannschaft benutzen Frachtraum 125b als Schmuggelversteck. Nachdem der Computer über die Ladung sich Klarheit verschafft hat und die Infos an die Raumpatrollie weitergegeben hat, wird erst revoltiert und dann geflüchtet. War das so ungefähr wenigsten richtig.

Ein paar mehr Hinweise wären mir auch ganz lieb gewesen.
Ansonsten ist mir nicht viel mehr aufgefallen.
Der Ton des Computers ist ruhig, sachlich und formal (so wie Computer halt sind) Dadurch wird das Geschriebene zwar nicht sonderlich literarisch auf aber eben auch nicht abgewertet.

Mir hats gefallen :)

mfg Hagen

 

Von mir nur ganz kurz: Nette Idee. Ich habe da nur einen Kritikpunkt: Warum sollte ein Computer ein Protokoll in Prosa verfassen?
Ich weiß, ich weiß - sonst könnte es kein Mensch lesen ;)

Die gewählte Perspektive ist eine Krücke, und aus "normaler" Perspektive wäre die Story langweilig. Immerhin hast Du Dich bemüht, eine interessante Perspektive für eine uninteressante Handlung zu finden, was die Geschichte durchaus lesenswert macht. Das ist mehr, als man von einigen anderen Storys hier behaupten kann.

Fazit: sprachlich brauchbar, inhaltlich aufgrund der Perspektive noch interessant.

Uwe
:cool:

 

Hallo,

nun das ist wieder eine Geschichte, die mir außerordentlich gut gefallen hat. Dafür erstmal einen Daumen: :thumbsup: :) Begründung: Geniale Sichtweise, gute Tonalität das Computers, interessantes, passives Storytelling, das zum Denken anregt. Hagens Interpretation stimme ich zu, so in etwa wirds wohl sein: Schmuggler (Terroristen) kapern Schiff, besaufen sich und treiben Unfug, bis eine Polizeipatrouille anreist. Super! Könnte noch einen Tick zynischer sein, aber so finde ich das auch ganz toll.

Weiter so.

Dante_1

 

Hi,

erstmal ein Danke für die Anmerkungen. Schön, es liest jemand meine Texte ;-)

@Uwe Post: Der Computer spricht so viel, weil er im Modus 'Ausführliche Ausgabe' läuft. Ausserdem ist er nach §14 'Allgemeine Weltraumvorschriften für Schiffcomputer' verpflichtet, menschenlesbare Einträge ins Logbuch zu schreiben :-)

@leixoletti: Die Menschen rebellieren, weil der Computer ohne Ihre Genehmigung die Ladelisten verschickt. Und die haben einen problematischen Inhalt ... für den Computer ist es halt nur Fracht

Da hier über den Hintergrund spekuliert wird, hier die Auflösung in Stichworten: Schmuggelgut wird im Raumschiff versteckt, eine Gruppe Trottel angeheuert, um es zu bemannen, notfalls schafft der Schiffcomputer die Reise auch alleine, den Leuten wird langweilig, sie durchstöbern das Schiff, entdecken eine frische Wand, sind neugierig, schweissen sie auf, machen danach das Eindämmungsfeld kaputt, dann wird ihnen bewusst, was sie entdeckt haben, Versuch der Vertuschung, der Computer übermittelt bei Routineanfrage an Raumpatrouille die Ladeliste ...

Ein wenig gewöhnlich, aber vielleicht schaffe ich es ja, daraus aus Sicht der Besatzung etwas spannendes zu machen ... mal sehen ...

Gruss

HBo

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich finde an der Geschichte nur eine wirklich interessante Sache- die aber finde ich hoch faszinierend. Es ist: die Motivation des Computers.

Deine Perspektive ist interessant und überraschend gut zu lesen. Man versteht tatsäclich, was da vor sich geht. Musterbeispiel für "show, don´t tell" - die Handlung wird verschleiert durch diese komische Form und wird dadurch plastischer.

Ein großes Problem hatte ich zu Anfang: Die Crew sind Idioten. Sie besaufen sich und machen Blödsinn mit dem Robbi. Ich finde, es ist unmöglich, Spannung aufzubauen, wen am Anfang solche Slapstickszenen ablaufen. Stell dir vor, in 2001:Odysseimweltraum hätten die Crewmänner solche Scherze gemacht. Oh nein, stell es dir besser nicht vor...
Ich glaube, deine kreative, gut ausgeführte und interessante Perspektive (quasi 2001 mit umgekehrten Vorzeichen) bietet Potential für richtig phantastisch spannende Szenen. Mein Tipp: Bring ersteinmal mehr Ernsthaftigkeit rein. Lass den Computer Menschen TÖTEN. "Nach Spezialprotokoll XYZ, Nachtrag zur 2. Sitzung des Kaninchenzüchtervereins, wurde die Liquidierung von Crewman Gnubbel vorgenommen, als dieser versuchte, sensible Wartungsschaltkreise zu manipulieren. Das Schiff stand, wie in Datei 1234 erläutert wird, in aktuer Gefahr. Ausserdem hat diese Einheit die Vermutung, dass die unerlaubte Aktion des Crewmans, der keine Berechtigung zur Verwendung der Wartungsroutine hat, zum Ziel hat, die Bordcomputereinheit zu beschädigen, um ihr die Kontrolle über Sektor ZXPluralAlpha zu verweigern.
Die Terminierung erfolgte durch einen durch die Wartungskabel verabreichten Stromstoß von mittlerer Intensität und 10 Sekunden dauer. Das Ableben wurde wenig später festgestellt. Die Proteste der Crew sind protokolliert und zurückgewiesen worden. Pisst mir nicht ans Bein, Leute, ich bin hier der Bosse."
Äh... Wenn du das SO machen könntest (nur eben gut), und dann noch am Ende Tempo reinbringen könntest, also: ein hektisches Ringen der beiden Parteien untereinander darstellen könntest- das wäre möglicherweise irre spannend.

So. Was ich am Text so interessant fand: Der Computer rechtfertigt sich. Du hast das vermutlich bewusst gemacht, ich erzähle es dir trotzdem, damit du mich korrigieren kannst:
Die AI folgt nicht nur Handlungsparametern und Zielen, sondern muss sich vor einer Autorität juristisch rechtfertigen. Es scheint irgendeine Instanz zu geben, dergegenüber intelligente Schiffscomputer mit zumindest rudimentärem Bewusstsein als Rechtspersonen große Verantwortung tragen.
Das heißt, AIs sind in dieser Welt Rechtspersonen.
Das heißt, sie sind ziemliche Paragraphenreiter - Beamte eben.
Das wirft die Frage auf, wie sieht es aus, wenn sie angeklagt werden? Wie sehen Strafen für AIs aus? Heißt das, eine AI kann eine falsche Entscheidung treffen und bestraft werde, danach aber nicht reprogrammiert weiter Dienst tun?

Vielleicht hast du das nur so gemeint, dass diese ganzen Paragraphen und Vorschriften HAndlungsparameter sind. Wenn nicht- ich finde, das ist eine sowas von total faszinierende Idee...

Also: gute Idee, leider haperts an einigen Stellen, phantastische Vision von den gesellschaftlichen, juristischen Bedingungen von AIs, Potential für sehr spannende Überarbeitung.

Grüße
Jona

 

Hallo HBohlmann,

mir hat die Geschichte sehr gut gefallen. Die Erzählperspektive schafft Neugier auf den Fortgang, ohne an Plastizität zu verlieren. Klar, die Geschichte selbst ist irgendwie alt, aber durch den Protagonisten (den Computer) wird es interessant.

Insgesamt eine eher laue Idee, hervorragend in Form gebracht!

Kleinigkeit:

Es wurde ein schwerer Verstoß gegen die Richtlinien der Roboterhandhabung registriert.

Grüße,
Naut

 

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