Was ist neu

Bhang

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13.11.2001
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Bhang

Freitag Abend, Bier, Freunde, kiffen.
Die Bong stand in der Mitte, verlockende, runde Formen. Die Stimmung wurde immer ausgelassener und die Runde rückte immer dichter zusammen, je größer der Raum zu werden schien.
Ich war an der Reihe, der Rauch schoss in jede Pore meiner Lunge und mir war so, als würde die Welt in vielen Millionen Teilen in meinem Kopf herumtanzen.
"Zieh! Zieh! Zieh! Zieh! Zieh!..."

Neonlichter, kalt und flackernd. Ein schwarzer, abgenutzter Telefonhörer an mein Ohr gepresst. Ich stand in einer Bahnhofsvorhalle, unter mir ratterte eine U-Bahn. Ein Mann mit schütterem Haar drängte sich an mich und lehnte seinen Kopf an meine Schulter.
Ich sah ihn an:
"Würden sie das bitte unterlassen."
"Verzeihung, ..."
Er wirkte ein klein wenig verstört.
"...aber ich bin Brite."
Mein Herzschlag glich sich langsam dem Takt der flackernden Lichtquellen an, als plötzlich an meinem Ohr jemand sprach:
"Hallo?"
"..."
"Hier Lehmann."
Warum hatte ich dort angerufen? Ich riet ins Blaue hinein:
"Ist Jost da?"
Die Worte "Wer ist Jost?" nahmen Gestalt an und flogen wie zwei blaue Wattewölkchen auf und davon.

Die U-Bahn war fast menschenleer. Ich musterte die Einrichtung. Wenn man Funktionalität und pure Häßlichkeit als zwei Geraden darstellen würde, unterschieden sich die Waggons nur durch den Schnittpunkt.
Zwei Sitze von mir entfernt lehnte eine ältere Frau an der zerkratzten Scheibe und schlief. Neben ihr saß ein riesenhafter Hund auf dem Sitz, zottig und schmutzig.
Er drehte den Kopf.
Er sah mich an.
Er grinste.

Eine tolle Ausicht von hier oben. Ein glutroter Feuerball hinter Häuserdächern, ein Blick auf die schlafende Vorstadt. Auf die Straßenlaterne zu klettern war eine tolle Idee gewesen. Die Wolken zogen dicht über meinen Kopf hinweg, unter mir fuhren lange Schlangen aus Autos Blech an Blech dahin. Hin und wieder auch ein Lastwagen.
"Hey du!"
Ein kleiner Junge stand unter der Laterne, an den Pfahl gelehnt.
"Was machst du dort oben?"
Ich beugte meinen Kopf nach unten:
"Ich schau mir den Morgen an. Ist toll! Komm doch auch rauf."
Kaum hatten die Buchstaben "O" und "K" meine Ohren erreicht, war er auch schon oben.
"Klasse hier!"
Er griff in die Tasche.
"Ich hab hier noch was zu essen. Willst du?"
Ich nahm das Sandwich, welches er mir hinhielt, und biß herzhaft hinein. Es schmeckte gut, ich sah ihn an und verlor den Halt.

Gleißendes Licht umgab mich. Ich konnte gerade noch unter zugekniffenen Augen braune Fliesen erkennen. Nach einer Weile konnte ich auch abgenutze graue Türen erkennen, an denen Türschilder und -spione angebracht waren. Eine sehr alte und heruntergekommene Treppe führte nach oben ins dunkle. Das Licht kam von mehren nackten Glühbirnen an der Decke, die in plötzlicher Zugluft sacht hin- und herschaukelten.
Ich sah mir die Türen an. Eine, ganz am anderen Ende, kam mir irgendwie bekannt vor. Ich ging darauf zu, meine Schritte beschleunigten sich, ich wurde geradezu zu von dieser Tür wie von einem Magneten magisch angezogen. Gerade als ich nah genug war, las ich das Türschild.
"Lehmann".
Der Flur begann sich um mich herum zu drehen, meine Beine knickten ein, im Fallen bekam ich die Türklinke zu fassen.
Da ging das Licht aus.

Kalt presste sich die Wand an meinen Rücken und an meine Ohren drang ein gluckerndes Geräusch.
Wo war ich?
Langsam und tief holte ich Luft und schlug die Augen auf. Das erste was ich sah, war Theos rundes, bärtiges Gesicht zirka fünf Zentimeter über meinem schweben. Sachte und vorsichtig drang seine Stimme an mein Ohr.
"Alles in Ordnung?"
"Ich denke schon."
Tatsächlich begann ich mich besser zu fühlen und ich war sogar imstande, mich an ein paar herumliegenden Bierflaschen in Richtung Zimmermitte zu hangeln.
Dort stand die Bong, verlockende, runde Formen.
Und dann war ich wohl wieder an der Reihe.
"Zieh! Zieh! Zieh! Zieh! Zieh!..."

 

Hi Chronos,

tja, da hast Du wirklich ein wirkungsvolles Plädoyer gegen bewusstseinsverändernde Drogen geschrieben: Wer an dem Zeug zieht, dem passieren zusammenhanglose Dinge und er weiß überhaupt nicht mehr was los ist.

Allerdings war mir das nicht neu, und es wird wohl kaum einem neu sein, vielmehr sehe ich sogar die Gefahr, dass Leser die Beschreibung nicht als negativ empfinden und somit die Geschichte keine warnende Wirkung entfaltet.

Was mir fehlt, ist eine hintergründige Analyse. Denn man muss das Übel "Drogen" doch an der Wurzel packen, und warum nicht auch in einer Geschichte? Also habe ich Fragen wie: Warum macht der Typ da mit? Da sehe ich als einzigen Hinweis bei Dir den Gruppenzwang: "Er war an der Reihe", und da sagt er halt nicht nein. Aber man könnte da noch weitere soziale Aspekte reinbringen. Was sind das für Leute? Warum machen sie das?

Nochmal zurück zum Mittelteil: Er ist, finde ich, recht beliebig. Er ist nicht schlecht geschrieben, aber es hätte auch irgendwas anderes da stehen können. Warum ausgerechnet ein Mann mit schütterem Haar? Warum grinst der Hund? Es ist eine Aneinanderreihung von Szenen, sehr visuell wiedergegeben, fast wie in einem Film. Sehen wir hier den Einfluss des Fernsehens auf das Geschichtenschreiben? Aneinandergereihte Szenen ohne viel Zusammenhang - genau das ist Fernsehen nicht selten.

Das Problem ist jedenfalls, dass man so kaum Zugang zu der Geschichte findet, ich rase mit dem Prot einfach durch die Bilder und werde am Ende quasi am Anfang wieder abgesetzt und das war's dann. Die Szenen fliegen vorbei und bleiben bedeutungslos, bleiben nicht haften, weil sie zu facettenhaft und fremd sind.

Wie kann man so etwas anders machen?

Schwierig. Gut wären vielleicht wiederkehrende Elemente, an denen man sich entlang hangeln kann. Trivial wäre freilich eine art innere, mahnende Stimme, die in Person eines immer gleichen (nicht unbedingt gleich aussehenden) Gegenparts am Ende jeder Szene auftaucht und vor dem Missbrauch von Drogen warnt. Wie gesagt: Das wäre trivial und ich würde das nicht empfehlen, aber es illustriert vielleicht, was ich meine. An so etwas kann der Leser sich entlang hangeln und hängt nicht völlig in der Luft.

Genug davon, nun zum sprachlichen Aspekt, aber nur kurz, sonst wird diese Kritik länger als die Story :cool: Ich finde den Stil angemessen abgehackt und du hast ihn recht sicher drauf. Einige Stellen finde ich gut gelungen, wie die Sache mit dem Schnittpunkt der Geraden und den Gestalt annehmenden Wörtern und Buchstaben. Ein kunstvolles Gesamtbild will aber in meinem Kopf nicht entstehen, was sicher an der zerrupften Handlung liegt.

Eine Kleinigkeit:

"circa 5cm" besser -> zirka fünf Zentimeter

Fazit: sprachlich und stilistisch ganz okay, inhaltlich ohne erkennbare Linie, teilweise beliebig, wenig Tiefgang.

Uwe

 

Moin Uwe
Zunächst mal Danke für deine Kritik und für das darin enthaltene Lob.

Allerdings war es
nicht meine Intention, etwas gegen Drogenmißbrauch zu schreiben. Ich wollte keinerlei Wertung abgeben. Natürlich lässt sich diese Geschichte trotzdem in beide Richtungen interpretieren.

Die kurzen Szenen, die die Binnenhandlung darstellen, sind extra beliebig gewählt, weil sie aus zufällige Episoden aus dem realen Leben gemixt mit der Fantasie und dem Einfluss der genommenen Drogen des Protagonisten bestehen, und man kann nicht unterscheiden, ob sie tatsächlich und chronologisch passiert sind.

Warum ausgerechnet ein Mann mit schütterem Haar?
Purer Zufall, einfach ein Detail, welches auffällt.

Warum grinst der Hund?
Die Fantasie geht mit dem Protagonisten schier durch.


Genug davon, sonst wird diese Antwort auf die Kritik länger als die Kritik selber. ;)

Die Stelle, auf die du hingewiesen hast, wurde geändert.

Chronos

 

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