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Bademeisterdiktatur

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07.09.2015
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Bademeisterdiktatur

„Es juckt doch nur ein wenig zwischen den Zehen!“, sagte Anselm und das Gesicht des Bademeisters ärgerte ihn.
„Schreiber“ stand auf dessen Namensschild, aber er sah wie ein Schreiberowska aus.
„Ähm, Sie müssten…“, fing der an, dann wusste er nicht weiter. Anselm stemmte die Hände in die Hüften, ein Entenförmchen schaukelte an seiner Wade vorbei.
„Sind Sie überhaupt ein echter Bademeister? Oder sind Sie…“, Anselm nickte und bewegte den Zeigefinger vor und zurück, „…sind Sie ein Praktikant? Zeigen Sie mir Ihren Ausweis.“
Schreiberowska kniff die Lippen zusammen.
„Treffer!“, dachte Anselm und kratzte sich wieder zwischen den Zehen, wobei er sich am Kopf des Wasserspritzelefanten abstützte.
Schreiberowska sah auf den Fuß. Anselm kratzte sich langsamer.
„Bitte, würden Sie jetzt…“, begann Schreiberowska und versuchte es mit einer Geste Richtung Beckenrand.
„Ich würde gar nichts.“

Der sogenannte Bademeister ging. Am Sprungturm vorbei, über die Liegewiese und ins Kassenhäuschen. Nach 54 Sekunden kam er raus, gefolgt von einem dicken Mann in kurzen Hosen. Der Dicke nahm seine Pfeife zwischen die Lippen, pfiff und machte eine Wischgeste.
Anselm hob die Hände, der Pfiff des Dicken schwoll an und da verließ Anselm das Becken, ging zu seinem Platz, seine Zähne arbeiteten und den Kopf reckte er nach vorn wie ein Rennpferd. Vorbei an bunt belegten Badeliegen, Schirmen und durch den Duft von Sonnenöl, Chlor und Ketchup. Die Steinplatten waren wie immer zu heiß und er wich auf das Gras aus. Da traf ihn ein Ball am Arm. Ein halber Meter höher und es wäre sein Kopf gewesen. Ein Junge von höchstens zehn kam gerannt, nahm den Ball und schoss zu einem Kumpan, kein Wort der Entschuldigung, keinen Verantwortlichen interessierte es.

Anselms Platz war hinter einer hüfthohen Hecke. Die meisten Leute waren zu faul, so weit zu laufen, sammelten sich wie Schafe am Becken und so hatte er hier Ruhe. Er setzte sich auf sein Handtuch, holte eine Karotte aus dem Kühlbehälter und las in seinem Buch: 1984.
Nach einer Stunde hatte er Lust auf Eis. Wie Winston auf der Suche nach Liebe schlich er durchs Schwimmbad, um dem unangenehmen Bademeister und dessen Gehilfen nicht zu begegnen.

„Eine Kugel Schokoladeneis und eine Haselnuss bitte.“

Als er sich umdrehte, sah er es. Ein Mann stand im Babybecken. Stand da, die Arme verschränkt etwas im Wasser beobachtend. Er grinste dämlich. Anselm sah keinen Bademeister.
Zurück an seinem Platz blieb er stehen und beobachtete.
Acht Minuten. Eine Spur Schokoladeneis lief über die Hand und sammelte sich zu einem kitzelnden Tropfen an der Handkante. Anselm wollte am Eis lecken, da sah er Schreiberowska. Er lief zum Becken, er musste den Mann genau sehen und – lief vorbei. Anselm öffnete die Arme zu einer fragenden Geste und die Schokoladeneiskugel rutschte von der Haselnusseiskugel und plumpste unnütz ins Gras.

Zwölf Minuten. Niemand hatte den Mann aus dem Becken gezwungen.

Nach einer viertel Stunde brach die Waffel und dass geschmolzene Haselnusseis lief Anselm über den Unterarm. Er wischte sich die Hände ab, kramte sein Handy aus der Tasche und wählte Susannes Nummer.
Kurzes Rascheln, es meldete sich eine Frauenstimme. „Hallo?“ Sie war außer Atem.
„Hallo Susanne?“
„Ja, am Apparat.“
„Stör ich dich?“
„Nein“, kurzes Luftholen, „mach meine Übungen.“
„Alles klar.“ Anselm startete in Richtung Becken.
„Du musst mir helfen. Ein Witz.“
Er stieg über ein Handtuch. „Ich bin im Schwimmbad Odensee…“.
„An der Rigar Straße?“, unterbrach sie ihn und hörte sich an, als ob sie bereits notierte.
„Ja. Und ich wurde des Schwimmbades verwiesen.“
„Du wurdest was?“
„Des Schwimmbades verwiesen wurde ich!“ Er ging schneller, weil er des Schwimmbades verwiesen worden war. Redete auch lauter, verfiel gar in einen leichten Trapp.
„Mit welcher Begründung?“
„Ich hab mich gekratzt.“
Schweigen. Anselm wich einem Wasserball aus.
„Hallo?“, Susanne schwieg.
„Hallo?“
„Bist du beim Verantwortlichen?“, fragte Susanne.
„Nein, gleich.“
Dann schwiegen beide.

Vor dem Becken sah er sich um, aber einen Bademeister sah er nicht. Das sagte er Susanne.
„Steig ins Becken und warte.“
Anselm zögerte.
„Bis du drin?“
Anselm bejahte, sah sich um und stieg mit einem Fuß ins Becken. Acht Minuten stand er mit einem Fuß im Wasser, hörte dem Geschrei der Kinder und dem Schweigen Susannes zu, dann kam ein Bademeister. Der Dicke.
„Jetzt“, sagte Anselm ins Handy.
„Wenn Sie nicht gleich…“, begann der Bademeister. Anselm hielt ihm das Handy entgegen: „Meine Anwältin.“
Der Dicke hob zuerst die Schultern, dann nahm er es aber doch.
„Hallo?“
Anselm verstand Susanne nicht, aber er beobachtete den Gesichtsausdruck des Dicken.
Der hörte zu und sagte: „Petrow“. Hörte wieder zu und sagte: „Freiheitsrechte? Ich…“, aber weiter kam er nicht.

Hinter dem Bademeister sah Anselm die Fußballkumpanen und nahm sich vor, auch deren Verhalten noch während des Telefonats anzusprechen. Die beiden kletterten die Leiter am Sprungturm hoch.
„Der kann doch nicht mit Fußpilz…“, begann Petrow und wurde unterbrochen.

Die Kumpanen standen auf dem fünf Meter Brett. An der Leiter zum Zehner hing ein Schild.

„Nein, ich bin kein Arzt…“, sagte Petrow, schwieg wieder und verdrehte die Augen.

Die Kumpanen kletterten am Schild vorbei. Natürlich interessierte das keinen der Verantwortlichen. Aber er wurde wegen eines Kratzens, eines ganz natürlichen Bedürfnisses, des Bades verwiesen.

„Pilze sind was?“, Petrow kniff die Augen zusammen, als müsse er gegen die Sonne schauen.

Die beiden waren oben und beugten sich über den Abgrund.

„Ja, komm ist gut jetzt.“ Petrow winkte Anselm aus dem Becken. Der trat, möglichst leise, aus dem Wasser.

Einer der Jungen kniete sich hin und drehte sich vor dem Abgrund um.

Der Bademeister hielt Anselm das Handy hin. Anselm nahm es und hörte Susanne sagen: „Wer sind wir, dass wir über den mykologischen Anteil der Natur…“, mehr verstand er nicht, weil ein Junge den anderen geschupst hatte und der jetzt am Zehner hing und schrie. Petrow zuckte und rannte in Richtung Springerbecken. Er blies kräftig in seine Pfeife, was dem Jungen aber auch nicht half.
Susanne kündigte an, aus dem Vortrag Professor Doktor Storcks zu zitieren.
Anselm ging zu seinem Platz. Hin und wieder sah er zum Sprungturm. Der Junge baumelte, sein Freund kniete und versuchte, dessen Hand zu greifen. Petrow stand am Becken und pfiff. Schreiberowska kam angelaufen und sprang auf die Leiter. Viele Besucher des Schwimmbades am Odensee sahen zum schreienden Jungen, manche waren aufgestanden.
„Hallo Susanne?“, fragte Anselm.
„Anselm? Anselm bist du noch im Schwimmbad?“
„Ja. Ja, danke. Ich darf bleiben.“
Er hörte ihr Nicken.
„Siehst du. Das nächste Mal rufst du mich gleich an, ja?“
„Ja, mach…“, er wurde von einem Schrei unterbrochen, es folgte ein Pflatschen.
„Ja, mach ich. Vielen Dank.“
Er legte sich auf sein Handtuch hinter der Hecke und las noch ein wenig. Dann holte er sich eine große Portion Pommes. Danach döste er bis kurz nach sechs und verlies im Anschluss das Schwimmbad am Odensee.

Er war sehr unzufrieden.

 

Hallo @Calua

Habe mir deine Geschichte soeben zu Gemüte geführt. Ich finde sie leider nicht sonderlich witzig, für Satire ist das zu wenig überspitzt. Ein Typ hat Fußpilz und wird vom Bademeister des Schwimmbades verwiesen. Damit dies nicht geschieht, ruft er seine Kollegin an, die eine Anwältin mimt. Er regt sich darüber auf, dass auch andere Besucher die Regeln brechen, denen aber nichts geschieht und die Bademeister es irgendwie nur auf ihn abgesehen haben. Dann klettern ein paar fußballbegeisterte Jungs auf den abgesperrten Sprungturm und einer fällt runter. Anselm chillt ein paar Stunden ungestört und macht sich dann unzufrieden vom Acker.

Habe das schon einigermaßen gerne gelesen, aber die Story hat mir leider nicht viel gegeben. Anselm ist halt ein seltsamer Typ, erkämpft sich, dass er bleiben kann, geht dann aber nicht mal ins Wasser. Nun ja.

Noch ein paar Details:

„Sind Sie überhaupt ein echter Bademeister? Oder sind Sie…“, Anselm nickte und bewegte den Zeigefinger vor und zurück, „…sind Sie ein Praktikant? Zeigen Sie mir Ihren Ausweis.“
Nach zurück kein Komma, sondern ein Punkt.

Nach 54 Sekunden kam er raus, gefolgt von einem dicken Mann in kurzen Hosen.
Wieso ist es wichtig, dass das exakt 54 Sekunden dauert? Zählt der Anselm die Sekunden?

Der Dicke nahm seine Pfeife zwischen die Lippen, pfiff und machte eine Wischgeste.
Anselm hob die Hände, der Pfiff des Dicken schwoll an und da verließ Anselm das Becken, ging zu seinem Platz, seine Zähne arbeiteten und den Kopf reckte er nach vorn wie ein Rennpferd.
Etwas viel pfeifen in dieser kurzen Passage.

Da traf ihn ein Ball am Arm. Ein halber Meter höher und es wäre sein Kopf gewesen.
Das dürfte klar sein und muss nicht extra erwähnt werden. Oder soll das zeigen, dass er hochgewachsen ist oder so?

Eine Spur Schokoladeneis lief über die Hand und sammelte sich zu einem kitzelnden Tropfen an der Handkante.
Wortwiederholung Hand.

Anselm öffnete die Arme zu einer fragenden Geste und die Schokoladeneiskugel rutschte von der Haselnusseiskugel und plumpste unnütz ins Gras.
Wortwiederholung Eiskugel.

Nach einer viertel Stunde brach die Waffel und dass geschmolzene Haselnusseis lief Anselm über den Unterarm.
Viertelstunde

Kurzes Rascheln, es meldete sich eine Frauenstimme.
Aber klar, er ruft ja Susanne an. Wer soll sich sonst melden?

„Nein“, kurzes Luftholen, „mach meine Übungen.“
Kein Komma nach Luftholen, sondern ein Punkt.

„Ich bin im Schwimmbad Odensee…“.
Kein Punkt am Schluss.

„Des Schwimmbades verwiesen wurde ich!“ Er ging schneller, weil er des Schwimmbades verwiesen worden war.
Wieso diese Wiederholung? Soll das lustig wirken? Finde ich unnötig.

Redete auch lauter, verfiel gar in einen leichten Trapp.
Was ist ein Trapp? Ich kenne nur Trab, wie bei einem Pferd. Oder bezieht sich das auf den Musikstil Trap, also dass er so redet wie diese "Rapper"?

Hinter dem Bademeister sah Anselm die Fußballkumpanen und nahm sich vor, auch deren Verhalten noch während des Telefonats anzusprechen.
Die Fußballkumpanen kommen hier zum ersten Mal vor. Klingt aber, als wären sie schon die ganze Zeit dagewesen. Habe ich was verpasst? Ich finde, Du führst die hier zu direkt ein.

„Ja, komm ist gut jetzt.“
"Ja, komm, ist gut jetzt."

Der trat, möglichst leise, aus dem Wasser.
Wieso trat er möglichst leise aus dem Wasser? Verstehe ich nicht.

mehr verstand er nicht, weil ein Junge den anderen geschupst hatte und der jetzt am Zehner hing und schrie
geschubst

Petrow zuckte und rannte in Richtung Springerbecken.
Petrow zuckte? Zuckte er zusammen oder wie ist das zu verstehen? Zuckte er wie ein Spastiker?

„Ja, mach…“, er wurde von einem Schrei unterbrochen, es folgte ein Pflatschen.
Ich glaube, Du meinst ein Platschen.

Er war sehr unzufrieden.
Wieso denn das? Verstehe ich nicht. Er hat doch bekommen, was er wollte und wurde nicht dem Schwimmbad verwiesen.

Bademeisterliche Grüsse,
DM

 

Hallo @Calua

also mich hast du nett amüsiert.

Das Ende könnte noch runder werden. Der letzte Satz wird nicht erklärt. Immerhin hat er sich doch sein Bleiberecht erkämpft.

Gern gelesen. BG
N

 

Hallo @DissoziativesMedium,

vielen Dank :-). Ja, manches in der Geschichte ist wahrscheinlich durch zu viel Kürzen unklar geworden. Ich hab auch bisschen den Eindruck, sie ist dadurch ein wenig kühl. Das ist was, auf das ich achten muss.

Bei den 54 Sekunden wollte ich nicht schreiben: "Er sah auf seine Uhr", weil ich dachte, das wird durch die genaue Angabe der Sekunden klar.
Der halbe Meter höher ist aus seiner Sicht. Nach dem Motto: "Nur ein halber Meter höher! Was da alles passieren kann!"

Möglichst leise aus dem Wasser steigt er, weil er nicht will, dass Susanne hört, wie er aus dem Wasser steigt. Er will ja "Widerstand" leisten.

Unzufrieden ist er, weil ich den Eindruck habe, die Figur ist immer unzufrieden. Obwohl er ja eigentlich genau das bekommen hat, was er wollte (und sogar noch Pommes).

Hm... naja. Suboptimal, wenn man einen Text hinterher erklären muss :-P

Vielen Dank nochmal und viele Grüße :-)
Calua

Hallo @Nicolaijewitsch

vielen Dank fürs Lesen :-)

Das Ende wurde auch von @DissoziativesMedium angesprochen. Werde ich nochmal drüber schauen.

Vielen Dank und viele Grüße
Calua

 

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