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Beziehungskrise
"Was ist los, mein Schatz?"
Nichts. Mir geht´s gut.
"Ja, das sehe ich. Kaust wie ne Besessene auf deinen Fingernägeln rum und schielst ständig nach deinen Kippen, ohne dir eine anzustecken... was soll das werden, wenn´s fertig ist?"
Ich will mir nur die zwei letzten Kippen in der Schachtel einteilen.
"Während du schreibst? Du machst wohl Witze! Na los, stöpsel dir deinen MP3-Player in die Ohren, maschier zur Tanke und hol dir ne neue Schachtel!"
Nee... nicht heute.
"Willste jetzt das Rauchen aufgeben oder was?"
Nee...
"Was dann? Mädel, jetzt rück mal raus mit der Sprache, irgendwas ist doch. Mir kannst du´s doch erzählen. Ich bin dein Freund. Oder magst du mich jetzt plötzlich nicht mehr?"
Doch...
"Dann schnack mal Klartext. Kannste doch sonst auch so hervorragend."
Hm....
"Hemmungen? Dann geh zur Tanke und hol mich ab. Du kaufst dir ne Schachtel Pall Mall, wir machen uns nen schönen Abend, ich bin dir beim Klartextsprechen behilflich, und du kannst wie´n Schlot quarzend irgendwas in die Weltgeschichte tipseln."
Ich... ich kann nicht. Ich hab Angst. Oder so. Frag nicht wieso, aber heute sollten wir uns nicht treffen.
"Wa... WIE BITTE? Hör mal, Frollein, betrügst du mich etwa? Ist dieser verrauchte Grüne wieder bei dir? Der bringt´s auf Dauer nicht, Schätzchen, und das weißt du ganz genau! Wie oft hast du dich tagelang nicht bei mir gemeldet, nur um mich dann aus heiterem Himmel irgendwann zu nem flotten Dreier einzuladen, weil der Macker dich schlicht gelähmt hat!"
Laber mal nicht so abfällig über Jonni, ihr zwei seid doch gar nicht miteinander vergleichbar...
"Ich war immer da, wenn er dich ans Sofa geleimt hat, und hab deinen Arsch wieder raus gerissen. Ich bin überhaupt immer da, wenn´s dir schlecht geht und du nicht in die Gänge kommst! Ich meine... guck dir mal an, was für ne Scheiße du da gerade schreibst! Aber wenn du dir nicht helfen lassen möchtest, bitteschön...."
Jetzt sei bitte nicht eingeschnappt, ich hab´s doch nicht so gemeint, es ist nur... ach, das verstehst du eh nicht.
"Was verstehe ich nicht?"
Nix. Schon gut.
"Also, das ist ja... ah. Aaaah, jetzt wird mir einiges klar. Du hast wieder irgendeinen Mist gelesen, stimmt´s? Hast dir wieder von irgendwem irgendwas einreden lassen, richtig? Was war´s denn diesmal? Wieder der übliche 'Er ist kein Umgang für dich, du hast die Kontrolle über ihn verloren und jetzt macht er dich fertig'-Scheiß?"
Wenn du´s genau wissen willst: Ja, allerdings. Aber diesmal war´s anders.
"Was kann an derselben Lüge denn diesmal anders gewesen sein? Seit Jahren versuchen sie dir einzureden, daß unsere Beziehung zu hemmungslos sei, daß ich eine viel zu große Rolle in deinem Leben spiele, daß ich dich früher oder später zugrunde richte und was weiß ich noch alles. Diese Leute haben keine Ahnung, wovon sie reden!"
Wie gesagt, diesmal war´s anders. Die Leute, von denen ich gelesen habe, kennen dich.
"Was? Mich?"
Sie kennen dich ganz genau. So wie ich dich kenne. Seltsam, was?
"Warte mal... du meinst doch nicht etwa die Jungs vom Blauen Buchclub, die "12 steps to heaven"-Sekte, diese teetrinkenden Labertaschen, die die ganze Welt bekehren wollen und jeden verdammten Tag in der Woche ihren weinerlichen Gottesdienst veranstalten, welchen sie verlogen und ganz wichtig als "Meeting" tarnen?!"
Sie haben gesagt, daß du ne Krankheit bist.
"Ach. Haben sie das. Und? Bist du krank?"
Ich? ...nein.
"Na also. Und wo ist jetzt das verdammte Problem?"
Was, wenn sie recht haben?
"Das sind Spinner, die leben in ihrer eigenen Welt, die haben mit uns beiden überhaupt nichts zu tun. Ich war immer gut zu dir, oder?"
Ja... nein. Nein! Gestern zum Beispiel! Ich hab mir die Seele aus dem Leib gekotzt, zwei oder drei Male, deinetwegen! Und du bist Schuld, daß ich nicht mal genau weiß, wie oft ich kotzen musste! Die ganze Schüssel war rot, wer weiß, vielleicht war Blut dabei, und mir schmerzt jetzt noch die Kehle, wenn ich schlucke!
"Bababababa, jetzt mal gemach, ja? Was kann ich dafür, wenn du dich nicht beherrschen kannst? Und außerdem - was hast du gestern zum Mittag gegessen?"
Tofu Rosso...
"Ach. Und der hat welche Farbe?"
Rot... aber -
"Nix aber. Das ist wieder typisch für dich, du liest irgendwas von dahergelaufenen Heinis, die dir was von Einigkeit, Dienst und Genesung erzählen wollen, und du hast nix Besseres zu tun, als dich erstmal ordentlich verrückt zu machen. Aber dafür liebe ich dich irgendwie, mein kleiner Hypochonder."
Wenn du mich liebst, warum bringst du mich dann dazu Dinge zu tun, die ich nicht tun will?
"Zum Beispiel?"
Mich wie ein absoluter Idiot, ne läufige Hündin, ne abgedrehte Psychopathin zu benehmen, zum Beispiel. Alles stehen und liegen zu lassen, auf das Morgen zu scheißen, nur damit ich bei dir sein kann. Zu klauen, damit ich bei dir sein kann.
"Okay, bevor du mir noch mehr irrwitzige Vorhaltungen machst, möchte ich, daß du´s mir ins Gesicht sagst."
Was soll ich dir sagen?
"Na das, was diese traditionsbewussten Jungs von dir hören wollen. 'Hallo, mein Name ist Jeque, und ich bin eine von euch'. Sag´s, ich entschuldige mich und lasse dich in Ruhe."
Nee. Das kann ich nicht. Nie im Leben.
"Klar, weil´s gelogen wäre, und du lügst nicht, mein Schatz. Und wenn ich dir sage, daß ich dich liebe, dann ist das die Wahrheit. Komm schon, scheiß auf diese langweiligen Besserwisser und komm zur Tanke. Ich warte auf dich. Wir machen uns einen schönen Abend, feiern und tanzen ein bißchen, oder ich halte dich warm und wiege dich sanft in den Schlaf, ganz wie du möchtest."
Ich kann nicht.
"Liebst du mich?"
Ja....
"Und warum tust du uns das jetzt an?"
Ich weiß es doch auch nicht. Lass mich einfach in Ruhe, okay? Nur heute Abend. Ich muß nachdenken.
"O...kay. Jetzt pass mal auf. Ich werde dir meine Liebe beweisen. Geh ruhig mal zu diesen abstinenten Wortverdrehern, guck dir mal eine ihrer Karo-Kaffee-Messen genau an. Ich werde vor der Tür auf dich warten. Und wenn sie dich auslachen, wegschicken oder irgendwas Krankes mit dir veranstalten wollen, werde ich da sein und dich trösten. Ich werde da sein. Sonst niemand. Weil ich dein Leben bin."
Ich bin müde.
"Lass die anderen ruhig reden. Uns kann niemand auseinander bringen. Und jetzt schlaf schön, meine Süße. Bis morgen."
Bis dann.