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- 26.01.2006
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Bettgeschichten
Ich liege hier. Wach in meinem Bett. Und ich starre an die Wand. Eine einstig wohl weiße Wand, tagsüber gelblich und bei Nacht genauso grau, wie alles andere im Raum. Und ich nehme mir vor, sie irgendwann zu streichen, so wie ich mir das jede Nacht vornehme. Wie viele Nächte schon, das weiß ich nicht. Vielleicht werde ich ja irgendwann durchdrehen. Böse Vorstellung...
Heute ist Mittwoch, oder schon Donnerstag. Oder vielleicht auch Freitag, falls gestern schon Donnerstag war und nicht Mittwoch. Aber wen interessiert das? Ich drehe doch eh bald durch. Böse Vorstellung...
Ich drehe mich rum und mache mein Handy jetzt entgültig aus. Du rufst eh nicht mehr an. Ich drehe mich zurück und starre wieder an die Wand. Du hast schon lange nicht mehr angerufen. Keine Ahnung wie lange. Aber wenn du angerufen hast, dann hast du immer von der Toskana erzählt. Davon, dass du mit mir endlich nach Hause willst. Ich hab mir das oft vorgestellt. Das Rauschen des Meeres, die kühle Brise in der Nacht. Ich mache mein Fenster auf, aber hier ist die Luft nur kalt. Eiskalt. So kalt, dass man fast durchdreht, wenn man zu tief einatmet. Böse Vorstellung...
Ich höre Stimmen, draußen sind Leute. Keine Ahnung, ob die sich grad begrüßen, oder verabschieden. Jedenfalls kreischt ständig einer „Heil Hitler!“. Als wäre es seit heute cool, seine Dummheit offen zu zeigen. Ich glaube, sie wissen, dass ich hier wohne, sie wissen, dass ich dich kenne und sie wissen, dass ich sie hören kann. Sie wissen, wie sehr mich das quält. Das wissen sie viele Nächte schon. Ich könnte durchdrehen, wenn ich nur daran denke. Böse Vorstellung...
Ich mache mein Fenster wieder zu und starre dann, in völliger Blödheit wieder an die Wand. Einstig war die weiß, tagsüber ist sie jetzt gelblich und nachts, wie alles hier grau. Ich nehme mir vor, sie irgendwann zu streichen. Das nehme ich mir vor, seit der Nacht nach dem Anruf, wo deine Mutter mir sagte, dass sie dich tot in der U-Bahn gefunden hätten und ich zu der Station gefahren bin und nur noch einen Polizisten antraf. Und der mir dann sagte, dass es ein besonders schwerer Übergriff rechtsradikaler Gewalt war. So was hatte er auch noch nicht gesehen. Verdammt, wen interessiert das denn?
Jetzt mache ich mein Handy wieder an. Vielleicht rufst du ja doch noch an. Ich schließe die Augen und hoffe, heute Nacht nicht durchzudrehen. Weil ich dir doch morgen noch neue Blumen bringen will.