- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Beim Zahnarzt
"Wird das sehr weh tun?" fragte ich meinen Zahnarzt mit dieser speziellen Angst in der Stimme, die ich nur für ihn und seinesgleichen vorbehalten habe.
"Nein, nein, jetzt den Mund schöööön weit aufmachen". Wie immer die exakt gleich bleibende Antwort. Wobei ich zugeben muss, dass meine Fragen in dieser Situation auch nicht wesentlich zu variieren pflegen. Ich öffnete also meinen Mund als wollte ich eine Wassermelone schlucken und fügte mich in mein Schicksal.
Ich weiß ja nicht wie es Ihnen geht, aber ich kann Zahnärzte wirklich nicht sonderlich gut leiden.
Ich meine, da studiert jemand acht Jahre, um dann den lieben langen Tag den Leuten in ihren entzündeten Mäulern rumzubohren und sie in erbärmlicher Weise mit nahezu archaisch anmutenden Folterwerkzeugen zu quälen. In der gleichen Zeit hätte der Mann Hirnchirurg werden können und würde heute Menschenleben retten. Oder wenigstens Richter und unsere Gesellschaft von überflüssigen Subjekten befreien. Aber nein Herr Dr. zieht es vor, Löcher zu bohren und sich an Mitmenschen zu erfreuen, die unter seinen Händen vor Schmerzen stöhnen. Ich sage es Ihnen. Alles hauptberufliche Sadisten.
Nun das Gesicht in das ich jetzt in meiner demütig zurückgekippten Haltung sah, machte eigentlich einen ganz sympathischen Eindruck. Soweit ich dies mit einem auf meine Augen gerichteten 1000 Watt Scheinwerfer, der jedem Stasiverhörspezialisten zur Ehre gereicht hätte, beurteilen konnte. Blonde Haare, blaue Augen, gerade Nase. Sein Mund war hinter einer dieser kleinen OP-Masken verborgen, als wollte er bei seiner Arbeit nicht erkannt werden. Er war vielleicht Ende 30 und bestimmt verheiratet. Die Frauen laufen diesen Oralklempnern ja reihenweise hinterher. Wenn Sie mich fragen, völlig unverständlich. Wussten Sie, dass es mal eine Initiative der richtigen Ärzte gab, das "med." in Dr. med. dent. streichen zu lassen, weil Zahnärzte im Grunde genommen ja gar keine Mediziner seien? Durchaus nachvollziehbar.
"So jetzt haben wir es gleich geschafft. Kann nur noch mal ein kleines Bißchen wehtun, alles noch in Ordnung?"
"Arghhhh" stöhnte ich. Dieses war meine einzige Möglichkeit mit einem röhrenden Absaugschlauch und seinem Edelstahlbohrer im Mund sowohl meine Schmerzen als auch meine, wenn auch widerwillige, Zustimmung zu artikulieren.
"So, das war es schon, bitte einmal kräftig ausspülen, Frau Wagner. Und war doch gar nicht so schlimm, oder?"
Nicht so schlimm, wie würdest du es finden, wenn jemand eine halbe Stunde auf deinen offenen Nervenenden Klavier spielt.
"Nein, überhaupt nicht, Herr Dr. Hoffmann, wie immer", hörte ích mich antworten. Er mochte ja ein Sadist sein, aber süß wie geschmolzene Marzipanrohmasse, ich sage es Ihnen.