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Bis dass der Tod uns scheidet oder Keyboards können Leben retten
für Corinna
oder
Keyboards können Leben retten
»Ach so, du bist ne Schlampe.«
»Was?«
»Korrektur: du bist ne taube Schlampe.«
»Du spinnst jetzt wohl vollkommen was? Wo liegt verdammt noch mal dein Problem?«
Das Arbeitsverhältnis zwischen Karen und Rebecca war von effizienter Rollenverteilung geprägt.
Karen war die tückische, rechthaberische und hinterlistige Ausgeburt der Hölle. Rebecca war nett.
Karen war so hässlich wie ein voller Mülleimer und Rebecca war hübsch.
Karen saß mit dem Rücken zum Fenster und Rebecca konnte rausgucken.
Ein ungleiches Pärchen, immer bereit zum Äußersten zu gehen, alles auszureizen.
Gefährlich.
»Ich habe erfahren, dass du es gestern mit Gregor getrieben hast. Hinten, in der Kaffeeküche.«
»Und?«
»Na Gregor ist schwul.«, sie brach in hämisches Gelächter aus, haute mit der flachen Hand auf den Tisch, zeigte mit dem Finger auf Rebecca und ließ sich in die Lehne zurückfallen. »Schwu-hul, haha.«
»Das sollte dir eigentlich zu denken geben.«, rechtfertigte sich Rebecca, lehnte sich ebenfalls, nur viel erhabener nach hinten, drehte einen Kuli in den Händen hin und her und lächelte.
»Was soll das heißen, etwa dass ich hässlich bin?« Karen fuhr nach vorne und stütze sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch. Sie blieb sitzen, atmete schnell und schnaubte leicht.
»Wenn du dich waschen würdest, hättest du die Möglichkeit dein Gesicht in einem Spiegel zu betrachten. Das reinste Massaker. Du hast doch ein Badezimmer?«
»Ich wasch mich täglich, du Miststück. Was kann ich dafür wenn ich Akne habe?«
»Akne? Ich dachte immer du wärst Fan der Mondoberfläche.«
Karen fuhr hoch und räumte den halben Tisch ab. Ihr linker Unterarm fegte sämtliche Stifte, Papiere ein Foto ihrer Eltern und das Telefon in hohem Bogen auf den Boden.
So weit hatte Rebecca sie bisher noch nie. Sie genoss es und kam langsam in Fahrt.
»Hach Leutchen, Karen und Rebecca kloppen sich gleich wieder.«, bemerkte Gregor freudestrahlend, stützte eine Hand in die Hüfte und winkte alle Kollegen heran, die sich gerade in der Küche tummelten und den zweiten Kaffee genossen. »Macht schnell ihr lieben, vielleicht wird’s wieder so goldig wie’s letzte Mal.«
»Hattest du gestern nicht mit Rebecca gebumst?«, fragte Caroline und nahm einen kleinen Schluck vom schwarzen Wachmacher aus ihrer Tasse.
»Ah-hm.«
»Und ich dachte immer du wärst ein hundertprozentiger Schwuler…«
»’Tschuldige Liebchen aber ich hatte was getrunken.«
»Natürlich.«
»Doch, kannst du mir glauben. Dieser neue Rotwein ist wie flüssiger Scharfmacher. Hach Gottchen war ich geil.«
»Na da…«
»Ich schlag dir die Fresse ein, du Flittchen!«, Karen hielt ihr Keyboard hoch und drohte fuchtelnd damit herum.
»Aber doch nicht mit einem Keyboard. Das macht man mit dem Telefon.«
Rebecca stand auf, griff sich den Telefonapparat und schleuderte ihn in Karens Richtung. Mit knapper Not konnte sie das fliegende Objekt mit Hilfe ihres Keyboards abwehren. Das Telefon nahm noch etwas an Fahrt auf und flog zur Eingangstür des Büros. Dumm nur, dass in diesem Moment der Chef hereinkam. Er hatte leider kein Keyboard dabei um den Angriff abzuwehren. „Lauf niemals ohne Keyboard durch Großbüros. Es könnte dein Leben retten.“, müsste ein Sicherheitshinweis in Bürohäusern lauten.
»Verflu…, was zur Hölle…« *KA-ZONG*
Das Keyboard traf die Nase und brach entzwei, genau wie der Riechkolben. Jedenfalls war das anzunehmen, da dem Chef reichlich roter Lebenssaft aus der Gesichtsmitte entströmte.
Er sackte zu Boden, hielt sich mit beiden Händen die Nase und wälzte sich herum.
»Au au au, meide Dase! Ihr habt mir die Dase gebroched. Jetzt reicht’s, das wird eid Dachspiel habed.« Er rappelte sich auf und blutete davon.
»Geschickt, geschickt. Aber du musst mir schon mehr bieten als nur ein Telefon. Ich habe ein Keyboard haha, damit wehre ich alles ab, du wirst schon sehen.« Karen stand mittlerweile auf dem Schreibtisch und wedelte fröhlich mit der Tastatur herum.
»Du stinkst!«, bemerkte Rebecca trocken und besah sich ihre Fingernägel.
»Was? Nein, ich stinke nicht. Nicht auch noch stinken, neineneinnein.«, fing sie an zu heulen und hielt sich die Tastatur vor das Gesicht. Rebecca, die etwas Abstand zu ihr genommen hatte, trat an den Tisch und berührte sie tröstend am Ellenbogen.
»Hey, das war vielleicht ein bisschen viel. Es war nicht so gemeint, du stinkst nicht.«
»Ha, reingefallen!« Karen trat Rebecca das Knie mit voller Wucht an den Unterkiefer, holte gleichzeitig aus und schlug ihr das Tastenbrett über den Schädel. Der Unterkiefer knackte beunruhigend und das Keyboard zerschellte knirschend in tausende kleine Bruchstücke. Rebecca verlor das Gleichgewicht und stolperte Richtung Kaffeeküche. Die versammelten Kollegen wichen der rückwärts stolpernden Person aus. Karen sprang vom Tisch und schnappte sich einen Brieföffner.
»So, du Drecksvieh. Jetzt werde ich dich abschlachten. Wäre doch gelacht, wenn ich dich nicht öffnen könnte.« In leicht gehockter Haltung und immer wieder den Öffner von einer Hand zur anderen werfend, näherte sie sich langsam, der noch etwas benommen am Boden liegenden Rebecca. Diese fasste sich an den Kopf und bemerkte wie sich warmes Blut auf ihrer Handfläche ausbreitete. Sie schleifte sich zur Küche und hievte sich an der Theke hoch. Sie sah die Kaffeekanne und zog sie aus der Maschine.
»Hey Karen«, brüllte sie in das Büro. »Du hast deinen Kaffee noch nicht getrunken!«
Sie rannte auf Rebecca zu und schleuderte ihr die Glaskanne über der den Kopf. Frisch aufgebrühter, heißer Kaffee überströmte Karen, kleine Glassplitter durchbohrten ihr die Augen und die Stirn. Der Brieföffner perforierte Rebecca die Leber, sie bekam keine Luft mehr. Der Aufprall der beiden war so heftig, dass sie zu den Fenstern stolperten. Leider hatte dieses Haus kein Sicherheitsglas, jedenfalls keines gegen solche Vorfälle, also brach es. Ohne jegliches Geschrei stürzten beide, sich fest umklammernd aus dem achtunddreißigsten Stockwerk und rasten auf den Vorplatz des Gebäudes zu.
»Na toll!«
»Was ist?«
»Jetzt gehen wir beide drauf.«
»Ist nicht meine Schuld.«
»Na meine auch nicht.«
»Wenigstens bin ich keine Schlampe.«
»Na wenigstens hab ich keine Akne.«