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Benedictus
Dass mir der Verkniffene mitten ins Gesicht gespuckt hatte, verdarb mir den ganzen Tag. Zwar hatte ich es dem Verkniffenen ordentlich zurückgezahlt – Schorsch würde es mir sicher nachsehen – trotzdem war der Tag vermiest. Der Verkniffene hatte einen Punkt gemacht. Verdammt! Das verkniffene Gesicht war ganz zerschlagen, aber er litt nicht so wie ich, denn er war bewusstlos. Ich spürte noch immer seine grausliche Spucke in meinem Auge. Am liebsten hätte ich es herausgerissen und die Haut abgeschält, so ekelig ist das. Da Schorsch und Max nicht da waren, gab es niemand, mit dem ich reden konnte. Mit jemand reden tut gut. Ich meine, jetzt rede ich darüber, aber ich hätte es viel früher tun sollen. Sie hätten auch früher wieder kommen können. Ich meine, den ganzen Tag auf die Scheusale aufpassen war keine leichte Arbeit. Sie spotteten über mein Gesicht, wenn Max es nicht hörte oder rissen mich an den Haaren und wenn ich in Rage geriet, riefen sie nach Max und behaupteten, ich hätte sie geschlagen. Max sperrte mich dann immer ein. Er glaubt, ich bin blöd. Bin ich aber nicht. Schorsch weiß das. Schorsch macht immer gute Witze. Er lässt mich dann meist bald wieder raus.
Die Tage davor waren schon schlecht gelaufen. Ich fühlte mich immer nutzloser. Mein Einsatz für nichts und niemanden, ich eine bedeutungslose Figur, die von allen nur ausgelacht wurde. Die ganze Welt ringsum versinkt im Chaos. Unsere Kinder und Frauen sterben, die Städte brennen. Ich musste etwas dagegen tun, doch ich konnte keine Ergebnisse vorweisen. Den ganzen Tag war ich alleine in meinem Zimmer gesessen und hatte mir den Kopf darüber zerbrochen. Aus Frust, weil mir nichts einfiel, begab ich mich zum Frauentrakt. Ein Spezialverhör würde all die bösen Gedanken aus meinem Kopf vertreiben.
Ob ich das durfte? Natürlich. Sie wussten alle davon und Georg drohte den Frauen damit, dass er mich schicken würde, doch sie haben ihm nichts gesagt. Es gefiel ihnen wohl, wie ich mein Spezialverhör machte. Sie hätten Schorsch ja nur irgendwann das erzählen müssen, was er wissen wollte. Das Spezialverhör fing auch gleich schlecht an. Der Balg der Jüngeren plärrte, dass es mir in den Ohren weh tat.
„Mach, dass es ruhig ist, und dann komm mit“, sagte ich zu ihr.
Sie schüttelten den Kopf und begannen zu schreien. Ich hatte mich schon so darauf gefreut und dieses Gekreische ging mir gehörig auf den Sack.
Ich schrie sie an, dann packte ich die Jüngere und zerrte sie heraus. Sie kratzte und biss. Ich gab ihr ein paar Schläge auf den Kopf, dann hörte sie auf. Der Balg schrie noch immer. Die Ältere hielt dem Balg endlich den Mund zu. Ich warf also die Jüngere über die Schulter und ging mit ihr auf mein Zimmer. Dort warf ich sie auf das Bett, riss ihr die Kleider vom Leib und fing mit dem Spezialverhör an. Sie begann zu schreien, so wie ich es mochte, aber trotzdem ging bei mir nichts ab. Ich machte heftiger und irgendwas an mir riss. Der Schmerz war so intensiv, dass mir Tränen in die Augen traten und ich zu Boden ging. Ich konnte vor Schmerz kaum Luft holen. Irgendwas da vorne war ab. Die Schlampe lachte und lief aus dem Zimmer. Ich konnte ihr nicht nach, sah vorsichtig an mir runter. Alles war eingerissen. Blut tropfte stetig auf den Boden. Ich brauchte einige Zeit, bis ich klar denken konnte. Die Schreie der anderen Gefangenen brachten mich wieder zur Besinnung. Die Schlampe wollte sie raus lassen, doch sie hatte die Schlüssel nicht. Gott sei Dank kann man ohne Fingerabdruck nicht mal ein Klo öffnen und raus komme nicht einmal ich. Ich versuchte meine Unterhose anzuziehen, doch da hätte ich mir gleich eine glühende Nadel reinjagen können. Im Medikamentenkasten fand ich ein Schmerzmittel. Hastig schluckte ich zwei Pillen und ging dann, so wie ich war, die verdammte Schlampe holen. Es war nur ihre Schuld gewesen. Hatte sich selbst irgendwie trocken gelegt oder was reingesteckt. Sie rüttelte vergeblich an den Gitterstäben und versuchte ihren Balg rauszuholen. Da hatte ich die erste Eingebung. Was würde diese Hündin für ihren Balg tun? Sicher nichts, dachte ich. Und vor meinen Augen erschien der Test, mit dem ich es beweisen würde. Unter den Zellen wurde nämlich heimlich weiter gebaut. Ausgebaut. Ich mochte das nicht und hatte heimlich den Schlauch der Wasserabsaugung manipuliert, sodass das Loch jetzt voll Wasser war. Dort hin schleppte ich sie und schaltete einen Scheinwerfer ein, der die unterirdische Baustelle beleuchtete. Das Wasser war tiefschwarz. Die Schlampe würde noch lernen, wie man richtig feucht wurde. Mein Schwanz brannte wie die Hölle. Oben war an einem Eisenträger ein Kran mit einer Kette angebracht. Die holte ich herbei und band sie fest. Die dumme Schlampe begriff nicht, was mit ihr geschah. Ich schob sie raus und ließ sie knapp über dem Wasser hängen. Was hatte ich eben noch gewollt? Sie schrie nicht einmal. Ich dachte noch einmal nach. Ja, mir fehlte der Balg.
Die andere Frau wollte ihn mir nicht geben. Es brauchte ein paar ordentliche Schläge in den Magen, bis ich den Balg hatte. Dem gab ich ein paar Ohrfeigen, damit er zu schreien aufhörte, doch das kleine Biest wurde nicht ruhig. Wieder an der unterirdischen Baustelle angelangt, bemerkte ich, dass ich am Kran keine zweite Kette anbringen konnte. Ich nahm den Balg, dessen Geschrei nicht mehr auszuhalten war, und hielt ihn unter Wasser.
„Soll ich ihn oder dich untertauchen?“, fragte ich die Hündin.
„Bitte, tu ihm nichts. Wir haben euch nichts getan.“
„Mir nicht, aber Tausenden anderen.“
„Ich war da nicht dabei. Ich kenne da niemand.“
Ich zog ihr Kind heraus und ließ die Kette runter, sodass sie zur Hälfte im Wasser war. Sie zappelte, doch ich hatte sie natürlich gut festgebunden. Ich ließ sie mal unter Wasser und zog sie wieder rauf. Dann nahm ich ihren Balg und sagte:
„Wer soll ins Wasser? Du oder dein Balg.“
Sie sagte nichts. Ich hielt ihren Balg unter Wasser. Das war insofern gut, als er dann sofort zu schreien aufhörte. Sie sah mich überrascht an. Glaubte sie etwa, ich würde nur bluffen?
„Aufhören, ich sag, was du willst. Ich unterschreibe auch!“, schrie sie schließlich.
Ich schüttelte den Kopf. Das Schmerzmittel begann endlich zu wirken. Trotzdem würden die nächsten Wochen die Hölle werden. Was sollte ich tun, wenn Georg wieder das Spezialverhör wollte?
„Einer von euch muss ins Wasser. Willst du das sein?“ Der Balg strampelte nicht mehr.
„Lass ihn raus“, flehte sie.
Ich ließ den Balg noch im Wasser. Er zuckte noch einmal zusammen und wurde dann schlaff.
„Heb ihn wieder raus“, schrie sie hysterisch. „Bitte!“
Ich zog ihn hoch und ließ die Kette mit einem Ruck los. Rasselnd wurde sie in die Tiefe gerissen. Der Balg war schon recht blau und erbrach Wasser. Er schüttelte sich heftig. Die Kette hatte die Frau hinuntergerissen. Mal sehen, ob sie ihre Entscheidung ernst meinte. Ich holte sie wieder herauf. Keuchend rang sie nach Luft. „Willst noch immer du unter Wasser sein? Oder doch lieber dein Balg?“
Sie sagte etwas in auf arabisch. Ein Fluch. Ich ließ die Kette wieder los. Dieses Mal wartete ich so lange, bis sie unten zu rütteln begann. Als ich sie wieder herauszog, stellte sie sich bewusstlos. Also ließ ich sie wieder nach unten und wartete, bis sich die Kette wieder bewegte. Wieder stellte sie sich bewusstlos. Dieses Mal ließ ich sie fünf Minuten unter Wasser. Die Kette bewegte sich auch dann noch nicht. Hätte ich nicht gedacht. War mir ganz sicher gewesen, sie würde ihren Balg opfern. Das gab mir zu denken. Schließlich kam ich zu der Einsicht, dass sie wohl ihren Balg geopfert hätte, wenn ich sie nicht gleich wieder untergetaucht hätte. Schon wieder hatte ich es vermasselt! Und dann lag da noch das Kind vor mir. Es hatte sich voll geschissen und stank. Armes Kind. Wie schön hätte es in seiner Wiege liegen können, wenn es eine andere Mutter gehabt hätte. Es war grausam und ungerecht, dass es hier mit diesen bösen Menschen zusammen sein musste.
„Fürchte dich nicht, mein Kleiner. Gott liebt die Kinder“, flüsterte ich. Er sah mich ruhig an. Ich betete zu Gott um eine Eingebung, was ich mit dem Kind tun sollte. Ich wollte die Entscheidung nicht alleine tragen. Die Antwort auf meine Fragen erschien in meinem Kopf. Ich warf ihn ins Wasser zu seiner Mutter. Er ging unter wie ein Stein. Deutlicher hätte Gott sein Urteil nicht fällen können.
Mein Verdruss steigerte sich. Max würde herumschreien, Schorsch Vorwürfe machen und dann kamen sicher auch noch Marc und Dick, die Vollidioten, und würden mich auslachen. Ich musste etwas tun, um den Tag zu retten. Die gefangenen Männer waren hartnäckige Schweiger. Und wenn sie etwas sagten, dann stimmte die Information nicht. Wenn ich ein richtiges Geständnis mit vielen Namen bekäme, dann wäre Schorsch wieder versöhnt und Max könnte sich seine Klugscheiße in den eigenen Arsch stecken. Dieser Kran und das Wasser waren ja die perfekte Verhörmethode. Ich schlug mir mit meiner Hand auf die Stirn. Warum hatte ich die Idee nicht schon viel früher gehabt. Außerdem waren sie nachher frisch gewaschen – die stinkenden Bastarde – und Spuren gab es auch keine.
Schlaumeier Max war sowas Gutes noch nie eingefallen.
Ich ging zu den Zellen. Der Verkniffene rührte sich nicht. Eine Blutlache hatte sich bis zur Türe ausgebreitet. Ich machte eine Zelle auf und sagte Nummer Drei, er solle die Schweinerei sauber machen. Er starrte mich an und rührte sich nicht. Verkniff sich wohl sein Lachen. Ich gab ihm zwei Ohrfeigen, doch er rührte sich noch immer nicht. Ich war am Tiefpunkt meines Tages angelangt. Draußen wurden kleine Kinder von Bomben zerfetzt und ich schaffte es nicht einmal diesen Bastard dazu zu bringen, die Zelle zu putzen.
Die Wunde an meinem Schwanz begann wieder zu brennen. Ich brauchte stärkere Schmerzmittel, doch dann würde ich Max erzählen müssen, was mir passiert war. Unmöglich. Nur ein umfassendes Geständnis konnte mich retten. Nummer 8, der Alte, war vermutlich derjenige, der alles wusste. Seine dunklen Augen starrten höhnisch zwischen meine Beine.
„Starr mich nicht an“, rief ich und riss ihn hoch.
„Mitkommen. Verhör.“
Er ließ sich widerstandslos von mir mitschleppen. Selbst, als ich nach unten ging und nicht ins Verhörzimmer, sagte er kein Wort. Ich zog die Kette heraus, nahm die tote Frau ab und warf sie ins Wasser. Sie ging langsam unter. Der Alte konnte es genau sehen. Er sagte noch immer nichts. Ich band ihn an die Kette.
„Du kriegst eine letzte Chance: Gesteh, was du getan hast und wer deine Hintermänner sind.“
Er starrte zu Boden.
„Sieh mich an.“ Dann spuckt mir dieser verfluchte Köter doch mitten ins Gesicht. Ich stieß ihn ins Wasser und versuchte verzweifelt, seinen Schleim von mir runterzukriegen. Als ich halbwegs sauber war, rannte er bereits nach oben.
Ich bekam eine Heidenangst und rannte hinter ihm her. An der versperrten Außentüre erwischte ich ihn. Ich würgte ihn mit aller Kraft, bis er bewusstlos wurde. Dann lockerte ich meinen Griff und trug ihn wieder runter. Dort band ich ihn auf die Kette und ließ ihn unter Wasser. Der feige Hund, tat so als ginge ihn das alles nichts an. Ich war nahe dran, selbst ins Wasser zu springen. Seit einem Jahr, kein Geständnis, keine Namen, und draußen ging ihr Krieg weiter. Wenn ich ihn jetzt nicht zum reden bekam, bedeutete das Millionen Tote, Vergewaltigte, Gefolterte. Unschuldige Frauen und Kinder. Ich betete zu Gott, dass er das verhinderte.
Da kam mir die Idee, dass es Nummer 8 vielleicht etwas anging, wenn die anderen für seine Sturheit ersoffen. Ich holte also den nächsten, band ihn unterhalb an die Kette und ließ ihn ordentlich untertauchen.
Nummer 8 war direkt über ihm und konnte sehen, wie Nummer 2 verzweifelt mit den Armen ruderte und schließlich Luftblasen an die Oberfläche stiegen.
„Gestehst du?“, schrie ich, doch er verarschte mich, sagte die ganze Zeit kein Wort.
Ich fing an zu weinen. Was machte ich nur falsch? Nach fünf Minuten, in denen ich gebetet hatte, dass es nicht so enden dürfte, holte ich den Nächsten. Gleiches wie vorher. Nummer 8 verarschte mich noch immer. Ich hab einen nach dem anderen geholt. Beim letzten, bei Nummer 7 ist mir dann aufgefallen, dass Nummer 8 schon tot war. Ist wohl irgendwann krepiert, ohne etwas zu sagen. War recht finster da unten. Egal, hab ich gedacht. Nummer sieben schreit, dass er alles unterschreibt, wenn ich ihn leben lasse. Also gebe ich ihm einen Zettel und einen Stift. Er schreibt und schreibt und am Ende eine geschwungene Unterschrift darunter. Haufenweise Namen. Hat wirklich alles gestanden. Das war die ganze Mühe doch Wert gewesen. Hab mir dann gedacht, dass es jetzt ohnehin keinen Sinn mehr hätte, ihn alleine in seine Zelle zu bringen. Bei all den Namen brauchten wir ja wieder Platz und ich wollte ihnen keinen Grund geben, unten weiterzubauen. Hab ihn dann auch noch untergetaucht. Hat nicht lange gedauert. Das war mehr, als er verdient hatte.
Nur ein schmales Rechteck, von einem Kreuz in vier Teile gespalten, erhellte die kleine Zelle. Der dickliche Pater bemerkte, dass alles fein säuberlich glatt gestrichen war und aufgeräumt. Selbst der Essnapf und der Löffel standen blitzblank geputzt neben der Tür.
„Das, was du getan hast, ist eine schwere Sünde“, begann der Pater stockend.
"Ich weiß, Vater. Der Zorn hat mich übermannt. Ich soll nicht töten.“
„Du sollst Gottes Gebote beachten und die deiner Vorgesetzten. Der Herr verlangt absoluten Gehorsam von seinen Dienern.“
„Aber es war doch sein Plan, dass ich es tat. Warum hätte er mich sonst mich gerettet, als fünf Tage vor meiner Geburt ein Stich ins Herz, mein Leben beenden sollte. Er ließ die Nadel des Mörders neben mein Herz fahren. Der Doktor dachte, ich sei tot, doch ich hielt still, bis ich aus meiner Mutter war und dann schrie ich ihm meine Verachtung ins Gesicht. Der Arzt und meine Mutter lebten darauf hin nicht lange. Beide schreien sie jetzt wohl in den Feuern der Hölle, gemeinsam mit dem restlichen Abschaum, den Gott von dieser schönen Erde vertilgt. Wehe dem, der sich seinem Zorn entgegenstellt. In den Feuern der Hölle werden sie ewig gebraten bei lebendigem Leib. Ihre Haut wirft Blasen, schält sich, das Fleisch kocht, ihre Lippen springen auf."
Der Priester hatte schon die längste Zeit seine Hand über den Kopf des wie im Fieber redenden Gefangenen erhoben.
"Beruhige dich mein Sohn."
Der Priester wiederholte es, bis der Gefangene schließlich keuchend still wurde und schließlich gefasst weiter erzählte.
"Es war doch alles sein Wille. Er brachte mich mit Schorsch und seinen Kameraden zusammen. Er schickte sie, damit sie mich lehrten, dass zu tun, wozu sie nicht in der Lage waren. Wenn so viele gerettet werden können, müssen dürfen wir nicht zögern.“
Der Pater hielt beide Hände über den schweißgebadeten Gefangen.
„Benedictus“, sagte er. „Auch wenn deine Absichten gut sind, musst du deinen Vorgesetzten gehorchen und deinen Zorn beherrschen. Als Zeichen deiner Reue wirst du 11 Tage in dieser Zelle mit Gebet verbringen. Du wirst nichts zu dir nehmen, außer Brot und Wasser. Gehe hin und deine Sünden sind dir vergeben.“
„Danke Pater“, stammelte Benedictus.
„So spreche ich dich los von deinen Sünden. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Der Pater schlug ein großes Kreuzzeichen über seinem Kopf.
„Amen.“
Vor der Zelle traf der Pater Schorsch.
„Habt ihr die Leichen weggeräumt?“, fragte er.
Max nickte. „Er hat tatsächlich weitere Namen der Terrorzelle rausbekommen. Hätte ich ihm nicht zugetraut. Wie lange wirst du ihn da drinnen schmoren lassen?“