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Bhang
Freitag Abend, Bier, Freunde, kiffen.
Die Bong stand in der Mitte, verlockende, runde Formen. Die Stimmung wurde immer ausgelassener und die Runde rückte immer dichter zusammen, je größer der Raum zu werden schien.
Ich war an der Reihe, der Rauch schoss in jede Pore meiner Lunge und mir war so, als würde die Welt in vielen Millionen Teilen in meinem Kopf herumtanzen.
"Zieh! Zieh! Zieh! Zieh! Zieh!..."
Neonlichter, kalt und flackernd. Ein schwarzer, abgenutzter Telefonhörer an mein Ohr gepresst. Ich stand in einer Bahnhofsvorhalle, unter mir ratterte eine U-Bahn. Ein Mann mit schütterem Haar drängte sich an mich und lehnte seinen Kopf an meine Schulter.
Ich sah ihn an:
"Würden sie das bitte unterlassen."
"Verzeihung, ..."
Er wirkte ein klein wenig verstört.
"...aber ich bin Brite."
Mein Herzschlag glich sich langsam dem Takt der flackernden Lichtquellen an, als plötzlich an meinem Ohr jemand sprach:
"Hallo?"
"..."
"Hier Lehmann."
Warum hatte ich dort angerufen? Ich riet ins Blaue hinein:
"Ist Jost da?"
Die Worte "Wer ist Jost?" nahmen Gestalt an und flogen wie zwei blaue Wattewölkchen auf und davon.
Die U-Bahn war fast menschenleer. Ich musterte die Einrichtung. Wenn man Funktionalität und pure Häßlichkeit als zwei Geraden darstellen würde, unterschieden sich die Waggons nur durch den Schnittpunkt.
Zwei Sitze von mir entfernt lehnte eine ältere Frau an der zerkratzten Scheibe und schlief. Neben ihr saß ein riesenhafter Hund auf dem Sitz, zottig und schmutzig.
Er drehte den Kopf.
Er sah mich an.
Er grinste.
Eine tolle Ausicht von hier oben. Ein glutroter Feuerball hinter Häuserdächern, ein Blick auf die schlafende Vorstadt. Auf die Straßenlaterne zu klettern war eine tolle Idee gewesen. Die Wolken zogen dicht über meinen Kopf hinweg, unter mir fuhren lange Schlangen aus Autos Blech an Blech dahin. Hin und wieder auch ein Lastwagen.
"Hey du!"
Ein kleiner Junge stand unter der Laterne, an den Pfahl gelehnt.
"Was machst du dort oben?"
Ich beugte meinen Kopf nach unten:
"Ich schau mir den Morgen an. Ist toll! Komm doch auch rauf."
Kaum hatten die Buchstaben "O" und "K" meine Ohren erreicht, war er auch schon oben.
"Klasse hier!"
Er griff in die Tasche.
"Ich hab hier noch was zu essen. Willst du?"
Ich nahm das Sandwich, welches er mir hinhielt, und biß herzhaft hinein. Es schmeckte gut, ich sah ihn an und verlor den Halt.
Gleißendes Licht umgab mich. Ich konnte gerade noch unter zugekniffenen Augen braune Fliesen erkennen. Nach einer Weile konnte ich auch abgenutze graue Türen erkennen, an denen Türschilder und -spione angebracht waren. Eine sehr alte und heruntergekommene Treppe führte nach oben ins dunkle. Das Licht kam von mehren nackten Glühbirnen an der Decke, die in plötzlicher Zugluft sacht hin- und herschaukelten.
Ich sah mir die Türen an. Eine, ganz am anderen Ende, kam mir irgendwie bekannt vor. Ich ging darauf zu, meine Schritte beschleunigten sich, ich wurde geradezu zu von dieser Tür wie von einem Magneten magisch angezogen. Gerade als ich nah genug war, las ich das Türschild.
"Lehmann".
Der Flur begann sich um mich herum zu drehen, meine Beine knickten ein, im Fallen bekam ich die Türklinke zu fassen.
Da ging das Licht aus.
Kalt presste sich die Wand an meinen Rücken und an meine Ohren drang ein gluckerndes Geräusch.
Wo war ich?
Langsam und tief holte ich Luft und schlug die Augen auf. Das erste was ich sah, war Theos rundes, bärtiges Gesicht zirka fünf Zentimeter über meinem schweben. Sachte und vorsichtig drang seine Stimme an mein Ohr.
"Alles in Ordnung?"
"Ich denke schon."
Tatsächlich begann ich mich besser zu fühlen und ich war sogar imstande, mich an ein paar herumliegenden Bierflaschen in Richtung Zimmermitte zu hangeln.
Dort stand die Bong, verlockende, runde Formen.
Und dann war ich wohl wieder an der Reihe.
"Zieh! Zieh! Zieh! Zieh! Zieh!..."