Mitglied
- Beitritt
- 07.01.2005
- Beiträge
- 53
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 7
Bad im Frühling
Da ist eine Made in meinem Ohr.
Das Gekitzel macht mich wahnsinnig.
Dabei ist so ein schöner Tag. Ich kann die Wärme noch durch die Milchglasscheiben spüren. Ich höre auch die Vögel, obwohl ich zugeben muss, dass mein Gehör nicht mehr das Beste ist. So könnte es wohl auch etwas anderes sein, was mir den Eindruck macht, es wären Vögel. Es könnten auch wirklich welche sein und allein dieser Umstand, an einem Tag wie diesem, reicht der nicht völlig sich zu freuen?
Was für ein Tag!
Sicher riecht die Luft nach Frühling, ich hätte ein Fenster öffnen sollen.
Hier drinnen hat die Wärme einen eher unschönen Effekt. Obwohl das Licht sich sehr gut macht: Schöne Reflexe im Spiegel und der Glaswand der Dusche, lässt meine Arme rot und bläulich glänzen, auch in schwarz, all die Farben, die man Wundbrand nennt.
Das Wasser ist nun auch wieder angenehm warm. Gestern ist es mir fast ein bisschen ungemütlich geworden. Jetzt ist es wieder schön und draußen singen Vögel. Man sollte sich freuen an so einem Tag, man sollte hinauslaufen und rufen: Ach, was für ein Leben!
Nur ich muss mich über diese Made ärgern.
Vielleicht sollte ich den Kopf schütteln. Dann würde sie hinauspurzeln, dieser Störenfried. Ich würd sie wohl freudig ertrinken sehen, nachdem sie mich schon so viele Stunden quält. Als wär sie nur gekommen, um meine Ruhe zu stören! Setzt sich in dieses Ohr, das ihr nicht gehört, labt sich an Fleisch, das kein Madenfutter ist und krabbelt herum, als wär es eine Selbstverständlichkeit!
Ich kann ihre Gegenwart kaum noch ertragen! Mit Vergnügen würd ich ihr ihre Frechheit vor die Füße spucken und sagen: Du Made, es gibt tausend Körper, die dir schmecken können, es gibt sogar mehr als tausend Ohren in die du dich setzen kannst, was nimmst du meinen Körper? Was nimmst du mein Ohr?
Nun...um das Fleisch bin ich ihr nicht wirklich böse. Ich brauch es nicht. Es liegt doch eh kaum noch auf meinen Knochen. Ach was, ich gönn es ihr von Herzen! Was ist schon ein Ohr gegen ein bisschen Gesellschaft.
Ein wenig einsam ist es nämlich schon. Ruhe tut gut, doch Stillschweigen wird anstrengend mit der Zeit. Ein kleiner Plausch, vielleicht über das schöne Wetter, wenn Maden denn einen Sinn für so etwas haben, würde uns beiden die Zeit ein wenig schneller vertreiben.
Doch was red ich hier von Plausch und Unterhaltung, zu spät, zu spät.
Nachdem die Zehen nämlich zu sehr schmerzend und ich sie als unnütz von mir nahm, da konnt ich keine großen Wege mehr machen und schnitt mir alsbald auch die Zunge aus dem Schlund. Wer konnte denn ahnen, dass ich Besuch bekommen würde!
So kann ich meine Sympathie nur durch absolute Bewegungslosigkeit ausdrücken. Manchmal spür ich ein kleines Ziepen, doch mit dem Kopf solange unter Wasser und das über so viele Tage, da hat auch das Ohr dem Wasser nicht standhalten können. Nur das Kitzeln spür ich immer und vielleicht ist es gut, dass ich mir die Fingernägel schon am dritten Tage zog, denn sonst könnte ich, in einer unbedachten Sekunde, durch Kratzen meiner lieben Freundin ungewollt den Garaus machen.
Eigentlich ist es auch ganz schön, so gekitzelt zu werden. Ich muss fast lachen, doch es ist schwer, da ist viel Blut in meiner Kehle und meine Lippen kaum noch zu gebrauchen, seit mich am fünften Tag ein ungeahnter Hunger überkam.
Also lächle ich nur und hoffe, meine kleine Freundin versteht das Willkommensgeheiß auch ohne Worte.
Sie wird mir hoffentlich noch länger Gesellschaft leisten. Ich möchte ihr Knabbern und ihr Kitzeln nicht mehr missen. Und wer weiß, wie lange ich noch baden muss.
Ich lächle dir ein Dankeschön, kleine Made. Kriech tiefer doch in meinen Kopf, ich kümmere mich um den Dreck von außen, du dich um den innen.