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Bettgeflüster
Das Türblatt kratzte über den groben Teppichboden. Kein wirkliches Problem, es war kaum vernehmbar. Sie hatte stets einen sehr tiefen Schlaf.
Trotzdem bemühte Daniel sich, kein unachtsames Geräusch zu verursachen. Vorsichtig trat er an das Bett heran. Sie lag wie immer in der dem Fenster abgewandten linken Hälfte. Zugedeckt. Und das bei der angestauten Wärme in dem Raum. Verrückt. Fehlte nur noch, daß sie tagsüber in der Gluthitze dieses Sommers in einem Pelzmantel flanieren ging.
Das schwache Licht des Mondes war gerade hell genug, daß er ihr faszinierend schönes Gesicht erkennen konnte. Die Bettdecke mit den Gizmo-Motiven – Gizmo macht Handstand, Gizmo winkt, Gizmo zieht eine niedliche Grimasse – hob und senkte sich kaum merklich.
Einen Moment lang überlegte Daniel, ob er sich zu ihr legen sollte. Er entschied sich, neben ihr zu sitzen. Sie anzusehen. Er mußte mit ihr reden. Das ging im Sitzen leichter.
Er griff nach dem Stuhl neben ihrem Nachttisch und stellte ihn an das Kopfteil des Bettes. Sie hatte Bluse und Jeans über die Lehne gehängt. Daniel legte die Kleidungsstücke auf den Boden. Die Gürtelschnalle der Jeans klapperte blechern. Besorgt blickte er auf die Schlafende, aber sie rührte sich nicht.
Auf dem Sitz lag ihr schwarzer String. Er nahm ihn fort und setzte sich. Der seidene Stoff in seiner Hand fühlte sich herrlich an. Er roch an dem Slip. Das war unverkennbar sie. Das war ihr Duft, ihr Aroma. Kein Wohlgeruch kam diesem gleich. Er atmete tief ein und füllte seine Lungen mit dem Bouquet ihres Schoßes. Einige Sekunden schloß er die Augen, saß da und genoß. Dann legte er auch den Slip auf den Boden. Es war nicht die Zeit für sexuelle Gelüste.
Sie lag auf dem Rücken, die Hände über der bis zum Hals hochgezogenen Decke. Ihr Kopf zur Seite geneigt, die rechte Wange auf dem Kissen. Ihre langen schwarzen Haare umrahmten ihr Gesicht wie ein Vlies. Sanft geschwungene Brauen. Die blauen Augen von Haut überdeckt; aber er wußte um ihr Strahlen, um ihren Bann. Die Nase stupsig, dennoch wohlgeformt. Ihr sinnlicher Mund zu einem leisen Lächeln geschlossen. Hände mit feingliedrigen Fingern, zarte Verästelungen unter der Haut. Unter der Decke verborgen der Quell aller Extase.
An dem Tag, als Gott diese Frau erschuf, konnte er noch nicht so müde und desinteressiert gewesen sein, wie er es derzeit war. Unzweifelhaft ein Visionär, der den Glauben an sich selbst noch nicht verloren hatte. Er war mit einem heiligen Enthusiasmus ans Werk gegangen und hatte sein schöpferisches Meisterstück geschaffen – einen Himmel, wie ihn die Bibel verschwieg.
Daniel liebte sie. Er begehrte sie. Er hatte seinem alten Leben entsagt, um bei ihr zu sein. Mit ihr zu sein. Sie war sein Leben.
Aber er mußte jetzt wirklich einmal ernsthaft mit ihr reden.
„Eva...“
Seine Stimme war leiser als der Flügelschlag eines Schmetterlings.
„Ich möchte mit dir reden... na ja, irgendwie.“
Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. So war er ihr näher. Er hörte ihren Atem.
„Tut mir leid mit dem Streit, weißte? War falsch von mir. Weiß ich doch. Habs ja nicht so gemeint.“
Ob sie ihn wohl hören konnte? Bewußt nicht, das war klar. Aber unterbewußt?
„Ich liebe dich doch... Kannst mir doch nicht ewig böse sein. Weißt doch, daß ich dich brauche. Nur dich. Ganz allein dich.“
Vielleicht würde es ja etwas bewirken. Wie in der Werbung: immer auf das Unterbewußtsein zielen.
Kaufen Sie diesen Weichspülscheiß. Immer wieder. Kaufen Sie diesen Weichspülscheiß, und Sie werden glücklich und zufrieden und reich und gesund... Bumm bumm bumm... Weichspülscheiß... scheiß... scheiß... kaufen Sie...
„Hab mich doch schon entschuldigt. So oft schon. Was soll ich denn jetzt noch tun? Du fehlst mir. Ich kann nicht ohne dich.“
Mühsam hielt er die Tränen zurück.
„Es war doch nur... wärste denn nicht eifersüchtig gewesen? Verstehste mich nicht wenigstens ein bißchen? Wenn du alleine weggehst, und da sind dann überall diese Typen... ich weiß doch, wie die sind. Wollte dir doch gar nichts unterstellen, hab halt einfach Angst gehabt. Vielleicht trinkste mal ein bißchen zuviel, oder einer von diesen Scheißtypen kriegt dich irgendwie rum... Die wollen doch alle nur das Eine. Das würde ich nicht überleben, wenn du... Weißt doch, ich brauche dich.“
Es war wie bei seinen Selbstgesprächen auf dem Klo oder unter der Dusche oder im Park, nur daß diesmal Eva dabei war. Ganz bestimmt konnte sie ihn hören, tief in ihrem Schlaf. Ganz bestimmt würde sie ihn verstehen. Liebe heißt doch immer auch Verzeihen.
„Warum konnteste das denn nie verstehen? Hätteste keine Sorgen, wenn ich ohne dich weggehen würde? Ich liebe dich, deswegen möchte ich meine Zeit mit dir verbringen. Du bist mir wichtiger als alles andere auf der Welt. Weißte doch.“
Beim letzten Streit war Eva weinend aus seiner Wohnung gerannt. Er hatte sie ziemlich laut angeschrieen. Und ihr eine Ohrfeige gegeben. Keine richtige, nicht so richtig fest. Sie kannte das doch; er hatte sie nie richtig geschlagen. Es war mehr ein Symbol gewesen für seine Wut darüber, daß sie am darauffolgenden Tag mit einigen Bekannten ausgehen wollte. Allein. Ohne ihn.
„Bin nie ohne dich weggegangen. Das ist doch... ich weiß nicht... das paßt doch nicht. Wenn man sich so liebt wie wir, dann will man doch auch zusammen sein. Dann genügt man sich doch. Ich hätte doch immer mitgehen können, ich hätte doch nicht gestört. Wäre nur gerne bei dir gewesen. Hab dich doch auch immer mitgenommen. Weil ich dich liebe. Liebst du mich denn nicht so sehr?“
Er zupfte nervös an seiner Nase. Was, wenn sie ihn nicht hörte? Was, wenn sich nichts änderte? Ein weiteres Jahr Trennung würde er nicht überleben. Ein weiteres Jahr ohne jegliche Reaktion auf seine SMS, Anrufe, Briefe und Gedichte... Verdammt nochmal, er hatte sich so eine Scheißmühe bei allem gegeben. Sie mußte doch begreifen, wie wichtig sie ihm war. Was sollte er denn noch tun, damit sie zurückkam? Was glaubte sie eigentlich, wer sie war?!
Daniel verspürte Durst. Er mußte jetzt erst einmal etwas trinken.
Mit einem Glas Mineralwasser in der Hand ging Daniel von der Küche ins Wohnzimmer und machte das Licht an. Sie hatte die Couch umgestellt. Letzte Woche noch an der Wand, stand sie jetzt unter der Fensterbank. Eva liebte die Abwechslung. Ein Schraubenzieher mit grünem Gummigriff lag auf dem Marmortisch. Dabei hatte sie doch so wenig Geschick für handwerkliche Dinge. Warum nur hatte sie ihn nicht gebeten, ihr zu helfen?
Neben dem Fenster thronte auf einem Podest der Käfig von Mr. Eagle, dem putzigen grünen Wellensittich, den Daniel ihr damals zum ersten Jahrestag geschenkt hatte. Die Villa des Königs der Lüfte war mit einem Handtuch verhängt. Vögel waren aber auch zu dumm; kaum warf man ihnen eine Decke über´s Dach, verstummten sie.
Sein Blick fiel auf den CD-Ständer. Ob sie noch...?
Er stellte das Glas auf den Tisch und suchte nach einer ganz bestimmten Scheibe. Tatsächlich, sie hatte sie noch.
Robbie Williams, Road to Mandalay.
Ihr gemeinsames Lied. Vielleicht saß Eva ja jeden Abend in ihrem Wohnzimmer, hörte diesen Song und dachte an die guten Zeiten zurück. Warum sonst würde sie die CD noch haben? Sie liebte ihn noch, so schnell konnte man eben nicht vergessen. Schon gar nicht, wenn man für einander geschaffen war, so wie sie beide. Vielleicht brauchte sie einfach nur noch ein bißchen mehr Zeit. Er würde ihr alle Zeit der Welt geben, wenn sie nur zurückkäme.
Er lehnte die Wohnzimmertür an, setzte sich den Infrarotkopfhörer auf und legte die Scheibe in den Player. Mit den Fingern dirigierte er ein unsichtbares Orchester. Es war schön, die Melodie zu hören. Fehlte nur noch Eva in seinen Armen.
Everything I touched was golden
Everything I loved got broken
On the Road to Mandalay
Every mistake I´ve ever made
Has been rehashed an then replayed
As I got lost along the way
Robbie sang ihm aus der Seele. Das Leben war nicht fair. Man verlor ständig. Daniel wollte nicht mehr verlieren.
Im Wohnzimmerschrank stand ein neues Bild. Eva küßte einen langhaarigen Scheißkerl. Das Liebespaar trug Winterkleidung. Im Hintergrund Skifahrer. Vielleicht ein halbes Jahr alt, die Aufnahme.
Eine Erkenntnisinjektion in schmerzhafter Überdosis.
„So ist das also... So ist das also!“
Mit drei Schritten war er beim Käfig, griff unter das Handtuch, öffnete die Klappe und packte Mr. Eagle. Der zutrauliche Kerl war mindestens so naiv wie Eva, die immer noch nicht die Spur einer Ahnung von seinen gelegentlichen Nachtbesuchen zu haben schien; einen Zweitschlüssel zurückzugeben bedeutete nicht zwangsläufig, auch den Nachschlüssel abzuliefern. Arme naive Eva.
Und armer naiver Mr. Eagle. Er glotzte Daniel an, als wäre dieser der Heilsbringer. War er aber nicht. Daniel brach ihm mit einem Ruck das zarte Genick. Dann griff er nach dem Schraubenzieher auf der Fensterbank. Mit dem gefiederten Leichnam in der einen und dem Werkzeug in der anderen Hand eilte er aus dem Raum.
Schweratmend stand er vor Eva. Sie schlief immer noch ihren süßen kleinen Schlaf. Ihr entspannter Gesichtsausdruck empörte Daniel.
Was grinste so blöde? Verarscht haste mich... nur verarscht.
Die Gedichte, die Briefe. Wofür das alles? Ein Jahr Warten, ein Jahr Hoffen.
Verarscht. Verarscht. Verarscht. Ich hätt dir die Zeit gegeben, die du brauchst. Aber hast mich ja nur verarscht.
Er setzte sich wieder auf den Stuhl und dekorierte die Bettdecke in Höhe ihres Bauchnabels mit dem dahingeschiedenen Flattermann. Der aufgesperrte Schnabel verlieh Mr. Eagle posthum einen leicht debilen Ausdruck im Federnantlitz.
Eva hatte beide Arme über der Decke, ihre Handflächen lagen auf dem Stoff auf und verdeckten Teile der dämlichen Gizmofratzen. Sie lag dort wie aufgebahrt, eingehüllt in ein Totenkleid mit den Abbildern der Kuscheltiere ihrer Jugend.
Er betrachtete ihr Gesicht erneut. So perfekt war sie gar nicht. Man mußte sich nur die Mühe machen und mal genauer hinsehen. Sie hatte Pickel, kleine rosafarbene Erhebungen auf ihrer Stirn, um die sie immer ein jämmerliches Theater machte – und das mit fast dreißig Jahren.
Daniel streckte die rechte Hand, mit der er den Griff des Schraubenziehers umklammerte, aus und näherte die abgenutzte, rostüberzogene Spitze den Pickeln.
Er zählte die Unreinheiten ihrer Haut, während er mit dem Schraubenzieher wie mit einem Zeigestock auf einen Pickel nach dem anderen zeigte.
„Siehst aus wie ein Streuselkuchen. Tu was gegen deine Pickel. Verdammter Streuselkuchen.“
Er zog die Hand wieder zurück, hob ihren Slip vom Boden auf und fuhr sich mit dem Stoff durch das Gesicht. Sie würde ihm niemals mehr erlauben, den Ursprung dieses Duftes zu sehen, zu berühren, zu schmecken. Zum Teufel damit, wer wollte das auch schon. Es roch nach Möse... salzig, urinhaltig. Nein, eindeutig nicht sein Ding. Es stank schon fast.
„Solltest dich mal mehr waschen!“
Ach was, vergebene Liebesmüh. Sie hatte eh nie auf ihn gehört. Alles hätte so schön sein können, wenn sie nicht immer ihren scheiß emanzipierten Gedanken nachgehangen hätte. Getrennt ausgehen... da wußte man doch sofort, was da gespielt wurde. Er war schließlich kein Dummkopf.
„Ich wollte Kinder von dir... weißte noch? Jetzt machste die Beine für ´nen andren breit. Weißte, wie weh das tut? Weißte das?“
Der Schraubenzieher näherte sich im Schleichgang ihrem rechten Auge. Millimeter vor dem Lid verharrte er. Zwischen Haut und Stahl hätte nicht einmal mehr eine Münze geschoben werden können. Öffnete sie jetzt ihre Augen, dann würden ihre Wimpern die schartige Werkzeugspitze streifen. Wie lange würde es dauern, bis sie verstand?
Er malte sich aus, wie sie erwachte, die Augen aufschlug und ihn sah. Wäre nicht eine entsetzte Reaktion die zu erwartende Folge? Ein Angstschrei? Ein ruckartiges Aubäumen gar? Damit würde sie sich selbst den Stahl durch´s Auge treiben. Wie mochte das aussehen? War das unabänderlich tödlich? Lief das Auge dann aus? Blut? Geleeartige Flüssigkeit? Klebrige Tränen?
Er hatte keine Ahnung. Aber sie trüge die Schuld an ihrem Leid, soviel stand fest. Kein Gericht der Welt könnte ihn dafür anklagen, nicht einmal die gefönten Fernsehrichter im Nachmittagsprogramm. Sie hätte die finale Bewegung gemacht, nicht er. Er könnte argumentieren, er hätte nur die offensichtlich locker gewordene Schraube in ihrem Schädel nachziehen wollen. Welches Gesetz wollte ihm das ernsthaft verbieten?
Vorsichtig zog er mit dem Schraubenzieher die Linie ihrer Augenbraue nach. Einen Moment gab er nicht acht, die Spitze berührte die feinen Härchen. Evas Hand zuckte nach oben. Daniel riß den Schraubenzieher zu sich. Ein Seufzen, ein Brummeln, dann drehte sie sich auf ihre linke Seite. Sie war nicht aufgewacht. Natürlich nicht. Sie hatte ganz gewiß einen guten Schlaf, gefühlskalt wie sie war. Sie war gewiß nicht jeden Abend im Kummerrausch. Wahrscheinlich hörte sie sogar Road to Mandalay, wenn sie ihren neuen Hengst einritt. Dem Flittchen war doch alles zuzutrauen.
Mr. Eagle kugelte ungelenk auf die Matratze herunter. Daniel hob den haltungsschwachen Federfreund auf und legte ihn auf den Nachttisch.
Schwarze Strähnen waren Eva in die Stirn gerutscht. Vorsichtig schob er den Schraubenzieher unter die Haare und lupfte sie an. Er ging äußerst behutsam vor; wenn die dünnen Haarspitzen über ihre Haut rutschten, dann würde sie das Kitzeln vielleicht wecken.
Das wollte er vermeiden. So, wie sie dalag, war sie wunderbar. Sie hielt die Klappe und schwafelte nichts von einengenden Beziehungen, unerträglicher Eifersucht und prügelnden Männern. Sie machte keine Schwierigkeiten – und das sollte auch so bleiben.
Ihre dünnen Haare bogen sich durch, als er den Schraubenzieher immer weiter unter den Strähnen in Richtung Spitzen schob. Er zischte einen Fluch, weil sein Hand zitterte. Die Vibrationen übertrugen sich auf das Werkzeug, auf die Haare, auf die Stirn. Aber es gelang ihm, die Strähnen unbemerkt fortzuheben.
So war es schon viel besser. Freie Sicht auf ihr Pickelgesicht.
Der Schraubenzieher wanderte tiefer, zeichnete die winzigen Falten ihrer Stirn nach; sie grübelte eindeutig zu viel, das war nicht gut für die Haut. Und weiter, an der Nasenwurzel entlang, an der sich die Augenbrauen Guten Tag und Gute Nacht sagten. Und Schlaf schön nicht zu vergessen. Die Stupsnase entlang, wie ein Skispringer, der auf einem Luftposter eine Schanze hinunterfährt. Eigentlich sah die Nase ja aus wie die eines Schweines. Die großen Nasenlöcher forderten ihn geradezu heraus. Mit einer nahezu chirurgischen Präzision führte er den Stahl in ihr rechtes Nasenloch ein, nur ein wenig, nur so viel, daß die abgenutzte Spitze des Werkzeugs darin verschwand. Ein kleines Kunststück bei ihrer Kopfhaltung, aber Daniel war Handwerker. Es war ein kritischer Augenblick. Käme er gegen die Nasenwände, würde sie aufwachen. Kein Zweifel. Vielleicht roch sie ja auch das rostige Metall.
„Er darf dich überall berühren, oder? Darf er doch. Oder? Klar. Dumme Frage.“
Ein Schweißtropfen rann seine Wange hinunter. Er beachtete ihn nicht.
„Ist er gut? Besorgt er es dir? Weiß schon, darum willste auch nichts mehr von mir wissen. Machst lieber mit anderen rum. Hast mich nur verarscht.“
Er führte den Stahl noch eine Winzigkeit tiefer in ihre Nase ein. Er fand, es sah ganz witzig aus.
„Hast mir immer gesagt, daß du mich liebst. Ich Arschloch hab dir geglaubt. Wolltest doch immer nur mit anderen los. Schon klar. Ach, scheiß was drauf.“
Für einen Sekundenbruchteil war er geneigt, den Schraubenzieher durch die Nasenhöhle in ihr Gehirn zu treiben. Er würde sich nur einmal in seinem Leben überwinden müssen, etwas durchzuziehen. Nur ein einziges Mal. Und dann...
See you, mein Engel.
Zwei weitere Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn. Er zog den Stahl vorsichtig wieder aus ihrer Nase und wischte sich mit dem Handrücken das Salz von der Haut.
Ihr Mund war leicht geöffnet. Die weißen Zähne schimmerten durch den rosafarbenen Spalt.
„Lachst du etwa? Hast vielleicht sogar noch Spaß daran. Mit mir kannste das ja machen. Hm?“
Er kniff die Augen zusammen. Bloß nicht heulen, nicht jetzt.
„Haste dich aber geirrt. Aber ganz gewaltig.“
Der Schraubenzieher näherte sich ihrem Hals und beschrieb einen Bogen über ihrem verborgenen Adamsapfel. Eigentlich ein dummes Wort. Evapflaume paßte doch viel besser.
„Ja, du bist Eva. Und weißte, was? Du bist auch ´ne Pflaume.“
Zu blöd zu allem. Nicht mal fähig, zu lieben.
Noch etwas wurde ihm bewußt. Sie war nicht nur Evapflaume, sie hatte auch eine Evapflaume. Eine gut besuchte, wie es schien.
„Kennst doch die Geschichte von Adam und Eva, oder? Hättst besser nicht in den Apfel gebissen. Hättst dir besser nicht in die Pflaume beißen lassen. Warst im Paradies. Weißte noch, was mit Eva geschah? Sie mußte raus aus dem Paradies. Adieu, auf Nimmerwiedersehen. Ihren Trottel hats dann gleich miterwischt.“
Die zerschlissene Spitze senkte sich einen Hauch tiefer. Sie berührte die Haut.
„Wenn ich dich nicht haben darf, dann soll dich niemand haben. Verstehste?“
Keine Antwort. War sie zu feige?
„Verstehste. Eva... Schatz, aufwachen. Aufwachen!“
Ein Flackern ihrer Augenlider. Sie seufzte. Ihre linke Hand fuhr zum Hals, wollte sich des störenden Gegenstandes entledigen. Sie berührte den Stahl. Ihre Augen öffneten sich. Eine erstaunliche Irritation spiegelte sich in dem blauen Wunder wider.
„Sei mir nicht böse, Engelchen... bitte!“
Der Rest war Schweigen. Seinerseits. Ihrerseits natürlich auch. Das lag in der Natur der Sache.