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Bienenstich

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05.04.2003
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Bienenstich

Die Tür öffnete sich sehr langsam. Der junge Mann, der sie aufschob, blickte zurück und flüsterte leise mit einer jungen Frau, die hinter ihm stand. Sowohl ihre als auch seine Haltung schrie es geradezu hinaus: Sie wollten nicht hier sein.
Haro hatte schon viele Menschen gesehen, die sich auf diese Art bewegten. Menschen, die vor dem Gesetz und seinen Untergebenen flohen - oder sich zumindest davor versteckten. In gewisser Weise verhielten sie sich wie Kaninchen, die auf die Schlange zugingen und sagten: „Friss mich.“
Die Unterhaltung des Paars endete mit einer geflüsterten Frage. Was immer die Frau auch gesagt hatte – es traf den Mann offensichtlich. Vielleicht wurde seine Männlichkeit in Frage oder ein Ultimatum gestellt. Was auch immer sie gesagt hatte: Er atmete tief ein, dann schob er die Tür auf und betrat das Polizeirevier.
Er hatte sich auf diesen Besuch vorbereitet. Er war glattrasiert, aber die Haut war noch rötlich und hier und da blitzte eine frische Wunde auf. Die Rasur war erst vor kurzer Zeit geschehen und es war offensichtlich, dass er den Bartwuchs vorzog. Er trug sehr gute Kleidung, ein Jackett und eine Tuchhose, offensichtlich neu von der Stange. Beide Kleidungsstücke saßen schlecht und er nestelte immer wieder daran herum, als hätte er noch nie etwas derartiges getragen.
Haro ahnte, was geschehen würde. Wollte dieser Bursche sich etwa der Polizei stellen? Was mochte er wohl angestellt haben?
„Ähm… Hallo.“ Der junge Mann sprach sehr leise, räusperte sich einmal.
„Guten Tag“, sagte er und diesmal klang es bestimmter und männlicher – und dennoch hatte Haro das Gefühl, dass dieser Bursche Reißaus nehmen würde, wenn er nur einmal laut „Buh!“ rief.
Haro lächelte freundlich und versuchte möglichst ungefährlich zu wirken. Er wusste, dass es ihm nicht gelingen konnte. Er war groß, breitschultrig und trug eine Uniform. Ein jeder Gegenüber wurde durch diese Kombination unweigerlich eingeschüchtert. Meistens war das gut – aber vielleicht nicht dieses Mal.
„Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?“ Er sagte das so freundlich wie möglich. Der Bursche tastete mit der linken Hand in der Luft umher, als würde er etwas suchen. Seine Freundin ergriff seine Hand und er entspannte sich etwas.
„Ähm… nehmen wir an, dass ich etwas… Falsches getan habe. Aber gleichzeitig… ist es… sagen wir, etwas Gutes gewesen.“
Hoppla, das klingt aber nicht nach der üblichen Selbstanzeige.
Haro zögerte. Er sah erst den frischrasierten Burschen an, dann das Mädchen. Sie war hübsch. Sie besaß die Sorte einfacher Schönheit, die auf Makeup verzichten konnte. Sie erwiderte seinen Blick nur kurz, dann stieß sie ihren Freund mit dem Ellbogen an. In ihrer freien Hand hatte sie einen Koffer: klein, pechschwarz, mit goldenen Scharnieren und goldenem Griff. Viel zu edel für diese Beiden.
„Ich…“, quickte er und räusperte sich dann erneut. Du wirst morgen keine Stimme mehr haben, wenn du jedes Mal den Hals frei machen musst.
„Ich möchte mich wegen… wegen…“ Er streckte sich und atmete noch einmal tief ein. „Ich möchte mich wegen Einbruch und Diebstahl anzeigen.“
Haro blickte ihn ernst an. Dann sah er wieder auf den Koffer. Das entging den Beiden nicht.
Der Bursche nahm seiner Freundin den Koffer ab und legte ihn auf den Tresen, der sich zwischen ihm und Haro befand. Er nickte ernst und als er weitersprach, schien es, als würde der Mut zum Sprechen in immer größerem Maße anschwellen. Das Schlimmste hatte er hinter sich. Jedes weitere Wort diente nun seiner Verteidigung – und die kam einem Menschen immer leichter über die Lippen.
Haro blickte ihn ernst an. Dann nickte er. „Würden Sie mir in ein Büro folgen? Ihre Freundin kann gerne mit uns kommen.“
Der Bursche nickte. „Ja, okay. Aber… aber rufen sie jemanden von dem deutschen CSI-Ding oder einen dieser Kommissare.“ Er tippte auf den Koffer. „Da drin ist ein Computer und da sind Sachen drauf, die es nicht geben sollte.“ Er verzog die Miene und für eine Sekunde sah es so aus, als würde er in Tränen ausbrechen.
Haro zögerte nur eine Sekunde. Er sah zur Freundin und sie erwiderte seinen Blick. Sie war gefasster als ihr Freund, aber auch sie wirkte unglücklich. Als hätte sie etwas gesehen. Etwas Schreckliches.
Haro griff zum Telefon und rief die richtigen Leute an. Erst als jemand kam, um den Koffer abzuholen, führte er das Pärchen in ein Büro.

Hanna und Torben war die Erleichterung anzusehen. Sie wirkten wie Menschen, denen jemand eine Last abgenommen hatte – und nun drohten sie förmlich davonzufliegen. Haro hörte die nächste Viertelstunde vieles, das er eigentlich hätte aufschreiben sollte. Aber er konzentrierte sich lieber auf Torbens Schilderung und ließ die angedeuteten Ordnungswidrigkeiten zur Seite fallen. Es gab Dinge, die waren schlimmer als das Dealen mit Gras.
„Ich meine, das Dope bezahlt sich nicht von alleine und daher pack ich mal hier und dort an. Ist nicht unbedingt, naja, legal, aber ich beklaue ja keine Kinder oder alte Omis. Ich kenne ein paar Leute, die sowas machen, aber ist trotzdem scheiße.“ Torben lehnte sich zurück. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und erst Haros strenger Blick hatte ihn dazu gebracht, sie wieder auszumachen. Er spielte mit dem Feuerzeug und sah immer wieder zu Hanna. Sie sagte die ganze Zeit nichts. Aber sie lächelte ihn an und tätschelte ihm das Knie und das gab ihm Mut.
„Und… naja, ich hab da so nen Nebenjob in einem Hotel, eigentlich ist es mehr eine Jugendherberge. Eigentlich ganz nett und meistens mach ich auch nichts. Man scheißt ja nicht in die eigene Küche und so.“ Torben rieb sich die Finger. „Und halt an dem Tag hab ich den Aktenkoffermann gesehen. Er hat den Koffer einschließen lassen, aber er war zu geizig für den Hotelsafe, also brachte ich den Koffer in das Hinterzimmer. Und ich war da alleine und ich dachte, naja, so ein Blick kann ja nicht schaden und da hab ich dann den Computer entdeckt. Und dann hab ich am Abend den Koffer halt mitgenommen.“ Torbens Mundwinkel zuckten. „Und… naja, ich bin kein Pro mit Computern, aber ich habe am Abend trotzdem ein bisschen drauf geguckt. Hätte ja was Cooles drauf sein können, vielleicht ein Amateurporno oder sowas. Hat ich schon einmal, die Kleine hatte riesige-“ Hanna stieß ihm den Ellbogen in die Seite und zischte etwas. Sie war so leise, dass Haro die Worte nicht hörte. Vielleicht verstand nicht einmal Torben sie, aber das war auch nicht nötig. Er hüstelte. „Naja und da habe ich dann diesen Ordner gefunden. Lauter Fotos und Filme und…“ Er schluckte schwer. Sein Gesicht nahm eine leicht grünliche Farbe an. „Man, das ist echt krank. Ich weiß, dass ich echt ein bisschen so ein Arschloch bin, weil ich halt klaue und so. Aber dieser ganze Kram, da… da musste ich es einfach irgendjemanden sagen und Hanna meinte, dass ich das Ding zur Polizei bringen sollte. Und… naja, und deswegen bin ich jetzt hier.“
Haro nickte. „Weißt du, wem der Koffer gehört?“
„Klar, Mann, ich hab mich noch am Abend ins Hotel geschlichen und am Computer die Check-In-Details geholt.“ Er zog aus der Innentasche ein dünnes Notizbuch. Torben blätterte eine Weile darin, dann riss er eine Seite raus und drückte sie Haro in die Hand. „Ist ein bisschen krakelig, tut mir leid, Mann. Ich hatte Angst, dass der Typ mich sieht und nachher fragt, wo sein Koffer ist. Wer sich an so einer Scheiße aufgeilt, der hat bestimmt kein Problem damit, jemanden abzuknallen.“
„Und Sie würden das alles vor Gericht aussagen?“
Torben blickte unglücklich drein. „Muss ich ja wohl. Hauptsache der Wichser kommt in den Knast. Aber… Aber sag mal, krieg ich jetzt Ärger wegen dem Klauen und so?“
Haro blickte ihn ernst an. Was konnte er dem Burschen sagen? Er hatte alles gestanden, seine Adresse angegeben und das Beweismaterial zur Polizei gebracht. Das war ein solider Fall von Diebstahl, nahezu wasserdicht.
„Ich will ehrlich sein, Torben. Du kriegst Ärger.“
„Och, scheiße!“
„Aber ich kann dir auch sagen, dass ich dich für einen echt coolen Kerl halte. Und glaub mir, der Richter und der Staatsanwalt werden das genau so sehen.“
„Echt?“
„Klar. Du kriegst eine Strafe, aber die wird ganz leicht ausfallen. Mehr wie ein Klaps auf die Hand. Bewährung oder Sozialdienst, höchstens. Alleine dass du noch einmal ins Hotel gegangen bist, um die Personaldaten zu holen.“ Haro nickte ernst und lehnte sich zurück. „Respekt, mein Freund. Das hätte nicht jeder gemacht.“
Torben blickte seine Freundin an und strahlte. Sie lächelte schüchtern.
So sehen also moderne Helden aus, dachte Haro. Auch wenn es mich in die Scheiße reitet, ich tue das Richtige.

 

Hallo Jandalf,


flüsterte leise mit einer jungen Frau

Geht das, "mit jemandem flüstern"? Klingt sehr umgangssprachlich, wie "mit jemandem schimpfen".


schrie

Plural, ihre und seine.


Sehr viele Gedankenstriche.


„Ähm… nehmen wir an, dass ich etwas… Falsches getan habe. Aber gleichzeitig… ist es… sagen wir, etwas Gutes gewesen.“
Hoppla, das klingt aber nicht nach der üblichen Selbstanzeige.

Ich würde die Inspirationsquelle das nächste mal für mich behalten. Kannst du im Nachhinein immer noch mit kommen. Du verballerst hier viel Pointenpotenzial.


„Schönheit besitzen“ klingt nicht.


quickte

quiekte?


hätte aufschreiben sollte

sollen


Ordnungswidrigkeiten

Das ist der Autor, nicht der Polizist. Verglichen mit Kinderpornographie wirkt Diebstahl auf Ottonormalverbraucher wie eine Ordnungswidrigkeit. Ein Cop kann das aber aus der Hüfte schießen, dass das mehr ist.


Angesichts des unendlich schwierigen Themas Pädophilie (Niemand sucht sich freiwillig diese für andere Menschen gefährliche Neigung aus) sind mir die Figuren zu moralisiert, zu simpel, zu schwarzweiß. Wenn der Punisher oder Batman aus einem Kinderpornos konsumierenden Mafiaboss die Scheiße herausprügeln, geht das klar. Diese Actioncomicwelt lebt von Vereinfachung, da weiß ich, natürlich ist alles viel komplizierter, aber das hier ist Unterhaltung, der Böse ist der Böse und fertig. Die Welt, in der das spielt, hat nichts mit meiner zu tun, ich kann ja nicht mal Energieblitze aus den Kniescheiben abfeuern. Und ja, ich bin mir der Ironie bewusst, dass ich ausgerechnet auf die beiden Superhelden ohne Superkräfte verweise. :D

Hier ist das anders, weil ich du dich auf die Realität berufst. Deine Prots sind grundgut (So sehen also moderne Helden aus), der Pädophile ist Sauron („Wer sich an so einer Scheiße aufgeilt, der hat bestimmt kein Problem damit, jemanden abzuknallen“). Und das zieht sich durch den ganzen Text. Da wirst du deinem heftigen Sujet nicht gerecht. Ich denke mal, du hast dich emotional zutiefst beeindruckt sofort ans Schreiben gemacht. Das ist arg auf Kosten der Glaubwürdigkeit gegangen.


Beste Grüße
JC

 

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