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Bei aller Freundschaft

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06.08.2005
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Bei aller Freundschaft

„Hallo, Gudrun. Ich hab deine E-mail gekriegt.“
Ich betrachtete die kleine, zierliche Frau vor mir, und unter meinem Blick schien sie noch mehr zu schrumpfen. Sie wirkte so zart, so hilflos, und für einen Augenblick vergaß ich alles, was mir in den letzten Tagen so über sie durch den Kopf gegangen war, lächelte aufmunternd und sagte:
“Ja, Evi, ich dachte, wir sollten uns mal wieder treffen. Komm doch rein.“

Ich kannte sie durch Uwe, einen langjährigen Freund von mir. Wir hatten damals zusammen gewohnt, in der Wohngemeinschaft, vor fast 20 Jahren, und ich hatte schon einige Höhen und Tiefen in seinem Leben mitgekriegt und ihn dabei begleitet. Die absolute Talsohle dabei war die Zeit mit Cordula gewesen, mit der er damals, in den WG-Zeiten, zusammen war. Diese Frau war uns allen verhasst gewesen, nicht nur wegen ihrer kalten, hochnäsigen Art uns gegenüber, sondern weil sie Uwe nach Strich und Faden verarscht hatte, finanziell ausgenutzt und mit anderen Männern betrogen, und wir WG-Frauen hatten uns monatelang bemüht, Uwe wieder irgendwie aufzubauen.

Eva-Maria folgte mir in meinen Wohnraum, sah auf dem rechten Sessel meine Katze Bernadette liegen und kauerte sich in den linken. Sie zog die Beine seitlich hoch, das hüftlange Haar fiel ihr bis auf die Knie, und ich musste grinsen, weil sich mir eine gewisse Ähnlichkeit dieser beiden in meinen Sesseln eingerollten Wesen aufdrängte.
„Möchtest du einen Eiskaffee?“
„Gern. Du weißt ja, wie ich ihn mag: Süß und sündig!“ Dabei spitzte sie die Lippen zu einem Kussmund.
Eva-Maria fuhr tatsächlich auf alles ab, wonach ich selbst gierte, mir aber seit Jahren aus Kaloriengründen meistens verweigerte wie viel Zucker und süße Sahne. Ich ging in die Küche, um ihr das Getränk aufzugießen, während meine Gedanken in die Vergangenheit schweiften.

Auch die Frauen, die Cordula folgten, waren nicht so toll: da war Barbara, die angeblich ihr Portemonnaie in der Telefonzelle liegengelassen hatte mit zwei Monatsmieten für ihr Zimmer im Studentenwohnheim; nachdem sie sich, um nicht hinauszufliegen, im ganzen Bekanntenkreis das Geld zusammengeschnorrt hatte, tauchte eines Abends ein fremder Mann bei uns auf, um ihre Spielschulden von Uwe zu kassieren. Als er kapierte, dass er bei uns sein Geld nicht kriegen würde, rastete er aus, und nur mit Mühe konnten wir ihn davon abhalten, die Wohnung zu demolieren. Barbara oder das Geld haben wir danach nie wieder gesehen, und auch eine Adresse oder irgendeine Spur gab es nicht mehr. Irene war da schon weniger dramatisch: ein bisschen blass und unscheinbar und unschlüssig, ob sie zu ihrem Mann zurückgehen sollte, mal bei Uwe, dann wieder bei ihrem Mann, und nach mehrmaligem Hin und Her auf Dauer wieder am heimischen Herd.

Ich kehrte mit dem fertigen Drink zu Eva-Maria zurück, die sich inzwischen auf den Teppich vor mein CD-Regal gehockt hatte und meine Musikschätze überflog. Bernadette strich um sie herum und stieß sie mit dem Köpfchen an.
„Toll, all die alten Sachen: Stones, Uriah Heep, Santana... die hier lief, als ich Uwe kennen gelernt hab´. Sollen wir die mal auflegen?“
„Natürlich, können wir machen.“

Ich hatte mich so gefreut, als Uwe nach langer Abstinenz Eva-Maria kennen lernte. Ich war auch gerade frisch verliebt, in Günther, und in langen Telefonaten schwärmten wir uns von den Vorzügen unserer Partner vor. Meinetwegen hätte da die Zeit stehen bleiben können: ich hatte meine erste eigene Wohnung, nach dem Abschluss meines Studiums meinen ersten Job und mein erstes Geld, und endlich auch einen Partner, mit dem ich mir mein weiteres Leben vorstellen konnte. Uwe fuhr nach Göttingen, um Eva zu sehen, oder am Wochenende kam sie ins Ruhrgebiet, um Uwe zu besuchen.

Äußerlich waren sie ein seltsames Paar, ein bisschen wie Maus und Elefant, und mehr als einmal fragte ich mich, was sie aneinander faszinierte. Eva-Maria mit ihrem einen Meter sechsundfünfzig war dieser Typ Kindfrau, den ich in meiner Entwicklung übersprungen hatte. Ich selbst, groß und mit breiten Knochen, war von der kumpelhaften Ruderkameradin übergegangen zur kumpelhaften Kommilitonin, ohne bei den Jungs und Männern, mit denen ich zu tun hatte, diesen Beschützerinstinkt auszulösen, den Eva-Maria manchmal selbst bei mir hervorrief. Stattdessen hatte ich die Männer in den Cliquen immer herausgefordert, im Sport, bei Rangeleien, intellektuell, immer in der Hoffnung, als gleichwertig akzeptiert und gleichzeitig als Frau begehrt zu werden. Das konnte ja nicht klappen!

Neben der Musik-Anlage hatte ich ein Pinnboard mit Fotos von meinem Lebensweg, und Eva-Maria betrachtete den Schnappschuss von meiner Einweihungsfete in der WG. Als sie mich das erste Mal besucht hatte, hatte sie erstaunt gesagt: „So sah Uwe mal aus?“ Seitdem hatte dieses Bild sie immer wieder angezogen, ein Zeugnis aus einer Zeit, lange bevor ihre Wege sich gekreuzt hatten.

Als ich in Uwes WG einzog, hatte ich damals kurz überlegt, ob ich eine Beziehung mit ihm eingehen sollte. Es war so angenehm, als Neue von ihm hofiert, in Regeln und Verfahren der Gemeinschaft eingeweiht und von ihm mit Essen verwöhnt zu werden. Was mich davon abhielt, war auch nicht irgendeine Regel, die in meinem Kopf rumspukte, die Finger von Wohnungspartnern zu lassen, denn Susanne und Edgar waren damals noch ein Paar und lebten scheinbar ganz glücklich so Seite an Seite und mit den anderen.
Nein, es war Uwe selbst und mein Gefühl für ihn, was mich zurückhielt. Er war nett und lieb, aber irgendwas fehlte mir an seiner Ausstrahlung. Groß war er ja; darauf legte ich bei Männern immer Wert. Aber er hatte keine große Lust zu Sport, hatte schon mit Ende zwanzig mehr als einen „Schwimmring“ um den Bauch, und sein Haar, das sich kinnlang um seinen Kopf kringelte, dünnte auf dem Hinterkopf schon merklich aus. Ich fand mich oberflächlich, dass das Äußere so wichtig für mich war, aber mir fehlte das Kribbeln, das ich beim Anblick mancher anderen Männer verspürte. So konnte ich seinen tiefen Blicken widerstehen und dieser unausgesprochenen Möglichkeit, war wieder einmal die kumpelhafte Freundin, und habe diese Entscheidung nie bereut.

Jetzt traute ich mich nicht, anzusprechen, was mir wirklich auf den Nägeln brannte, und redete erst einmal über das wechselhafte Sommerwetter in diesem Jahr. Ich wusste, Uwe ging es schlecht, aber auch Eva-Maria kannte ich schon ein paar Jahre und hatte sie gern. Natürlich war die erste Zeit der Verliebtheit zwischen ihr und Uwe verstrichen, und sie hatten begonnen, sich bei jeder Gelegenheit zu streiten. Manchmal konnte ich beide ganz gut verstehen, wie bei der Mikrowelle, bei der ich Eva-Marias Gesundheitsbedenken genauso nachvollziehen konnte wie Uwes praktische Argumente. Oft konnte ich aber überhaupt nicht begreifen, wie sich zwei erwachsene Menschen über sowas streiten konnten wie die Frage, ob man in einer Kneipe eine Zitronenscheibe in den Aschenbecher werfen darf oder ob der Lindwurm in deutschen Sagen eher schlangen- oder dinosaurierartig war. Sie konnten sich beide derart ereifern, mit einer solchen Inbrunst, dass ich mich oft fragte, ob ich im falschen Film sei. Irgendwie musste ich verpasst haben, dass das Leben, die Gesundheit oder Freiheit der beiden vom Ausgang des Gespräches abhing. Für uns Außenstehende war es manchmal nervig. Edgar drückte es einmal herb, aber treffend aus: „Einzeln sind sie ja lieb, aber zusammen?“.

Andererseits, wenn so ein Disput mit einem triumphierenden Blick in ein Lexikon oder eine Expertenbefragung im Bekanntenkreis gelöst war, waren sie wieder ein nettes Pärchen, und worum ich sie wirklich beneidete, war das Vertrauen zueinander. Ich glaube, ich hätte so eine Wochenend-Beziehung in zwei Städten nie führen können, weil ich mich immer bange gefragt hätte, was der andere wohl während meiner Abwesenheit so trieb. Für die beiden schien das nie ein Thema zu sein, und als Eva-Maria nach dem Grundstudium in unsere Stadt zog, war es aus einem Bedürfnis nach mehr gemeinsamem Leben, und nicht nach Kontrolle.

Ich wusste nicht genau, wie ich beginnen sollte, und gratulierte ihr erst einmal zu ihrem Öko-Vortrag im Bürgerhaus.
„Ach, du warst auch da?“ Eva-Maria strahlte. „Ich war so nervös! Mir war so übel vor Aufregung, dass ich dachte, ich müsste mich übergeben. Oder ich würde umkippen. Ich wollte schon Thomas reden lassen, aber dann... Es hat ja doch geklappt.“
Ich war aufgeregt gewesen, als ich sie etwas verloren auf der Bühne hatte stehen sehen. Sie hatte kurz das Mikrophon zurechtgerückt, und dann hatte ihre Stimme den Raum erfüllt, selbstsicher, mit Engagement, und irgendwie hatte sie das Publikum mitgerissen mit ihren Ansichten.

Thomas, immer wieder der. Vor zwei Jahren, als Günther schon lange bei mir wohnte und ich misstrauisch wurde, weil er immer länger arbeiten musste, hatten die beiden eine ernsthafte Krise. Eva-Maria hatte sich gut eingelebt und ging auch ihren Interessen nach, machte Sport, engagierte sich für die Agenda 21... In der Öko-Gruppe hatte sie einen anderen Mann kennen gelernt und sich heftig in ihn verliebt. Sie dachte an eine Trennung, und Uwe war völlig verzweifelt. Ich konnte gar nicht verstehen, was Eva-Maria an Thomas fand. Im Vergleich zu Uwe schnitt er schlecht ab, als ich ihn das erste Mal sah, mit dieser seltsamen Frisur, bei der die Seiten kurzgeschoren und der Rest der Haare zu einem blonden Pferdeschwanz zusammengebunden war; dazu war er klein und schmächtig und für mich ohne männliche Ausstrahlung. Eva-Maria schwärmte von seinen Augen, und einen gewissen Charme schien er wirklich zu haben, denn auch die anderen Frauen der Gruppe waren zumindest von ihm angetan.

Mein Günther hatte sich , wie befürchtet, mit einer anderen Frau eingelassen, und irgendwann forderte ich ihn auf, seine Sachen zu packen und aus meinem Leben zu verschwinden. Uwe hatte mehr Glück, denn seine Situation löste sich fast von selbst.
Als Thomas bemerkte, was in Eva-Maria vorging, gestand er ihr, verliebt zu sein – in eine andere Frau. Seitdem hatte ich die eine oder andere Bemerkung über ihn gehört, nette von Eva-Maria und missmutige von Uwe. Ich dachte, der Fall sei abgeschlossen, bis ich Eva-Maria vor zwei Tagen Bücher zurückgab, die ich mir von ihr geliehen hatte. Die Tür zu ihrer Dachwohnung stand wegen der Hitze weit offen, und da ich ihre Stimme hörte, ging ich einfach hinein.

Als ich in das Zimmer kam, lag irgendetwas in der Luft. Eva-Maria und Thomas hockten nebeneinander auf dem Boden, umfächert von einer Menge von Computerausdrucken. Sie bereiteten ein Poster vor und waren ganz ins Gespräch vertieft.
„Meinst du nicht, wir sollten diesen Absatz rechts oben hinkleben?“ fragte Thomas.
„Ja, das ist gut. Aber lieber zwei Punkt größer ausdrucken.“
Eva-Marias langes Haar breitete sich über ihrem Rücken aus, und eine Strähne kringelte sich über Thomas´ Schulter.
Als sie mich hörten, drehten sie sich zu mir um, noch versunken in ihre Arbeit.
„Ein schönes Paar!“ fuhr es mir durch den Kopf, und ich erschrak bei dem Gedanken. Ein Paar? Wie lange schon? Und plötzlich passte alles zusammen: Uwes Niedergeschlagenheit, diese Szene, das Treffen bei Pro Familia...

Es war nur kurz gewesen, im Hausflur. Ich war gerade aus der Beratungsstelle gekommen, hatte meine Verhütung, jetzt nach der Trennung von Günther, auf Diaphragma umgestellt. Eva-Maria war fast mit mir zusammengestoßen, und wir hatten ein paar Worte gewechselt. Jetzt fragte ich mich, was sie da zu suchen hatte. Uwe war seit Jahren sterilisiert, Verhütung konnte also nicht der Grund sein. Zumindest nicht mit Uwe ...

Ich war entsetzt gewesen, und wieder war ein Ideal zerbrochen. Ich litt um jede zerstörte Beziehung in meinem Bekanntenkreis, und besonders um jeden Verrat. Und diesmal konnte ich nicht einfach zusehen und dazu schweigen. Diesen Fehler hatte ich einmal gemacht, vor vielen Jahren, und noch jetzt schämte ich mich dafür.

Damals hatte ich den Raum in der Wohngemeinschaft von meiner Freundin Gitta übernommen. Ich wohnte schon einige Zeit dort, als Gitta mich mal besuchte. Sie bestaunte mein Zimmer, das sich durch meine Lust an Grünpflanzen in einen richtigen Dschungel verwandelt hatte und fragte, wie ich mit den anderen zurecht käme.
„Gut. Sie sind alle nett. Natürlich hatten wir auch schon ein paarmal Streit über so Sachen wie Spülen und Putzen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir einen Plan machen. Da ging dann der Streit darüber, wer den Plan aufstellen soll, und später darüber, wie er einzuhalten ist. Insgesamt kommen wir alle aber ganz gut klar, essen einmal die Woche zusammen, machen demnächst ne Feier...“
„Und Edgar?“
„Gluckt meistens mit Susanne zusammen, weißt du doch.“ Ich hatte ganz vergessen, dass Gitta mal Edgars Freundin gewesen war, aber mit ihm Schluss gemacht hatte, lange bevor Susanne eingezogen war.
„Ach ja?“ Gitta lächelte spöttisch, sah mich dann verschwörerisch an und meinte:
„Ich verrate dir ein Geheimnis, wenn du es für dich behältst.“ Ich dachte schon, Susanne sei schwanger und war neugierig.
„Ich schlafe manchmal noch mit Edgar.“
„Wie? – Und Susanne?“ stammelte ich entsetzt. „Ihr seid doch auch befreundet!“
„So sehr auch wieder nicht. Und es ist doch nur so zum Spaß!“
Mit einem Schlag hatte ich zwei Freundinnen verloren. Ich konnte nicht verstehen, wie Gitta sowas machen konnte, und fühlte mich doch an mein Versprechen gebunden. Und Susanne konnte ich nicht mehr in die Augen sehen, besonders seit sie mir einmal beiläufig verriet: „Ich bin immer noch eifersüchtig auf Gitta. Ich weiß ja, ich habe keinen Grund, aber trotzdem ...“

Diesmal wollte ich es also anders machen, diesmal wollte ich handeln. Zum Teufel mit der Zwickmühle von jahrelanger Freundschaft und weiblicher Solidarität; ich würde Stellung beziehen. Deshalb hatte ich Eva-Maria eingeladen, wollte sie zur Rede stellen. Und sie war vertrauensvoll gekommen.
„Evi, ich habe da was, was ich mit dir besprechen wollte. Ich weiß, Uwe geht´s nicht gut.“
„Ja, wir haben uns ziemlich gestritten. Mehr als üblich!“
„Hat das was mit deinem Besuch bei Pro Familia zu tun?“
„Pro Familia?“ Eva kramte in ihrem Gedächtnis.
„Ja, neulich, als wir uns getroffen haben. Im Hausflur.“
„Ach das.“ Ein Flackern der Erinnerung erschien in ihren Augen, dann ein verlegener Blick.
Also doch. Keine harmlose Erklärung, sondern peinliches Schweigen. Es rauschte in meinen Ohren. Für mich war die Sache klar. Was sie mir jetzt auch erzählen würde, ich hatte diesen Blick gesehen. Der hatte sie verraten. Sie hatte ihr Geheimnis, und ich hatte sie erwischt.

„Gudrun, hörst du mir überhaupt zu?“
Eva-Maria hatte zu reden begonnen, und ich, in meinen Gedanken, hatte nichts mitgekriegt.
„Entschuldige, was hast du gesagt?“
„Ich war nicht bei Pro Familia. Ich war in der Beratungsstelle in dem Stock darüber.“
„So. – Aber warum?“
„Ich spreche da nicht so gern drüber.“ Eva-Maria schluckte. „Aber ich versuch`s.“
„Fang doch einfach irgendwo an.“
„Ich gehe da schon eine Weile hin. Es ist wegen...Also, ich bin da auf ´ne alte Sache gestoßen. Mit Rolf, dem früheren Freund meiner Schwester. Er hat mich...nein, nicht vergewaltigt. Aber... ich war elf, und er schon neunzehn...und er war doch der Freund von Sabine!“

Tränen traten ihr in die Augen, und ich fühlte mich mies, dass ich sowas aus ihr rausgelockt hatte.
„ Ich war total verknallt, und es hätte bei einer Schwärmerei bleiben sollen. Aber er fing an, mich anzufassen und sagte, es wäre okay – es bliebe doch in der Familie – und irgendwie habe ich ihm geglaubt und mich drauf eingelassen, später auch auf etwas mehr. Er hat mich dann an seine Freunde weitergereicht, und ich habe es mitgemacht, um es ihm recht zu machen. Er hat mir nie wörtlich gesagt, was ich machen sollte, aber das brauchte er auch nicht; ich verstand seine Andeutungen und reagierte sofort darauf.“
„Hast du dir keine Hilfe geholt? Dich jemandem anvertraut?“ fragte ich.
Eva-Maria seufzte, bevor sie weitersprach:
„Ich habe doch erst viel später kapiert, was da eigentlich abgelaufen ist, und als ich meiner Schwester alles sagte, hat sie mir nicht geglaubt; sie sagte, ich sei ja nur eifersüchtig und wolle im Mittelpunkt stehen.“

„Und Uwe? Kann der dir dabei helfen?“
Eva-Maria lächelte traurig. „Als ich ihn kennen lernte und er mich das erste Mal in seine Arme nahm, seine breiten, starken Arme, da habe ich gedacht: der beschützt mich jetzt gegen alle Rolfs in dieser Welt! Ich fühlte mich so sicher!“
Ich konnte es mir gut vorstellen, Evi, eingebettet in Uwes Armen.
„Und dabei ist es nicht geblieben?“ fragte ich vorsichtig.
„Naja, Uwe hat natürlich auch seine Geschichte. Am liebsten hätte er mich immer in seiner Nähe, immer in Körperkontakt, hautnah. Im Anfang habe ich das genossen, einfach aufgesaugt, aber seit ein paar Jahren ist mir das manchmal zuviel. Ich fühle mich nicht beschützt, sondern festgehalten. Und dann spüre ich mich gar nicht mehr; ich weiß dann nicht mehr, was ich denn will und denke und fühle...“

Mir fielen die erhitzten Diskussionen ein, und fragte leise :“Hat das was mit euren Streitereien zu tun?“
„Ich glaube schon. Wenn ich eine andere Meinung habe als Uwe, dann spüre ich wieder die Grenze zwischen uns. Dann ist klar, wer er ist und wer ich ... Irgendsowas muss auch bei Uwe ablaufen, und deswegen soll er ja auch mit in die Beratung ...“
„Und das will er nicht?“
Eva-Maria schüttelte den Kopf. „Deshalb der letzte Streit ...Aber vielleicht überlegt er es sich doch noch.“

„Aber was ist mit Thomas?“
„Thomas?“ Eva-Marias Augen wurden ganz groß vor Erstaunen. “Thomas hat doch selbst Angst vor Nähe. Er umgibt sich mit Frauen, die verheiratet oder sonstwie in festen Händen sind. Das gibt ihm Sicherheit. Und wenn er sich wirklich einmal verliebt, ist die Frau unerreichbar!“
„Dann ist gar nichts zwischen dir und Thomas?“
Wieder diese großen Augen. „Nein, wir sind Freunde – wie Uwe und du.“
Ich sah sie mit einer Mischung aus Skepsis und Erleichterung an.
„Es gab mal eine Zeit, da war er mir sehr wichtig.“ Eva-Maria blickte etwas scheu zu mir herüber, überlegte wohl, wieviel sie mir noch verraten sollte. Aber gemessen an dem, was sie schon enthüllt hatte, konnte es sich doch nur um „Peanuts“ handeln. Oder doch noch ein Seitensprung?

„Ich wusste ja, dass wir uns ganz nett fanden. Naja, mehr als ganz nett! Aber auch, dass Thomas nichts von mir wollte. Und das gab mir Sicherheit. Freiraum. Er ist kaum größer als ich und deshalb nicht so bedrohlich. Kein Beschützer, aber auch kein Rolf. Und seine zurückhaltende Art ließ mir Spielraum für meine Gefühle, meine Sehnsüchte, meine Fantasien. Na ja, davon hatte ich genug.“
Sie blickte mich noch einmal flüchtig an, abschätzend, und meinte: „Es war eigentlich immer dieselbe Vorstellung, nur der Hintergrund änderte sich: mal im Wald, mal in der Öko-Gruppe, in seinem Bett... Er hat so einen selbstgemachten Baldachin aus ganz dünnem, himmelblauen Stoff und Bettwäsche mit Wölkchen, und ich stellte mir uns in diesem Himmel vor, im siebten sozusagen. Und immer dasselbe Skript: er sagt mir, wie sehr er mich mag, was ihm an mir gefällt und so, und dann küssen wir uns, ganz langsam und vorsichtig ...“
„Küssen?“ wiederholte ich, und Eva-Maria schien verunsichert.
„Ja, die reine Teenie-Fantasie, nicht wahr?“, meinte sie etwas beschämt.
„Die Fantasie der Elfjährigen. Evi, ich glaube, das kleine Mädchen heilt“, sagte ich erleichtert und stürmte auf sie zu, um sie in den Arm zu nehmen.

Und dann war es an mir, mich zu öffnen. Meine Ängste, meine Konflikte, selbst die Sache mit Gitta und Edgar sprudelte ich hervor und behielt nur die Namen für mich. Ich war so froh, alles loszulassen, so froh, mich getäuscht zu haben, und Eva nahm es mir auch nicht übel.
„Es ist sogar ganz schön, dass unsere Beziehung dir so nahe geht“, meinte sie und lachte.
„Das ist Freundschaft.“ sagte ich grinsend.
„Nö, so bist du. – Aber bleib so, ich finde es nett.“

 

Hallo Nachtschatten,
danke fürs Lesen. Die Geschichte ist ja etwas lang und auch nicht gerade an die Jahreszeit gebunden; da freu ich mich, dass du dch damit auseinandergesetzt hast.

Ich war sehr gespannt auf die Entscheidung des Prots am Ende und die vielen Charaktere, die du auf diesen paar Seiten eingebracht hast, fande ich gut, die meisten trauen sich nicht wirklich viele Personen einzubinden und zu beschreiben. Das ist dir gut gelungen.
Das freut mich, denn da bin ich etwas unsicher. Ich habe schon überlegt, ob ich die Szene mit Gitta, Susanne und Edgar rausnehme; andererseits ist es doch wichtig, um das Dilemma der Prot zu beschreiben.

Mehr, nein, Genaueres zu Uwe würde mir gefallen!
Das weiß ich im Moment nicht umzusetzen; mal gucken, ob sich auch andere dementsprechend äußern.

Gruß, Elisha

 

Danke, Nachtschatten, für die Ermutigung. Also alle Charaktere bleiben drin.
Besonders Bernadette, die Katze. ;)

 

Hi Elisha
und frohes Fest, da mir gleich die Äuglein zufallen ich die Geschichte aber trotzdem gut geschrieben fand halt ich mich auch relativ kurz...
Die Beziehungen der einzelnen Personen untereinander hast du mMn sehr gut dargestellt allerdings wirkte der Text hier und dort ein wenig ausgewallzt, erinnerte zu sehr an die langweiligen "Alltagstragödien" aus dem eigenen Leben/Bekanntenkreis... vielleicht ein wenig destilieren und mit Pfeffer würzen? Andererseits... *gähn*(Verzeihung!) werden durch das breit gefächerte Geplänkel die Personen erst sehr anschaulich charakterisiert, mehr noch, wird der Prot chrakterisiert... also vielleicht nur Pfeffer ohne Destilation und den damit verbundenen Verlust von Masse?
Hat mir aber trotzdem gut gefallen... eine Sache noch:

und dann wir küssen wir uns
mir erschliesst sich gerade der Sinn des ersten wirs *gähn* nicht... Tippser?
Man *gähn* liest sich
ein jetzt schlummernder
Nice

 

Hallo Nice,
danke für deinen Kommentar, und das bei deiner Müdigkeit!
Der Tippser ist korrigiert, über den Pfeffer denke ich noch nach - bisher ohne zündende Ideen.
Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

mir war die Geschichte zu vielfältig, im wahrsten Sinne des Wortes.
Bis du zum Punkt gekommen bist, wieso Eva bei Gudrun ist, wird soviel erzählt, erscheinen soviel Personen, die mir es als Leser, der immer noch die Eingangssituation im Kopf hat, sehr schwer machen, die einzelnen Stränge im Kopf zu behalten.

Dann erschwerst du die ganze Zuordnung noch mit unnötigen Detailveränderungen, in dem die Prot anfangs Evi, dann Eva-Maria, beim dritten Mal Eva tituliert wird. Natürlich kann sich ein einigermaßen aufmerksamer Leser denken, dass es sich um die gleiche Person handelt, aber dadurch, dass soviele andere Namen auftauchen, wird das ganze unnötig anstrengend.

Du bringst eine sehr kurze Einleitung mit den zwei Frauen, schwenkst dann ausführlicher auf Uwes Exfrauen, dann kommt ein Hin- und Her, das aber mehr auf Uwe fokussiert ist, erzählst von erlebten Geschichten von früher...und ich als Leser warte immer noch auf die weiterführende Handlung von Eva und Gudrun. Ich fühle mich dabei in einer Wartestellung, die ich als Leser nicht so mag. Anderen, wie man lesen konnte, gefällt das.

Mir würde ein anderer Aufbau der Geschichte besser gefallen, aber du wirst ja deinen Grund für diese Rahmenhandlung haben.

Im letzten Drittel der Geschichte verpackst du mir zuviel Wichtiges, was nur am Rande gestreift wird (die Geschichte um Rolf; das Mißstrauen von Gudrun gegenüber Eva).

Zwar hast du einzelne Details schön beschrieben, wie zB

Ich selbst, groß und mit breiten Knochen, war von der kumpelhaften Ruderkameradin übergegangen zur kumpelhaften Kommilitonin, ohne bei den Jungs und Männern, mit denen ich zu tun hatte, diesen Beschützerinstinkt auszulösen, den Eva manchmal selbst bei mir hervorrief

aber andererseits legt die Prot bei ihren Bewertungen über andere Männer soviel Wert auf Äußerlichkeiten, dass sie mir schon unsymphatisch wurde ;).

Daher sagt mir diese Geschichte zusammenfassend gesagt nicht besonders zu, was die Aufbereitung angeht, wenn sie auch -den Inhalt zurückgestellt- gut zu lesen war.

Sehr nett ist natürlich, dass ich als Statistin vorkomme :).

Lieber Gruß
bernadette

 

Holla Elisha,

lächelte sie aufmunternd an und sagte:
lächelte aufmunternd und sagte:

Ich ging in die Küche, um ihr das Getränk zu bereiten
"zu bereiten" find ich kein adäquates Prädikat. Wie wärs mit "aufgießen" oder sowas

den Vorzügen unsrerer Partner vor.
unserer

Es war so angenehm, als Neue von ihm hofiert zu werden, in Regeln und Verfahren der Gemeinschaft eingeweiht und von ihm mit Essen verwöhnt.
Das "zu werden" muß ganz ans ende des satzes.
Es war so angenehm, als Neue von ihm hofiert, in Regeln und Verfahren der Gemeinschaft eingeweiht und von ihm mit Essen verwöhnt zu werden.

lebten scheinbar ganz glücklich so Seite an Seite miteinander und den anderen.
Da is was doppelt, finde ich.
lebten scheinbar ganz glücklich miteinander und den anderen.

Jetzt traute ich mich nicht, anzusprechen,
"auszusprechen" fänd ich als Verb besser.

Natürlich war die erste Zeit der Verliebtheit zwischen ihr und Uwe verstrichen, und sie hatten begonnen, sich bei jeder Gelegenheit zu streiten.
Sätze mit "Natürlich" mag ich net.
Die erste Zeit der Verliebtheit zwischen ihr und Uwe war verstrichen, und sie hatten begonnen, sich bei jeder Gelegenheit zu streiten.

Im Anfang habe ich das genossen
Am

Mädchen heilt.“ sagte ich erleichtert
Mädchen heilt“, sagte ich erleichtert

Ich glaube, solche Gespräche kann es wohl nur unter Frauen geben. Darum habe ich mich als Mann wohl auch gelangweilt. Sorry, fand das ewige Geschwafel um das Hier und Wieder... und die verbotenen Lieben und so wenig interessant. Ich vermute meine Mitbewohnerin, die jeden Abend "Verbotene Liebe" sieht, würde das ganz anders sehen. Das heißt jetzt nicht, dass ich die Geschichte objektiv betrachtet schlecht fand, aber unter normalen Umständen würd ich sie nach drei Sätzen abbrechen zu lesen.
Den Dialog fand ich sehr lebensnah, die kurzen Rückblicke gut eingebaut, manchmal bauten sie mir ein wenig zu sehr auf den Dialog auf und waren zu erklärend... da denke ich besonders an diese Dreiecksbeziehung von Susanne, Gitta und Edgar, die mir zuviel des Guten war.

Eike

 

Hallo Elisha,
Mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen und ich finde ganz und gar nicht, dass zu viele Personen darin vorkommen. Im Gegenteil: ich finde sogar, dass dadurch die Dramatik dieser Beziehungs- und Alltagsgeschichte(n) betont wird.
Vom Inhalt her hat die Geschichte etwas Soap-haftes, aber du schaffst es die Charaktere auf eine schöne Art dem Leser nahe zu bringen, so dass die Oberflächlichkeit verschwindet.
Das macht auch deine bildhafte Sprache und dein Schreibstil aus, der einerseits alltäglich bleibt, andererseits geradezu dynamisierend wirkt...
Schön!

Gruß,
Jula

 

@all
Vielen Dank für das Lesen und Kommentieren.

@Sternensegler und N8schatten
Tippser sind behoben; Formulierungen, die ich besser fand, habe ich übernommen.

@Bernadette und Juhulala
Ja, unmöglich, es euch beiden Recht zu machen. ;) Die Geschichte ist vielfältig, und ich lasse mal die Dreiecksgeschichte drin, weil sie ja auch die Gefühle der Erzählerin erklärt. Ich habe aber auf die Form Eva verzichtet, so dass (hoffentlich) nur noch Eva-Maria und als Ansprache Evi vorkommen. Hoffentlich ist das keine Verschlimmbesserung. ;)

Die Katze hieß übrigens schon so, bevor ich dich kennenlernte, Ber, aber beim Posten habe ich an dich gedacht. Ist ja auch sooo ein schöner Name.

Gruß, Elisha

 

Falsch verstanden?

hast du mein Kommentar vielleicht falsch verstanden?

ich finde ganz und gar nicht, dass zu viele Personen darin vorkommen. Im Gegenteil: ich finde sogar, dass dadurch die Dramatik dieser Beziehungs- und Alltagsgeschichte(n) betont wird.

Habe das gerade noch mal gelesen: muss ja wirklich angetan gewesen sein von der Geschichte!:D
Das klingt ja schon fast überschwenglich und gekünstelt, aber ich habe es wohl wirklich so gemeint!

:bounce: :bounce: :bounce:

Bis denne,

jula

 

Hallo Juhulala,

nein, ich hab dich schon richtig verstanden. ;)

Zitat von Bernadette
mir war die Geschichte zu vielfältig, im wahrsten Sinne des Wortes.
Bis du zum Punkt gekommen bist, wieso Eva bei Gudrun ist, wird soviel erzählt, erscheinen soviel Personen, die mir es als Leser, der immer noch die Eingangssituation im Kopf hat, sehr schwer machen, die einzelnen Stränge im Kopf zu behalten.
Zitat von Juhulala
ich finde ganz und gar nicht, dass zu viele Personen darin vorkommen. Im Gegenteil: ich finde sogar, dass dadurch die Dramatik dieser Beziehungs- und Alltagsgeschichte(n) betont wird.
Zitat von Elisha
Ja, unmöglich, es euch beiden Recht zu machen.

Gruß, Elisha

 

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