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Begegnung
„Segnorita, bist du es?“ Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen wer hinter mir steht. Niemand sonst hat mich je Segnorita genannt, aber selbst wenn es so wäre, würde ich deine Stimme unter Tausenden wiedererkennen.
Langsam drehe ich mich um und sehe in dein Gesicht, erkenne die Überraschung darin und dein Lächeln lässt keinen Zweifel daran, dass du dich über unser Zusammentreffen freust.
Meine Gefühle hingegen schwanken zwischen dem Verlangen dich zu umarmen und dem Wunsch einfach davonzulaufen.
Weg von deinen braunen Augen, die mich immer voller Zärtlichkeit angesehen haben, deinem Lachen, das den Tag immer ein bisschen heller gemacht hat, der Erinnerung, wie glücklich ich mit dir war und dem Schmerz, der bei deinem Anblick immer noch mein Herz durchdringt.
Doch ich kann nicht weglaufen und würde es wohl auch nicht tun, wenn ich auf meinen Highheels rennen könnte. Also bleibt mir nur der Angriff nach vorne.
„Hallo Sebastian, wie geht es dir?“, frage ich, strecke mich dir entgegen um dir schnell zwei Küsschen auf die Wange zu geben und hoffe, dass du nicht mitkriegst, dass ich leicht zittere. Ich spüre deine Bartstoppeln an meiner Wange, bemerke, dass du immer noch das Aftershave benutzt, das ich dir zum letzten Geburtstag geschenkt habe und kann nichts gegen das Kribbeln im Bauch unternehmen, das mich gerade befällt.
Du scheinst nichts von all dem zu merken und benimmst dich so, als hätte es diese intime Vertrautheit zwischen uns nie gegeben, als wären wir nie mehr gewesen als nur gute Freunde.
Dann fängst du an mir von deinem neuen Job zu erzählen, wie deine Wohnung inzwischen aussieht, dass du wieder angefangen hast zu joggen und tausend Kleinigkeiten, die dein Leben in den letzten acht Monaten geprägt haben. Nur das Thema Liebe lässt du aus, sei es nun, weil es nichts Neues gibt oder weil du sensibel genug bist deiner Exfreundin deine neuen Eroberungen vorzuenthalten.
Ich rede mir bei dem Gedanken ein, dass es mir egal wäre, selbst wenn du mit einer Millionen Frauen geschlafen hättest und sehe dich dabei ununterbrochen an.
Du hast dich überhaupt nicht verändert, selbst die Frisur ist die Gleiche. Wenn du lächelst bilden sich immer noch die Grübchen am Kinn und während du redest gestikulierst du genauso wild wie früher mit deinen Händen. Jede Mimik deines Gesichts, jede Gestik deines Körpers ist mir vertraut und je länger du mir gegenüber stehst umso mehr kocht alles wieder in mir hoch. All der Schmerz und die Sehnsucht, die ich seit der Trennung durchlitten habe, und die Wut, dass du mir keine vernünftige Begründung dafür geben konntest.
„Warum hast du mich verlassen?“
Meine Stimme ist ton- fast emotionslos als ich dir diese Frage stelle und mein Blick schweift in die Ferne. Ich verfluche mich schon dafür, dass ich dich gefragt habe, denn jetzt wirst du meine Ängste der letzten Monate sicher bestätigen, mir erklären, dass du mich zwar nett und attraktiv fandest, mich aber nicht mehr liebst und es wohl auch nie getan hast und dass ich dich einfach nicht glücklich machen konnte.
Du hast mitten im Satz aufgehört zu reden und ich spüre wie du mich ansiehst und als ich dir endlich doch in die Augen blicke, überrascht mich die Traurigkeit darin.
Ich weiß nicht, wie lange wir uns einfach nur ansehen und fast ist es so wie früher als wir nicht mehr als einen Blick und eine Berührung brauchten, um zu wissen wie es dem anderen geht und um die innere Nähe zueinander zu spüren.
„Wie wäre es, wenn wir noch auf einen Tee zu mir gehen?“, durchbrichst du die Stille und ich kann nicht anders als zu nicken.
Wir holen bei der Garderobe unsere Jacken, verlassen die Kunstgalerie und tauchen in die schwarze Nacht ein. Ich schaue zum Himmel hinauf und sehe nichts. Es ist wohl Neumond.
„Du suchst sie also immer noch, deine Sterne?“, sagst du und ich spüre dein fürsorgliches Lächeln mehr, als dass ich es sehen kann.
„Du kennst mich doch, ich gebe die Hoffnung auf meine Sterne in der Stadt nie auf.“
„Ja, jedes Mal, wenn ich einen entdecke, denke ich an dich und hoffe, dass du ihn auch siehst und es dich ein wenig glücklicher macht.“
Ich laufe schweigend neben dir weiter, jetzt bin ich erleichtert, dass es so dunkel ist, denn du sollst die Träne, die meine Wange entlang läuft, nicht sehen.
Den Rest des Weges verbringt jeder in seine eigenen Gedanken versunken und nach einer Viertelstunde sind wir vor deiner Wohnung angekommen.
Während du aufschließt kommt die Erinnerung
an früher.
„Weißt du noch, wie ich dir damals den Schlüssel in der Tür abgebrochen habe und du später die halbe Nacht probiert hast das Schloss wieder zusammen zu setzen?“
„Wie könnte ich das vergessen?“, lachst du.
„Es hat mir damals echt leid getan Sebastian, ehrlich!“, sage ich leise und du siehst mich plötzlich ernst an.
„Ich weiß Segnorita und das war das Schlimmste daran. Du hast dich so schuldig gefühlt, als hättest du etwas Furchtbares getan und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob ich dir dieses Gefühl vermittelt habe?“
Mit diesen Worten trittst du in die Wohnung und ich folge dir ohne zu sagen, dass du damals keine Schuld an meinem Verhalten hattest.
In der Küche setzt du Wasser auf und ich beobachte dich von meinem Platz am Tisch aus, während du den Tee zubereitest.
„Ich hoffe du trinkst immer noch Roiboos Vanille mit einem Stück Zucker?“, sagst du und stellst mir die heiße Tasse hin – deine Hand zittert dabei leicht. Du bist mir jetzt so nahe, dass ich deine Körperwärme spüren kann und als du mich ansiehst und ich deinen Atem in meinem Gesicht fühle, ist es vorbei mit meiner Kontrolle. Meine Hand legt sich auf deine Wange und ich beuge mich zu dir und küsse dich ganz sanft und schüchtern, so als wäre es das erste Mal. Du zuckst nicht einmal zurück, so als hättest du es erwartet und erwiderst den Kuss einfach.
Ich weiß nicht wie lange wir in dieser unbequemen halb sitzend halb stehenden Position verweilen, aber irgendwann ziehst du mich zu dir hoch, drückst mich enger an dich und die schüchterne Zartheit unserer Berührungen wird leidenschaftlicher und fordernder. Du hebst mich hoch und trägst mich in Richtung Schlafzimmer. Ich schmiege mich an dich, höre deinen schnell pochenden Herzschlag und es überkommt mich nur ganz kurz der Gedanke, dass das hier falsch sein könnte, weil ich nicht weiß, wie dein Leben inzwischen aussieht und ob es wieder eine Zukunft für uns gibt. Dann jedoch siegt das Gefühl, denn wie kann etwas falsch sein, das sich so richtig anfühlt. Seit der Trennung gab es keinen Moment mehr, in dem ich mich so geborgen und lebendig gefühlt habe, wie jetzt hier auf deinem Bett in deinem Arm.
Du liegst über mich gebeugt, hältst mein Gesicht zwischen deinen Händen und siehst mich einfach nur an, so als wäre ich die einzige Frau, die dir jemals etwas bedeutet hat. Ich küsse dich zärtlich und meine Hände gleiten unter dein T-Shirt, streicheln deinen Rücken, gehen langsam tiefer. Du knöpfst meine Bluse auf, fährst sanft über meinen Bauch, meine Brüste, meinen Hals und weißt dabei ganz genau, was meine Lust entfacht.
Es dauert nicht mehr lange bis wir uns nackt im selben Rhythmus wiegen und nachdem die erste Leidenschaft gestillt ist, liegen wir engumschlungen da. Du auf mir, die Augen geschlossen und so entspannt als würdest du schlafen. Ich streichle die glatte weiche Haut deines Rückens, genieße deine Wärme und lausche deinem Atem, den du mir sanft ins Ohr hauchst.
Nach einiger Zeit hebst du dein Gesicht, die Augen immer noch geschlossen. „Ich liebe dich Maria!“, sagst du und küsst mich sanft auf die Stirn, bevor du aufstehst und im Bad verschwindest.
„Ich liebe dich Sebastian.“, flüstere ich so leise, dass du es nicht hören kannst und bleibe einfach nur liegen. Spüre wie mein Herzschlag sich beruhigt, meine Haut wieder abkühlt und dein letzter Satz mich nicht loslässt. Langsam setze ich mich auf, suche meine Sachen zusammen und ziehe mich an.
Im Bad höre ich das Rauschen der Dusche, die Tür hast du glücklicherweise geschlossen, so dass ich unbemerkt die Wohnung verlassen kann.
Im Treppenhaus ist es kalt und dunkel und auf dem Weg nach unten höre ich wieder und wieder dein „Ich liebe dich Maria“.
Die Antwort auf meine Frage habe ich bekommen. Doch eine Ungewissheit bleibt: „Wer ist Maria?“