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- 26.11.2004
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Betrachtungen über die, die einfach nur dasteht
Oft wünsche ich mir, ich könnte so sein wie sie. Sie steht den ganzen Tag da, tut nichts, geniesst Sonne, Regen, Wind. Nichts bringt sie aus der Ruhe, weder die Zeit, die vergeht, noch die Dinge, die geschehen. Sie steht einfach nur da.
Wenn sie reden könnte, denke ich mir oft, könnten wir uns lange unterhalten. Über belanglose Dinge. Zum Beispiel wer gerade die Fussballmeisterschaft gewonnen hat oder welcher Politiker wieder einen Krieg befohlen hat. Oder über wirklich wichtige Dinge: Das Leben. Doch sie redet nicht, sie steht einfach nur da.
Ich bin sicher, wenn wir alle so wie sie wären, gäbe es keine Probleme auf der Welt. Alles wäre ruhig, denn wir würden alle nur da stehen, nichts tun. Einander bekriegen könnten wir nicht, wir könnten nicht weiter gehen, als es unsere Wurzeln erlauben. Wir würden warten, und geniessen. Warten auf Regen, der uns neue Kraft verleiht. Und die Sonne, die uns zart und sanft mit ihren Sonnenstrahlen bescheint, geniessen. Nichts könnte uns aus der Ruhe bringen, niemand könnte uns zu nahe kommen. Wir würden einfach nur dastehen.
Ich betrachte sie noch lange, wehmütig. Wie gerne wäre ich wie sie! Doch sie scheint es nicht zu bemerken. Ihr scheint es egal zu sein. Sie steht einfach nur da.
Als ich des Betrachtens müde bin, stehe ich auf. Sie wiegt sich leicht im Wind, der meine Bewegungen erzeugt. Das tut sie immer, wenn ich an ihr vorbei gehe. Ich frohlocke. Voller Freude renne ich zum Brunnen, fülle die Wasserkanne, und beginne sie zu giessen. Sie bewegt sich leicht unter den Tropfen, die auf sie fallen, doch als die Kanne leer ist, steht sie wieder einfach nur da. Sie, meine Zimmerpflanze.
Auch morgen wird sie einfach nur dastehen.