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Bindung

Monster-WG
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07.01.2018
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Bindung

Früher waren Ninas Haare kurz. Wie ein Junge sah sie aus, wie ein Junge rannte sie auf dem Bolzplatz dem Ball hinterher und kletterte im Wald auf Bäume. Heute sind ihre Haare lang, die blonden Locken fallen auf die Schultern, kringeln sich auf der Stirn.
»Hi, Sepp«, sagt sie. Das Lächeln weicht aus ihrem Gesicht. »Oh, Entschuldigung. Alte Gewohnheit.«
»Ist gut«, sage ich, obwohl ich schon ewig nicht mehr so genannt wurde. Seit der Grundschule nicht mehr. Ich weiß nicht, wo ich hinsehen soll. Ihr Gesicht ist von Sommersprossen gesprenkelt. Sogar auf den Ohrläppchen sind welche. Sie trägt einen Ring an der Unterlippe. »Komm rein«, sage ich.
»Danke.« Sie tritt über die Schwelle, streift die Sneakers ab. Um das linke Fußgelenk baumelt ein Fußkettchen. Mein Blick wandert über ihre Knöchel, die langen Beine hinauf.
»Ich bin ein bisschen aufgeregt«, sagt sie.
»Ach.« Ich blicke auf ihren lächelnden Mund, schaue in die grünen Augen. Meine Hände zittern, und ich schwitze, doch ihre sind ruhig, als sie sich das Haar aus der Stirn streicht.
Die Küche meiner Wohnung ist zugleich das Wohnzimmer. Sie ist vollgestellt. Ich lebe aus Kartons, alles ist improvisiert. Heute habe ich den Abwasch gemacht und den Tisch gewischt. Ich nehme die Kanne aus der Kaffeemaschine.
»Ich habe Kaffee gekocht«, sage ich, angele eine Tasse mit Blümchenmuster aus dem Schrank.
»Hast du auch Tee?«, fragt sie.
Ich stelle die Tasse wieder hin, Porzellan schlägt auf Holz. Wische die Hand am Hosenbein ab. »Ich muss gucken.«
»Okay.« Sie betrachtet die Postkarten, die am Schrank hängen. Ihr Blick wandert weiter zu dem Basilikum, das auf der Fensterbank vertrocknet. »Schöne Wohnung«, sagt sie. »Gemütlich.«
Ich sehe auf, ziehe eine Augenbraue hoch. Wir schauen einander an. Mir schießt das Blut in den Kopf, und ich wende mich ab, beginne, in den Kisten zu wühlen. Irgendwo habe ich letztens einen einsamen Teebeutel gesehen.
»Was machst du so?«, fragt sie.
»Ausbildung zum Bauzeichner«, sage ich. Ich fahre mit bebenden Fingern in die Ritzen des Kartons mit dem Gemüse. Irgendetwas Matschiges liegt ganz unten. Ich hebe den Kopf, Nina sieht nicht hin, schaut aus dem Fenster.
»Ah ja.«
Meine Finger ertasten einen schmalen, in Papier gehüllten Gegenstand. Ich ziehe ihn hervor, das Blut rauscht in meinen Ohren. »Ist schwarzer okay?«, frage ich.
»Ja, super.«
Ich schalte den Wasserkocher ein, gieße Kaffee in die Blümchentasse. Ich angele eine weitere Tasse aus dem Schrank, hänge den Teebeutel hinein.
»Tee kommt gleich.«
Wir setzen uns an den Küchentisch. Nina zieht einen Laptop aus ihrer Tasche.
»Ich habe dir ja gemailt, dass ich eine Audioaufzeichnung machen muss«, sagt sie. »Ist das immer noch okay?«
Ich nicke.
»Also, ich mache dieses Interview für eine Seminararbeit. Wir interviewen Bekannte zur Übung. Da habe ich gleich an dich gedacht. Keine Sorge, alles, was du sagst, wird vertraulich behandelt.«
»Klar.« Ich nehme einen Schluck und verbrenne mir die Zunge. Als ich die Tasse hinstelle, schwappt Kaffee über den Rand. »Ist es okay, wenn ich rauche?«
Sie kraust die Nase. »Es ist deine Wohnung.«
Ich nicke. »Okay.« Ich behalte die Zigarettenpackung in der Hosentasche, stehe auf, gieße das heiße Wasser auf den Tee, stelle die Tasse vor sie hin.
»Danke.« Sie schiebt den Laptop zwischen uns. Ein Lämpchen blinkt, aber wartet noch auf das Startsignal. Sie nimmt einen Stapel Papier und einen Bleistift aus ihrer Tasche.
»Keine Angst wegen der Zettel«, sagt sie und lacht wieder. »Das ist nur meine Gedächtnisstütze.« Sie wirft sich das Haar über die Schulter. Ich rieche ihr Shampoo, eine Wolke von Orange. »Ich freue mich, dass du das machst. Es ist sicher … ziemlich interessant.« Ihre Augen weiten sich kurz. »Oh, Entschuldigung. Ich wollte nicht …«
»Schon gut. Du warst früher schon so …«
»Direkt?« Nina lacht wieder. Sie lacht viel, ich wünschte, sie würde noch mehr lachen. Ein Grübchen gräbt sich in ihre linke Wange. »Ja, ich weiß. Hat sich nicht geändert.«
Ich schlucke, will etwas sagen, fürchte aber, dass ich mich verhaspele. Presse die Lippen aufeinander.
»Gut, dann legen wir mal los«, sagt Nina und startet die Audioaufzeichnung. »Ich stelle dir ein paar Fragen zu deiner Kindheit und wie sie sich auf deine Persönlichkeit ausgewirkt hat.« Sie liest von einem Zettel ab. »In Ordnung?«
Ich nicke.
»Könntest du damit beginnen, mir zu sagen, mit wem du als Kind gelebt hast?«
Ich warte darauf, dass sie weiterspricht. Doch jetzt sieht sie mich an.
»Ja«, sage ich. »Klar. Also, ich habe bei meinem Onkel und meiner Tante gelebt. Wie … Spiderman.« Mir schießt das Blut in den Kopf, meine Wangen glühen, doch Nina lächelt, also spreche ich weiter, schnell. »Hast du den letzten Film gesehen?«
Sie sagt nichts, nickt, ihre Miene verändert sich nicht.
»Nicht ganz wie Spiderman, natürlich. Meine Eltern sind nicht gestorben, nicht beide. Mein Vater war bei meiner Geburt im Gefängnis, und meine Mutter ist gestorben, zwei Monate nach meiner Geburt. Also wurde ich von meinem Onkel und meiner Tante aufgezogen. Und mein Onkel ist am Leben, anders als Peter Parkers Onkel.«
»Hm-m.« Sie schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr, linst mir unter ihren dichten Wimpern zu. »Haben in eurem Haushalt noch andere Personen gewohnt? Kinder von deinem Onkel und deiner Tante oder andere Leute?«
»Ja, mein Onkel und meine Tante hatten ein Kind, Toni.« Unter der Tischplatte verschränke ich die Hände ineinander. »Sie war … sechs Jahre jünger.«
Nina nickt. Diesmal macht sie keine Notiz. In ihren grünen Augen schimmert etwas.
Mein Hals ist sehr eng, zu eng, um zu sprechen.
Aber sie weiß sowieso Bescheid. Damals kam sie vorbei, brachte eine Flasche Vanille-Coke mit, meine Lieblingscola. Obwohl ich am Telefon gesagt hatte, dass ich sie nicht sehen wollte.
Sie hüstelt, nimmt einen Schluck aus ihrer Tasse. »Die nächste Frage ist schwierig«, sagt sie. »Wenn du an deinen Onkel oder an deine Tante denkst, was ist deine frühste Erinnerung?«
Ich atme tief ein, löse die Hände voneinander. »Mein Onkel und ich standen uns sehr nahe. Er war ja zu Hause, meine Tante hat gearbeitet. Mein Onkel war Schwimmtrainer. Er sagt, ich habe früher schwimmen als laufen gelernt. Wir waren oft am Badesee, da haben wir nach Steinen getaucht, die lagen unter dem Schlamm. Ich hatte einen schönen Stein, blau mit grauen Sprenkeln.« Ein Lächeln stiehlt sich wie ein Fremder auf mein Gesicht. Unsicher, ob er erwünscht ist. »Den hat er hochgeholt, hat ihn mir geschenkt. Er lag immer auf der Fensterbank.«
»Wie schön«, sagt sie und lächelt ebenfalls.
»Aber beim Umzug hat meine Tante ihn weggeworfen, meinte, das sei Plunder, den niemand braucht.«
Sie leckt sich über die Lippen, schaut kurz auf, senkt den Blick auf ihre Notizen. »Ja. Jetzt hast du etwas über deinen Onkel gesagt. Wie war deine Beziehung zu deiner Tante, als du ein Kind warst?«
Ich starre sie an, sie starrt zurück.
Schließlich rutscht sie auf ihrem Stuhl umher und lacht wieder. »Sepp?«, fragt sie.
»Das ist schwierig«, sage ich.
»Ich weiß.«
»Nein, es ist wirklich schwierig.« Ich ziehe die Finger unter dem Tisch hervor, strecke sie, beuge sie. »Ich weiß nicht, soll ich Wörter für davor oder danach finden?«
Sie runzelt die Stirn. »Davor oder danach?«
»Du weißt schon.«
»Sepp«, sagt sie. »Geh einfach davon aus, wir würden uns nicht kennen, okay?«
»Das mit Toni«, sage ich, umklammere die Kaffeetasse. »Danach hat sich alles verändert. Nach ihrer Geburt. Aber auch … danach-danach.«
Ihr Gesicht wird starr. Unmöglich, etwas darin zu lesen. Kein Lächeln, so sehr ich danach suche. »Ich weiß auch nicht.« Sie beißt sich auf die Unterlippe. »Aber das wäre natürlich wichtig zu wissen. Also …«
Ich fahre mir über die Augen. In meinem Magen rumort es, vielleicht habe ich den Kaffee zu schnell getrunken. »Ich kann nicht«, sage ich. »Ich kann darüber nicht sprechen.«
»Du musst das nicht tun.« Eine Falte gräbt sich in ihre Stirn, ihre Augen sind dunkel, schattig.
»Du brauchst das für deine Seminararbeit«, sage ich und hebe die Mundwinkel. Sie lächelt, mein Herz macht einen Satz. »Ich brauche nur eine Pause.«
Sie stößt geräuschvoll Luft aus. »Danke.«

Ich gehe raus, rauche zwei Zigaretten. Starre vorüberfahrenden Autos nach. Mein Nacken schmerzt, und meine Augen brennen. Als ich wieder hochgehe, scheint die Treppe mehr Stufen zu haben als sonst.
»Okay«, sagt Nina, während ich mich setze. »Du sagst, du standst deinem Onkel näher … Warum war das so?«
Ich kratze mich am Kopf. »Na ja, als ich klein war, war er immer da. Nur wir zwei.«
»Und deine Tante?«, fragt sie.
»Sie hat ja gearbeitet. Und sie war sehr streng. Ich hatte Angst vor ihr. Du weißt doch, wie sie war. Räum dein Zimmer auf. Sprich nicht beim Essen. Sei nett zu Toni.« Ich rolle mit den Augen, warte darauf, dass sie mit den Augen rollt wie früher, kichert, mit dem Fingernagel gegen die Schneidezähne tickt.
»Verstehe«, sagt sie. Sie sitzt mit einem angewinkelten Bein an die Wand gelehnt auf ihrem Stuhl und schaut auf ihre Unterlagen, während sie mit der Zunge am Lippenpiercing spielt.
»Weißt du nicht mehr?«, frage ich, die Stimme leise.
Sie blättert um. »Wenn es dir als Kind schlecht ging, was hast du gemacht?«
Ich starre das Basilikum in ihrem Rücken an, daran vorbei aus dem Fenster. »Wenn es mir nicht gut geht, bin ich lieber allein. Ich bin dann zum See gelaufen. Oder habe ferngeguckt. Bevor wir umgezogen sind, da bin ich gerne mit dir rausgegangen. Unser Baumhaus, da habe ich dran gebaut, wenn es mir schlecht ging.«
Draußen raschelt die Kastanie mit den Blättern. Ninas Bleistift kratzt auf dem Papier.
»Ferngeguckt oder gebaut«, sagt sie. »Aber kannst du dich an irgendetwas erinnern, wenn es dir nicht gut ging und du zu deinem Onkel oder deiner Tante gegangen bist?«
»Doch, ganz früher, wenn ich mir wehgetan habe, dann hat mein Onkel mir ein Pflaster gegeben. Na ja, und später …« Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich die Zigaretten aus der Hosentasche gefischt habe. Ich starre die Packung an, sie liegt in meiner Hand, als hätte sie sich dorthin gezaubert.
»Sepp?«
»Ja.« Ich huste. »Toni war oft krank, da hat mein Onkel sich um sie gekümmert. Wenn sie dann wieder das … dieses Flimmern gekriegt hat … Ich war ja auch schon älter, ich wusste dann, wo die Pflaster waren, und ich durfte fernsehen, wenn ich nicht zur Schule gehen konnte. Ich hatte einen Fernseher im Zimmer. Habe ich zu Tonis erstem Geburtstag bekommen. Also, das war … gut.« Ich stopfe die Schachtel zurück in meine Hosentasche, sehe Nina nicht an.
»Danke«, sagt sie. Sie schaut wieder auf ihre Unterlagen, befingert ihr Piercing. Schließlich setzt sie sich aufrecht hin. »Hast du dich als Kind einmal alleingelassen gefühlt?«
»Alleingelassen?« Ich schlucke an dem Kloß im Hals.
»Oder ignoriert«, sagt sie.
Ich kratze mich am Kopf. »Von meinem Onkel oder meiner Tante? Ja. Ich weiß noch, als Toni das erste Mal mit am See war. Meine Tante ist auch mitgekommen, dabei waren sonst immer mein Onkel und ich allein …« Im Sommerwind, der durch das auf Kipp stehende Fenster hereinweht, fröstele ich. »Es ging wieder los bei Toni. Du weißt ja, wie das war. Sie war nervös, ganz weiß. Erinnerst du dich?«
Nina schreibt etwas auf ihrem Zettel, der Bleistift kratzt auf dem Papier.
»Nina?«
»Ja«, sagt sie, ohne aufzublicken.
Ich lege meine Hand zwischen uns auf den Tisch, betrachte ihre kurzen Fingernägel. »Sie wollten sofort mit Toni nach Hause fahren. Ich wollte, dass mein Onkel bleibt. Ich wollte ihm den Stein zeigen, den ich aus dem Schlamm geholt habe. Ich wollte …«
Nina beugt sich vor, ihre Hand liegt ganz dicht vor meiner, unsere Fingerspitzen berühren sich fast. »Es muss schwer sein, darüber zu sprechen«, sagt sie.
Ich beiße mir auf die Unterlippe, halte ihrem Blick stand. »Ich wollte doch nur, dass er bei mir bleibt. Ich habe mich auf den Boden geworfen, mich nicht von der Stelle gerührt. Sie sind ohne mich gefahren.«
»Wann war das?«, fragt sie.
»Ich war so egoistisch«, sage ich. »Weißt du noch, das hast du zu mir gesagt. Ich habe nur an mich gedacht.« Ich probiere ein Lächeln, doch diesmal gelingt mir kein Heben der Mundwinkel. Genauso gut hätte ich versuchen können, mit den Ohren zu wackeln – ich kann die richtigen Muskeln nicht finden. »Ich war wütend. Heute verstehe ich das. Du hattest recht.« Die Worte hinterlassen einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge.
»Und wie alt warst du da?«
»Du warst doch dabei.« Ich will die Hand ausstrecken, ihre Haut berühren. Wie damals, als ich abends zu ihr rannte, die ganze Nacht bei ihr blieb, ihrem Atem lauschte, ihrem leisen Schnarchen. Ob sie heute noch schnarcht? Ganz leicht, kaum hörbar?
Sie seufzt. »Bitte, geh einfach davon aus, wir würden uns nicht kennen. Schaffst du das?«
Ich presse die Lippen aufeinander. Steche mit den Fingernägeln in die weiche Haut am Unterarm. »Zehn, glaube ich. Oder elf?«
Sie macht sich eine Notiz. »Haben dein Onkel oder deine Tante dich irgendwann einmal bedroht? Vielleicht aus erzieherischen Gründen oder auch aus Spaß?«
Ich hole tief Luft. Meine Augen brennen. »Ja.«
»Möchtest du davon erzählen?«
»Meine Tante hat gesagt, sie würde mich weggeben. Eigentlich …« Ich reibe mir die Augen, blinzele etwas weg, das irgendwie hineingeraten ist. »… war es keine Drohung. Sie wollte es tun. Mein Onkel hat sie zurückgehalten. Er hat mir geglaubt. Sie nicht. Sie war so wütend, hat geschrien. Ich glaube, wenn ich nicht gewesen wäre, wären sie noch verheiratet.«
»Kannst du da … konkreter werden?«
»Es war danach-danach«, sage ich. Mein Atem ist flach, meine Stimme klingt seltsam. »Nach Toni.«
Sie schweigt. Sieht mich an. Ich wünschte, sie würde meinem Blick ausweichen und etwas aufschreiben.
»Ich wollte, dass alles wieder so wird wie vor Toni.« Ich hebe die Arme, meine Hände flattern durch die Luft. Meine Exfreundin hat gesagt, ich würde nur gestikulieren, wenn ich mich rechtfertige. Ich setze mich auf meine Handflächen. »Das war dumm, das weiß ich jetzt.«
»Und?«, fragt Nina, sieht mich an. »Wie war es nach Toni? Wie ist es jetzt?«
Es ist still. Ich kann meinen Atem hören, das Rascheln der Kastanie. Ich höre sogar ihren Atem.
»Das alles«, sage ich, und meine Stimme klingt fest, beherrscht, »hat dazu geführt, dass ich mich schwer fühle, unsichtbar und trotzdem störend. Wie ein Stein im Schlamm. Wenn ich daran denke, dann …« Ich begegne ihrem Blick, ihre Lippen bewegen sich, sie hat den Bleistift aus der Hand gelegt.
»… dann fühlst du dich schuldig?«, fragt sie.
»Ja.«
»Warum?«
»Ich habe das nicht geplant«, sage ich. Ich hebe die Schultern. Ich fische die Zigarettenpackung aus meiner Hosentasche, klemme mir eine Zigarette zwischen die Lippen. Auf diese Weise kann ich nicht sprechen, ich nehme die Kippe in die Hand. »Es ist einfach passiert. Wir waren allein im See, ich wollte nach Steinen tauchen, mein Onkel ist zur Eisdiele gegangen. Toni war das Wasser zu schlammig, sie hat geschrien.« Ich lege die Kippe auf den Tisch, rolle sie unter meinem Zeigefinger vor und zurück.
»Sepp.« Ninas Hand schnellt vor, legt sich auf meine. Ihre Haut ist warm, heiß. »Es ist nicht deine Schuld.«
»Das hast du gesagt. Haben alle«, sage ich. Ich ziehe meine Hand nicht weg, lasse sie liegen. Ich atme aus. »Es war ganz leicht. Ihren Kopf unter Wasser zu drücken. Ich weiß nicht einmal, ob sie sich gewehrt hat.«
Nina starrt mich an. Eine Locke hängt vor ihren grünen Augen, der Mund ist leicht geöffnet, die Lippen glänzen.
In der Stille ziehe ich meine Hand unter ihrer hervor, stecke mir die Zigarette an.
»Was?«, fragt Nina, sie flüstert.
Ich schaue den blauen Rauchfähnchen nach, die zur Decke treiben. »Ja.«
»Was soll das? Warum sagst du das?«
»Ich wollte es dir immer sagen. Du hast mir nicht zugehört.«
Sie lehnt sich im Stuhl nach hinten, weicht vor mir zurück, hält sich an den Zetteln fest. Sie öffnet den Mund, schließt ihn wieder.
Mein Herz rast, das Blut pumpt in meinen Adern. »Jetzt hast du mich gehört. Hast du, oder?«
»Du verarschst mich«, sagt sie, haucht sie. »Was soll der Scheiß?«
Ich ziehe an der Kippe, verschlucke mich am Rauch, huste. »Scheiß? Wirklich?« Der Husten unterbricht mich, Tränen schießen mir in die Augen.
»Das ist so typisch«, sagt sie. »Du denkst nur an dich, willst immer im Mittelpunkt stehen. Du machst das Interview nur, weil sich dann wieder alles um dich dreht.«
Ich zerdrücke die Kippe im Aschenbecher, kann nicht sprechen. Ich versuche, nicht zu blinzeln. Wenn ich blinzele, werden die Tränen fließen.
»Ich gehe jetzt.« Ninas Augen blitzen. Sie richtet sich auf, schiebt die Zettel zusammen, wirft den Stift in die Federtasche, stoppt die Audioaufzeichnung.
Ich schaue ihr zu, als sie ihre Sachen zusammenpackt, ich blinzele. Keine Tränen. Hitze kriecht meine Luftröhre hinauf. Ich schlucke, aber die Hitze wandert weiter, steigt höher.
Zuletzt habe ich mich so gefühlt, als wir in meinem Zimmer saßen, umgeben von Kuscheltieren, zwei Gläser Vanille-Coke. Als sie mein Haar streichelte und, obwohl die Worte in meiner Kehle brannten, immer wieder sagte: Es ist nicht deine Schuld. Es ist nicht deine Schuld.
Ich laufe ihr nach, als sie zur Tür eilt, ihre Tasche unter dem Arm. Sie fährt in die Sneakers, reißt die Wohnungstür auf. Ich mache einen Schritt auf sie zu, noch einmal streift ihr Blick mein Gesicht. Dann schlägt sie die Tür zwischen uns zu, ich spüre den Luftzug, das Zittern im Trommelfell.

 
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Jetzt stehe ich vor der einen Seite, wo mehrere Leute sind, die den Titel anders haben wollen und auch schon Vorschläge gemacht haben – und vor Dir, der meiner Meinung ist und das auch noch viel besser gesagt hat. Meine Güte. Vielen Dank. Ich denke weiter nach.
schriebstu,

liebe TeddyMaria,

vor wenigen Tagen zu den verlorengegangenen Beiträgen.

Ein kolossaler Fortschritt für die Demokratie, Mehrheitsentscheide über einen Titel zuzulassen - was sich dann auf den m. E.. überschätzten ersten Satz ausweiten ließe und hernach auf jedes Symbol und mitsamt seinen Zusammenfügungen als Satz und Absatz (wichtig in seiner Zweideutigkeit, wenn auch noch ein Dritter neben Autor und Publikum die Finger drin hätte), ... Ich hab eh eine Abscheu vor Bestenlisten, (die ja so was wie ein Ergebnis der Abstimmung mit dem Geldbeutel sind) schau mit Vergnügen Druckfrisch und bewundere Denis Schecks Radikalität, wie ich in grauer Vorzeit das Zusammentreffen MRRs auf Karasek mit Vergnügen verfolgte. Wie es unter drei Ärzten fünf Meinungen zu einem Patienten gibt (mit dem Ergebnis: "Der Simulant von Zimmer 123 ist gerade gestorben." - "Der musset auch immer übertreiben!") gebildet werden, käme da auch nur zustande.

Schreiben an sich ist ein einsamer Job und um auf die Geschmacksfrage zu kommen, verweis ich auf die Küche mit den vielen Köchen um einen Brei ... Darum sind auch mit einer Ausnahme Pateiprogramme wischi-waschi an Literatur- mit Ausnahme des Kommunistischen Manifestes

Zur "Bindung" (heutige übewiegende Bedeutung neben den technischen - Skibindung, Handwerk - da Weberei (!) und Bauhandwerk, die Bindung in Physik und Chemie, aber vor allem Gesellschaftswissenschaften als innere und äußere Bindung und Verpflichtung,, von der Beziehung überm Verhältnis biszum sozialen Zusammenhalt, angefangen bei der kleinsten Gruppe bis zum größten Verband). So reichen die Substantivierungen des Verbes "binden" (got. bindan, ahd. bintan, mhd. binden = binden, fesseln) vom Band - incl. der Bande - bis zum Bund, die Zusammenstzungen vom anbinden/anbändeln bis unverbindlich. Wenn ich mich recht erinnere, tauchte seinerzeit der Begriff des double bind sogar in populären Werken jenseits der Wissenschaften auf ...

Dass die erzwungene Bindung des Säuglings zur Mutter (oder Amme - im ahd. als "amma", mit a als einfachstem Vokal und m neben dem p der einfachste Konsonant, i. d. R. die ersten Laute des Kindes in allen Kulturen). Dieses erzwungene Modell Mutter-/Kindesliebe geht dann mit dem buchstäblichen Gottvertrauen weiter und i. d. Tat scheint die Natur dieses Modell bis zur Perfektion ausgebildet zu haben seit der ersten Zellteilung des Einzellers.

Wenn ich ab Freitag wieder von den trivialen Dingen angewandter Mathematik befreit bin, setz ich mich noch mal an das Hundeleben, dass ja schon im "Sepp" - einsilbig wie die i. d. R. gebellten Befehle, die ein Hund beherrschen muss - "Sitz!", "Bleib!", "Platz!"mit der schönen Verdoppelung des elliptischen "bleib sitz!" - beginnt.

Bis bald

Friedel

 

Hier ist die vollständig überarbeitete Version:

Guten Abend, Salomon, weltenläufer, Sim123, barnhelm, Ronja, linktofink, Anne49, Peeperkorn, GoMusic, Lotterlieschen, Raindog, Friedrichard, Dave A, Kanji, hell, alexei, Chai, Chris Stone, Vulkangestein, Nichtgeburtstagskind, Isegrims und maria.meerhaba, inklusive Special Thanks to annami (Leute, das ist ja Wahnsinn)

Bitte entschuldigt, dass ich jetzt so einen Rundumschlag mache. Aber wenn ich jetzt jeden einzelnen Beitrag von euch anschaue und dann genau erkläre, was ich warum geändert habe, dann sitzen wir hier in einer Woche noch. Natürlich habe ich eure Kommentare immer wieder genau gelesen, und deshalb sitzen wir hier jetzt in einer großen Runde vor Version 2.

Ich habe eine große Bitte: Das aktuelle Ende ändert die Geschichte. Dies ist nicht der gleiche Sepp wie der, von dem ich in Version 1 erzählt habe. Ich habe eine ganz große Idee von mir über Bord geworfen für eine, die in meinen Augen besser zu dem passt, was meine Idee vom Menschsein beinhaltet. Also bitte, seid nicht irritiert davon. Das mag jetzt anders wirken. Es wird wahrscheinlich anders wirken. Meine Frage: Ist es besser?

Ich habe jetzt mehrere Dinge umzusetzen versucht:
1) Mehr über Sepp und Nina und ihre Beziehung zueinander erzählen.
2) Mehr über die Zeit ihrer beider Kindheit und über Sepps Familie erzählen.
3) Die Figuren nicht einfach umfallen zu lassen, kein U-Turn, sondern ein Hinführen zum Ende.
4) Stichwort Ende: das Ende weniger holpern lassen, zu einem richtigen Abschluss kommen.
5) Eine falsche Fährte legen.

Was mir ein bisschen unter den Tisch gefallen ist, ist Nina. Ich denke aber, das ist nicht so schlimm, weil ich das Gefühl habe, dass ich im Vorfeld zu viel über sie und zu wenig über meinen eigentlichen Prot nachgedacht habe. Das habe ich nachgeholt.

Ich hoffe, ihr habt mit Version 2 genauso viel Spaß wie mit Version 1. Der Druck, unter dem ich gearbeitet habe, war relativ hoch, aber momentan bin ich wieder an dem Punkt, wo ich das Gefühl habe, es nicht besser machen zu können. Also, da brauche ich jetzt eure kritischen Augen, um die Stellen zu sehen, wo es wirklich besser geht.

Am Ende kann ich mich nur zum hundertsten Male bei euch allen bedanken. Ich habe so viel gelernt, und ich bin bereit, noch mehr zu lernen. Bin erfreut, wieder von euch zu hören.

So, und jetzt stürze ich mich wieder mit Feuereifer in anderer Leute Geschichten.

Make it work, everybody!

Überarbeitet,
Eure Maria

Und nochmal zu Dir, Friedrichard

Schreiben an sich ist ein einsamer Job und um auf die Geschmacksfrage zu kommen, verweis ich auf die Küche mit den vielen Köchen um einen Brei ... Darum sind auch mit einer Ausnahme Pateiprogramme wischi-waschi an Literatur- mit Ausnahme des Kommunistischen Manifestes

Ja, daran bin ich hier schon mit meiner ersten Geschichte gescheitert: Ich will es immer allen recht machen. Nun merke ich aber, dass ich mehr Selbstbewusstsein habe, mehr weiß, worum es mir gehen sollte.

Und ich hatte eine sehr bindungstheoretische Woche. In Forensik haben wir über Mutter-Kind-Einrichtungen gesprochen, in Persönlichkeitsstörungen über die Wichtigkeit einer korrigierenden Bindungserfahrung bei Personen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung, in Forschungsmethoden wird die Bindungstheorie Gegenstand unserer Vortragsreihe zum Thema der wichtigsten psychologischen Theorien sein. Heute habe ich mich mit einer Kommilitonin unterhalten, die im zweiten Semester wirklich das Bindungsinterview durchgeführt hat (vielleicht mein kleines Nina-Vorbild). Also ja: Das Leben wollte es diese Woche von mir.

Zur "Bindung" (heutige übewiegende Bedeutung neben den technischen - Skibindung, Handwerk - da Weberei (!) und Bauhandwerk, die Bindung in Physik und Chemie, aber vor allem Gesellschaftswissenschaften als innere und äußere Bindung und Verpflichtung,, von der Beziehung überm Verhältnis biszum sozialen Zusammenhalt, angefangen bei der kleinsten Gruppe bis zum größten Verband). So reichen die Substantivierungen des Verbes "binden" (got. bindan, ahd. bintan, mhd. binden = binden, fesseln) vom Band - incl. der Bande - bis zum Bund, die Zusammenstzungen vom anbinden/anbändeln bis unverbindlich. Wenn ich mich recht erinnere, tauchte seinerzeit der Begriff des double bind sogar in populären Werken jenseits der Wissenschaften auf ...

Aber das Coole ist ja: Bindung kann alles Mögliche in allen möglichen Kontexten heißen. Jedem kann das irgendetwas sagen. Und egal, was es sagt, es sagt ja doch fast immer das gleiche: Zusammenhalt, Hingabe, zwei Objekte zusammenbringen, aneinanderbringen.

Gerade, als ich die bearbeitete Version eingestellt habe, war ich baff: Konnte man schon immer selbst den Titel ändern? Musste man dafür nicht bisher Admins fragen? Wie auch immer: Den Titel habe ich nicht geändert, obgleich ich tatsächlich nach Alternativen gesucht habe. Etwas Besseres und Elementareres als Bindung gibt es nicht. Und jetzt klimpere ich prinzessinnenhaft mit den Wimpern.

Danke, dass Du das nochmal so deutlich gesagt hast.

Wenn ich ab Freitag wieder von den trivialen Dingen angewandter Mathematik befreit bin, setz ich mich noch mal an das Hundeleben, dass ja schon im "Sepp" - einsilbig wie die i. d. R. gebellten Befehle, die ein Hund beherrschen muss - "Sitz!", "Bleib!", "Platz!"mit der schönen Verdoppelung des elliptischen "bleib sitz!" - beginnt.

Ich freue mich auf Dich!

Gebundene Grüße,
Maria

 

Hallo TeddyMaria,

also ich finde es auf alle Fälle besser jetzt. Das Verhältnis ist jetzt klarer. Jetzt habe ich den Eindruck, Sepp war verliebt in Nina. Und sie hat sich ihn ausgesucht, weil er ein guter "Patient" für ihren Fragebogen ist. Sie muss gespürt haben, dass er in sie verliebt war/ist. Aber sie tut so, als ob sie es nicht merkt und lässt die professionelle Psychologin raushängen. Das macht das Ganze paradox. Zumal sie ihn als egoistisch bezeichnet, wenn ich mich recht erinnere.

So habe ich das zumindest empfunden, und so bekommen beide für mich Tiefe. Dass Nina ihre Arbeit professionell machen will, ist verständlich. Aber gehört es nicht auch dazu, sich auf den anderen einzulassen? Gerade, wenn man weiß, dass der andere tatsächlich traumatisiert ist? Nina arbeitet stur nach Plan und behandelt ihn wie einen Fall. Sie weiß von dem Unfall, und sie weiß, was Sebastian für sie empfindet. Und nennt ihn Sepp. Autsch.
Trotzdem wirkt Nina sehr sympathisch. Sie lacht viel, sie gibt dem Ganzen eine gewisse Leichtigkeit, nimmt sogar seine Hand und fragt, ob er lieber aufhören will. Trotzdem bleibt die Frage, warum sie sich gerade ihn ausgesucht hat für das Interview und das dann so durchzieht. Wegen der Herausforderung? Damit weist sie ihn als Menschen genauso zurück wie der Onkel, die Tante sowieso. Auch hier fand ich das Verhältnis viel besser gelöst. Sie haben ihn nicht nur vernachlässigt, sondern auch einfach zurückgelassen, wenn er schwierig wurde. Starker Tobac. Und ihm eingeredet, er wäre egoistisch. Der komplette mindfuck. Tja, was man ständig gesagt bekommt ...

Ich finde das jetzt viel dichter. Und Sepps Verzweiflung am Ende gefällt mir auch besser. Die wirkt konsequenter.

Insgesamt ist mir das Ende aber immer noch zu lasch. Irgendwas fehlt da noch. Was das genau ist, kann ich dir aber auch nicht sagen, is nur so ein Gefühl.

Aber insgesamt alles gut.

Viele Grüße von Chai

 

TeddyMaria,

Hallo Maria,

hast dich ja nochmal mächtig ins Zeug gelegt. Dem Lesefluss hat dies deutlich genutzt.

… aber momentan bin ich wieder an dem Punkt, wo ich das Gefühl habe, es nicht besser machen zu können. Also, da brauche ich jetzt eure kritischen Augen, um die Stellen zu sehen, wo es wirklich besser geht.
Ok, ich probiere es:


Ich klopfte mit beiden Fäusten gegen die Tür, hämmerte, hämmerte, hörte die Stimme meiner Tante: Klopf anständig an.
Zwischendurch dachte ich: Hä?, seine Tante schneidet Ninas Haare?, dabei ist sie doch die Mutter, also sind die beiden verwandt? Bis ich Dulli meinen Blödsinn entwirrt hatte, war ich raus. Ich denke, das könntest du verhindern, wenn du schriebst, dass er die Stimme nur in seinem Kopf hört.

Ich lief ums Haus zum Küchenfenster. Als Nina mich sah, sprang sie vom Stuhl auf, die Mutter konnte sie nicht halten. Sie rannte zum Fenster und schrie so laut, dass ich sie hören konnte. Dann ließ sie das Rollo herunter, fegte einen Blumentopf von der Fensterbank. Das Scheppern höre ich heute noch, zitternd im Trommelfell.
Da denke ich beim Lesen: verdorrich noch eins, warum reagiert sie so heftig?

Die Küche meiner Wohnung ist zugleich das Wohnzimmer. Sie ist vollgestellt. Ich lebe aus Kartons, finde sie praktischer als Regale.
Dass es jemand praktischer findet, in gammeligen Kartons zu wühlen, als alles aus dem Regal zu ziehen, kann ich mir schlecht vorstellen. Da würde ich eine andere Motivation reinschnipseln: Faulheit, Phlegma, Desinteresse, Bevorzugung des Provisoriums aus Gründen der gefühlten Ungebundenheit, "nicht Sesshaft werden wollen" … Weißt?

Ich fahre mit bebenden Fingern in die Ritzen des Kartons zwischen dem Gemüse. Irgendetwas Matschiges liegt ganz unten. Ich hebe den Kopf, Nina sieht nicht hin, schaut aus dem Fenster.
Wie wird er den Matsch an den Fingern wieder los, bevor er ihren Teebeutel anfasst? (Iiiiiiihhh!!!!)

»Du kennst Spiderman?«
Würde ich voraussetzen, jeder kennt den (es gibt kein Entkommen).

Vanille-Coke
Ich kenn die Plörre nur unter Vanilla Coke oder Coca-Cola Vanilla

Ein Lächeln stiehlt sich wie ein Fremder auf mein Gesicht.
Ich weiß, was du meinst, dennoch ein bisschen unsauber: Der Fremde kann sich nicht auf das Gesicht stehlen. Wie wär es mit: Ein Lächeln stiehlt sich in mein Gesicht, als wär es nicht meins.

Du sagst, du standst deinem Onkel näher
nicht standest?


Also, Maria, du holst sehr weit aus, wechselst in deinen detaillierten Beschreibungen geschickt zwischen Innen und Außen, nimmst einen langen Anlauf, bereitest sehr ausführlich vor, bis die Story Fahrt aufnimmt und der überraschende Toni-Twist (so war es wirklich …) der Geschichte den entscheidenden Drive gibt. Die Sprache elaboriert, die Dialoge sehr glaubhaft, alles stimmt mit den körperlichen Reaktionen überein. Du tauchst sehr tief in die Situation ein und machst das wirklich gut.

Ich persönlich habe leichte Schwierigkeiten mit dem langen Anlauf, dem Kammerspielhaften der ersten Hälfte. Da bin ich nicht so´n Fan von, doch andere hier im Forum sehen das ganz anders. Du weißt, das ist absolut Geschmacksache, du kennst meine Stories, ich mag es lieber flott, schräg und schrill. Also nicht böse sein. :Pfeif:

Den Titel finde ich leider immer noch nicht den Burner, da sich die Vielschichtigkeit und Korrelation zum Text nur dir als Fachfrau so unmittelbar erschließt. Das Hookende, das ein Titel haben sollte, fehlt dafür (zumindest bei mir), was schade ist, denn der Titel verbirgt eine tiefgreifende Story mit einer Auflösung, die mich über die moralische Fragen des "Totschlags aus Gelegenheit" und der "lebenslangen Schuld" nachdenken lässt.

Peace, linktofink

 

Hallo, Chai

Wie schön, dass Du die Geschichte ein zweites Mal gelesen hast.

also ich finde es auf alle Fälle besser jetzt. Das Verhältnis ist jetzt klarer. Jetzt habe ich den Eindruck, Sepp war verliebt in Nina. Und sie hat sich ihn ausgesucht, weil er ein guter "Patient" für ihren Fragebogen ist. Sie muss gespürt haben, dass er in sie verliebt war/ist. Aber sie tut so, als ob sie es nicht merkt und lässt die professionelle Psychologin raushängen. Das macht das Ganze paradox. Zumal sie ihn als egoistisch bezeichnet, wenn ich mich recht erinnere.

Bei ganz vielen Deiner Sätze hatte ich das Gefühl: Oh Gott, gleich kommt ein großes Aber. Das aber gar nicht kam. Du hast ganz viele Ambivalenzen an den Figuren rausgearbeitet, und inzwischen habe ich so viel an dem Text rumgearbeitet, dass ich sagen kann, dass vieles davon beabsichtigt von mir war. Ich freue mich so sehr über Dein genaues und einfühlsames Auge, mit dem Du all dies herausarbeitest. Und vieles unterstreichst Du noch, deckst Nuancen auf, die ich selbst noch nicht verbalisiert hatte.

Sie haben ihn nicht nur vernachlässigt, sondern auch einfach zurückgelassen, wenn er schwierig wurde. Starker Tobac. Und ihm eingeredet, er wäre egoistisch. Der komplette mindfuck. Tja, was man ständig gesagt bekommt ...

Genau das wollte ich nämlich. Dass Sepp einer ist, der immer einsteckt, einsteckt, einsteckt. Und wenn er sich mal querstellt, dann sind die Leute derart überrascht davon, dass er ihnen plötzlich aufdringlich egoistisch vorkommt. Das habe ich versucht, in beiden Beziehungen (zu seinen Bezugspersonen und zu Nina) und auf beiden Zeitpunkten (in seiner Kindheit und heute) darzustellen. Dass Du jetzt so etwas da raus liest, finde ich super.

Damit kommen wir auch gleich zum Ende, denn …

Insgesamt ist mir das Ende aber immer noch zu lasch. Irgendwas fehlt da noch. Was das genau ist, kann ich dir aber auch nicht sagen, is nur so ein Gefühl.

Auch das wollte ich eigentlich spiegeln. So wie all seine Anspannung, die ständige Zurückweisung, das Ringen mit sich selbst, das Fressen und Fressen sich in seiner Vergangenheit in einer plötzlichen Eruption von Gewalt entladen hat, wollte ich das auch hier in der Gegenwart machen. Deshalb läuft er Nina zur Tür nach, deshalb steigt ihm die Wut hoch. Aber während ich das geschrieben hat, ist etwas passiert, von dem viele Schreiber/innen berichten (ich weiß nicht, ob das nur Anfänger/innen passiert, aber): Meine Figur wollte nicht. Ich wollte, dass er Nina festhält, sie anschreit, aber der Eskalationspunkt kam nicht, und wir beide, Sepp und ich, haben die Situation vorübergehen lassen, ohne unserer Anspannung Luft zu machen.

Was sagst Du dazu? Sollte ich uns beide, Sepp und mich, zu einem solchen Ausbruch zwingen? Ist es das, was dem Ende noch fehlt? Wäre cool, wenn Du darauf eine Antwort hättest.

Aber insgesamt alles gut.

Was für ein schöner Kommentar! So viele wunderbare Gedanken. Danke!

Endliche Grüße,
Deine Maria

Hallo, linktofink

Ah, super, dass Du versuchst, noch verbesserungswürdige Stellen zu finden. Da gehe ich direkt mit.

Da denke ich beim Lesen: verdorrich noch eins, warum reagiert sie so heftig?

Da wollte ich darauf eingehen, dass Nina das Haareschneiden wirklich unangenehm ist, womöglich auch und gerade vor Sepp, eine Untergrabung ihrer Weiblichkeit, die ja auch bei Kindern eine Rolle spielt. In Ninas Alter hat meine Schwester immer kurze Haare getragen und wollte sich nur als Junge anreden lassen. Meine Mutter war erleichtert, weil es wirklich viel erklärt und geklärt hat, worüber meine Eltern sich wohl wirklich Gedanken gemacht haben, als sie in der vierten Klasse ankam und sagte: Ab heute bin ich ein Mädchen. Wenn man wiederum von Anfang an ein Mädchen sein will, dann ist das zum Jungenfrisur-getragen-werden-gezwungen-werden bestimmt schwierig. Und da wollte ich bereits so ein Interesse der beiden auch aneinander erarbeiten. Nicht gelungen? Was meinst Du?

Ist vielleicht auch in meinem Kopf ein bisschen zu verstrickt. Aber denkst Du nicht, wenn Du Lust hättest, über den Text nachzudenken, dass man selbst zu solchen Schlüssen kommen könnte? Ich will ja nicht mehr alles auf dem Silbertablett servieren, deshalb finde ich es gar nicht schlecht, wenn Leser/innen sich solche Fragen stellen.

Würde ich voraussetzen, jeder kennt den (es gibt kein Entkommen).

Ich wollte, dass er mehr Rückfragen stellt. Er will ja ihre Aufmerksamkeit, will, dass sie Anteil nimmt. Deshalb ist das ja eher eine rhetorische Frage. Genauso wie sein ständiges „Weißt du noch?“ Wirkt auch nicht?

Ich kenn die Plörre nur unter Vanilla Coke oder Coca-Cola Vanilla

Umgangssprachliche Freiheit? Ich meine, ehrlich, wer sagt denn in der Alltagssprache „VanillA“? Ich kenne niemanden. Bei uns heißt das "Vanille-Coke/Cola".

Ich persönlich habe leichte Schwierigkeiten mit dem langen Anlauf, dem Kammerspielhaften der ersten Hälfte. Da bin ich nicht so´n Fan von, doch andere hier im Forum sehen das ganz anders. Du weißt, das ist absolut Geschmacksache, du kennst meine Stories, ich mag es lieber flott, schräg und schrill. Also nicht böse sein.

Ich weiß, was Du meinst. Vor ein paar Monaten hätte ich auch eher andere Texte geschrieben. Aber jetzt ist alles, was bei mir in der Schublade liegt, so. Mein Interesse hat sich irgendwie verlagert von dem Schreiben über fantastische Themen, über actionreiche Handlungen auf das Schreiben über Menschen und ihre Konflikte. Wenn Du aber denkst, dass es im Rahmen des Genres funktioniert, ist das okay für mich. :D Ich will auch irgendwann mal wieder Sci-Fi schreiben, wirklich. Momentan habe ich aber mehr Ideen zu Texten wie diesem.

Das Hookende, das ein Titel haben sollte, fehlt dafür (zumindest bei mir), was schade ist, denn der Titel verbirgt eine tiefgreifende Story mit einer Auflösung, die mich über die moralische Fragen des "Totschlags aus Gelegenheit" und der "lebenslangen Schuld" nachdenken lässt.

Über den Titel habe ich jetzt viel und auch hinter den Kulissen mit anderen Leuten diskutiert. Ich habe auch selbst noch weitere Titel gesammelt, also ich habe wirklich darüber nachgedacht. Ich stimme aber Friedrichard zu und denke, dass jeder, der ein bisschen nachdenken möchte, eine Bedeutung in „Bindung“ findet, sogar eine sehr vielfältige. Dass das nicht hookt, das verstehe ich, und dass das aus marketingtechnischen Gründen ein Problem ist, sehe ich auch. Sobald ich an der Stelle bin, dass ich über Vermarktung nachdenken möchte, werde ich auf die Masse hören, was Titelfragen angeht. ;) Momentan bin ich froh, mich damit nicht beschäftigen zu müssen, einfach das Schreiben lernen zu können.

Jetzt fange ich aber wirklich an, über Sepps Last nachzudenken. Der Ärmste. :cry: Fürs Leben gezeichnet, echt wahr. Aber auch das hat was mit „Bindung“ zu tun. All seine Beziehungen sind zerrüttet, daran ist er jetzt gebunden, so paradox das klingen mag.

Ich habe gerade das Gefühl, dass ich Dir fast durchgängig widersprochen habe. Das tut mir total leid. Dafür habe ich Dir ja Rückfragen gestellt, also vielleicht magst Du nochmal antworten. Ich wollte nicht sagen, dass ich zu allem, was Du sagst, Widerstand verspüre. Nur dass ich inzwischen über viele Dinge wirklich nachgedacht und deshalb Gedanken dazu habe, die dem widersprechen, was Du sagst. Nicht nur: Uppsa, gut, dass mich einer drauf aufmerksam macht – so ist das sonst oft bei mir.

Die Kleinheiten, denen ich nicht widersprochen habe, werde ich morgen einarbeiten.

Ansonsten merke ich gerade an dem, was Du über lebenslange Schuld sagst, wie tief Du Sepp tatsächlich begriffen hast, und mich als Schöpferin berührt das zutiefst. Du willst mich ja herausfordern, willst, dass ich es besser, besser und besser mache. Das finde ich super. Ich habe Dir jetzt zwar an vielen Stellen widersprochen, werde das aber weiterbewegen, das ist klar. Danke!

Habe mich über Deinen Besuch gefreut.

Widerspenstige Grüße,
Deine Maria

Hallo, Ronja

Und willkommen zu Runde Drei. Du Allertreuste. :D

Hast du schön herausgearbeitet. Ich interpretiere das so, dass sie nicht glauben will, dass Sepp Toni ertränkt hat und eine Erklärung findet.

Die Beziehung von Sepp und Nina finde ich durch die Beschreibungen der Kindheitserinnerungen auch plastischer.


Und dass Du direkt mit einem Lob einsteigst, erfreut mein Herz.

Wenn dies stimmt, erscheint es mir nicht ganz nachvollziehbar, dass sie ihn als Interviewpartner aussucht. Sie hätten dann ca. 10 Jahre kein Kontakt mehr gehabt. Aber es ist heiß heute und vllt. stehe ich auf dem Schlauch ...

Du hast völlig recht, dass der Abstand so groß ist. Ich dachte mir halt, es ist noch ein bisschen fieser von Nina, sich zu denken: Ach, ich kenne doch diesen Typen, der ohne Eltern aufgewachsen ist, dessen Cousine gestorben ist und dessen Bezugspersonen sich danach haben scheiden lassen. Stichwort:

»Ich freue mich, dass du das machst. Es ist sicher … ziemlich interessant.«

Oder findest Du das wirklich komplett unglaubwürdig? Hm … Da fange ich aber schon an zu grübeln.

Ein paar Deiner Anmerkungen sind zwar richtig, trotzdem denke ich an den betreffenden Stellen (die ich Dir gleich zeigen werde) nicht, dass ich etwas ändern muss. Denn dass Du irritierst bist, war meine Intention. Ich erkläre das kurz, dann kannst Du mir sagen, ob das Quatsch und unangemessen ist oder doch so funktioniert, wie ich mir das dachte:

stellen und schlagen passen irgendwie nicht gut zusammen. In meiner Vorstellung macht das nicht so einen Krach, wenn ich eine Tasse auf den Holztisch stelle. Weißt du was ich meine?

Kennst Du das, wenn man gerade so neben sich steht, dass man einen Gegenstand nicht auf dem Tisch, sondern praktisch im Tisch abstellt? Weil man die Hand nicht rechtzeitig gebremst bekommt und plötzlich ist da schon der Tisch? (Ein ähnliches Phänomen, nur noch geräuschvoller: Die Tasse nicht auf dem Tisch, sondern neben dem Tisch abstellen. Dann wäre die Tasse auf dem Boden zerschlagen.) Ich wollte damit Sepps Zerstreutheit zeigen, wie er eigentlich gar nicht auf die Tasse achtet, sie sich dadurch aber nur noch geräuschvoller bemerkbar macht. Nicht gut?

Er mochte doch den Stein und die Tante hat ihn weggeworfen, weil er Plunder ist. Da finde ich ihre Reaktion nicht angemessen.

Die Reaktion ist nicht angemessen. Ninas Reaktionen sind fast nie angemessen. Sie interessiert sich praktisch Null für den Menschen Sepp, nur für seine skandalöse Geschichte. Funktioniert auch nicht?

Das restliche Gedöns arbeite ich ohne weitere Widersprüche ein. Morgen sollte ich dazu kommen.

Finde, dass sich die Überarbeitung sehr gelohnt hat.

Super! Ich habe ja wahnsinnige Angst davor, Dinge durch die Überarbeitung schlechter zu machen. Deshalb auch der Druck. Aber natürlich hatte ich auch Spaß. V.a. aber, so ist das ja, beim ursprünglichen Schreiben. Überarbeitungen kommen mir häufig sehr anstrengend vor. Wenn am Ende aber was Gutes bei rauskommt und andere Leute Freude daran haben, dann macht mich das sehr stolz. Und tatsächlich macht mir das Diskutieren über die Texte viel, viel Spaß. Deshalb bin ich ja auch so viel hier.

Danke für Dein Wiederkehren, Dein unermüdliches Flusensuchen.

Intentionale Grüße,
Deine Maria

 

Hi TeddyMaria,

erstmal zur Beruhigung: Ich denke auch, dass die Überarbeitung dem Text gut getan hat. Also kein Verschlimmbessern. :thumbsup:

Trotzdem sind mir ein paar Stellen etwas zu kompliziert.

So Zitate am Anfang mag ich nicht. Brauchst du das? Das lenkt doch nur ab, man will in die Geschichte und man versteht die Geschichte auch ohne Zitat. Weg damit.

Der erste Absatz gefällt mir leider nicht so. Schon der zweite Satz ist zu umständlich.

Einmal im Monat legte ihre Mutter ihr ein buntes Tuch um die Schultern und schnippelte drauflos.
Das mit dem zweimal ihr gefällt mir nicht, vielleicht kannst du das eleganter lösen.

Und den ganzen Teil danach verstehe ich nicht wirklich:

schlug Nina mir die Tür vor der Nase zu
Warum macht Nina das?

Ich klopfte mit beiden Fäusten gegen die Tür, hämmerte, hämmerte,
Warum flippt er denn so aus? Warum muss er denn unbedingt dabei sein?

Sie rannte zum Fenster und schrie so laut, dass ich sie hören konnte. Dann ließ sie das Rollo herunter, fegte einen Blumentopf von der Fensterbank.
Was ist da los? Wieso reagiert ein kleines Mädchen so? Und wieso zeigst du uns grade diese Szene der Freundschaft der beiden?

Fragen über Fragen, meiner Meinung nach unnötig kompliziert. Aber du wirst dir was bei gedacht haben. Mir wird nur nicht ganz klar, was.

»Oh, Entschuldigung. Alte Gewohnheit. Ist es okay?«
»Ist gut«, sage ich, obwohl ich schon ewig nicht mehr so genannt wurde.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass Nina diese Frage stellt. Würde ich etwas kürzen:
»Oh, Entschuldigung. Alte Gewohnheit.«
»Ist okay«, sage ich, obwohl ich schon ewig nicht mehr so genannt wurde.

»Du kennst Spiderman?«
Die Frage ist wirklich albern. Nina lebt ja nicht hinterm Mond.

Aber beim Umzug hat meine Tante ihn weggeworfen, meinte, das sei Plunder, den niemand braucht.«
»Wie schön«, sagt sie und lächelt ebenfalls.
Wie schön, dass die Tante so mies war? Soll Nina so unaufmerksam, falsch freundlich rüber kommen? Ansonsten finde ich das „Wie schön.“ hier unangebracht.

Sie stößt geräuschvoll Luft aus. »Danke.«
Die Frau ist so kacke.

»Weißt du nicht mehr?«, frage ich, die Stimme leise.
Die beiden haben sich ewig nicht gesehen. Ich würde sagen mehr als 10 Jahre, und trotzdem ist sie und ihre Meinung ihm so wichtig. Das erscheint mir teilweise sehr krass. Die beiden hatten keine Liebesbeziehung, sie sind nur alte freunde. Da kann man natürlich wehmütig werden, aber so wie er nach einem Lächeln von ihr lechzt ... für mich unglaubwürdig.

Obwohl durch das auf Klapp stehende Fenster der Sommerwind hereinweht, fröstele ich.
Komischer Satz. Erstmal kenne ich „auf Klapp stehen „ nicht, bei uns heißt das „auf Kipp“. Und ich würde annehmen, dass er grade wegen dem Luftzug fröstelt?

Erinnerst du dich?«
Nina schreibt etwas auf ihrem Zettel, der Bleistift kratzt auf dem Papier.
»Nina?«
»Ja«, sagt sie, ohne aufzublicken.
Was soll das? Versucht Nina bewusst auf Distanz zu bleiben. Am Anfang übertrieben freundlich, doch so langsam kann sie wohl ihre Fassade nicht mehr halten.

Mein Herz rast, das Blut pumpt in meinen Adern. »Jetzt hast du mich gehört. Hast du, oder?«
»Du verarschst mich«, sagt sie, haucht sie. »Was soll der Scheiß?«
Diese Reaktion auf sein Geständnis, die gesamte Entwicklung finde ich nun viel besser. Man hat Mitleid mit Sebastian, der seine Schuld mit jemandem teilen möchte, aber Nina ist das viel zu nah, sie will damit nichts zu tun haben und deswegen glaubt sie ihm einfach nicht.

Das Ende finde ich jetzt also ziemlich gelungen.

Was mich nur stört ist dieses unklare Verhältnis zwischen den beiden. Ich meine, Nina verhält sich wie ein Riesenarsch, aber Sebastian ist das egal oder will es nicht wahrhaben, er hängt immer noch an dieser Frau, sieht in ihr immer noch eine Vertraute. Was hat der Mann denn die ganzen Jahre gemacht? Es kommt einem so vor als hätte er keine Leben, sondern immer nur traurig an Nina gedacht. Das passt für mich nicht so ganz.

Ansonsten gefällt mir deine Geschichte. Es lässt sich gut lesen, du präsentierst die beiden und auch den Ort an dem sie sich aufhalten klar, aber unaufdringlich.

Ich persönlich freue mich aber schon auf deine nächste Geschichte, dann hoffentlich wieder mit Phantasieanteil. Ich weiß, da ist ja schon was in der Mache. :bounce:

Liebe Grüße,
NGK

 

Liebe TeddyMaria,

"Was meinst du, soll ich Sepp und mich zu einem solchen Ausbruch zwingen?",
fragst du.
Tja, ich weiß es eben nicht. Und " zwingen" gepaart mit nicht so recht wissen, klingt nicht gut. Könnte auch drangepappt wirken, wenn er da plötzlich so abgeht. Vielleicht würde es spannender wirken, wenn man noch nicht wüsste, was passiert ist. Aber das weiß man ja. Es sei denn, du willst das ändern. Es gibt da bestimmt aber auch noch bessere Lösungen, vielleicht hast du ja irgendwann noch 'ne zündende Idee, muss ja nicht jetzt sein. Oder jemand anders schlägt noch was vor.

Wünsche dir noch einen schönen Abend.

Liebe Grüße,
Chai

 

Hallo, Nichtgeburtstagskind

Du hast es geschafft zu kommentieren! Hurra! Darauf freue ich mich schon die ganze Zeit.

Ansonsten gefällt mir deine Geschichte. Es lässt sich gut lesen, du präsentierst die beiden und auch den Ort an dem sie sich aufhalten klar, aber unaufdringlich.

Ich freue mich, dass Dir die Geschichte zumindest im Großen und Ganzen gefällt, auch dass Du sie besser findest als vorher.

Nun sehe ich einen kleineren und einen sehr, sehr großen inhaltlichen Kritikpunkt an dieser Stelle aufgeworfen.

Erstens die Eingangsszene:

Und wieso zeigst du uns grade diese Szene der Freundschaft der beiden?

Hier wollte ich irgendetwas machen, um zu zeigen, wie er von anderen Menschen immer wieder ausgeschlossen wird. Und irgendetwas darüber, dass er für Nina ja doch nicht völlig bedeutungslos war. Vielleicht habe ich mich aber insgesamt zu sehr darauf verlassen, was jemand anderes mal vorgeschlagen hat (erinnere mich nicht mehr, wer das war), und habe das zu wenig für mich selbst durchdacht. Für mich geht es darum, dass ihm die Teilhabe verweigert wird, die er sich so sehr wünscht. Aber eben auch, weil er Nina etwas bedeutet (und nicht nur andersherum).

Das ist der kleinere Kritikpunkt. Vielleicht fällt mir eine bessere Eingangsszene ein. Diese ist ja vielmehr über mehrere Stadien gewachsen, und ich habe ihre Entstehung nie hinterfragt. Jetzt, wo das schon zwei Leute anmerken (@linktofink ja auch), muss ich das nachholen – und entsprechende Konsequenzen ziehen. Vielleicht hast Du ja eine Idee.

Zweitens der ganz große Kritikpunkt, weshalb ich jetzt schon kommentiere, obwohl ich mein Abendessen noch gar nicht aufgegessen habe. Eigentlich wollte ich erst in Ruhe essen, aber als Du schriebst …

Was mich nur stört ist dieses unklare Verhältnis zwischen den beiden. Ich meine, Nina verhält sich wie ein Riesenarsch, aber Sebastian ist das egal oder will es nicht wahrhaben, er hängt immer noch an dieser Frau, sieht in ihr immer noch eine Vertraute. Was hat der Mann denn die ganzen Jahre gemacht? Es kommt einem so vor als hätte er keine Leben, sondern immer nur traurig an Nina gedacht. Das passt für mich nicht so ganz.

… hatte ich kurzzeitig das Gefühl, dass mir gerade die gesamte Geschichte um die Ohren geflogen ist. Ich dachte dann: Okay, denkste in Ruhe drüber nach, gleich beim 100-Meter-Kraulen, aber dann konnte ich mich auf meine Serie nicht konzentrieren, nicht essen, habe Deinen Kommentar immer wieder gelesen.

Dabei ist mir etwas aufgefallen, eine Theorie, die ich zu solch alten Beziehungen habe. Und das ist nichts Akademisches, meine Mutter sagt das auch immer: Seit ich ausgezogen bin, ist zu Hause alles anders. Seit meine Schwester ausgezogen ist, ist wieder alles anders. Aber sobald wir beide wieder da sind, ist alles wie früher. D.h., natürlich hatte Sepp ein Leben, aber es ist so, als hätten die beiden ihre Beziehung pausiert und würden sie nun weiter abspielen. An der gleichen Stelle weitermachen, wo sie aufgehört haben.

Meine beste Freundin und ich sehen uns nicht mehr oft, trotzdem, wenn wir uns sehen, dann rennen wir wieder durch den Wald, hören LaFee, lästern über unsere jüngeren Geschwister und streicheln Meerschweinchen. Wir tragen unsere frühere Beziehung, unser kindliches Selbst noch mit uns herum, werden wieder genauso wie damals. Da wir uns allerdings noch regelmäßig sehen, haben wir auch neue Themen, sprechen über Tee und die Arbeit mit Kindern. Nina und Sepp haben das aber nicht. Sie haben nur ihre Kinderbeziehung.

Die implizite Theorie, das, was ich über alte Beziehungen denke, was ich ganz unbewusst in den Text verfrachtet habe (wie gesagt, fernab jeder akademischen Debatte), ist, dass wir in bestimmten Beziehungen bestimmte Rollen einnehmen. Und wenn wir uns eben 10 Jahre nicht sehen, sich unsere Beziehung also nicht weiterentwickelt, dann sind wir eben wieder genauso wie vor 10 Jahren.

Nun ist es gut und schön, dass ich diese Theorie hatte, mit der ich an die Geschichte rangehe. Ich wollte ja auch zeigen, dass es da bei Sepp ein Muster gibt, ein Muster aus Unterwerfung, Einstecken, Stillsein, die Unfähigkeit, sich selbst einzubringen, das hemmungslose Übernehmen anderer Leute Ansichten, was ich an jeder seiner Beziehungen spiegeln wollte. Auch an der Beziehung zu seinen ersten Bezugspersonen, die Unsichtbarkeit verlangen …

Ich klopfte mit beiden Fäusten gegen die Tür, hämmerte, hämmerte, hörte die Stimme meiner Tante: Klopf anständig an. Das ist nicht zum Aushalten, hämmerte trotzdem weiter. Niemand öffnete.

Und zu Nina, die ja auch so wichtig für ihn war und ist, die genauso Unsichtbarkeit verlangt, damals …

»Ich war so egoistisch«, sage ich. »Weißt du noch, das hast du zu mir gesagt. Ich habe nur an mich gedacht.«

… wie heute:

»Das ist so typisch«, sagt sie. »Du denkst nur an dich, willst immer im Mittelpunkt stehen. Du machst das Interview nur, weil sich dann wieder alles um dich dreht.«

Also, jetzt muss ich Dir als Leserin ja zeigen, was meine Theorie dazu ist (nämlich, dass man automatisch in alte Muster zurückfällt). Nur wie?

Ich merke gerade, dass es gut und schön ist, jeden einzelnen Teil seiner Geschichte mit Bedeutung aufzuladen: Es wird extrem schwierig, einzelne Teile zu ändern. Ich habe das Gefühl, das hier ist ein filigranes Gebilde wie ein Kartenhaus. Wenn ich an der falschen Stelle ziehe oder unachtsam obendrauf stapele, dann fällt alles zusammen.

Jetzt, wo ich mich erklärt habe, habe ich zwar nicht mehr das Gefühl, dass Dein Kommentar meine Geschichte sprengt: Aber dass da noch etwas Entscheidendes fehlt. Oder dass all die Gedanken, die ich mir gemacht habe, übertrieben sind, zu viele Gedanken darüber, wie Menschen und ihre Beziehungen funktionieren. Deshalb bin ich gerade etwas ratlos. Vielleicht kannst Du mir ja einen Rat geben.

Gott, ich habe gerade das Gefühl, mich um Kopf und Kragen zu reden. Aber das hat mich gerade wirklich so sehr beschäftigt, dass ich nichtmal mein Lieblingsessen runtergekriegt habe. Wie gesagt, solche Kommentare wie Deinen zu bearbeiten, ist mir noch leichter gefallen, als ich nicht in jeden Satz verflucht viel Bedeutung gepackt habe. Da konnte ich einfach sagen: Ja, stimmt, ich ändere das. Jetzt versuche ich, jeden einzelnen Satz zu verteidigen, und das wollte ich eigentlich nie tun. Stichwort: Kill your darlings.

Puh. Hoffe, Du bist nicht nur total abgestoßen von all den Sebstanalysen (dass ich sogar aus der Geschichte zitiert habe!), die ich gerade betreibe. Den restlichen Firlefanz werde ich morgen ohne größeres Blabla einarbeiten. Und jetzt versuche ich, was zu essen.

Filigrane Grüße,
Maria

Und hallo Chai nochmal,

Danke für die schnelle Antwort.

Tja, ich weiß es eben nicht. Und " zwingen" gepaart mit nicht so recht wissen, klingt nicht gut.

Ja, fühlt sich auch nicht gut an. Gerade merke ich aber, dass ich hier ohnehin verflucht defensiv stehe. Es tut mir für alle Kommentierenden gerade total leid, dass ich nur am Abwehren, Abwehren, Abwehren bin. Oder Diskutieren, wenn man es freundlich formuliert.

Hängt wahrscheinlich ein bisschen mit dem Gefühl zusammen, dass ich es nicht besser machen kann. Uff.

Vielleicht würde es spannender wirken, wenn man noch nicht wüsste, was passiert ist. Aber das weiß man ja. Es sei denn, du willst das ändern.

Wow, Du meinst, der Ausbruch Nina gegenüber kommt erst, und danach erfahren die Leser/innen, dass es in der Vergangenheit auch einen Ausbruch gab? Bof. Mein Kopf explodiert. Ich bin gerade komplett verblüfft von dieser Idee. Das wäre so krass. Huh. Ich denke darüber nach.

Danke für Deine Gedanken dazu. Einen schönen Abend wünsche ich Dir auch.

Zündende Grüße,
Maria

 

Hallo TeddyMaria,

huch, was hab ich denn da angerichtet? Dein Abendessen wollte ich dir wirklich nicht versauen!

Ich denke nicht, dass ich mit meiner Kritik deine Geschichte zerstöre. Wie gesagt, mir gefällt sie eigentlich ganz gut. Vielleicht reichen ja schon leichte Veränderungen hier und da. Etwas mehr Freundlichkeit von Nina und etwas weniger Gehechel von Sebastian.
Auch wenn die beiden keine gleichberechtigte Freundschaft hatten, muss doch auch Nina etwas an Sebastian liegen, oder? Und im Moment kommt sie rüber wie die Bitch ohne Herz, die nur an ihr Studium denkt.
Wenn du schreibst, dass Beziehungen und grade Freundschaften auch nach langen Pausen weiterleben, gebe ich dir Recht. Das Gefühl kenn ich auch. Aber warum geht es Nina denn dann nicht auch so?

Also mein Tipp wäre, lass Nina etwas einfühlsamer sein, vielleicht will sie tatsächlich das Interview abbrechen weil sie merkt, dass es Sebastian nicht gut geht und Sebastian besteht drauf und haut ihr dann seine Beichte um die Ohren.
Und lass Sebastian doch auch mal etwas kritisches sagen, wenn Nina so kalt und reserviert ist.
Dann wäre ich schon zufrieden. Aber ich habe keine Ahnung, ob es das ist was du willst.

Wegen der Eingangsszene: Auch diese ist mir zu überzogen und deswegen unglaubwürdig. Man fragt sich einfach nur: Warum gehen diese Kinder denn so ab?
Also hier ein bisschen Weichzeichner drüber: Sebastian klaut beim Haareschneiden eine Locke von Nina und bewahrt sie auf. Nina findet das raus und findet das voll eklig, lacht ihn aus und verbietet ihm noch mal beim Haareschneiden dabei zu sein. Nur eine Idee – aber ich denke es wird klar, was ich meine.

Puh. Hoffe, Du bist nicht nur total abgestoßen von all den Sebstanalysen (dass ich sogar aus der Geschichte zitiert habe!), die ich gerade betreibe.
Natürlich nicht, liebe Maria. Ich finde es toll, wie du hinter deiner Geschichte stehst. Nur so kann es funktionieren!

Aber bitte lass dir nie wieder von mir das Abendessen verderben! So wichtig bin ich dann nun wirklich nicht.

Liebe Grüße und noch einen entspannten Abend.

NGK

 

Hallo, Nichtgeburtstagskind

So, nachdem ich mich jetzt ein bisschen ausgepowert und beruhigt habe … Puh. Ich drehe häufig leicht durch. Komme aber auch leicht wieder runter. V.a., wenn es so liebe Leute wie Dich gibt, die mich mit guten Ratschlägen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Ratschläge sind das, was ich gerade brauchte …

Also mein Tipp wäre, lass Nina etwas einfühlsamer sein, vielleicht will sie tatsächlich das Interview abbrechen weil sie merkt, dass es Sebastian nicht gut geht und Sebastian besteht drauf und haut ihr dann seine Beichte um die Ohren.
Und lass Sebastian doch auch mal etwas kritisches sagen, wenn Nina so kalt und reserviert ist.

Also hier ein bisschen Weichzeichner drüber: Sebastian klaut beim Haareschneiden eine Locke von Nina und bewahrt sie auf. Nina findet das raus und findet das voll eklig, lacht ihn aus und verbietet ihm noch mal beim Haareschneiden dabei zu sein.

Bei Letzterem nur ein bisschen: Das nennst Du Weichzeichner? Das finde ich auch ganz schön durchgeknallt. :D Aber wie gesagt, ich freue mich darüber, dass Du noch so konkrete Ratschläge für mich hast. Und so geduldig bist, wenn mir mal wieder die Nerven durchgehen.

Ich finde es toll, wie du hinter deiner Geschichte stehst. Nur so kann es funktionieren!

Und das, glaube ich, wurde mir bei „Chaosfahrt“ gesagt: Dass ich es nicht jedem rechtmachen kann. Ich freue mich ja auch über das Selbstbewusstsein, dass ich mir seitdem zugelegt habe. Damals wollte ich eine perfekte Geschichte schreiben, also eine, die ausnahmslos jedem und in ausnahmslos jedem Satz gefällt. Dass das nicht funktioniert, weiß ich inzwischen. Ich glaube, es gibt keinen Text (zumindest keinen mir bekannten), auf den so etwas zuträfe. Und das heißt ja leider auch, dass die Arbeit an einer Geschichte nie vollständig beendet sein kann. Weil man es immer noch besser machen könnte.

Ich mag es nur selbst häufig nicht, wenn andere Leute Kritik abwehren. Da denke ich immer: Boah, denk doch wenigstens mal drüber nach! So viele gute Hinweise, einfach für die Tonne! Und ich gelobe hiermit feierlich, dass ich über alles, was hier heute gesagt wurde, nachdenken werde.

Ich glaube, mein Problem an dieser Stelle der ständigen Verbesserungen ist momentan, dass ich so viel Mühe und auch Herzblut in „Bindung“ investiert habe, dass ich die Geschichte einfach nicht mehr sehen kann. (Mir ist vorhin aufgefallen, dass sie erst seit zweieinhalb Wochen im Forum steht, kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Aber ich habe ja auch schon einen Monat vorher begonnen, sie zu schreiben.) Zugleich bin ich aber auch wirklich stolz drauf. Mein nerviges Baby. :herz:

Das legt sich hoffentlich bald (mit dem echt nicht mehr sehen können), und dann werde ich versuchen, ein bisschen Finetuning zu machen. Wie gesagt, Kartenhaus, bla, bla, Fingerspitzengefühl, bla, bla, braucht ein paar Tage/Wochen/18 Jahre, bla, bla. Habe ich alles schon gesagt, verstehst Du sicher auch. :D

Zu guter Letzt:

So wichtig bin ich dann nun wirklich nicht.

Brauchst kein schlechtes Gewissen haben. Es liegt nicht an Dir, sondern an dem, was Du schreibst. :p Wo wir gerade heute darüber diskutiert haben, wie wichtig es ist, etwas Persönliches über Leute zu wissen. Zugegeben, wenn man die Leute ein wenig kennt, nimmt man sich manche Kritik eher zu Herzen als andere, und Du gehörst für mich in erstere Kategorie. Aber auch wenn jemand anderes das geschrieben hätte, hätte ich mir diese Gedanken gemacht.

So, jetzt werde ich mal wieder was essen. ;)

Hungrig,
Deine Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Maria.

Ich sage dir nochmal, dass die Beziehung der beiden und die ganze Figur Sepp jetzt viel viel glaubwürdiger, besser für mich ist. Ich kann nur nicht so gut meine Gefühle dazu in Worte fassen.

Ich fühle da jetzt jedenfalls richtig mit, glaube, die Figuren zu verstehen. Früher hatten die beiden eine sehr enge Beziehung zueinander, eine enge Bindung, sie standen darüber, wenn es mal Konflikte gab, Nina war für ihn da, war ihm total wichtig. Heute, bei diesem Treffen ist aber total die Luft raus. Das merken beide. Ich kenne das auch, dieses Gefühl wenn man sich nach langer Zeit gegenübersteht und sich total viel sagen will und den anderen total vermisst und dann nur eintönige und kurze Sätze von sich gibt, bei jedem Versuch scheitert, am Ende auseinandergeht, ohne wirklich gemeinsam gewesen zu sein ... Sepp versucht, diese enge Bindung wieder herzustellen, da Nina lange Zeit sein Fels in der Brandung war, als sie jünger waren, aber es klappt nicht, er ist verzweifelt. Er gibt sich total Mühe, aber alles bringt nichts. Er will, dass alles wird wie früher, will mit ihr wieder über alles reden können, will nicht nur erzählen, was sie sowieso schon weiß. Aber er merkt eben auch dass es nicht klappt. Deswegen kann er selbst auch nicht mehr so offen mit ihr über Dinge reden, wie früher. Er braucht, wenn es and Eingemachte geht, Umschreibungen, nennt die Dinge nicht mehr beim Namen, kann sie nicht mehr beim Namen nennen, versucht die Themen zu umgehen, zu verharmlosen, beiseite zu schieben. Auch, weil er eben diese Schuld, deises Alleingelassensein, dieses Alleinsein so in sich reingefressen hat, dass er nicht mehr kann. Früher hätte er mit Nina vermutlich nie Wörter wie danach-danach oder Flimmern verwendet. Heute muss er das. Armes Schwein.
Er ist die ganze Zeit nervös, gedanklich und gefühlsmäßig zwischen den alten Zeiten und dem hier und jetzt, das er nicht wahrhaben will hin und hergerissen. Klammert sich an etwas, das nicht mehr da ist.
Für Nina ist die Beziehung abgeschlossen. Jetzt will sie hauptsächlich noch ihre Fragen stellen und Anfangs sieht sie da kein Problem.Sie versucht zwischendurch zwar doch noch, wieder einfühlsam zu sein, nicht so taktlos, wie sie es am Anfang war, sieht vielleicht auch ein, dass das jetzt eigentlich doch nicht so toll ist, aber sie schafft es auch nicht mehr, einfühlsam zu sein. (Eigentlich war sie das früher auch nicht wirklich) (Na ja, vielleicht ist sie es jetzt doch ein bisschen)Sie kommt nicht mehr an Sepp ran, wie er nicht mehr an sie, auch wenn er sich dieses Rankommen deutlich mehr wünscht.
Am Ende ist er dann total verletzt, will sich endlich wehren, gegen den Ganzen Mist, tut es doch nicht, bleibt zerbrochen zurück, sieht aber gleichzeitig auch ganz am Ende erst ein, dass diese Beziehung genauso kaputt ist, wie der Rest seines Lebens.

Ich finde es eigentlich auch nicht seltsam, dass er noch so an das, was früher war, klammert, als hätte er die letzten zehn Jahre kein eigenes Leben gehabt. Der Arme ist einfach von seinem Leben total kaputtgemacht worden. Hat alle Bezugspersonen,alle frühen Bindungen verloren, muss mit einer schrecklichen Schuld und einer erdrückenden Lüge leben, kann mit niemandem reden, muss alles in sich reinfressen, die schönen Erinnerungsstücke wurden weggeworfen, die schönen Erinnerungen von Streit, Geschrei, einer Scheidung, Fremd- und Selbstvorwürfen, Schuld, Tod, Schicksal und zerbrochenen Beziehungen überschattet ... da kann man erstmal nicht so ohne weiteres weiterleben, als wäre nichts passiert. So etwas verändert einen für immer, ich kann mir gut vorstellen, dass man in dieser Lage nicht wirklich begeistert raus in die Welt geht, neue Abenteuer erlebt und sich von alleine feste, neue Bindungen aufbauen kann. Man hängt eher in den Erinnerungen fest und kommt nicht davon los. (Ist natürlich bei jedem Menschen unterschiedlich, wie er mit sowas umgeht. Ich glaube nur, dass es bei Sepp so war.)
Ach ne, warte, ich bemerke gerade die Exfreundin. Hm. Die passt mir jezt irgendwie nicht ins Bild.

Am Anfang war ich irritiert, dass dieser Twist fehlt, dass er plötzlich zum Ausnutzer wurde, jetzt finde ich es viel besser so. So stehe ich nicht am Ende des Textes da und hasse alle Figuren. Jetzt kann ich beide verstehen und mögen, Sepp und Nina. Ich kann Sepp bemittleiden, und das mache ich viel lieber.

Wir hatten es darüber, wie du es darstellst, wenn Toni Anfälle kriegt. Ich mag die Sache mit dem Flimmern, so wie es jetzt ist, bin ich aber noch nicht ganz zufrieden. Es ist mir nach wie vor zu direkt. Hier sogar noch mehr, aber anders. Ich glaube, hier liegt es eifach an dem Artikel, den du verwendest.

Wenn sie dann wieder das Flimmern gekriegt hat ...
Ich fände es hier schöner, wenn er das nicht so sagen würde, als wäre der Begriff Flimmern in ständigem Gebrauch (gewesen), wenn es um dieses Thema geht. Ich fände es für die Situation aber passender, wenn er einfach nicht mehr so direkt über diese Vorfälle reden will, wie früher. Wenn er erst kurz nach einer passenden Umschreibung für die Anfälle sucht, nicht so als wäre es selbstverständlich.
Das könnte dann so aussehen:
"Wenn sie dann wieder ... dieses Flimmern gekriegt hat ..."
Toni hat das Flimmern gekriegt. Du weißt ja wie das war. Sie war nervös, ganz weiß.
Hier sogar noch direkter. Die Beschreibung, wie das war gefällt mir richtig gut. Für meinen Geschmack ist der erste Satz aber nicht gut. Wenn ich das richtig interpretiert habe, dass er das Thema umschreibt, dann fände ich es komisch, wenn er er wieder so bestimmt "das Flimmern" sagen würde, er hätte dann ja den Begriff gerade erst gefunden. Wenn überhaupt nochmal, würde er ihn wieder eher mit "dieses" verwenden, eher zögerlich. Hier würde mir aber eigentlich besser gefallen, wenn es im ersten Satz völlig umschrieben würde, gar nicht beim Naman genannt. Sowas wie Es ging wieder los. Oder Es ist wieder passiert. Oder so.


Ich fahre mit bebenden Fingern in die Ritzen des Kartons zwischen dem Gemüse.
Das kann ich mir nicht vorstellen. Da ist Gemüse. Und zwischen dem Gemüse ist Karton. Und in dem Karton sind Ritzen. Und da fingert er drin rum. Hä???
Ich glaube, da ist was durcheinander geraten.

Ich schlucke an dem Kloß in meinem Hals
Wow, besser könnte ich dieses Gefühl nicht beschreiben. (Höchstens schlechter)

Mir ist noch zum Satzbau aufgefallen, dass teilweise ziemlich viele Sätze mit Subjekt-Prädikat-... anfangen.

Soviel noch als zweiter Leseeindruck von mir.
Müde Grüße,
Anna

 

Guten Morgen, annami

Ich freue mich, dass es Dich auch nochmal hierher verschlägt. Schauen wir mal, was es noch zu sagen gibt.

Ich finde es eigentlich auch nicht seltsam, dass er noch so an das, was früher war, klammert, als hätte er die letzten zehn Jahre kein eigenes Leben gehabt. Der Arme ist einfach von seinem Leben total kaputtgemacht worden.

Wow und wow und wow. Ich habe das jetzt ganz oft gelesen (nicht nur den zitierten Teil, alles), und für mich sind all diese Gedanken natürlich (indirekt) ein riesiges Lob. Dass ich all diese Gedanken anregen konnte, dass man all dies darin sehen kann. Wahnsinn! Vielen Dank, dass Du das mit mir teilst.

Ach ne, warte, ich bemerke gerade die Exfreundin. Hm. Die passt mir jezt irgendwie nicht ins Bild.

Das ist mir auch schon aufgefallen, als ich gestern über NGKs Kommentar nachgedacht habe. Ich bin da selbst auch schon drüber gestolpert. Sehr guter Hinweis. Sie kommt raus.

So stehe ich nicht am Ende des Textes da und hasse alle Figuren. Jetzt kann ich beide verstehen und mögen, Sepp und Nina. Ich kann Sepp bemittleiden, und das mache ich viel lieber.

Dass Dir das Ende so besser gefällt (doch noch), freut mich wirklich sehr. Mir geht es auch so. Ich wollte Sepp ja eigentlich nicht zu einem Psychopathen machen, und so ist er deutlich verletzlicher, seine Motive wohl auch klarer, weil eben gänzlich anders (hoffe ich).

Deine Anmerkungen zu Tonis Flimmern sind super. Ich bin mir zwar unsicher, ob man so einen Begriff spontan erfindet, denn er ist schon relativ abstrakt (und uneindeutig), aber ich nehme mir mal Deine Vorschläge und gucke, was ich daraus machen kann.

Das mit dem Ritzensatz ist ja witzig. Wenn ich den unter dem, was Du sagst, nochmal lese, klingt es wirklich total beknackt. :lol: Auch da gehe ich nochmal ran. Sollte heute im Laufe des Tages dazu kommen.

Liebe Anna, meine Antwort ist so unfairerweise kürzer als Dein Kommentar. Aber was soll ich dazu noch sagen? Ich bin sprachlos. Und sehr gerührt. Und ich frage mich, wie lange Du beim langsamen Tippen wohl dazu gebraucht hast, hehe. Es war mir eine Freude, den Text mit Dir zu teilen, nicht nur hier, auch im Vorfeld. Und dazu gibt’s nicht mehr zu sagen als: Danke! :herz:

Hab einen wundervollen Tag.

Flimmerige Grüße,
Maria

 

Hallo TeddyMaria!

So, hier kommt wieder Chris und sagt dir, was ihr alles nicht gefällt, sorry.
Ich nehme mir aber viel Zeit und versuche, dir meine Sicht genau zu erklären.

Lies aber erst weiter, wenn du genügend Kraft gesammelt hast, okay?

Zum Anfang: Auch in der Vorgängerversion hast du mit einer Rückblende zum Haareschneiden angefangen, aber ich bin nicht darauf eingegangen, weil ich dachte, okay, das ist kurz, daher vernachlässigbar, und vielleicht hat TeddyMaria einfach irgendeinen Einstiegpunkt gewählt.
Jetzt ist die Szene länger geworden, und da bleibt mir nichts anderes übrig, als dir zu sagen, warum ich das für einen schlechten Anfang deiner Geschichte halte.
Es gibt zwei Stellen in einer Geschichte, an die man niemals Rückblicke setzen sollte. Eine der Stellen ist der Anfang. (Die andere wäre inmitten von Szenen, in denen der Leser gespannt wissen will, wie es weitergeht.) Warum keine Rückblicke am Anfang? Am Anfang einer Geschichte musst du erstmal den Leser an den Haken kriegen. Wie macht man das? Am besten mit einer interessanten Szene im Hier und Jetzt. Die sollte die W-Fragen beantworten: Wer, wo, worum geht es und warum sollte mich Leser das interessieren. (Wie jemandem, den man nicht kennt, als Kind die Haare geschnitten worden sind - warum sollte das irgendwen interessieren?)

Allgemein, zu Rückblicken:
Das sehe ich hier im Forum sehr oft: Kritiker bemängeln, dass sie Charaktere nicht verstehen, ihr Verhalten nicht nachvollziehen können und die Autoren reagieren darauf damit, dass sie, sehr oft über Rückblicke, ihre Charaktere erklären.
Kann der Leser die Charaktere dann besser verstehen? Klar, dem Leser wurde ja lang und breit erklärt, warum die Charaktere ticken, wie sie ticken.
Sind diese Rückblicke deshalb gut, das beste Mittel für den Autor? Nein!
Was stattdessen? Man sollte selbsterklärende Szenen schreiben. Die Charaktere handeln lassen. Zeigen und dem Leser genügend Raum geben, aus den Handlungen der Charaktere die richtigen Schlüsse zu ziehen. (Klingt nach show, don't tell, nicht wahr?)

Jetzt mal den Text entlang:

Dieses Tür-vor-der-Nase-zuschlagen und Dagegenhämmern-wie-ein-Bekloppter liest sich für mich auch nach: Was sind denn das für irre Figuren?
Ich habe deine Antworten auf die neuen Komms gelesen, und damit auch die Frage an linktofink: "Aber denkst Du nicht, wenn Du Lust hättest, über den Text nachzudenken, dass man selbst zu solchen Schlüssen kommen könnte?"
=> Also ich wäre nie auf das gekommen, was du linktofink erklärst.
=> Wie ich die Szene gelesen habe: Sepp hat schon öfter beim Haareschneiden zugschaut. Diesmal regiert Nina, wie sie reagiert, weil sie vermutlich in die Pubertät gekommen ist und nicht mehr möchte, dass ein Junge etwas Intimes mitkriegt (Haarschneiden, das ist ja so etwas wie eine Badezimmerszene). Sepp fühlt sich ausgeschlossen und verhält sich dann wie ein Bekloppter, aber warum er so bekloppt reagiert, erschließt sich mir nicht. (Außer, dass er vermutlich halt bekloppt ist; so deute ich später auch das Ende der Geschichte.)

Ganz ausdrücklich von mir: Wenn du diesen Anfang auch schon in der Vorgängerversion benutzt hättest, hätte ich die Geschichte nicht weiter gelesen.
Vorher hattest du: Kinder wollen zum Spielen. Das ist nachvollziehbar und ich sehe die Möglichkeit, dass sich etwas Interessantes daraus entwickelt.
Jetzt: Irre Kinder. Muss ich nicht haben.

Weiter im Text:

Die Kaffeesache war vorher nur Hintergrundrauschen, jetzt bauscht du mit Kaffee-oder-Tee einen Konflikt auf. Was bringt dir dieser Konflikt? Der ist doch total belanglos, hat keinen Wert in der Geschichte.

Stattdessen streichst du das hier (gut, dass ich deinen Text abgespeichert hatte):

»Schöne Küche«, sagt sie. »Gemütlich.«
Mir schießt das Blut in den Kopf.
=> Das zeigt so viel, lässt den Leser deinen Sepp sehen! Nun schaut er langweilig weg.

Und du streichst das:
"Ich gieße Kaffee in Tassen – die eine hat ein Blümchenmuster, die andere einen Werbeaufdruck. Es hätte keinen Sinn, nach zusammenpassendem Geschirr zu suchen. Trotzdem stelle ich mich kurz auf die Zehenspitzen, spähe ganz hinten in den Schrank, werfe auch einen Blick in den Karton unter der Spüle, um zu schauen, ob ich nichts übersehen habe. Habe ich nicht."
=> Das fand ich toll, da du das Setting einbringst und über das Setting dem Leser den Charakter Sepps näherbringst. Nun ist da nur noch "Tasse mit Blümchenmuster".

Mit dem Matschgemüse in der jetzigen Version kann ich auch nichts anfangen.

Jetzt komme ich zu einer Stelle, die du nicht geändert hast:

Sie lacht. »Sieht nicht so aus, als hättest du einen grünen Daumen.«
(Übrigens, Nina sieht aus dem Fenster, in die Landschaft. Um auf das Basilikum zu deuten, müsste sie stattdessen doch da hinsehen, nicht?)
=> Warum zitiere ich diese Stelle?
Weil sie jetzt, eben durch das, was du zuvor im Text geschrieben bzw. nicht geschrieben hast, bei mir ein ganz anderes Bild vermittelt als in der Vorgängerversion.
=> In der Vorgängerversion kam das für mich freundschaftlich feixend rüber.
=> Jetzt kommt das bei mir eher gehässig an. In der Vorgängerversion hatte ich einen neutralen Blick auf Nina. Hier mag ich sie nicht leiden.

=> Zusammengefasst: Sepp verhält sich in der Anfangsszene wie ein Bekloppter; Nina mag ich auch nicht. Ich habe keinen Charakter, dem ich gerne folgen würde. Warum sollte ich weiterlesen?

Neue Info:
"Wir interviewen Bekannte zur Übung."
=> In der Vorgängerversion stand nichts von "Bekannten"; da war das sachlicher gehalten. Warum jetzt "Bekannte"? Was soll mir diese Info sagen?

"stehe auf, gieße das heiße Wasser auf den Tee, stelle die Tasse vor sie hin."
=> Er hat schon Kaffee getrunken, aber ihr gießt er erst jetzt Wasser über den Teebeutel? Warum? Soll Sepp extrem unhöflich rüberkommen? Oder warum steht das da so?

"Sie wirft sich das Haar über die Schulter. Ich rieche ihr Shampoo, eine Wolke von Orange."
=> In dieser Version zielst du offensichtlich auf eine "Beziehungskiste" ab. Tut mir leid, das mag ich auch nicht.
Ich mochte die recht neutrale Vorgängerversion eben deswegen, weil du das, was du erzählst, durch das Interview rüberbringst.
Hier wird das Interview total unwichtig. "Beziehungskiste" macht das Drumherum unwichig. Was ich total schade finde.
Und übrigens, wenn diese Beziehungskiste so offensichtlich dein Thema ist, dann ist der ganze Interviewkram, und auch "die Sache", zu ausgebreitet.

"Sie schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr"
=> Der ist ziemlich aufs Haar fixiert, oder?

Vorgängerversion, zur Tante:
»Sie hat ja gearbeitet. Und sie war sehr streng. Ich hatte Angst vor ihr.«
= Das sagte für mich alles. Warum hängst du da jetzt noch das hier dran: "Du weißt doch, wie sie war. Räum dein Zimmer auf. Sprich nicht beim Essen. Sei nett zu Toni.«?

während sie mit der Zunge am Lippenpiercing spielt.
»Weißt du nicht mehr?«, frage ich, die Stimme leise.
Sie blättert um. »Wenn es dir als Kind schlecht ging, was hast du gemacht?«

=> Die mittlere Zeile hast du eingefügt. In der Vorgängerversion las sich diese Szene neutral, jetzt kommt Nina als eiskalte Hexe rüber.
=> Zusammengefasst kommen mir deine Charaktere jetzt viel zu extem rüber; sie wirken auf mich nicht mehr wie echte Menschen.
=> Vertrau deinem Schreiben ein bisschen mehr, ja? Zeige nicht so extrem, direkt, sondern bleibe mehr zwischen den Zeilen, wie in der Vorgängerversion.

"Bevor wir umgezogen sind, da bin ich gerne mit dir rausgegangen."
=> Und das erzählt er ihr, weil ...?

"Wenn sie dann wieder das Flimmern gekriegt hat …"
=> Erstmal habe ich keine Ahnung, was "Flimmern" sein soll, aber eigentlich wollte ich fragen, was dann? (Und ohnehin, ohne den Satz hat der Vorgängerversion absolut nichts gefehlt.)
Darauf folgt: "Ich war ja auch schon älter, ich wusste dann, wo die Pflaster waren"
=> Wenn sie "das Flimmern" kriegt, holt er also Pflaster? Hä?

"Alleingelassen"
=> Zurückgewiesen war stärker, hat bei mir ein Bild ausgelöst. Warum hast du das geändert?

"Ich weiß noch, als Toni das erste Mal mit am See war. Meine Tante ist auch mitgekommen"
=> Das ist jetzt ein ganz normaler Familienausflug. Vorher hattest du Sepp mit dem Onkel und dann das erste Mal die Toni dabei. Da ist klar, dass Toni ihn stört. Jetzt ist das nicht mehr klar. Was hat er gegen Familienausflüge?

»Ja«, sagt sie, ohne aufzublicken.
=> Diese eiskalte Hexe geht mit echt auf den Keks.

»Sie wollten sofort mit Toni nach Hause fahren."
=> Er ist genauso gefühlskalt (war es jedenfalls als Kind). Ein Riesenunterschied zur Vorgängerversion. Seine kleine "Schwester" kriegt einen Anfall und das ist ihm egal. In der Vorgängerversion ging's nur um ein Eis, da konnte man gut nachvollziehen, dass er trotzig reagiert.

"Heute verstehe ich das."
=> Heute erst? Idiot.

"Wie damals, als ich abends zu ihr rannte, die ganze Nacht bei ihr blieb, ihrem Atem lauschte, ihrem leisen Schnarchen."
=> Der Typ ist echt gruselig!

Noch ein Zusammengefasst: Wie auch bei deinem anderen Text, den ich kommentiert habe, gehst du bei der Überarbeitung deiner Charaktere in extremere Gefilde. Du versuchst, dem Leser was mit dem Holzhammer einzuhämmern.
=> Komm wieder zurück ins Subtilere. Vertraue dem Leser und vertraue deinen subtileren Andeutungen. Die hast du doch eigentlich drauf; denen fehlt höchstens Feinschliff.

"Das alles«, sage ich, und meine Stimme klingt fest, beherrscht, »hat dazu geführt, dass ich mich schwer fühle, unsichtbar und trotzdem störend."
=> Klingt, als hätte er schon eine Psychotherapie hinter sich, so kühl wie er sich hier selbst analysiert. Das "beschwert" aus der Vorgängerversion gefiel mir viel besser.

»Was soll das? Warum sagst du das?«
=> Das frage ich mich auch.

"Mein Herz rast, das Blut pumpt in meinen Adern. »Jetzt hast du mich gehört."
=> Okay, total durchgeknallt, der Typ. Der ist halt irgendsoein extremer Charakter, dem man in Geschichten begegnet. Nicht in der Wirklichkeit. Der ist nicht mehr echt, TeddyMaria, und das ist total schade.

Was ich dir empfehlen möchte ist mehr Abstand, bevor du dich ans Überarbeiten machst. Lass die Geschichte so lange liegen, bis du die ganzen Details und so vergessen hast. Dann kannst du da mit neutralerem Blick rangehen.

Grüße,
Chris

 
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Hey TeddyMaria,

ich hatte den Text gelesen, auch die Kommentare, und als ich endlich in die Puschen kam, deinen Text öffnete, um zu kommentieren, war die neue Version da. Somit brauchte es also einen zweiten Anlauf und woila, hier kommt mein Senf.
Es haben Dir schon viele Leute viele Dinge gesagt, ich will das jetzt auch nicht wiederholen. Aber nach dem ersten Lesen hatte ich mir Dinge überlegt, die ich Dir gern mitgegeben hätte und die haben sich mit der Überarbeitung eigentlich nur verschärft.

1) So Stilkram ;)

Du studierst Psychologie - und ich frag mich die ganze Zeit, ob bei Dir ganz aktuell Körpersprache oder zumindest Kommunikationstheorie gerade sehr präsent sind? Ja, wir kommunizieren nicht nur analog, sondern auch immer digital. Inhalt und Beziehung, Basics halt. Und weil dem so ist, gibst Du zu jedem Dialogfetzen auch die digitale Seite mit. Das ist an sich ja korrekt und gut und schön, aber es haut mich jedes Mal aus dem Text, aus dem Lesefluss. Dialoge müssen vor allem eins - fließen. Bei Dir (durch die ständigen Unterbrechungen) eher so stottern. Wenn analog und digital kongruent sind, hau weg. Behalte sie, wenn Du Inkongruenz zeigen musst. Behalte sie, um Wendepunkte zu markieren. Behalte sie für Gefühlslagen, die wichtige Höhepunkte im Verlauf darstellen oder sie etwas voraus deuten - ein Hinweis auf das Folgende. Aber versuche nicht jedem Satz eine Bedeutung durch Mimik oder Gestik nachzuschieben. Das lenkt ab, haut den Leser raus. Und traue dem Leser ruhig mehr zu, der kann da schon auch was von Inhalt zu Inhalt raus lesen.
"Liebst Du mich überhaupt noch?"
"Du hast lange nichts mehr von deiner Mutter erzählt. Ist das Dach jetzt schon neu gedeckt?"
Da könnte man auch aus dem ganz großen Topf der Mimik und Gestik greifen und das auskommentieren. Aber der Leser füllt das allein, und weil es ohne die Zwischenschübe viel dichter ist, erlebt man es auch viel intensiver.
Dialoge sind schwer, da ist der Grad zwischen zu viel und zu wenig in Worten wie Taten (Beizeug) so schmal, durch diese Schule müssen alle durch. Die einen brauchen länger, die anderen kürzer und manche kommen nie vom Holzweg runter. Das sage ich jetzt, weil man auch sagt, es klingt hölzern, unecht, wenn die fiesen Dialoge nicht fließen.

2) Was will die Geschichte? Was willst Du von ihr? Was soll sie können? Was ist ihr Thema?

Da sind so viele Fäden drin, kein Wunder dass deine Kritiker von Potential reden und "baue mal aus" - "das ist alles zu vage". Ich gebe den Gegenratschlag: Such Dir einen aus und hau die anderen weg oder vernachlässige sie zumindest sehr gründlich. Weil, wenn Du das alles vollumfänglich und zu aller Zufriedenheit ausführen willst, muss das Ding echt lang werden. Dazu gibt eine solche Interviewsituation aber einen schlechten Rahmen ab. Auf Dauer ist dieses Setting zu wenig und langweilt irgendwann. Also noch länger - ich wäre dann nicht mehr dabei.
So, was will sie denn nun erzählen? Die verkorkste Liebesgeschichte? Die Story seiner Kindheit? Warum heute der Tag ist, an dem er nun endlich jemandem die Wahrheit erzählen muss? Das wären allein schon drei Themen für sich irgendwie. Oder aber, auch möglich, dass die Geschichte auf diesen Effekt hinarbeitet, der ja bei vielen Lesern funktioniert hat: WUMS: Ich habe sie gekillt. Keine Ahnung was Dir wichtig ist, ich kann es nicht herauslesen, konnte es auch nicht in der ersten Version. Und Du hast im Hintergrund ja auch noch ein echt schweres Thema zu meistern. Jedenfalls fand ich das Thema Geschwister-Tod-Schuldgefühle sehr komplex und mega sensibel, als ich in der letzten Copywrite-Runde wie die Jungfrau zu diesem Thema kam.
Will sagen, Du hast Dir die Latte mit dieser Komplexität echt extrem weit nach oben gelegt. Weiß nicht, ob ich hier im Forum wen benennen könnte, der da drüber gehen könnte. Müsste ich etwas länger drüber nachdenken, bevor ich das wem zutrauen würde, in der Länge, die das Setting nur zulässt.

Nimm einen Punkt der vielen möglichen, bleib da dran, hau die anderen raus - diese Liebesgeschichte zum Beispiel. Wozu ist die eigentlich gut? Lass die beiden bekannt sein, im Laufe des Gesprächs wird sie für ihn immer attraktiver, am Ende knallt er ihr das Ding vor den Latz - geh raus mit der Frage, war das jetzt ernst oder wollte er sie beeindrucken? Wäre jetzt eine Möglichkeit. Oder aber, er nutzt tatsächlich das Gespräch, um endlich die Last loszuwerden, die er da seit Jahren mitschleppt. Dann müsstest Du ihn aber von Anfang an mit dieser Motivation ins Geschehen schicken. Er würde das Interview dazu eigentlich missbrauchen. Er würde sich von Anfang an anders verhalten. Oder ganz was anderes. Möglichkeiten über Möglichkeiten. Das waren jetzt auch nur Beispiele. Aber geh in Dich, was ist Dir wichtig? Und es sollte Dir nicht wichtig sein, möglichst authentisch an einem echten Fragebogen dranzubleiben. Lass Dich von ihm inspirieren, aber lass ihn dir nicht die Richtung diktieren.

So, das war jetzt mehr allgemein. Wenn nicht für diese Geschichte, dann vielleicht für die nächste oder übernächste oder gleich fürs Klo. Alles deine Entscheidung.
Und die erste Version, ich fand das schon spannend zu lesen, wie sich das so zuspitzte, auch wenn ich ziemlich schnell eine Ahnung hatte. Doch, ich hatte meine Freude dran. Nicht perfekt, aber hübsch. Das zweite Lesen war dann wie eine verlängerte Wiederholung, also immer noch hübsch, noch immer nicht perfekt, aber wer ist schon perfekt ;)?

Beste Grüße,
Fliege

 

Guten Morgen, Ronja, Chris Stone und Fliege

Ich habe mir schon ganz viele Gedanken zu euren Kommentaren, den Dingen, die ihr sagt, gemacht. Dann erwachte ich eben aus einem vorpremierlichen Albtraum, in dem ich einfach alles vergaß: das Bügeln meines Kostüms, meine Schuhe, meinen Text, das Herumscheuchen der anderen Darstellenden. Und da ist mir klargeworden, dass ich mich dringend auf die heutige Premiere konzentrieren sollte. Und da morgen Auskatern und zweite Aufführung angesagt sind, kann ich auch morgen keine angemessene Auseinandersetzung und Beantwortung eurer Kommentare versprechen.

Geduldet euch mit mir also bitte noch bis Montag und wisst: Ihr seid weder übersehen, noch vergessen. In den langen Im-Dunkeln-Herumsitzen-Phasen, die das Theaterspielen mit sich bringt, werde ich an euch denken. :D

Also, bitte wundert euch nicht, wenn meine Reaktion später kommt, als man es normalerweise von mir gewohnt ist. Ihr sagt viel Wahres und viel Komplexes – wofür ich mich jetzt schon einmal bedanke: Vielen Dank für eure Mühe, wirklich! –; solche Kommentare brauchen Zeit, und auch ich möchte euch Zeit zurückgeben (auch in meinem eigenen Interesse).

Übrigens für alle Südostniedersachen: "Besuch der alten Dame" im Audimax der TU Braunschweig, Beginn 19:30 Uhr, Eintritt frei. ;)

Ihr lest von mir spätestens am Montag wieder. Mary, over and out.

Lampenfiebrige Grüße,
Maria

 
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"Mother, you had me, but I never had you
I wanted you, you didn't want me
So I, I just got to tell you
Goodbye, goodbye
..."
John Lennon, "Mother"​

»Ich wollte, dass alles wieder so wird wie vor Toni.«
...
»Ich habe das nicht geplant«, sage ich. ... »Es ist einfach passiert. Wir waren alleine ...«

Großer Gott, jetzt fühl ich zunächst mal mit Nina.

Nicht, dass unsere Frau Mutter uns das Haar geschnitten hätte, aber sie sorgte dafür, dass alle drei Wochen ein altehrwürdiger Herr Büchner in der Werkswohnung vorbeischaute und den Söhnen das Haar schor, fünf Finger breit überm Ohr und streng gescheitelt, selbstverständlich rechts.
Heute piekst's noch im Nacken der Erinnerung an diesen ritualisierten Zwang... Aber ich will nicht darüber philosophieren, welchen Schaden das erzwungene Haareschneiden anrichten kann - Nina wird ja auch nicht eine Ganzkörperrasur erlitten haben, die heute wohl in ist wie die Vermeidung des eigenen, individuellen Körpergeruchs durch industrielle Hilfestellungen standardisierter Düfte. Wie etwa zu diesem,ihrem

... Shampoo, eine Wolke von Orange.

Nur so viel oder wenig noch zur eigenen Einleitung, wenn der Herrgott oder Mutternatur gewollt hätte, dass wir glatt und ohne Härchen seien, wir kämen als Glatzeköpfchen zur Welt ...

Aber das Adjektiv "anständig" in der Verlängerung des des zwoten bis dritten Reiches dürfte überstrapaziert sein, wie andere Adjektive aus dem Sprachschatz dieser Zeit.

Aber Anstand kann an sich nicht schaden!

Aber fast wäre ich nun abgekommen vom eigentlichen Grund, den Parallelen des Schicksals des Sebastian mit dem Leben eines Hundes,

liebe TeddyMaria,

und da will ich mal schauen, was sich da zusammentragen lässt jenseits des schon vordem genannten einsilbigen "Sepp" als Maß der gebellten Sprache im Leben eines Hundes und des Wegfalls der fünf-Worte-Grenze. Und in dem Absatz "Jetzt" wird es schon vertieft, doch zuvor der vielleicht einzige konstruktive Vorschlag, wenn es heißt

Ich stelle die Tasse wieder hin, Porzellan schlägt auf Holz.
Da impliziert (auf)schlagen eine arg heftige Bewegung der Tasse (was Porzellan sicherlich nicht unbeschadet überstehen wird), da wäre "treffen" sicherlich das trefflichere und harmlosere Verb.

Nun kommen wir endlich auf den Hund - von denen Artgenossen letztens wieder für Schlagzeilen sorgten, zu denen unser Hundeleben ein kleines Beispiel geben kann.

Nunja, es gelingt, Parallelen zum Hundeleben aufzuführen, wobei man wissen muss, dass der Wolfswelpe 21 Wochen bei der Mutter bleibt, die in diesem knappen halben Jahr dem Welpen alles beibringt, was er zum Überleben braucht. Diese Periode deckt sich ziemlich genau mit dem eher mythischen "Welpenschutz", der auch für junge Hunde gegenüber anderen Artgenossen, wenn auch nur gerüchteweise gilt.

Tatsächlich bezieht er sich allein aufs eigene Rudel, die eigene Familie, was die Tragik der Toni als das Fremde, das in ein Rudel eindringt, erhöhen wird.

Aber wo liegt der Beginn der hundsmäßigen Geschichte?

Meine Eltern sind nicht gestorben, nicht beide. Mein Vater war bei meiner Geburt im Gefängnis, und meine Mutter ist gestorben, zwei Monate nach meiner Geburt. Also wurde ich von meinem Onkel und meiner Tante aufgezogen.
Sagen wir es so: Der rüde Vater sitzt im Zwinger.

Der Hundewelpe wird i. d. R. nach acht (manchmal auch früher, der züchterischen Kapitalverwertung halber) Wochen ( ~ zwo Monaten) von der Mutter genommen. Aber der Welpe ist allemal abhängig von der Mutterliebe aus der allein ein Urvertrauen wachsen kann, dass die Religionen zum Gottvertrauen erhöhen.

Der Hundewelpe darf nicht näherungsweise die Intelligenz eines durchschnittlichen Wolfswelpen erreichen (heißt, der Hund darf nicht intelligenter als ein Fünfjähriger Balg werden). Da ist es leicht zu behaupten, er wolle nur spielen.

»Hast du dich als Kind einmal alleingelassen gefühlt?«
»Alleingelassen?« Ich schlucke an dem Kloß im Hals.
»Oder ignoriert«, sagt sie.
»Na ja, als ich klein war, war er [der Onkel] immer da. Nur wir zwei.«
»Und deine Tante?«, fragt sie.
»Sie hat ja gearbeitet. Und sie war sehr streng. Ich hatte Angst vor ihr.

Der Onkel kümmert sich, ist die positive Seite des Alphatiers, die Tante die negative (Im Wolfsrudel genau umgekehrt: Sobald der junge Wolf zur Konkurrenz wird, wird er vom Alpharüden verjagt, ein neues Rudel zu begründen, was nicht jedem gelingt und ihn zum Einzelgänger machen kann). Alles ist normal - bis dass das Fremde einbricht in das kleine Rudel, Toni.

»Sie war … sechs Jahre jünger.«
Nun muss man sich von dem ganzen Unsinn, ein Menschenjahr umfasse sieben Hundejahre freimachen: Das Hundeleben währt durchschnittlich neun und mehr Sonnenjahre, abhängig von Größe und Gewicht, aber auch der Züchtung (dem "Deutschen" Schäferhund wird im standardisierten Körperbau die potentielle Behinderung gleich mit gegeben, eine andere Art von Rassismus, irgendwelchen Schönheitsidealen und menschengemachten einfältigen Normen entsprechen zu müssen, als reichten nicht zur Vielfalt die Mendelschen Gesetze!) Das Leben der großen Doggen währt durchschnittlich neun Jahre, des Labradors zwölf und zähen Dackels auch 18 (was nicht bedeutet, dass der Chihuahua für die Innentasche der Jacke ewig lebe ...)

Sepp ist also sieben Jahre Alt und wäre im besten Hundealter ... als Konkurrenz auftaucht, um die sich der Onkel/Alpha auch kümmert.

»Das mit Toni«, sage ich, umklammere die Kaffeetasse. »Danach hat sich alles verändert. Nach ihrer Geburt. Aber auch … danach-danach.«

»Toni war oft krank, da hat mein Onkel sich um sie gekümmert.
Ja. Ich weiß noch, als Toni das erste Mal mit am See war. Meine Tante ist auch mitgekommen, dabei waren sonst immer mein Onkel und ich allein …« ... »Es ging wieder los bei Toni. Du weißt ja, wie das war. Sie war nervös, ganz weiß. Erinnerst du dich?« ... Ich wollte, dass mein Onkel bleibt. Ich wollte ihm den Stein zeigen, den ich aus dem Schlamm geholt habe. Ich wollte …«
...

»Das alles«, sage ich, und meine Stimme klingt fest, beherrscht, »hat dazu geführt, dass ich mich schwer fühle, unsichtbar und trotzdem störend. Wie ein Stein im Schlamm. Wenn ich daran denke, dann …«

Sepp merkt, dass er ein Klotz am Bein der Alpha ist ...
»Aber beim Umzug hat meine Tante ihn weggeworfen, meinte, das sei Plunder, den niemand braucht.«

»Meine Tante hat gesagt, sie würde mich weggeben. Eigentlich …« ... »… war es keine Drohung. Sie wollte es tun.
Der Köter wird abgegeben, endet wie das Vatertier im Zwinger ... und wenn es die eignen Zwänge sind.

"God is a concept
By which we measure our pain
..."
Lennon, "God"
wie "Mother" auf "Plastic Ono Band", 1970​

So viel oder wenig für heute vom

Friedel,
der noch ein schönes Wochenende wünscht.

Ach ja, - das Fragment "My Mummy's Dead" nach "God" auf dem Soloalbum von 1970, "Plastic Ono Band", bildet einen schönen Kontrast zum ersten Song, "Mother", wie das gesamte Album Arbeiten, die während und nach der Begegnung mit Arthur Janov entstanden ...

 

Gude TeddyMaria,
Version 2 ist da! Dann schauen wir doch mal (und ich hoffe, dass ich nicht „neue“ Dinge bespreche, die gar nicht „neu“ sind, das wäre ja peinlich … ;) )
Zunächst mal die Sachen, die ich an Version 1 „bemängelt“ hatte:

»Also, ich mache dieses Interview für eine Seminararbeit. Wir interviewen Bekannte zur Übung. Da habe ich gleich an dich gedacht. Keine Sorge, alles, was du sagst, wird vertraulich behandelt.«
-> Es klingt zwar beiläufig, aber dieses „Wir interviewen Bekannte zur Übung“ reicht für mich, dass ich es als logisch hinnehme.

»Hast du den letzten Film gesehen?«
Kein Lächeln, so sehr ich danach suche.
»Weißt du nicht mehr?«, frage ich, die Stimme leise.
-> An diesen und anderen Stellen merke ich als Leser jetzt, dass Sepp sehr stark nach der Aufmerksamkeit von Nina sucht. Funktioniert sehr gut, meiner Meinung nach!
Insgesamt wird Sepps Einstellung zu Nina also klar deutlich. Auch Nina nimmt eine klare Rolle ein: Sie möchte ihr Interview führen und blockt die Annäherungsversuche ab. Mein Eindruck von ihr ist etwas unterkühlt; zuweilen aber auch nervös. Was ich mir noch wünschen würde, wäre eine allmähliche Eskalation. Sepp macht ja durchaus viele „Anfragen“, auf die Nina zunehmend abweisender reagieren könnte. Anfangs noch mit dem Hinweis, dass er davon ausgehen soll, dass sie sich nicht kennen. Dann mit einem knappen „Sepp …“ zur Erinnerung daran und schließlich ein „Sepp! Ich kann das Interview so nicht verwenden …“ wobei sie sich die Haare rauft.
Etwas in der Art könnte ich mir vorstellen, würde es aber nicht als ein Muss betrachten. Nina kann sich als angehende Psychologin vielleicht auch ausreichend beherrschen, dass sie nicht „eskaliert“.

Jetzt etwas zum Anfang:

Sie rannte zum Fenster und schrie so laut, dass ich sie hören konnte. Dann ließ sie das Rollo herunter, fegte einen Blumentopf von der Fensterbank.
-> Diese Szene glaube ich nicht ganz zu verstehen. Mein aktueller Eindruck ist, dass sie ihn nicht sehen will (vielleicht nicht sehen darf, weil das zur Zeit danach-danach spielt) und deswegen den Rollo vor ihm herunterlässt. Wenn sie aber ähnlich handelt wie ihre Mutter (die ja auch nicht aufmacht, also auch nicht den Kontakt zwischen den Kindern will), warum reagiert sie überhaupt hysterisch?
Mir würde vielleicht sogar nur ein Adjektiv bei der Szene helfen, damit ich sie besser verstehe: Wie schreit sie? Freudig oder panisch? Ein Schreien an sich kann, gerade bei einem Kind, für mich alles bedeuten. Den Rest muss ich ja direkt am Anfang noch nicht nachvollziehen können.
Nachtrag: Ich habe gerade den Part mit der Vanille-Coke gelesen. Sie wollte also doch zu ihm. Aber warum dann den Rollladen runtermachen? Vielleicht ein Schauspiel vor der Mutter …
Ich fasse meinen Eindruck zum Anfang mal bewusst nicht zusammen – vielleicht ist es für dich als Autorin interessant zu sehen, wie sich der Eindruck während dem Lesen weiterentwickelt, da ja der Anfang berühmt-berüchtigt für seine Relevanz ist :)

»Next time you point a finger
I’ll point you to the mirror«
(Paramore – »Playing God«)
-> An der Stelle mal ganz viel persönliche Meinung von mir: Ich bin nicht so der Fan von Liedzitaten in Texten, die nicht näher eingebunden sind, sondern losgelöst davor schweben. Das kann m.E. nach ganz unterschiedlich wirken, wenn man das Lied bspw. Kennt, dann kennt man die Atmosphäre und Stimmung, wenn nicht, dann lese ich ein paar „trockene“ Zeilen, die ich wie ein Gedicht lesen könnte, habe aber doch das Gefühl, es würde etwas fehlen.
Aber wie gesagt: Das ist nur meine Meinung dazu :shy:

»Hi, Sepp«, sagt sie. Das Lächeln weicht aus ihrem Gesicht. »Oh, Entschuldigung. Alte Gewohnheit.«
»Ist gut«, sage ich, obwohl ich schon ewig nicht mehr so genannt wurde.
-> Finde ich sehr gut, dass das jetzt früher angesprochen wird. Klingt irgendwie natürlicher so.

Seit der Grundschule nicht mehr. Ich weiß nicht, wo ich hinsehen soll. Ihr Gesicht ist von Sommersprossen gesprenkelt. Sogar auf den Ohrläppchen sind welche. Sie trägt einen Ring an der Unterlippe.
Die Küche meiner Wohnung ist zugleich das Wohnzimmer. Sie ist vollgestellt. Ich lebe aus Kartons, alles ist improvisiert. Heute habe ich den Abwasch gemacht und den Tisch gewischt. Ich nehme die Kanne aus der Kaffeemaschine.
-> Ich habe Version 1 nicht mehr absolut im Kopf, aber meinem Gefühl bzw. meiner Erinnerung nach, gab es dort deutlich weniger dieser kurzen, wie abgehakt nacheinander stehenden Sätze. Das klingt irgendwie unschön; verbinden ließe sich da ja einiges, z.B. „Sie ist vollgestellt mit den Kartons, aus denen ich lebe.“
Im Text ist mir das nur an diesen Stellen, relativ am Anfang aufgefallen. Später entwickelt der Text ohnehin mit dem Dialog eine schöne Dynamik, wo ich jetzt mal so nebenbei loben möchte, dass sich das sehr flüssig und schön wegliest!

Meine Finger ertasten einen schmalen, in Papier gehüllten Gegenstand. Ich ziehe ihn hervor, das Blut rauscht in meinen Ohren.
-> Die Szene mit dem Teebeutel finde ich toll. Passt super an der Stelle, lockert auf und zeigt sehr schön, wie Sepp lebt.

Also im Gesamtfazit: Ich finde, dein Text hat sich sehr gut entwickelt. Was noch ansteht ist der Feinschliff, vielleicht noch eine genauere Ausgestaltung, wie Nina agiert und reagiert, da sich Sepp jetzt bemerkbar komisch verhält (so würde ich es zumindest wahrnehmen).
Liest sich immer besser – und ich bin gespannt, was es mit dem Anfang auf sich hat, wo ich immer noch etwas auf dem Schlauch stehe :D


Liebe Grüße,
Vulkangestein

 

Hallo, Ronja

Cool, dass Du meine Fragen beantwortest. Das ist natürlich immer super hilfreich.

Kannst du „in der Grundschule“ nicht einfach streichen? Ich habe da keine Gemeinheit seitens Nina gesehen. Oder muss das unbedingt rein? Bei einer Streichung hättest du die Kritik von NGK vom Tisch und meine Verwunderung darüber auch ausgeräumt. Ganz pragmatische Herangehensweise.

Was das angeht, bin ich mir nicht sicher. In der ersten Version gab es häufig das Problem, dass angemerkt wurde, dass unverständlich ist, wie die Beziehung der beiden aussieht. Mit „in der Grundschule“ wird klar, dass sie praktisch Sandkastenfreunde sind. Ohne das ist die Zeit vollkommen unbestimmt – und ich weiß nicht, wie gut mir das gefällt. Ich werde das aber prüfen. Danke für den konkreten Hinweis auf jeden Fall, das ist natürlich immer nützlich.

Das müsstest du mMn besser vorbereiten. Ist aber nur meine Ansicht. Ich bin halt gestolpert. Andere ja nicht.

Du bist nicht die Einzige. Und deshalb muss ich da nochmal ran. Oder ich denke zumindest drüber nach. Ich habe bei dem nachfolgenden Kommentar von Chris Stone gemerkt, dass es nicht immer Sinn ergibt, alles zu killen, nur weil „viele Leute“ das anmerken. Deshalb werde ich das auf jeden Fall prüfen aber auch nochmal sehr tief in mich horchen, inwieweit mögliche Änderungen zu meinen Intentionen und dem Stil, den ich gerade zu entwickeln suche, passen.

Ich freue mich auf jeden Fall, dass Du wieder und wieder und wieder hier bist. Je häufiger wir uns hier gemeinsam den Kopf zerbrechen, umso besser ist das Verständnis, das ich aus Leserinnensicht entwickeln kann. Also vielen Dank!

Pragmatische Grüße,
Maria

Hallo, Chris Stone

Ich nehme mir aber viel Zeit und versuche, dir meine Sicht genau zu erklären.

Ich betone gerne, dass ich nicht mit Samthandschuhen angefasst werden muss. Allerdings, das, was Du tust, ist super: Genau erklären, wie Du die Sache siehst. Denn dass Du Dir die Zeit nimmst, verhilft mir zu wichtigen Erkenntnissen.

Den Anfang habe ich weggeholzt. Funktioniert auch so, und er hat praktisch jeden gestört. Was diese Handwerksregeln angeht wie „Keine Rückblenden am Anfang“, da habe ich mir schon gedacht, dass es solche Regeln gibt, aber da bin ich noch nicht hundertprozentig sattelfest. Also danke für den Hinweis, ist gespeichert und kommt nie wieder vor.

Das Einzige, was jetzt verloren gegangen ist, ist der sich schließende Kreis mit der zugeschlagenen Tür. :cry: Aber na ja. C’est la vie.

Mein Herz hat geblutet bei all den Vergleichen, die Du zwischen V1 und V2 gemacht hast. Wie nützlich, dass Du V1 behalten hast. Angesichts dessen überlege ich wirklich, ob es nicht eine sinnvolle Praxis wäre, was hier mal jemand vorgeschlagen hatte, frühere Versionen irgendwo in den Kommentaren zu behalten, sodass auch Leute, die nicht so vorausschauend sind wie Du, diese Vergleiche ziehen können.

Bei all diesen Dingen wollte ich schreien: „Aber das sind alles Sachen, wo viele Leute gesagt haben, dass ich das streichen soll, also habe ich es gestrichen!“ Und ich denke, da liegt der Hund begraben:

Wie auch bei deinem anderen Text, den ich kommentiert habe, gehst du bei der Überarbeitung deiner Charaktere in extremere Gefilde. Du versuchst, dem Leser was mit dem Holzhammer einzuhämmern.
=> Komm wieder zurück ins Subtilere. Vertraue dem Leser und vertraue deinen subtileren Andeutungen. Die hast du doch eigentlich drauf; denen fehlt höchstens Feinschliff.

Ich habe mir in meiner Subtilität tatsächlich auch ganz gut gefallen. Dann kamen aber so viele Rückmeldungen, dass so vieles nicht verstanden wurde. Ronja hat die Geschichte ja versehentlich zweimal gelesen und dabei gleich viel, viel mehr begriffen, was dafür spricht, dass das viele Subtilitäten drin sind oder waren, die eine gewisse Auseinandersetzung, ein Mehr-Lesen verlangen. Ich möchte niemanden hier verurteilen, und ich freue mich natürlich über jeden Kommentar. Aber ich glaube, alleine hier bei Wortkrieger haben jetzt 24 Leute ihren Senf zu der Geschichte dazugegeben. Und von vielen habe ich den Vibe aufgefangen, dass es eben mehr Holzhammer braucht.

Das gilt aber nicht für alle Leser/innen, und ich rede mir gerade ein, dass ich momentan dabei bin, meinen Stil zu finden, und dass dieser womöglich in eine subtile Richtung geht, die „vielen Leuten“ nicht gefällt. D.h., dass ich in Zukunft noch stärker aufpassen muss, wie ich mit Kritik umgehe, wie sehr ich mich hinter mein Schaffen stelle. Denn es ist ja sicher nicht möglich, allen zu gefallen, v.a., da die Kritiken sich häufig widersprechen. Ich meine, Du widersprichst hier auch dem allgemeinen Tenor, dass jetzt alles klarer und die Beziehung besser ist (wobei, Du sagst, es ist mehr Holzhammer, was ja auch Klarheit sein könnte, aber das gefällt Dir halt weniger). Du versetzt mich aber in Sorge, dass es in all der Subtilität vorher schon halbwegs funktioniert hat und ich die Geschichte jetzt einfach zu mehr Massengeschmack entwickelt habe. (Oh Gott, ich hoffe, ich beleidige hier gerade unbewusst niemanden. Liebe Leute, bitte, ihr wisst, ich nehme jedermanns Kritik hier viel zu ernst. Das ist wahrscheinlich auch eines meiner Probleme, spricht aber dafür, wie sehr ich jeden hier respektiere.)

Ich lese Deinen ersten Kommentar zu V1 gerade nochmal und merke, dass Du wirklich mit dem Text, wie er da war, anscheinend super klargekommen bist. Da waren wirklich nur noch geringe Anmerkungen dabei.

Mistmistmist. Ich könnte jetzt sagen: Sorry, Chris, Geschmäcker sind verschieden, und die meisten finden V2 besser. Aber mein Problem ist, dass ich bewusst mehr Holzhammer eingesetzt habe und dass Du das merkst. Ich dachte, die Subtilität in V1 hat einfach nicht funktioniert, dass ich das einfach nicht kann, obwohl ich es gerne können würde. Jetzt bin ich mir aber nicht sicher, ob ich es vielleicht doch kann. Und das ist genau das, was Du sagst: Ich muss dringend lernen, mir selbst mehr zu vertrauen und weniger das zu tun, was „viele“ sagen.

Was das angeht, steigere ich mich langsam. Ich meine, ich möchte niemals jemand werden, der sagt: Es ist sowieso alles super, und die Kritiker/innen verstehen bloß nicht, was ich will. Aber davon bin ich tatsächlich noch sehr weit entfernt. Puh.

Was ich dir empfehlen möchte ist mehr Abstand, bevor du dich ans Überarbeiten machst. Lass die Geschichte so lange liegen, bis du die ganzen Details und so vergessen hast. Dann kannst du da mit neutralerem Blick rangehen.

Genau das, liebe Leute, das ist für euch alle, werde ich jetzt tun. Momentan sehe ich den richtigen Weg vor lauter Vorschlägen nicht mehr. Das ehrt mich natürlich, aber um damit umzugehen, brauche ich wohl noch mehr Selbstbewusstsein (meine Idee verteidigen) und Erfahrung (in all den möglichen Wegen, die ihr aufzeigt, den für mich richtigen wählen).

Danke, dass Du mir die Augen geöffnet hast. Obwohl ich mich gerade eher erblindet fühle. Und schon wieder so kraftlos. Aber ich komme damit zurecht, also bitte keine Samthandschuhe. Konfrontation konfrontiert mich mit mir selbst, und das setzt wertvolle Prozesse in Gang, also konfrontiere mich ruhig. Immer wieder. Das ist eine extrem wichtige Lektion, die Du mich hier lehrst, und ich werde sie beherzigen. Ein wirklich toller Kommentar. Nochmal danke.

(Und ich hoffe, ich habe nicht viel zu viel und zu viel Falsches hineininterpretiert.)

Subtile Grüße,
Maria

Hallo, Fliege

Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich über Deinen Besuch freue. Und dass Du alle Kommentare gelesen hast, ist ja … kaum zu glauben. Wahnsinn! (Und DAS sage ich nicht, weil ich Psychologie studiere.)

Womit wir gleich bei Punkt 1 wären.

Du studierst Psychologie - und ich frag mich die ganze Zeit, ob bei Dir ganz aktuell Körpersprache oder zumindest Kommunikationstheorie gerade sehr präsent sind?

Wenn Du die Kommentare gelesen hast, hast Du vielleicht gelesen, dass es mich regelmäßig an den Rand der Verzweiflung treibt, dass ich nichts schreiben kann, ohne dass jemand sagt: Ah, das macht sie, weil sie Psychologie studiert. Die Antwort lautet nämlich: Nein. Dass ich jeden Satz mit einer Geste versehe, hat was damit zu tun, dass mir Schreibratgeber so präsent sind, so bekloppt das klingt. Erstmal war bei meiner letzten Geschichte die Rede davon, dass Innenleben permanent sichtbar sein muss, und dann war irgendwas mit Motivations-Reaktions-Einheiten, und da habe ich gelesen, dass es immer diese drei Stufen von Reaktion gibt, und die wörtliche Rede ist nur die letzte Stufe davon. Meine Erkenntnis daraus war: Aha, Dialog kommt zuletzt, dafür physiologische Reaktion und dann eine Handlung.

Ich dachte einfach, dass ein Dialog selbst nicht ausreicht, um Innenleben zu transportieren. Das hat nichts mit meinem Studienfach zu tun, einfach damit, dass ich momentan versuche, ganz viele handwerkliche Ratschläge aufeinander zu stapeln und damit irgendwie umzugehen. (Ich fühle mich wie eine Kellnerin mit ganz vielen Tellern.) Dass ich dabei Fehler mache, liegt an meinem Unvermögen, daran, dass ich, was das Zeigen von Innenleben angeht, wirklich noch ganz am Anfang stehe.

Ich werde Deinen Ratschlag noch mit obendrauf stapeln und versuchen, wieder was von der Gestik und dem anderen Zeug wegzunehmen, Dialogstellen zu finden, die ganz für sich sprechen. Tatsächlich habe ich gerade das Gefühl, dass es mir das einfacher machen wird. Aber wahrscheinlich irre ich mich da. :D

Da sind so viele Fäden drin, kein Wunder dass deine Kritiker von Potential reden und "baue mal aus" - "das ist alles zu vage". Ich gebe den Gegenratschlag: Such Dir einen aus und hau die anderen weg oder vernachlässige sie zumindest sehr gründlich. Weil, wenn Du das alles vollumfänglich und zu aller Zufriedenheit ausführen willst, muss das Ding echt lang werden.

Puh, ja. Gerade wollte ich sagen, dass „viele Leute“ gesagt haben, dass gerade diese Beziehungskiste doch so viel Potenzial hat. Aber Du machst Deinen Punkt. Als ich hier angefangen habe, Kurzgeschichten zu schreiben, und die Rückmeldungen kam, dass es keinen roten Faden, keinen erkennbaren Sinn gibt, war meine erste Maßnahme, mir für jede Geschichte genau ein Ein-Wort-Thema zu suchen und alles wegzuholzen, was nicht dazu passt. Inzwischen habe ich nachjustiert, nehme mir jetzt das Thema und füttere dann alles rein, was in meinen Augen dazu passt, bis die Geschichte platzt vor "Potenzial".

Hier ist das Thema z.B. Bindung. Es geht darum, dass alle unsere Beziehungen in früher Kindheit geprägt werden und danach immer wieder nach dem gleichen Muster ablaufen. Deshalb versuche ich, immer wieder zu spiegeln, dass Sepps Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart durch die gleichen Muster von Zurückhaltung, Unterwerfung und Unsichtbarkeit bestimmt sind. Dazu würde eine unbeachtete Beziehungskiste passen.

Man braucht sie aber nicht, und da machst Du den nächsten, den entscheidenden Punkt. Tatsächlich wage ich zu behaupten, dass praktisch alles, was ich in die Geschichte reingezimmert habe, auf dieses zentrale Thema hinausläuft. Sogar die Teeverwirrungssache.

Will sagen, Du hast Dir die Latte mit dieser Komplexität echt extrem weit nach oben gelegt. Weiß nicht, ob ich hier im Forum wen benennen könnte, der da drüber gehen könnte. Müsste ich etwas länger drüber nachdenken, bevor ich das wem zutrauen würde, in der Länge, die das Setting nur zulässt.

Puh, ja. In meiner ersten Geschichte hier wurde mir schon geraten, ein weniger kompliziertes Setting zu wählen. Hier ist das Setting relativ einfach, würde ich sagen, alles andere aber ist kompliziert. Und Du hast natürlich völlig recht, was da alles drin ist und wozu das alles führt.

Das Witzige ist eigentlich, dass das …

Oder aber, auch möglich, dass die Geschichte auf diesen Effekt hinarbeitet, der ja bei vielen Lesern funktioniert hat: WUMS: Ich habe sie gekillt.

… stimmt. Ich hatte die Geschichte anfangs als Fingerübung geschrieben, weil mir gesagt wurde, a) dass ich lernen muss, Innenleben zu zeigen (deshalb auch die vielen, vielen Gesten), und b) dass meine letzte Geschichte komplett vorhersehbar war (deshalb das Hinarbeiten auf den Twist).

Ich habe die Geschichte dann so Basic geschrieben und sie dann halt immer weiter überarbeitet, geschliffen, drüber nachgedacht und halt gefüttert und gefüttert und gefüttert. Inzwischen denke ich wirklich, dass ich es damit übertrieben habe – eigentlich dachte ich inzwischen, dass ich so weit bin und das kann, denn es fügt sich ja immer noch alles ins zentrale Thema ein. Aber wahrscheinlich hast Du recht und ich nehme mir einfach verflucht, verflucht und viel zu viel vor. V.a., da ich ja immer noch versuche, mich kurz zu fassen (ein weiteres Problem von mir).

Puh. Was ich daraus jetzt mache, weiß ich gerade nicht so genau. Gerade habe ich festgestellt, dass ich jetzt erstmal wirklich Abstand brauche, um herauszufinden, was ich selbst von der Geschichte eigentlich will. Also Abstand nicht nur von der Geschichte selbst sondern auch von den vielen, vielen Ratschlägen, die teilweise widersprüchlich sind, wo ich also wirklich entscheiden muss, was für mich der richtige Weg ist.

Wenn nicht für diese Geschichte, dann vielleicht für die nächste oder übernächste oder gleich fürs Klo. Alles deine Entscheidung.

Denn für die nächste Geschichte nehme ich von Dir auf jeden Fall einiges mit. I’ll make it work!

Das zweite Lesen war dann wie eine verlängerte Wiederholung, also immer noch hübsch, noch immer nicht perfekt, aber wer ist schon perfekt ?

Dass es Dir direkt zweimal gefallen hat, freut mich sehr. Und ja, ich wünschte, ich wäre perfekt. Aber wer wünscht sich das nicht? (Bestimmt widersprechen mir gleich ganz viele Leute, hoppla.)

Fliegende Grüße,
Maria

Hallo, lieber Friedrichard

Und wie hundsgroßartig, dass Du wieder da bist. Erstmal die Kleinigkeit:

Da impliziert (auf)schlagen eine arg heftige Bewegung der Tasse (was Porzellan sicherlich nicht unbeschadet überstehen wird), da wäre "treffen" sicherlich das trefflichere und harmlosere Verb.

Nachdem dies nun auch von Ronja bemängelt wurde, nehme ich Deinen Vorschlag an. Vielleicht tüftele ich diesbezüglich aber auch nochmal ein wenig, denn eigentlich stelle ich mir schon eine relativ heftige Bewegung vor.

Wie auch immer.

Nunja, es gelingt, Parallelen zum Hundeleben aufzuführen, wobei man wissen muss, dass der Wolfswelpe 21 Wochen bei der Mutter bleibt, die in diesem knappen halben Jahr dem Welpen alles beibringt, was er zum Überleben braucht.

Das Menschenkind wiederum beginnt nach einem halben Jahr, eine selektive Bindung auszubilden. Die kritischste Phase der Bindungsentwicklung, wenn man so will, denn ab diesem Zeitpunkt wendet es sich an spezifische Personen, wenn es belastet ist. Umso gravierender, wenn eine solche Person nicht oder nur unzuverlässig zur Verfügung steht.

Der Hundewelpe wird i. d. R. nach acht (manchmal auch früher, der züchterischen Kapitalverwertung halber) Wochen ( ~ zwo Monaten) von der Mutter genommen. Aber der Welpe ist allemal abhängig von der Mutterliebe aus der allein ein Urvertrauen wachsen kann, dass die Religionen zum Gottvertrauen erhöhen.

Denn wo soll dieses Urvertrauen herkommen, wenn niemals diese eine Person da ist, die das Menschenkind bedingungslos liebt, wa?

Der Köter wird abgegeben, endet wie das Vatertier im Zwinger ... und wenn es die eignen Zwänge sind.

Und so halten sich Menschen eben Hunde als Kindersatz, bis es dann doch mal klappt und man den „Köter“, wie Du sagst, weggeben kann. Da können wir uns nur wünschen, dass nicht auch Menschen, Pflegekinder, in eine solche Lage kommen. Denn eingezwängt bleiben wir Menschen doch in unseren frühen Beziehungserfahrungen.

So siehst Du, da kommen wir vom Hund auf die Bindung. Inklusive Urvertrauen. Ich freue mich sehr, dass Du wieder da warst, um ganz viele Parallelen zu ziehen, aus denen man weitere Parallelen ziehen kann. Bin zwar selbst kein Hundemensch, aber dennoch versüßt mir der Gedanke den Tag.

Ich hoffe, Du hattest ein wunderbares Wochenende und wünsche jetzt eine schöne, sonnige, hoffentlich nicht zu schwülheiße Woche.

Gebundene Grüße,
Maria

Hallo, Vulkangestein

Und willkommen zurück bei „Bindung“. Nächste Runde, also.

An diesen und anderen Stellen merke ich als Leser jetzt, dass Sepp sehr stark nach der Aufmerksamkeit von Nina sucht. Funktioniert sehr gut, meiner Meinung nach!

Dass das für Dich funktioniert, freut mich sehr. Hoffe, wir konnten alle Psychopathengedanken vom Tisch fegen. Wie gesagt, ich hatte den Eindruck in V1 auch, wollte ihn aber eigentlich gar nicht erwecken.

Was ich mir noch wünschen würde, wäre eine allmähliche Eskalation. Sepp macht ja durchaus viele „Anfragen“, auf die Nina zunehmend abweisender reagieren könnte. Anfangs noch mit dem Hinweis, dass er davon ausgehen soll, dass sie sich nicht kennen. Dann mit einem knappen „Sepp …“ zur Erinnerung daran und schließlich ein „Sepp! Ich kann das Interview so nicht verwenden …“ wobei sie sich die Haare rauft.

Deine Vorschläge zur allmählichen Eskalation finde ich gut. Ich werde mir mit einer weiteren Überarbeitung nun aber wirklich, wirklich Zeit lassen. Ich muss mich erstmal selbst wiederfinden. Beim aktuellen Stand des Projekts weiß ich nicht mehr so genau, wo oben und unten ist. Und das sind nicht die richtigen Voraussetzungen für Feinschliff. Sobald ich mich allerdings an die Arbeit mache, habe ich Deine konkreten Vorschläge – und das ist immer hilfreich.

Ich fasse meinen Eindruck zum Anfang mal bewusst nicht zusammen – vielleicht ist es für dich als Autorin interessant zu sehen, wie sich der Eindruck während dem Lesen weiterentwickelt, da ja der Anfang berühmt-berüchtigt für seine Relevanz ist
und ich bin gespannt, was es mit dem Anfang auf sich hat, wo ich immer noch etwas auf dem Schlauch stehe

Ich habe den Rückblick am Anfang komplett gekillt. Was sagst Du dazu?

An der Stelle mal ganz viel persönliche Meinung von mir: Ich bin nicht so der Fan von Liedzitaten in Texten, die nicht näher eingebunden sind, sondern losgelöst davor schweben. Das kann m.E. nach ganz unterschiedlich wirken, wenn man das Lied bspw. Kennt, dann kennt man die Atmosphäre und Stimmung, wenn nicht, dann lese ich ein paar „trockene“ Zeilen, die ich wie ein Gedicht lesen könnte, habe aber doch das Gefühl, es würde etwas fehlen.

Das ist auch weg.

Ich habe Version 1 nicht mehr absolut im Kopf, aber meinem Gefühl bzw. meiner Erinnerung nach, gab es dort deutlich weniger dieser kurzen, wie abgehakt nacheinander stehenden Sätze.

Das ist ein aktuelles Problem von mir (das auch in V1 war). Seit ich versuche, nicht mehr an jeder Stelle mit Adverbien und Adjektiven um mich zu schmeißen, weiß ich oft nicht mehr, wie ich meine Sätze variieren soll. Früher habe ich das damit gemacht, was halt wirklich unschön ist. Nun bin ich etwas ratlos. Wenn da jemand Tipps für mich hätte, wäre ich natürlich dankbar. Du sagst, ich solle mehr verbinden. Das mache ich nach meinem Gefühl aber auch schon ziemlich exzessiv. Hm …

Später entwickelt der Text ohnehin mit dem Dialog eine schöne Dynamik, wo ich jetzt mal so nebenbei loben möchte, dass sich das sehr flüssig und schön wegliest!

Dankeschön. :D

Die Szene mit dem Teebeutel finde ich toll. Passt super an der Stelle, lockert auf und zeigt sehr schön, wie Sepp lebt.

Bei der Szene bin ich mir unsicher. Ich habe sie reingepackt, um zu zeigen, dass er sich Mühe gibt, dass sie ihn da aber im Kleinen schon vor den Kopf stößt. Quasi eine weitere Spiegelung von Dingen, die ihm im Leben ständig passieren. Nebenbei kann man natürlich viel über seinen „Lebensraum“ erzählen. Hatte aber Angst, damit scheinbar „vom Thema abzuschweifen“. Wenn das aber für Dich funktioniert, dann freut mich das umso mehr.

Also im Gesamtfazit: Ich finde, dein Text hat sich sehr gut entwickelt. Was noch ansteht ist der Feinschliff, vielleicht noch eine genauere Ausgestaltung, wie Nina agiert und reagiert, da sich Sepp jetzt bemerkbar komisch verhält (so würde ich es zumindest wahrnehmen).

Puh, ja. Ich merke, dass ich im Feinschliff anscheinend noch nicht wirklich gut bin. Ich bin eine Meisterin großer Veränderungen (behaupte ich jetzt mal einfach so), aber beim Feinschliff geht mir schnell die Puste aus. Ich nehme mir jetzt Zeit, um tief einzuatmen und den Kopf freizubekommen. Nachdem ich Deinen Kommentar noch einmal darin bewegt habe. Vielen Dank dafür.

Hab einen schönen Tag.

Feingeschliffene Grüße,
Maria

 

Hi TeddyMaria,

ich hab grade deinen letzten Kommentar gelesen und musste etwas schmunzeln.

Ich habe mir in meiner Subtilität tatsächlich auch ganz gut gefallen. Dann kamen aber so viele Rückmeldungen, dass so vieles nicht verstanden wurde.
Ich merke, dass ich im Feinschliff anscheinend noch nicht wirklich gut bin. Ich bin eine Meisterin großer Veränderungen (behaupte ich jetzt mal einfach so), aber beim Feinschliff geht mir schnell die Puste aus.

Ich glaube genau hier liegt das Problem. Wenn Leute etwas kritisieren, sind es ja manchmal nur Kleinigkeiten, die zu sehr in eine Richtung drängen oder etwas merkwürdig wirken lassen. Da reicht es manchmal schon nur Nuancen zu ändern und plötzlich finden es alle in Ordnung. Und bei dir habe ich oft das Gefühl, das du sagst: Das funktioniert nicht, das muss anders - und dann vieles über den Haufen schmeißt, auch die guten Sachen.
Wahrscheinlich macht es tatsächlich Sinn, dass du das jetzt alles erstmal sacken lässt.

Übrigens gibt es ja auch einen Weg, bzw. tausende, zwischen V1 und V2.
V1 war sehr subtil, das haben viele kritisiert. In der zweiten Version wolltest du auf Nummer sicher gehen, beide Charaktere beschreibst du jetzt sehr deutlich, aber teilweise etwas zu krass. Ich denke, es gibt einen Weg der dich glücklich macht und der auch hier viele begeistern wird. Du bist ja schon nahe dran. Nicht verzweifeln. ;)

Ich hoffe, dein Auftritt am Wochenende hat noch geklappt?

Liebe Grüße,
NGK

 

Hallo, Nichtgeburtstagskind

Und bei dir habe ich oft das Gefühl, das du sagst: Das funktioniert nicht, das muss anders - und dann vieles über den Haufen schmeißt, auch die guten Sachen.

Ja, ich weiß nicht, warum das so in meinem Kopf ist. Ich habe oft das Gefühl, dass das so alles nicht geht und dass die besten Veränderungen die größten Veränderungen sind. Ich finde es super, dass Du mich darauf aufmerksam machst, dass ich auch, was Überarbeitungen angeht, etwas Subtilität (ist das überhaupt ein Wort?) walten lassen könnte. Das tue ich bisher wirklich nicht. Ich nehme mir direkt wieder riesige Umwürfe vor. Bei der nächsten Geschichte lasse ich es einfach. :p Wobei, das sollte ich vielleicht davon abhängig machen, wie die Kritiken ausfallen. Aaargh, ich relativiere schon wieder.

Übrigens gibt es ja auch einen Weg, bzw. tausende, zwischen V1 und V2.

Ja. Und ich muss jetzt den gottverdammten richtigen Weg finden. Auch für mich, denke ich, nicht nur für die meisten. Und da muss sich auch an meiner persönlichen Einstellung zu Kritik noch was ändern. Momentan habe ich das Gefühl, dass ich, obwohl ich inzwischen schon nicht mehr von der Brücke springe, nur weil einer das sagt, immer noch wieder und wieder daran scheitere, es wirklich allen rechtmachen und es auch noch perfekt machen zu wollen. :cry: Das macht die unheilige Kombination aus hoher Leistungsmotivation und hoher Anschlussmotivation.

Ich hoffe, dein Auftritt am Wochenende hat noch geklappt?

Wo wir gerade beim Thema sind. Habe tatsächlich nichts vergessen. In der Kritik der Braunschweiger Zeitung ist das Audimax von allen Beteiligten am schlechtesten weggekommen. :thumbsup: Also, wie nett, dass Du an mich denkst. Jetzt muss ich dringend schlafen, und nächstes Wochenende geht's weiter. Was im Laufe der Woche mit "Bindung" passiert, ob da im Laufe der Woche was passiert? Mal schau'n, ne?

Motivierte Grüße,
Maria

 

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