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Begnadete Hände
Er fühlte sich leicht und entspannt. Die Operation war gelungen. Neue Nase und das linke Ohr angelegt. Was will das Herz mehr? Ach ja, nicht zu vergessen dass der Bauch wieder fettlos war. Dr. Alvarez erfüllte alle Wünsche, die fast monatliche „Wartung“ ebenso wie Sonderwünsche; auf ihn war stets Verlass. Er nahm den Handspiegel vom Nachttisch und schaute hinein, er war begeistert: Adonis himself. Er neigte den Kopf zur Seite, testete ein Lächeln. Wer sollte da noch widerstehen? Dr. Alvarez, der alter Zausel, über 70, aber ein Genie, ein Zauberer. Seine Hände schafften das Unmögliche. Es war faszinierend. Und er, Herbert Neureich, war sein Entdecker, Förderer und Steuermann. Money rulez! Mit den Händen von Dr. Alvarez gab es den Begriff „unmöglich“ nicht mehr.
Sechs Wochen später. Er betrat die Halle und überblickte stolz sein Reich. Er beobachtete das Pärchen an der Empfangstheke. Die Sprechstundenhilfe schien sie zu kennen. „Tag Frau Müller, Herr Müller. Sind sie jetzt schon zur Brustvergrößerung da?“
„Nein. Meine Frau hat es sich anders überlegt. Sie ist das dauernde Operieren leid. Ich möchte jetzt kleinere Hände. Wir wollten deshalb noch mal mit Dr. Alvarez sprechen.“
Herbert musste grinsen, ja, die Neuerungen der plastischen Chirurgie machten es nicht einfach – für die Männer. Es gab plötzlich Alternativen.
Noch immer schmunzelnd wandte er sich ab und betrat das Heiligtum des Meisters. Das Interieur spiegelte wider, dass die Patienten, die hier her kamen, nur in der finanziellen Upper Class zu suchen sein konnten. Dr. Alvarez saß an seinem Schreibtisch und freute sich, ihn zu sehen. „Guten Morgen mein Gutster. Heut hab ich mal wieder ein kleines Problem.“ Er schaute an sich runter, öffnete Gürtel und Hose und zog sie schlussendlich runter, inklusive der Unterhose. „Kleines Problem. Tja. Sie verstehen?“ Seine Handbewegung unterstrich die Größe des Problems. Und wie üblich bei der Schilderung eines Problems lächelte Dr. Alvarez geheimnisvoll und sagte: „Wie groß hätten sie ihn denn gern? Hab´ da schon ne Idee. Schlage folgendes vor…“
Er fühlte sich leicht und entspannt. Völlig ausgeruht. Langsam gestattete er sich aus dem Dämmerzustand in die Realität über zu gleiten. Dr. Alvarez betrat den Raum, einen großen Spiegel in der Hand. Er zog die Bettdecke beiseite, lächelte geheimnisvoll und ließ Herbert sein Werk betrachten „Sie haben Recht, der Handspiegel würde hier nicht das volle Ausmaß ihrer Kreation erfassen, das Sie mit Ihren begnadeten Händen geschaffen haben.“ Der Anblick war beeindruckend. Er würde nun nicht länger mit der Brieftasche wedeln müssen, um die Frauen zu überzeugen, er hatte nun etwas anderes.
Sechs Wochen später. Er betrat die Halle und schaute stolz auf sein Reich. Er beobachtete eine Frau, die mit ihrem Kind gerade an den Empfangstresen trat. „Wissen Sie, mein Helmuth ist Linkshänder und meine Versuche, ihm das abzugewöhnen funktionieren nicht. Er leidet darunter, immer wird er von seinen Kameraden gehänselt, wegen seiner linkischen Art.“
„Kein Problem Gnädige Frau. Dr Alvarez könnte zum Beispiel den linken Arm nach rechts versetzen und den rechten nach links und das Problem wäre gelöst.“ Die Mutter war begeistert, der Junge schien noch nicht überzeugt, aber Herbert war sicher, man würde seine Zustimmung bald haben – sofern das Konto eine ausreichende Summe auswies. Er musste grinsen, ja, die Neuerungen der plastischen Chirurgie erlaubten geniale Varianten.
Noch immer schmunzelnd wandte er sich ab und betrat das Heiligtum des Meisters. Das Interieur spiegelte noch immer wider, dass die Patienten, die hier her kamen, nur in der finanziellen Upper Class zu suchen sein konnten. „Guten Morgen mein Gutster. Heut hab ich mal wieder ein kleines Problem.“ Diesmal legte er kein Körperteil frei, sondern setzte sich und schaute auf einen Zettel. „Bisher habe ich immer vergessen Sie darauf an zu sprechen. Man sagt mir nach, ich sei vergesslich und ich kann´s nicht so recht beurteilen. Kann mich in Wahrheit nicht daran erinnern jemals etwas vergessen zu haben.“
Und wie üblich bei der Schilderung eines Problems lächelte Dr. Alvarez geheimnisvoll und sagte: „Definitiv helfen würde da nur ein neues Gehirn. Hab´ da schon eine Idee…“
Er fühlte sich leicht und entspannt. Völlig ausgeruht. Langsam gestattete er sich aus dem Dämmerzustand in die Realität über zu gleiten. Langsam öffnete er die Augen. Im Blickfeld direkt gegenüber lag die Tür, durch die in spätestens einer Minute Dr. Alvarez treten würde; einen Spiegel in der Hand, den er ihm geheimnisvoll lächelnd entgegen halten würde. Kaum, dass er diesen Gedankengang zu Ende gedacht hatte, öffnete sich die Tür
…und er sah sich eintreten. Adonis, ein Bild von einem Mann, eines, das er tagtäglich tausende von Male im Spiegel bewundert hatte. Adonis blieb einen Moment stehen, wohl um ihm Gelegenheit zu geben, sich selbst zu betrachten und lächelte geheimnisvoll. Dann hielt er ihm den Spiegel vor. Der Spiegel zeigte ihm einen Greis, die langen, weißen, strähnigen Haare lagen wirr um sein Gesicht: Dr. Alvarez.
„Ja Herr Neureich, bzw. Dr. Alvarez, Operation gelungen, Herbert hat ein neues Gehirn, ohne jegliche Gedächtnisprobleme. Und bevor Sie darauf zu sprechen kommen: die „begnadeten Hände“ wollten in letzter Zeit nicht mehr so Recht, - das Alter, die Gicht. Ich habe Herbert als meinen Nachfolger erkoren und ihm gleichzeitig begnadete Hände geschenkt. Und, aber das wissen Sie ja besser als ich, viele, viele Millionen Vermögen.“ Dann lächelte er nicht mehr geheimnisvoll, er lachte.