Mitglied
- Beitritt
- 08.01.2018
- Beiträge
- 171
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Bildungsauftrag
Bauer Vogt stieg von seinem Trecker und betrat den Kiosk, dessen Türschild „geschlossen“ behauptete. Vier Herren prosteten ihm zu.
„Da hab ich ja de hiesige Elite auf einem Haufen. Männer, getz is Schluss mittem Frühschoppen, et gibt Arbeit.“
Günther Pawlak sah mit geweiteten Augen auf seine Flasche und setzte schnell an.
„Wieso Arbeit?“, wollte Reinhard wissen. „Is doch Sonntach!“
„Egal! Die Trudi hat de halbe Schule eingeladen, aufn Hof, wegen dat Virus und dat de Blagen ma wieder anne Luft kommen und so. Und getz soll ich da so Dinger aufstellen, so Kästen mittem Lehrstoff drin.“
„Wat für Lehrstoff?“ Pietsch saugte die Flasche leer und sah Vogt mit angehobener Augenbraue an.
„Wat weiß ich? Wer wat erfunden hat … oder kapiert … oder so.“
„Find ich gut.“ Luigi wartete keine weitere Zustimmung ab, nahm seinen Schlüsselbund und sah in die Runde. „Auf gehts, Mädels! Austrinken, wegräumen, Abmarsch!“
Pietsch und Günther füllten einen Kasten mit Flaschen aus dem Kühlschrank.
„Ja, wat?“, fragte Günther. „Bei der Hitze brauch ma doch Arbeitsmaterial, sons läuft da nix.“
Auf dem Hof arrangierte die Runde ein paar Liegestühle vor einer Reihe alter Fenster. Günther teilte Flaschen aus und es wurde angestoßen.
„Dat Prinzip is mir klar“, ließ Reinhard wissen. „Dat Bauen kriegen wa hin, aber wat soll da rein, inne Kästen?“
„Na, irgendwelche Laberköppe und wat die halt so gelabert haben“, riet Günther.
„Aber mit Haken, also mit falsche Namen oder falsche Erfindungen. Dann gibbet wat für zum Raten.“ Pietsch grinste und belohnte sich mit einem kräftigen Schluck für diesen gelungenen Einfall.
„Und wer kennt einen?“ Willi blickte in die Runde.
„Pompejo Pompeji“, schlug Günther vor und kicherte.
„Der is gut“, fand Willi. „Wat soll der erfunden haben?“
„Keine Ahnung … allet? Dat Rad?“
„Nee, dat hat Faraday erfunden“, behauptete Pietsch.
„Auch gut“, meinte Willi, „noch wat?“
„Voltaire! Glühbirne!“ Luigi hielt die Flasche hoch und nahm die Anerkennung der Runde mit einem wohlwollenden Nicken entgegen.
„Marry Curry!“, rief Pietsch, erntete aber nur verständnislose Blicke. „Ja, wat denn, ihr Tütenköppe?“
„Currywurst, oder wat?“ Vogt schüttelte den Kopf. „Pawlak, du Gerüstkellner, erstens hieß die Curie und zweitens weiß doch keine Sau, wer de Currywurst erfunden hat.“
„Dann sach du doch ma wat. Hammerwerfer.“
„Dat gibt so nix“, stellte Reinhard fest. „Luigi, hau nochma einen raus.“
„Einstein. Hat Domino erfunden. Hat aber nich funktioniert.“
Kichern.
„Jut, weiter, noch einen.“ Reinhard notierte und nahm einen ordentlichen Schluck.
Kurz nach Mittag hatten fünf Herren je zwei Fenster in Schaukästen verwandelt und erholten sich von der kurzfristigen Anstrengung. Ein mit aufgeregt schnatternden Schulkindern besetzter Kleinbus bog in den Weg zum Hof ein.
Sophia Ernst dirigierte die Meute souverän an Haus und Stall vorbei zu Trude Vogt, die mit einem Lächeln und Getränken das Empfangskomitee darstellte. „Nett von Ihnen, Frau Vogt, danke noch mal.“
„Getz trinken se ersma wat und de Rasselbande tobt sich aufe Obstwiese aus“, schlug Trude vor. „Der Willi hat da wat gebaut, ich hab et aber noch nich gesehn. Komm ja zu nix.“
Noch ehe die beiden sich entschließen konnten, das entstandene Werk in Augenschein zu nehmen, kamen die ersten Kinder zurück und bombardierten Sophia mit Fragen und Erkenntnissen.
„Du, Frau Ernst, hat Archimedes Benz das Auto erfunden?“
„Äh, nein!“
„Aber Hippokrates Pilsken hat den Körpersaft entdeckt!“
„So ähnlich ...“ Sophia unterdrückte ein Grinsen.
Trude Vogt verdrehte die Augen und suchte vergeblich den Hof nach ihrem Gatten ab.
„Und stimmt das, dass Gunter Sachs Namensgeber für ein Blasinstrument war? Also das … Sachsophon?“
„Willi!“ Trude Vogt stürmte in Richtung der Scheune, aus der es kicherte und klirrte.