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Bis die Toten sterben

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20.11.2020
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Bis die Toten sterben

Der Regen prasselte auf die Windschutzscheibe des Alfa Romeos und die bunten Herbstblätter der umliegenden Bäume wirbelten über die Landstraße. Das graue, kalte Wetter passte zu Jürgens Laune. Der Gedanke an die Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei, die zu Hause auf ihn warteten, ließ ihm die Haare zu Berge stehen. Er zog seinen Schal, noch tiefer ins Gesicht, doch vor der bevorstehenden Scheidung von seiner Frau konnte er sich nicht verstecken. Würde er jemals wieder eine Chance haben glücklich zu sein? Diese Frage stellte er sich, während er einen kurzen Blick in den Spiegel des Sonnenschutzes warf. Als seine Augen zurück auf die nassglänzende Straße fanden, blieb ihm fast das Herz stehen. Eine Frau stand mitten auf der Fahrbahn. Ohne zu überlegen stieg er auf die Bremse und versuchte, nach rechts auszuweichen, das Heck seines Fahrzeugs brach dabei aus und der Wagen schlitterte über den Fahrbahnrand, bevor er abhob und sich mehrfach überschlug. Jürgen wusste nicht mehr wo oben und unten war, auch nicht als der Wagen am Ende der Böschung zum Stillstand kam. Mit zitternden Händen befreite er sich von dem Sicherheitsgurt und öffnete langsam die Fahrertür, dabei bemerkte er eine Frau, die den Abhang hinunter zu ihm gelaufen kam. Er erkannte sie an ihrem kurzen, schwarzen Rock und der weißen Bluse. Es war dieselbe, die eben noch auf der Straße stand. Gerade als er seine Beine, die ihm irgendwie fremd vorkamen, auf den Boden setzte und sich aus seinem Sitz quälte, griff die junge Frau nach seiner Hand. Jürgens Blick fiel auf ein großes, dunkles Muttermal an ihrem Handgelenk, im nächste Moment wurde ihm schwarz vor Augen und er musste sich auf das patschnasse Gras setzen. Der unaufhörliche Regen und der eisige Wind, der ihm ins Gesicht schnitt, machten ihm zu schaffen. Er öffnete seine Augen erneut, die Frau war verschwunden, stattdessen stand ein jüngerer Mann mit löchriger Jeans und schwarzer Lederjacke vor ihm.

„Mann, Sie haben aber Schwein gehabt, wenn ich mir Ihre Karre so anschau…“

„Wo ist die Frau hin?“

„Welche Frau? Ich hab keine Frau gesehn. Ich ruf jetzt den Krankenwagen.“ Der junge Mann trat zum Telefonieren auf die Seite, kurz darauf stand er wieder parat und redete auf Jürgen ein. „Alter, haben Sie einen Abflug gemacht, das war echt filmreif.“

„Sagen Sie mir, wo die Frau hin ist, die mitten auf der Straße stand. Ist ihr etwas passiert?“

„Wieso reden Sie andauernd von einer Frau? Ich hab Ihnen doch schon gesagt, da war niemand.“

***​


Jürgen schloss seinen Reisekoffer, der ihn an seinen Kanadaurlaub erinnerte und atmete tief durch. Nach nur einem Tag durfte er das Krankenhaus bereits wieder verlassen. Dafür nahm er den Totalschaden an seinem Alfa Romeo gerne in Kauf. Die Ankunft in Deutschland hatte er sich anders vorgestellt, jedenfalls nicht ganz so turbulent. Die Ärzte rieten ihm, eine Woche von der Arbeit zu Hause zu bleiben, wie gut, dass er noch Resturlaub hatte, krankschreiben lassen wollte er sich mit Sicherheit nicht. Das Wetter hatte sich in der Zwischenzeit aufgelockert, der Regen blieb aus und während der Taxifahrt zur Autowerkstatt blitzte sogar die Sonne durch die Wolken. Für Jürgen stand ein Ersatzauto bereit, ein dunkelgrauer Fiat. Der Angestellte aus der Werkstatt drückte ihm den Schlüssel in die Hand und wünschte ihm einen schönen Tag. Jürgen verzog die Mundwinkel.

***​


Zu Hause angekommen stellte er den Koffer im Gang ab. Um die Anwaltsschreiben auf dem Schuhschrank machte er einen großen Bogen, erstmal begrüßte er Bubi, die aus dem Wohnzimmer gelaufen kam und miauend um seine Füße schlich. „Na, hat man sich gut um dich gekümmert meine kleine Stubentigerin?“, fragte er und hob sie auf seinen Arm. Erst jetzt bemerkte er das Geräusch der Kaffeemaschine. Er betrat die Küche, in der gerade frischer Kaffee in seine Lieblingstasse lief. Den Esstisch schmückte eine rosafarbene Blume. Wahrscheinlich wollte ihm seine Nachbarin, die sich in seiner Abwesenheit um Bubi gekümmert hatte, eine Freude machen. Doch woher wusste sie, wann er nach Hause kommen würde? Bevor er sich der Tasse Kaffee widmete, gönnte er sich noch eine warme Dusche, denn er fröstelte schon die ganze Zeit über. Mit geschlossenen Augen ließ er das warme Wasser über seine Haut laufen, endlich war der Zeitpunkt gekommen, an dem er sich entspannen konnte. Doch plötzlich wurde es eiskalt. Jürgen erschrak so sehr, dass er fast auf den nassen Fliesen in der Duschkabine ausgerutscht wäre. „Was zum Teufel ist jetzt los“, fluchte er. Erneut drehte er den Knopf auf Warmwasser. Als er sich abduschen wollte, kam gar kein Wasser mehr. „Das darf doch nicht wahr sein.“ Es blieb ihm nichts anderes übrig, er musste sich trotzt seiner klebrigen Haut abtrocknen und in seinen Bademantel schlüpfen. Mit schnellen Schritten huschte er aus dem Haus, seine Kleidung in der einen Hand und seine Schuhe in der anderen. Der kalte Wind blies ihm um die Nase und seine mit Duschgel verklebten Haare standen in alle Richtungen, während er den halbeingefallenen und mit Grün zugewachsenen Holzzaun entlangeilte und bei seiner Nachbarin am Eingang des Grundstücks klingelte. Sabine musste im Garten gewesen sein, denn ein paar Sekunden später tauchte sie schon hinter einem dichtbewachsenen Strauch auf. Schnell wischte sie sich die Hände an ihrer mit Flecken übersäten Jeanshose ab.

„Herr Schneider! Sie sind ja schon zurück! Ja wie sehn Sie denn aus?“, fragte sie und brach dabei in schallendes Gelächter aus.

„Das klingt zwar etwas komisch, aber darf ich vielleicht ihre Dusche benutzen? Meine streikt, da kommt kein Wasser mehr.“

„Aber selbstverständlich Herr Schneider, kommen Sie mit, sonst erfrieren Sie noch.“

Schon beim Betreten des Gartens blieb Jürgen an einer Pflanze hängen, die sich um seine Füße schlang.

„Passen Sie auf! Mein schöner Efeu!.“

Mit einem Ruck riss er das Gewächs aus dem Boden und betrachtete argwöhnisch das andere Grün, das sich im knöchelhohen Rasen breitmachte. Sabine schüttelte nur den Kopf.

Nach der ersehnten Dusche und den trocken geföhnten Haaren fühlte sich Jürgen wieder wohler. Sabine wollte ihm noch einen Kaffee anbieten, doch er lehnte dankend ab, als er die Wahrsagerkarten auf dem Tisch liegen sah und die Räucherstäbchen im Glasschrank entdeckte. Außerdem wartete bereits eine gefüllte Tasse in seiner Küche. „Übrigens auch vielen Dank für das Anschalten der Kaffeemaschine und für die schöne Blume auf dem Frühstückstisch.“ Sabine blickte verdutzt.

„Ich weiß nicht wovon Sie sprechen, Herr Schneider, ich hab in ihrem Haus nichts verändert, nur ihre Katze gefüttert.“

„Hm. Seltsam.“

„Vielleicht haben Sie ja auch einen Geist im Haus.“ Sabine zwinkerte ihm zu, dabei schien wie durch einen Windhauch eine Karte von ihrem Tisch zu fallen.

„Ja wie gesagt, vielen Dank und auf Wiedersehen.“ Jürgen verließ eilig das Grundstück. „Ein Geist, ja genau, die Kräuterhexe hat sie doch nicht mehr alle!“ Er dachte darüber nach, wie viele Verrückte es auf dieser Welt wohl geben würde, naja, immerhin hatte er jemanden, der auf Bubi aufpasste, wenn er mal wieder unterwegs war. Mit dem Bademantel unter dem Arm öffnete er die Haustür. Als er den Flur entlangging, ließ ihn der Blick auf den Schuhschrank erstarren, die Schreiben der Rechtanwaltskanzlei waren nicht mehr an ihrem Platz. Sein Verdacht lag zuerst auf Bubi, nur seine Katze hatte bis jetzt noch nie Interesse an Schriftstücken gezeigt, sie spielte höchstens mit den Blumenvasen und für seinen Geschmack viel zu oft mit der Zimmerpflanze. Allerdings, wenn er genau überlegte, war es ihm ganz recht, dass die Briefe aus seinem Blickfeld verschwunden waren.

***​


Am Abend fiel Jürgen ein, er wollte das Familiengrab noch vor dem Wochenende von den heruntergefallenen Blättern befreien. Ausgestattet mit einem Eimer und einen kleinen Handbesen fuhr er zum Friedhof und schlenderte zitternd durch die Grabreihen, ihm war schon wieder kalt. Zielgerichtet steuerte er auf einen schwarzen, hohen Grabstein mit goldener Inschrift zu und begann damit die Blätter von der Grabplatte fegen, als er aus der Entfernung Schritte auf dem Kiesboden vernahm. Er hob seinen Kopf. Eine junge Frau mit offenen, dunkelbraunen Haaren und olivfarbener Stoffjacke ging vorüber. Jürgens Blick blieb an den schwarzen Halbstiefeln hängen. Sie sah aus wie die Frau am Unfallort, die seine Hand gehalten hatte. Er ließ alles stehen und liegen und rannte der Frau hinterher. „Halt, warten Sie!“, rief er. Die Frau nahm ihr Fahrrad von der Friedhofsmauer und wollte gerade losfahren, nun drehte sie sich um und starrte ihn an. Jürgen erkannte ihr Gesicht. „Sie sind doch vorgestern mitten auf der Landstraße gestanden. Ich hätte Sie beinahe überfahren. Wie geht es Ihnen?“ Die junge Dame sah ihn an, als wäre er von einem anderen Planeten, dann umklammerte sie den Lenker ihres Fahrrads noch fester und setzte den Fuß auf das Pedal. Jürgen packte sie am Oberarm und zog sie vom Rad. „Gehen Sie nicht“, sagte er im bestimmenden Tonfall. Nun hinderte er sie mit beiden Händen daran, sich zu bewegen.

„He, lassen Sie meine Tochter in Ruhe!“ Eine schlanke Frau mit eingefallenen Wangen und dunkelgrauem Haar tauchte hinter ihm auf. Er blickte in ausdrucklose Augen, ihre raue, tiefe Stimme passte irgendwie nicht zu ihr. Jürgen lockerte den Griff um die junge Frau, bis er seine Hände langsam ganz sinken ließ. „Es tut mir leid, ich wollte ihrer Tochter nichts tun. Ich bin von der Kriminalpolizei. Jürgen Schneider ist mein Name.“ Wie in Trance holte er seinen Dienstausweis aus der Innentasche seiner Lederjacke und hielt ihn der älteren Dame entgegen. Die junge Frau stieg nun endgültig auf das Fahrrad und fuhr davon. Jürgen sah ihr hinterher.

„Sie belästigen meine Tochter nicht noch einmal. Meine Marie hat schon genug mitgemacht mit ihren Kollegen“

„Wie meinen Sie das?“

„Vielleicht können Sie sich an den Fall erinnern. Marie und ihre Schwester Julia hatten vor drei Jahren einen Unfall, bei dem irgendein geisteskranker sie vom Rad gefahren hat. Marie kann sich an den Unfall nicht mehr erinnern, doch Ihre Kollegen haben sie trotzdem immer wieder befragt. Irgendwann reicht es. Jetzt wo es ihr endlich besser geht, möchte ich, dass sie Abstand zu ihr halten.“

„Ich kenne diesen Fall nicht, ich bin erst vor zwei Jahren in diese Region versetzt worden.“

„Julia wurde vor zwei Jahren offiziell für tot erklärt.“ Frau Brunner hielt sich die Hand vor das Gesicht und fing an zu schluchzen.

„Das tut mir leid. Das muss sehr hart für Sie gewesen sein. Konnte man den Unfallfahrer nicht ermitteln?“

„Nein“, flüsterte Sie.

Jürgen verabschiedete sich von ihr, er wollte sie nicht länger aufhalten. Etwas verwirrt machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Familiengrab. Wie konnte er die junge Frau so grob anfassen? Diese Reaktion kannte er von ihm selbst nicht, das durfte ihm nicht noch einmal passieren. Er musste die nächste Grabreihe links abbiegen, doch irgendetwas zog ihn weiter geradeaus, von dort musste Marie gekommen sein. Rechts von ihm standen drei Gräber mit hellem Stein und blühenden Herbstblumen. Eines von ihnen trug die Inschrift Brunner. Ein grauer Stein in Herzform drückte sich in die schwarze Erde, daneben stand ein Portraitfoto in einem gläsernen, randlosen Bilderrahmen. Er erkannte sie sofort, das musste Maries Schwester sein, die beiden sahen sich wirklich zum Verwechseln ähnlich. Das Foto musste kurz vor ihrem Verschwinden gemacht worden sein, sie sah darauf nicht viel jünger aus als Marie. Ihre Arme hatte sie für das Bild überkreuzt und auf einem Tisch abgelegt. Was er an ihrem linken Arm entdeckte, gab ihm einen Stich ins Herz. Es war ein großes, dunkles Muttermal. „Das darf doch nicht wahr sein.“ Schnell stellte er das Foto wieder an seinen Platz. „Vielleicht hatte Marie genau dasselbe Muttermal am Unterarm, an der derselben Stelle und Frau Brunner hatte ihren Ausflug auf die Landstraße einfach nicht bemerkt oder aber Julia Brunner war noch am Leben.“ Die Gedanken beschäftigten ihn, während er zurück zu seinem Familiengrab ging und die restlichen Blätter in den Eimer stopfte, als wäre er auf der Flucht. Er fühlte sich plötzlich beobachtet, obwohl er niemanden um sich herum entdecken konnte. Zum Schluss packte er das Werkzeug und hastete mit schnellem Schritt auf den Ausgang zwischen den schweren Steinmauern zu, den Eimer samt Inhalt warf er in eine der Mülltonnen. Als er den Boden des Friedhofs verließ, waren Frau Brunner und Marie schon nicht mehr zu sehen.

***​


Den Fiat parkte er direkt vor seinem Gartentor. Beim Verlassen des Fahrzeugs, hörte er aus der Ferne Stimmen wie aus einem Radio. „Jetzt ist die durchgeknallte Wahrsagerin wohl schon völlig irre geworden. Das Radio so laut zu drehen.“ Jürgen folgte dem Steinweg in Richtung Haustür mit festen Schritten, dabei beschlich ihn langsam das Gefühl, die Radiostimme käme aus seinem eigenen Haus. Dies bestätigte sich, als er den Schlüssel ins Schloss steckte. Beim Betreten seiner Wohnräume wurde er fast taub. Der Lärm kam vom Fernseher, er war auf volle Laustärke aufgedreht, der Nachrichtensender lief. Er schaltete ihn aus und ging weiter in die Küche. Auf dem Tisch befand sich eine frische Schnittblume, genau die gleiche wie heute Vormittag. Diesmal lag jedoch ein Zettel daneben. Ein Stück Papier, das seinen unregelmäßigen Rändern nach zu urteilen aus einer Heftseite oder Ähnlichem herausgerissen worden sein musste. Jürgen nahm das Papierstück in die Hand, es war mit blauer Tinte beschrieben worden. In Schreibschrift stand darauf „Hilf mir!“. Jürgen schaute sich um, überprüfte ob jemand in sein Haus eingedrungen war, alles schien an seinem Platz zu sein, niemand außer ihm war hier, es gab kein Anzeichen für einen Einbruch. Allerdings vermisste er Bubi, sie war wohl durch die Katzenklappe geflüchtet. Seine Nachbarin war die einzige Person, die einen Schlüssel zu seiner Wohnung hatte. Und ja, die war sowieso noch nie ganz richtig im Kopf. Wer behauptete schon einmal einen Geist gesehen zu haben, litt seiner Meinung nach unter Realitätsverlust. Kein Wunder, ihr Mann war vor drei Jahren verstorben. Unter solchen Umständen konnte man schon einen bleibenden Schaden erleiden. Würde mich nicht wundern, wenn sie etwas damit zu tun haben sollte, dachte er, als er es sich mit seinem Abendbrot und einer Flasche Bier in einem der Korbsessel im Wintergarten gemütlich machte. Er zuckte zusammen, sein Telefon klingelte. Es war einer seiner Kollegen aus dem Kommissariat, dieser erzählte ihm nebenbei, Frau Brunner hätte ganz aufgelöst im Büro angerufen, ihre Tochter Marie sei auf dem Weg vom Friedhof nach Hause verschwunden. Sie hätten ihr Fahrrad auf einem der Feldwege gefunden, die parallel zur Landstraße verliefen. Jürgen wäre beinahe das Bierglas aus der Hand gerutscht. Er wollte wissen, ob es Hinweise auf ein Gewaltverbrechen gab, die Kollegen allerdings konnten noch nichts Genaueres dazu sagen. Am liebsten wäre er sofort selbst zum Ort des Verschwindens gefahren, doch dann fiel ihm ein, er hatte noch Urlaub. Wer hat Interesse daran, Marie Brunner zu entführen? Gerade als er sich diese Frage stellte, ließ ein lautes Scheppern ihn vom Sessel aufspringen. Das Geräusch kam aus der Küche nebenan. Kurz darauf sah er im Licht der Küchenzeile, wie sich die Tür zum Flur öffnete, ein Schatten durchhuschte und sich wieder schloss. Jemand musste in seinem Haus sein. Schnell schob er die Tür zur Küche auf. Alle Schränke standen weit offen, weiße Porzellanscherben lagen überall auf dem Boden verteilt. Jürgen stürzte in den Gang, von dort aus in das Wohnzimmer und anschließend in den Tresorraum. Während er die Geheimzahl eingab, hörte er eine Tür zuknallen. Er nahm seine Dienstwaffe an sich und schlich zurück in den Flur. Die Kellertür war nun geschlossen, er zog sie mit einem Ruck auf und zielte mit seiner Waffe auf die dunkle Wand vor ihm, gleichzeitig ließ er das helle Licht seiner Taschenlampe aufflackern, es war niemand zu sehen, doch er hörte wie sich jemand an seinen Werkzeugregalen zu schaffen machte. Es klimperte und etwas schien auf den Boden zu fallen. „Wer ist da?“, rief er hinunter. Es blieb still. Er betätigte den Lichtschalter, nun stand der erste Kellerraum unter Flutlicht. Langsam wanderte er, seine Schulter an die Wand gerückt, die Steintreppe hinunter. Seine Dienstwaffe hielt er mit beiden Händen fest umschlungen, die Taschenlampe hatte er in der Hosentasche verstaut. Als er die letzte Stufe erreichte und den Raum betrat, kippte eines der Regale samt den Werkzeugen um. Jürgen schreckte zurück. Er sah sich im Kellerraum um und nahm wahr wie sein Herz raste. Niemand, außer ihm, war anwesend. Langsam ließ er die Waffe sinken und atmete tief durch. Kurz darauf hörte er ein Knacken. Es kam von der Decke. Er hob den Kopf und sah nach oben, genau in diesem Moment fiel ein Gegenstand von der Kellerdecke direkt auf ihn zu. Geistesgegenwärtig machte er einen Schritt nach hinten. Das Messer verfehlte ihn nur um einige Zentimeter, es landete direkt vor seinen Füßen. Etwas verklebtes, rotes haftete an dem Messer. Blut. Getrocknetes Blut. Jürgen schluckte. Wie konnte ein Messer von der Decke fallen, ohne dass jemand im Raum war? Es herrschte totenstille. Jürgen vergewisserte sich, ob sich jemand in den anderen Kellerräumen versteckte, er konnte niemanden entdecken. Schwer atmend und mit kreidebleichem Gesicht ließ er sich auf die Kellertreppe fallen. Nachdem er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, nahm er ein Paar Handschuhe und einen verschließbaren Plastikbeutel aus seinem Tresor und sicherte das blutverschmierte Messer als Beweisstück. Gerade wollte er einen Fuß auf die Treppe setzen, da hörte er ein leises Kratzen aus dem angrenzenden Kellerraum, in dem sich die Waschmaschine befand. Nicht noch einmal. Er hielt seine Waffe und die Taschenlampe bereit und öffnete die Tür. Im Lichtschein erschien Bubi. Erleichterung machte sich breit. Bubi wich ihm nicht mehr von der Seite, bis er das Chaos, zumindest in seiner Küche, beseitigt hatte und schlafen ging. Selbst das Katzenfutter, das sie sonst so sehr liebte, rührte sie nicht an. Stattdessen kuschelte sie sich zu ihm ins Bett. Doch auch mit Bubis Beistand sollte Jürgen in dieser Nacht kein Auge zu tun. Er zog sich die Decke über den Kopf und harrte solange aus bis die Sonne aufging. Irgendwann mussten ihm die Augen zugefallen sein, als er aufwachte zeigte sein Wecker 9.00 Uhr. Bubi lag nicht mehr neben ihm, wahrscheinlich war sie schon wieder draußen unterwegs. Jürgen warf die Bettdecke zurück, er musste ins Büro. Ohne sich zu rasieren oder überhaupt ins Bad zu gehen zog er sich an, schnappte sich beim Durchqueren des Flurs seine Lederjacke und den Autoschlüssel.

***​


In der Dienststelle herrschte rege Hektik, jeder schien über die Maßen beschäftigt. Als Jürgen jedoch das Büro betrat, ließen die Kollegen alles stehen und liegen. Sie musterten ihn, als wäre er soeben mit dem Raumschiff gelandet. Peter und Robert brachen in schallendes Gelächter aus. „Hast wohl eine wilde Nacht hinter dir, was?“ „Hätte nicht gedacht, dass du dir so schnell wieder eine Frau suchst.“ Jürgen ignorierte alle Kommentare seiner Kollegen gekonnt, auch die Fragen was er während seines Urlaubs im Büro suche, überhörte er. Was soll es an seinem Auftreten schon zu Lachen geben? Schnurstracks ging er in die WC- Räume und betrachtete sich zum ersten Mal an diesem Morgen im Spiegel. Die Frisur saß wie immer, sein Gesicht sah auch nicht so übel aus wie befürchtet, doch etwas stimmte mit seinem Hals nicht. Er knöpfte den Hemdkragen weiter auf. „Hilfe“, stand dort mit roter Farbe geschrieben. Schnell versuchte er mit einem nassen Tuch die Schrift von seiner stoppeligen Haut zu wischen. Die Farbe verschmierte wie Lippenstift. Jetzt reichte es, das konnte alles nicht wahr sein. Zurück im Großraumbüro, hoben alle wieder ihre Köpfe. „Habt ihr nichts zu tun? Erzählt mir lieber, was es Neues im Fall Marie Brunner gibt.“

Peter erhob sich von seinem Bürostuhl. „Die Spürhunde konnten ihre Spur bis zur Landstraße verfolgen, sie muss von dort aus in ein Fahrzeug gestiegen sein. Es gibt keine Hinweise auf Gewalteinwirkung. Frau Brunner gab an, sie hätte auf dem Weg zum Friedhof neben dem Feldweg ein paar junge Männer sitzen sehen, die dort geraucht haben. Ihr Verdacht ist, einer von ihnen hätte Marie entführt.“

„Habt ihr die Männer schon überprüft?“

„Wir sind gerade dabei sie ausfindig zu machen. Paul ist dabei einen von ihnen zu befragen. Er müsste gleich zurück sein.“

Jürgen fuhr so schnell wie möglich seinen PC hoch und rief den Fall Julia Brunner auf.

Julia und ihre Zwillingsschwester Marie wurden am Freitag den 23.08. um 2.00 Uhr nachts auf der Landstraße zwischen Lenting und Wettstetten von einem Auto erfasst. Marie erlitt eine schwere Gehirnerschütterung und einen Armbruch. Sie konnte sich im Nachhinein an den Unfall nicht mehr erinnern und somit keine Aussage treffen. Zudem ist sie seit dem Vorfall stumm, wird psychologisch betreut. Julia war am Unfallort nicht anzutreffen, ihr Fahrrad lag am Straßenrand. Der Unfallfahrer flüchtete und konnte nicht ermittelt werden. Auf den Fahrrädern der Mädchen wurden Lacksplitter eines schwarzen Audi A3 sichergestellt. Ebenso ein Ohrring, der zu Julia Brunner gehörte. Julia Brunner wurde ein Jahr nach ihrem Verschwinden für tot erklärt. Es spricht alles für eine Entführung mit Todesfolge.

Jürgen griff in die Innentasche seiner Lederjacke, er hielt einen Ohrring in der linken Hand, während er die Bilder der Beweisstücke betrachtete. Der Ohrring war mit dem Fundstück am Unfallort identisch. Schnell ließ er ihn wieder in seine Tasche verschwinden und schaltete den Computer aus, dann verließ er unter den amüsierten Blicken seiner Kollegen im Eiltempo das Kommissariat.

Im Flur kam ihm Paul entgegen, er wirkte gehetzt und sein ernster Gesichtsausdruck ließ Jürgen erahnen, irgendetwas stimmte nicht. „Gut, dass ich dich hier treffe Jürgen, warum zur Hölle gehst du nicht ans Telefon?“ Jürgen holte sein Handy hervor und tippte auf das Display, dieser blieb schwarz, obwohl der Akku voll war und er den Ausschaltknopf nie betätigt hatte. Ihn wunderte gar nichts mehr.

„Gestern Abend, als die Spürhunde die Gegend absuchten, haben sie neben der Landstraße deine Katze gefunden. Sie musste von einem Auto angefahren worden sein und war bewusstlos. Ich habe sie selbstverständlich sofort in die Tierklinik gebracht, aber da war leider nichts mehr zu machen.“

„Das kann nicht sein, meine Katze war gestern die ganze Zeit…“, weiter kam er nicht. Paul hielt ihm ein Foto auf seinem Handy entgegen. Jürgen atmete ein, aber nicht mehr aus. Es war unverwechselbar Bubi mit ihrer weißen Vorderpfote.

„Es tut mir wirklich leid“, sagte Paul und drückte den Kommissar am Oberarm, dieser verließ ohne ein Wort das Gebäude und stieg ins Auto.

***​


Jürgen betätigte die Klingel am Gartentor von Sabine, die Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben, sonst besuchte er sie so gut wie nie. Auch dem Kommissar klappte die Kinnlade nach unten. Heute trug sie keine Arbeitskleidung, sondern ein schwarzes, kurzgeschnittenes Kleid und Schuhe mit hohem Absatz. Ihr offenes, schulterlanges Haar hielt eine Klammer zusammen.

„Sie sehen aus, als wollten Sie wieder bei mir duschen“, begrüßte sie ihn.

„Danke fürs Kompliment“, erwiderte er ohne eine Miene zu verziehen. Beim Betreten ihres Grundstücks, achtete er diesmal darauf ihren Efeu nicht zu zertrampeln, immerhin schien er ihr wichtig zu sein. „Meine Katze wurde gestern Abend überfahren“, begann er das Gespräch. Sie hielt ihre Hand vor den Mund. „Oh nein… Ich hab Bubi gestern Abend noch in ihrem Garten gesehn. Das war dann wohl…“

„Ich hab meine Katze gestern Nacht auch gesehn“, unterbrach er sie, „können sie Tote sehen Frau Sommer?“

Sie bat ihn in die Küche, nach einer Weile saßen sie an einem kleinen Holztisch am Fenster. „Ja, ich kann Verstorbene sehen, die noch nicht gehen wollen oder können.“

„Ich befürchte das kann ich auch. Haben Sie eine Frau gesehn mit langen Haaren, kurzem schwarzen Rock und einer weißen Bluse?“

„Ja natürlich, da ist eine junge Frau, die andauernd um Ihr Haus schleicht.“

„Warum haben Sie mir das nicht gesagt?“, Jürgen stand ruckartig vom Stuhl auf.

„Ich sag das doch nicht jedem. Die halten mich für verrückt.“

„Ja natürlich. Wie ist es überhaupt möglich einen Toten zu sehen?“

„Viele Verstorbene können nicht gehen, wenn sie noch eine Aufgabe zu erledigen haben.“

„Die Frau hat mir gestern Nacht die ganze Bude auf den Kopf gestellt, hat mir ein blutiges Messer vor die Füße geworfen.“

„Vielleicht will sie Ihnen damit etwas sagen.“

Jürgen riss die Augen auf. „Sie haben Recht.“

Er verabschiedete sich schnell und lief zurück in sein Haus, weiter in den Tresorraum. Beim Öffnen der Tresortür stellte der Kommissar fest, das Beweisstück war verschwunden. Die Überwachungskamera hatte ausgelöst, jedoch war niemand auf dem Bild zu erkennen. Dann fiel ihm der Ohrring ein, er ordnete seinen Kollegen an zu überprüfen, ob dieses Beweisstück immer noch unter Verwahrung war. Als sich dies bestätigte, wusste er, der Ohrring, den er am Tag seines Krankenhausaufenthaltes in seiner Lederjacke vorgefunden hatte, musste von Julia zum Todeszeitpunkt getragen worden sein. Leider hatte er ihn selbst schon angefasst, doch vielleicht konnten seine Kollegen weitere Fingerabrücke darauf feststellen. Er steckte ihn in eine Klarsichttüte und fuhr ihn persönlich ins Labor. Zu Hause lag auf seinem Küchentisch wieder eine frische, rosafarbene Blume. Er rätselte um welche Blume es sich hierbei handeln könnte, doch er wusste es nicht, deshalb kontaktierte er erneut seine Nachbarin, die kurz darauf in seiner Wohnung stand. „Das ist eine Herbstanemone“, stellte sie auf den ersten Blick fest.

„Die Blume muss ein weiterer Hinweis auf den Mörder sein. Haben Sie hier in der Gegend schon einmal eine solche Pflanze gesehen?“

„Nein, bisher noch nicht.“

Jürgen ging in der Küche auf und ab.

Plötzlich griff der Kommissar nach Sabines Arm.

„Sagen Sie, können Sie auch mit den Toten sprechen?“

„Jeder kann mit den Toten sprechen, aber ob man auch eine verständliche Antwort bekommt, das ist die nächste Frage.“

„Gut, aber könnten Sie nicht versuchen Kontakt mit der toten Julia aufzunehmen, sie fragen ob Sie uns zu ihrem Mörder führen kann, oder zu dem Ort wo ihre Leiche liegt?“

„Nein, Herr Schneider, das müssen Sie schon selber machen, wenn Sie Julia schon sehen können, dann können Sie bestimmt auch gut zuhören.“

Beschwingt machte sie sich auf zur Haustür, dann drehte sie sich noch einmal um. „Ich hätte ihnen gar nicht zugetraut, dass Sie in ihrer Freizeit Pornofilme anschauen.“ Mit einem Augenzwinkern verschwand sie.

„Was?“ Jürgen begutachtete seinen Laptop auf dem Küchentisch näher. Tatsächlich war eine Pornoseite geöffnet, die sich „Deep Red Room“ nannte. „Brutale Vergewaltigungen“ wurde als Überschrift angezeigt. Jürgen konnte es nicht fassen, er klickte sich durch die Videos, blieb dann bei einem der neu veröffentlichten Filme hängen. Hochgeladen von Dark Devil. Er klickte auf „Play“.

Eine Frau mit langen dunklen Haaren war mit Seilen an einen Holzbalken gefesselt. Ihr Körper war übersät von Schürfwunden, blauen Flecken und roten Striemen. Sie trug eine schwarze, seidene Augenbinde. Jürgen erschrak, sein Blick fiel auf das Muttermal an ihrem linken Handgelenk. Der Mann war muskulös, trug eine schwarze Sturmhaube, an seinem linken Oberarm befand sich ein Tattoo, das er mit der schwarzen Armbinde nicht ganz verdecken konnte. In seiner linken Hand hielt er ein Jagdmesser, in seiner rechten Hand einen schwarzen Ledergürtel. Der Raum, in dem sie sich befanden war klein, mit dunklen Holzwänden ausgestattet sowie einem rotbraunen Holzboden. Am Bildrand waren ein weißer, flauschiger Teppich und ein Eck von einem Holztisch zu erkennen. Julia atmete sehr schnell. Als der Mann mit dem Messer über ihren nackten Oberkörper strich und sie dabei verletzte schaltete Jürgen ab. Dies war nicht das einzige Video von Black Devil, Jürgen entdeckte weitere, soviel er sehen konnte ebenfalls mit Julia. Er alarmierte daraufhin seine Kollegen, sie sollten sich darum kümmern den Ersteller dieser Videos zu ermitteln.

***​


Sein Mittagessen ließ Jürgen heute ausfallen, geradewegs fuhr er zum Grundstück von Frau Brunner, währenddessen telefonierte er mit Paul um herauszufinden, ob die Ermittlungen etwas Neues ergeben hätten. Paul teilte ihm mit, sie hätten die vier Männer ausfindig gemacht, die sich gestern nach Frau Brunners Aussage am Feldweg aufgehalten hatten. Alle Vier hatten zum Tatzeitpunkt nachweislich an einer Veranstaltung in Wettstetten teilgenommen. Frau Brunner war alles andere als begeistert von Kommissar Schneiders Besuch und von der Tatsache, dass es noch keinen Erfolg bei den Ermittlungen gab. Ihre Augen funkelten vor Zorn. „Wenn Sie nicht gewesen wären, dann wäre Marie nie entführt worden. Sie haben mich doch am Friedhof aufgehalten.“

„Frau Brunner, diese Anschuldigungen bringen doch niemanden weiter.“

„Guten Tag.“

Kommissar Schneider drehte sich um. Ein blonder, junger Mann mit blauer Latzhose stand hinter ihm, er wirkte überrascht genau wie Jürgen. „Sie sind mir doch bei meinem Unfall auf der Landstraße zur Hilfe geeilt. Vielen Dank nochmal.“

„Ja, genau. John Kellermann, ich bin Maries Freund“, stellte er sich vor, „kein Ding, sind Sie etwa von der Polizei?“

Jürgen zeigte seinen Dienstausweis vor.

„Ich hab gerade zufällig mitgehört. Also, da gibt es so einen Typen in Maries Therapiegruppe. Tom Heuschner heißt der. Er hat ihr schon ein paar Mal hinterherspioniert, weil er heimlich in Marie verliebt ist, das weiß ich. Vielleicht hat er sie entführt. Zutrauen würd ich es ihm. Bitte finden Sie Marie.“

„Hat dieser Tom zufällig ein Gartenhaus oder einen Schrebergarten?“

„Ja hat er, am See, wieso?“

Jürgen rief sofort im Büro an. Paul sollte ihn überprüfen. Währenddessen schaute er sich in Maries Zimmer um, auch wenn seine Kollegen schon alles durchsucht hatten. Unter ihrem Bett zog er einen kleinen Karton hervor, in ihm befanden sich Pinsel und Farben. Er wühlte sich durch bis zum Boden, dieser war ungewöhnlich dick und schwer. Es war ein Doppelboden. Dazwischen entdeckte er ein Buch. Beim Durchblättern erkannte er, es war Maries Tagebuch. Die letzten Einträge hatten fast alle den gleichen Inhalt. Marie beschrieb wie sie sich in Tom aus ihrer Therapiegruppe verliebt hatte und die Beziehung mit ihrem langjährigen Freund John beenden wollte. Auf einer der älteren Seiten blieb er hängen, diese war anders als die übrigen, es fehlte ein Stück. Es wurde herausgerissen. Schnell griff er in seine Jackentasche und zog das Schriftstück heraus, das er an jenem Abend auf seinem Küchentisch vorfand. Es passte genau hinein. Jürgen las den Eintrag vom 26.06.

„Er hat mich wieder in sein Gartenhaus gebracht, an seinen Lieblingsort wie er sagt. Auf dem Boden hat er einen weißen Kuschelteppich ausgerollt und Kerzen aufgestellt. Er weiß, ich mag Kerzen. Heute trägt er einen Drachenkopf als Tattoo, den klebt er sich immer auf, wenn wir hier zusammen Sex haben. Sein Parfüm duftet nach Moschus, am Anfang mochte ich den Geruch, jetzt wird mir schlecht davon. Er wird von Mal zu Mal grober und er filmt uns dabei. Er sagt, wir könnten damit im Internet Geld verdienen. Ich will das alles nicht, aber er macht es trotzdem. Ich frage mich, ob er mich wirklich liebt, so wie er sagt. Was soll ich nur tun? Hilf mir!“

***​


Jürgen raste die Treppen nach unten, Frau Brunner rannte er beinahe um. In diesem Moment klingelte sein Handy. Es war Paul, Tom Heuschner war mehrmals wegen Körperverletzung vorbestraft und würde sich laut seiner Mutter gerade in seinem Schrebergarten direkt am See aufhalten. „Das übernehme ich.“ Jürgen stieg ins Auto und fuhr mit raschem Tempo zu der beschriebenen Adresse. In der Einfahrt stand ein schwarzer Audi A3. Das Tor zum Garten war geöffnet, so konnte er ungehindert Eintreten. „Was machen Sie auf meinem Grund?“ Ein Mann Mitte Dreißig mit Dreitagebart und langen Haaren kam auf ihn zu. Er trug mehrere Ringe an seinen Fingern, einer seiner Handrücken war tätowiert. Ob er noch weitere Tattoos hatte konnte Jürgen nicht erkennen, da er mit einem langärmeligen Karohemd bekleidet war, das lässig über seine Hose hing. „Kriminalpolizei, Schneider. Wo waren sie gestern zwischen 17 und 18 Uhr?“

„Ich war gestern auf der Feier in Wettstetten.“

„Allein?“

„Ja allein, ich habe gehofft dort auf eine Person zu treffen, aber sie kam nicht.“

„Marie Brunner? Sie kam nicht, weil sie zu der Zeit entführt wurde.“

„Was?“ Jürgen blickte in ein erschrockenes Gesicht.

„Das wissen Sie doch ganz genau. Sie hatten ein Verhältnis mit ihr, nicht wahr? Sie haben sich öfter hier in ihrem Gartenhaus getroffen.“

„Nein.. Wir haben uns ein paar Mal getroffen, ja, aber da war nichts zwischen uns. Sie ist doch mit diesem John zusammen.“

„Darf ich mich in der Hütte umsehen?“

„Hören Sie, ich habe nichts mit der Entführung zu tun.“

Jürgen betrat das Gartenhaus aus dunklem Holz, in der Ecke stand ein eichefarbener Holztisch mit Bank und zwei Stühlen auf einem hellbraunen Kunststoffboden, ansonsten war der Raum leer.

„Seit wann besitzen Sie den schwarzen Audi?“

„Den hab ich mir vor drei Jahren gekauft.“

„Wann genau? In welchem Monat?“

„Ende Oktober, Anfang November.“

Jürgen hob eine Augenbraue. „Von wem?“

„Von John Kellermann, Maries Freund. Er hat sich stattdessen einen VW-Golf gekauft. Hab ich nie verstanden.“

„Besitzt dieser John Kellermann auch so ein Gartenhaus wie Sie?“

„Weiß ich nicht, aber er hat mal erwähnt, dass er ein Freizeitgrundstück am Ortsrand hat.“

***​


Jürgen trat das Gaspedal des Fiats bis zum Anschlag durch. Gerade jetzt wünschte er sich, er hätte ein Fahrzeug mit mehr PS bekommen. Tom beschrieb ein mit Büschen dicht bewachsenes Grundstück. Beim Abbiegen in die schmale Teerstraße, sah er auf der rechten Seite einen silbernen VW Golf stehen. Hier musste er richtig sein. Das Gartentor war verschlossen, also blieb ihm nichts anderes übrig, als über den Zaun steigen. Rechts neben dem Gartenhaus entdeckte Jürgen einen Busch rosafarbener Herbstanemonen. Mit schnellen Schritten ging er auf die Hütte zu. Je näher er kam, umso lauter vernahm er eine männliche Stimme. Schwere Vorhänge verdeckten das Fenster. Jürgen drückte gegen die Eingangstür, sie war verschlossen. Mit seinen Fäusten hämmerte er dagegen. „John machen Sie auf!“ Es kam keine Antwort. Jürgen holte seine Dienstwaffe aus dem Gurt und trat mit aller Kraft die Tür ein. John kniete neben Marie, die bewusstlos auf dem rotbraunen Holzboden lag. Mit einem Klappmesser strich er ihr über den Hals. „Legen Sie ihre Waffe da auf den Tisch, oder ich töte sie.“

„John, das bringt Ihnen nichts mehr. Sie können uns nicht entkommen, geben Sie auf.“

John Kellermann hob Marie vom Boden auf und hielt sie vor seinen Körper. Jürgen hatte zu lange gezögert, jetzt konnte er nicht mehr auf ihn schießen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das zu tun was John von ihm verlangte. Kaum lag die Waffe auf dem kleinen viereckigen Holztisch, ließ John Marie fallen und war daran sich die Pistole zu schnappen. Jürgen hob den Tisch an und kippte ihn in Johns Richtung, so dass er sie verfehlte und die Waffe auf den Boden rutschte. Jürgen hielt John am rechten Oberarm fest und versuchte ihn umzureißen. John stemmte sich dagegen, er hielt das Messer noch in seiner linken Hand und stach auf den Kommissar ein. Dieser hatte sich im richtigen Moment weggedreht, doch das Messer streifte sein rechtes Handgelenk. Reflexartig drückte er die blutende Wunde ab, John nutzte die Zeit und rannte nach draußen. Jürgen fühlte Maries Puls, er entdeckte eine Flasche mit Betäubungsmittel und zwei Becher auf dem Boden. Mit zitternden Fingern zog er sein Handy aus der Tasche. Der Akku war leer. „Scheiße!“, fluchte er, schnappte sich seine Dienstwaffe und lief John durch das nun offenstehende Gartentor hinterher, jedoch war er schon in sein Auto gestiegen und fuhr weg. Jürgen schoss auf den linken Hinterreifen. Noch einmal überprüfte er sein Telefon. Es war nichts zu machen, er konnte weder den Rettungsdienst noch seine Kollegen alarmieren. Schnell rannte er zurück in die Hütte, holte Marie heraus, ihr Puls war mittlerweile kaum noch wahrnehmbar, sie atmete sehr flach. Er legte sie auf die Rücksitzbank seines Wagens und fuhr mit rasender Geschwindigkeit in Richtung Ortsmitte in dieselbe Richtung, die auch John eingeschlagen hatte. Sein VW-Golf stand etwa 500 m weit entfernt am Straßenrand, John selbst war zu Fuß unterwegs und sprintete in das nahegelegene Waldstück. Der Kommissar folgte der schmalen Straße weiter, als ihm zu seinem Erstaunen ein Rettungswagen und ein Notarztfahrzeug entgegen kam. Mit Lichthupe brachte er sie dazu anzuhalten. Er riss die Fahrertür auf. „Sie haben den Rettungsdienst gerufen?“, fragte einer der Sanitäter. „Nein, aber die Frau muss so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Sie hat eine Überdosis Betäubungsmittel abbekommen.“ Jürgen hörte den Sanitätern nicht weiter zu, mit einem Stofftaschentuch hatte er sich seine Wunde abgebunden und jagte John hinterher. „Dich krieg ich, du Dreckskerl.“ Seine Dienstwaffe hielt er fest umklammert, während er sich durch das Unterholz kämpfte. Im Wald war es bis auf das Gezwitscher der Vögel recht still. Wie sollte er John hier nur finden, er könnte in jede Richtung gelaufen sein. Da sich das Fortkommen auf Grund der Bodenbedeckung eher schwierig gestaltete, konnte er allerdings nicht weit gekommen sein. Jürgen rieb sich die Augen, konnte das denn möglich sein? Bubi lief im Kreis um seine Füße, er folgte ihr, sie steuerte zielsicher einen umgefallenen Baumstamm an, der etwa 200 m entfernt lag. Jürgen entsicherte seine Waffe. „John, kommen Sie heraus. Früher oder später werden wir Sie eh finden.“ Langsam erhob sich John mit weit aufgerissen Augen und Mund aus seinem Versteck. Jürgen befahl ihm sein Messer abzulegen, das er fest umklammert in seiner linken Hand hielt. John ließ es wider Erwarten fallen und hob seine Hände. „Ich wollte das alles nicht, glauben Sie mir. Ich liebe Marie, ich könnte ihr nie etwas zu Leide tun, es war ein Unfall.“

„Ein Unfall? Das sah nicht danach aus. Sie haben Marie in ihr Gartenhaus gelockt, ihr Betäubungsmittel verabreicht und dann wollten Sie sie umbringen. Ist es nicht so? Weil sie sich daran erinnert hat, wie der Unfall auf der Landstraße vor drei Jahren zu Stande kam. Bei dem Sie die beiden Mädchen vom Rad gefahren haben mit einem schwarzen Audi A3 und Fahrerflucht begingen.“

„Nein, ich hab nicht mal einen Audi A3, ich schwöre.“ John Kellermann war mittlerweile kreidebleich im Gesicht.

„Sie hatten einen, bevor sie ihn an Tom Heuschner verkauft haben. Und Julia, Sie haben sie nach dem Unfall entführt und in ihrem Gartenhaus ein Pornovideo mit ihr gedreht, das sie vor kurzem im Internet veröffentlicht haben. Anschließend haben Sie sie umgebracht. Ich bin mir sicher, ihre Leiche liegt auf ihrem Grundstück unter den rosaroten Herbstanemonen. Julias Ohrring, den sie zum Todeszeitpunkt getragen hat, den habe ich als Beweisstück gesichert. Da sind mit Sicherheit ihre Fingerabdrücke darauf.“

„Die Schlampe hat es doch nicht anders verdient. In der Bar hat sie mich eiskalt abserviert, lieber hat sie sich mit diesem entstellten Weichei unterhalten. Ich wollte sie eigentlich nur erschrecken und ihr einen Denkzettel verpassen. Dass die beiden vom Rad fallen, das war nicht geplant. Aber gut, selber schuld, wenn man sich mit mir anlegt. Und Marie, ich dachte sie wäre tot, sie hat sich doch nicht mehr gerührt. Marie, ich liebe sie, wirklich! Ich hab sie sogar im Krankhaus besucht und hab auf sie aufgepasst.“

„Ja, damit sie sicher sein konnten, dass sie nicht gegen Sie aussagt.“

„Nein, sie müssen mir glauben.“

„Das reicht jetzt…“

Jürgen riss John um und drückte ihn mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Sein Telefon klingelte, er konnte es nicht fassen. Paul war am Ende der Leitung. Jürgen schilderte ihm den Sachverhalt, kurze Zeit später standen seine Kollegen hinter ihm, legten John die Handschellen an und führten ihn ab.

***​


Zu Hause lag ein Strauß Wildblumen auf dem Küchentisch, die Kaffeemaschine lief und füllte heißen Kaffee in Jürgens Tasse, die er gerne annahm. Sabine musste Jürgens Rückkehr beobachtet haben, schon klingelte sie an der Haustür. Sie wollte wissen, ob er den Mörder von Julia festnehmen konnte. „Ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet Herr Schneider. Übrigens, das hier habe ich in meinem Briefkasten gefunden.“ Sie gab ihm zwei weiße Umschläge von der Rechtsanwaltskanzlei, die er sogleich öffnete. „Das ging mir grade noch ab. Tja, dann bin ich jetzt wohl bald geschieden.“

„Sehr gut, dann können Sie ja ab sofort öfter auf einen Kaffee vorbeikommen“, sagte Sabine mit einem Augenzwinkern und verschwand auch schon wieder durch die Tür.

An den folgenden Tagen blieb die Kaffeemaschine aus, es lagen keine Blumen mehr auf dem Tisch und es gab auch sonst keine außergewöhnlichen Vorkommnisse. Von seinen Kollegen erfuhr Jürgen, sie hatten in Johns Gartenhaus Blutspuren von Julia entdeckt. Außerdem konnten sie die Tatwaffe, ein Messer sicherstellen. Auf dem Grundstück fanden sie Julias Leiche. Ein Lächeln lag auf Jürgens Gesicht, als sie ihm mitteilten, Marie sei aus dem Krankenhaus entlassen worden und werde sogar vor Gericht aussagen. „Zum Glück ist jetzt der ganze Spuk vorbei“, sagte er zu Bubi, die ihn noch eine ganze Weile begleitete, bis zu dem Zeitpunkt als eine kleine, junge Katze vor seiner Haustüre stand. Er konnte sich nicht erklären woher sie kam und als das Tierheim keinen Besitzer ermitteln konnte, behielt er sie. Komischerweise hatte sie die gleiche Freude daran mit seiner Zimmerpflanze zu spielen und fraß bevorzugt dasselbe Futter wie Bubi. Jürgen war fest davon überzeugt, es war Bubi.

 

Hallo @SonjaSonnig,

willkommen im Forum!
Zunächst mal zum Genre: Ich schlage Horror, Seltsam und meinetwegen noch Krimi vor. Ein Grusler mit Krimielementen. Der Geist des Ermordeten hilft aus dem Jenseits, den Fall zu lösen, das ist ein sehr klassisches Ding. Habe zufällig vor ein paar Tagen Stir of Echoes nach einer Vorlage von Richard Matheson nochmal geguckt, das gab's aber auch schon bei Charles Dickens. Jedenfalls: Fantasy passt gar nicht, das sind Feen, Orks, Drachen, magische Ringe und Kram.

Ich habe die zweite Hälfte nur noch überflogen, weil es stilistisch, bezogen auf die Sprache, aber auch das Erzählte, sehr anstrengend wurde. Die einfachen Sachen:

Mehr Absätze. Da sind so ein paar Blöcke drin, da werden fünf oder sechs Themen oder Situationen oder Gedankengänge abgehandelt und es ist einfach nur Satz an Satz an Satz. Besonders krass ist es am Anfang, nach dem Unfall, der Wechsel von der Unfallszenerie zum Krankenhaus. Anderer Ort, andere Zeit, andere Leute sprechen, da gehört eigentlich sogar eine Leerzeile hin, mindestens aber ein Absatz. Erstens ist man als Leser kurz desorientiert, zweitens wirkt das so emotionslos runtergerattert wie die Nachrichten.

Floskeln und Redewendungen. Der Text ist voll davon. Es regnete Hunde und Katzen, dass ihm die Nackenhaare hochgingen. Man kann das mal machen, aber nicht in dieser Dichte. Das ist jedes Mal ein kleines "Kenne ich schon".

Inhalt: Es ist relativ schnell klar, worauf das Ganze hinausläuft. Das finde ich auch gar nicht schlimm, die Frage kann ja eher die nach dem "wie" als nach dem "was" sein. Aber Mann, das zieht sich! Unnötige Beschreibungen, Dialoge etc. blähen einen Text auf und führen zum Leseabbruch. Zwei Drittel, mindestens aber die Hälfte könnte hier rausfliegen.

Außerdem hast du viel erklärenden Dialog. Deine Figuren sagen Dinge, die kein Mensch sagt. Sie sagen sie ganz klar nur, weil die Autorin diese Information vermitteln möchte. Beispiele folgen.


Jürgen Schneider fuhr in seinem schwarzen Alfa Romeo über die Landstraße.
Der volle Name schafft Distanz, du möchtest aber Nähe zur Figur. Ich verstehe auch nicht, warum du im kompletten Text Vor- und Nachnamen benutzt. Am Anfang dachte ich, es hätte was mit "Fantasy" zu tun, weil das so nach Märchenerzähler klingt.

Was tut die Farbe des Autos zur Sache? Im ersten Satz würde ich auch nicht mit etwas so Banalem beginnen: Er fuhr mit seinem Auto auf der Straße. Ich meine, wo denn auch sonst?

Kanada Urlaub
Koppeln. Diese Erinnerungen an den Urlaub sind auch komplett überflüssig. Nimmst du sie raus, hat das null Konsequenz für die Story.

Erinnerungen an eine Zeit in der alle Sorgen vergessen waren.
Er ist Cop und dann ist da die Sache mit dem toten Mädchen. Ich glaube, da kannst du hinfahren, wo du willst, so richtig sorgenfrei wird's da nicht. "Erinnerungen an eine Zeit" klingt, als wäre er zwei Jahre im Urlaub gewesen.

ließ ihm die Haare zu Berge stehen.
Solche Sachen.

Er zog seinen Schal, den er sich um seine braune Lederjacke gewickelt hatte,
Den Kragen seiner Jacke. Ist aber auch wieder so ein Ding. Er zog sich den Schal übers Gesicht. Fertig.

Er fragte sich, ob er jemals wieder eine Chance haben würde glücklich zu sein,
würde,

und versuchte nach rechts auszuweichen,
und versuchte,

Erst schlitterte er über das Gras der Fahrbahnbegrenzung
Fahrbahnbegrenzung ist Verwaltungsdeutsch. Straßenrand.

Jürgen Schneider wusste nicht mehr wo oben und unten war,
Mehr, - Floskel - Warum der volle Name?

als der Wagen am Ende der Böschung endlich zum Stillstand kam.
Von wem kommt dieses "endlich"? Wer wertet das?

die eben noch auf der Straße stand.
gestanden hatte

Sie trug einen kurzen, schwarzen Rock, dazu halblange Stiefel und eine fast durchsichtige, weiße Bluse, ihre langen dunklen Haare flatterten im Wind.
Das brauche ich alles nicht zu wissen und Haare, die im Wind flattern (wehen), sind auch echt ein verbrauchtes Bild.

als hätte er zwei Nächte durchgesoffen.
Plötzlich Gossensprache. Um nicht unpassend zu wirken, müsste die ganze Geschichte so geschrieben sein.

Dabei fiel ihm ein großes, dunkles Muttermal an ihrem linken Handgelenk auf.
Ich weiß nicht, ob man wirklich auf so etwas achtet, wenn man gerade aus einem Auto gekrochen ist, das sich mehrfach überschlagen hat.

und er wünschte sich, er wäre jetzt schon zu Hause
Hier auch: Das ist so ein Gedanke, wenn Stau war und ich zwei Stunden länger brauche als geplant, aber nicht nach einem Unfall.

Der junge Typ
Typ? Mann.

Was reden Sie andauernd von einer Frau?
So reden Menschen nicht.

Die Ärzte rieten ihm eine Woche von der Arbeit z
ihm,

selbst mit halben Kopf hätte er sich noch in die Arbeit geschleppt.
halbem. Ist das eine Redewendung oder ist das von dir?

Das Wetter war besser geworden, der Regen blieb aus.
Da liegen ja jetzt Tage zwischen, aber das hier sage ich, wenn es nach zwei Stunden Regen aufhellt.

fielen ihm die Anwaltsschreiben ins Augen,
Das kommt auch bestimmt dreimal oder so, dass die da liegen.

Als er seine Jacke an die Garderobe hing, fielen ihm die Anwaltsschreiben ins Augen, die auf dem Schuhschrank lagen, sein Magen verkrampfte sich schlagartig.
Auge, . Sein ... Und ein Krampf überrascht einen eigentlich immer.

Er betrat die Küche, in der gerade frischer Kaffee in seine Lieblingstasse lief, auf ihr war ein Foto von seiner Katze zu sehen.
. Auf ...

Was zum Teufel ist jetzt los.“, fluchte er
Das machst du ein paar Mal. Den Punkt lässt man weg bei wörtlicher Rede.

und stellte so schnell es ihm möglich war das Wasser ab.
Und wieder: "so schnell es ihm möglich war". Was? Das sind so Informationen wie: Er trug eine Hose, aber nicht am Oberkörper, sondern an den Beinen.

Gefühlt hundertmal
Raus.

nichts anderes übrig als sich trotzt seiner klebrigen Haut
übrig, / trotz

der lange Pony fiel ihr frech ins Gesicht.
Das klingt wie aus einem Jugendbuch.

Sie trug eine mittelblaue Jeanshose, die von der Gartenarbeit ein paar Flecken abbekommen hatte und eine rote Sweatjacke. Ihre dunkelbraunen Augen strahlten.
Es geht weiter: Die Farbe ihrer Jacke und eine mittelblaue Hose. Das ist SO unwichtig!

Was haben Sie denn alles für Unkraut im Garten.
?

Frau Sommer
Herr und Frau ist auch wieder wie Märchen oder Kindergeschichte.

Ein Geist, ja genau, die Kräuterhexe hat sie doch nicht mehr alle!
Sie sagt das aber sehr klar im Spaß.

Er dachte darüber nach wie viele Verrückte
nach,

Ausgestattet mit einem Eimer und einen kleinen Handbesen
einem

Es dämmerte bereits und ein leichter Nebel legte sich auf die Kronen der Friedhofsbäume
Ich warte mit der Grabpflege, bis es dunkel wird, dann is' gruseliger.

wie von der Tarantel gestochen
Floskel.

mit beiden Händen daran sich zu bewegen.
, sich

Es tut mir leid, ich wollte ihrer Tochter nichts tun. Ich bin von der Kriminalpolizei. Jürgen Schneider ist mein Name.
Das mit der Polizei kommt hier irgendwie sehr spät für einen so zentralen Punkt.

nun endgültig auf das Fahrrad und fuhr davon. Schneider sah ihr hinterher.
Danach kommt ein sehr langer Dialog zwischen den beiden. So wie du es schreibst, brüllen die sich den entgegen, während sie sich mit dem Rad immer weiter von ihm entfernt.

Marie Brunner heißt meine Tochter, vielleicht können Sie sich an den Fall erinnern. Sie hatte vor drei Jahren einen Unfall, bei dem irgendein geisteskranker sie vom Rad gefahren hat. Ihre Zwillingsschwester kam dabei ums Leben. Seit dem Tag spricht sie kein Wort mehr, sie ist stumm. Sie kann sich an den Unfall nicht mehr erinnern, doch Ihre Kollegen haben sie befragt, immer und immer wieder bis sie jeden Tag heulend in ihrem Bett gelegen ist.
Das meinte ich. Das klingt wie Plot im Kopf der Autorin, komplett ungefiltert an irgendeiner Stelle irgendeiner Figur in den Mund gelegt.

kann Ihren Ärger gut verstehn.
hen. Und es klingt erstens künstlich und zweitens, als würden die Äste seiner Bäume über den Zaun in ihren Garten ragen. Totes Kind ist ja andere Liga.

Zugegebenermaßen war ihm etwas unheimlich
Ach?

Den Radio so laut zu drehen
Das. An der Stelle habe ich mich gefragt, ob Deutsch vielleicht nicht deine Muttersprache ist.

und Räucherstäbchen interessierte, litt seiner Meinung nach unter Realitätsverlust,
Ich habe auch schon mal ein Räucherstäbchen angemacht, das ist ja wohl ein etwas sehr hartes Urteil.

Na da haben wir es doch schon, wahrscheinlich versucht sie ihnen mittzuteilen wer ihr Mörder ist.
Und wieder: Der ganze Punkt der Geschichte. Explanatory oder expository dialogue nennt man das beim Film. Soll man nicht machen.


Viele Grüße
JC

 

Hallo @SonjaSonnig,

deine Geschichte ist an sich nicht schlecht, wenn natürlich auch nichts Neues. Aber sie zieht sich leider etwas. Ich würde dir empfehlen noch einiges zu kürzen um die Spannung zu halten und Leser unterwegs nicht zu verlieren.

Ich habe es als sehr anstrengend empfunden, dass es so wenige Absätze gibt. Teilweise hätte sogar eine Leerzeile besser gewesen, wenn sich Zeitpunkt, Ort, Personen, etc. komplett ändern. Ich habe dafür unten auch ein paar Beispiele.

Ein paar andere Dinge sind mir noch aufgefallen:

Ohne zu überlegen stieg er auf die Bremse und versuchte nach rechts auszuweichen, das Heck seines Fahrzeugs brach dabei aus und er geriet ins Schleudern
Ich würde auf das 'er' verzichten. Es ist das Auto das ins Schleudern gerät. Hier klingt es beinahe so als würde er selbst durch den Wagen geschleudert werden.

Mit zitternden Händen befreite er sich von seinem Sicherheitsgurt und öffnete langsam die Fahrertür, dann bemerkte er eine Frau, die den Abhang hinunter zu ihm gelaufen kam.
Hier würde ich 2 Sätze draus machen.

Es war dieselbe, die eben noch auf der Straße stand.
die eben noch auf der Straße gestanden hatte.

ihre langen dunklen Haare flatterten im Wind.
Es regnet. Da ist es unwahrscheinlich, dass Haare flattern. Oder ist das ein Hinweis darauf, dass sie ein Geist ist?

sich sicherlich
Dopplung. Vielleicht fällt dir hier etwas Schöneres ein.

Als er seine Augen wieder öffnete, war die Frau plötzlich verschwunden,
Würde ich streichen, ist an der Stelle nicht nötig. Es ist aus dem Text heraus klar, dass ihr Verschwinden relativ plötzlich gewesen sein muss.

„Was reden Sie andauernd von einer Frau? Ich hab Ihnen doch schon gesagt, da war niemand. Sie müssen echt was auf den Kopf bekommen haben.“
Jürgen Schneider hatte Glück im Unglück, sein Alfa Romeo war zwar ein Totalschaden,
Hier gehört ein Beispiel für eine Stelle, wo ein komplett neuer Absatz beginnen sollte.

„Na, hat man sich gut um dich gekümmert meine kleine Stubentigerin?“ fragte er sie und hob sie auf seinen Arm.
Das erste 'sie' würde ich streichen. Ist für das Verständnis nicht nötig und du vermeidest eine Dopplung.

Wenn er genau überlegte, war es ihm ganz recht, dass die Briefe aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Am späten Abend machte er sich auf zum Friedhof,
Hier wieder ein Absatz.

Eine junge Frau mit offenen dunkelbraunen Haaren
Hier gehört ein Komma dazwischen.

„Gehen Sie nicht.“, sagte im bestimmenden Tonfall.
Sagt wer?

Sein Haus war das letzte Haus in der Straße,
Das zweite 'Haus' ist nicht nötig. Das ergibt sich aus dem Kontext und du vermeidest eine Dopplung.

Schnell stand er auf und zog die Schiebetür auf.
Dopplung. Vielleicht fällt dir hier etwas schöneres ein.

hörte er eine Tür zuknallen.
Ich würde nur 'knallen' schreiben. 'zu' ist nicht nötig, da eine Tür nicht 'aufknallen' kann.

Er sah sich im Kellerraum um und nahm wahr wie sein Herz raste, keiner war zu sehen.
Ich würde hier 'niemand' schreiben. 'Keiner' verwendet man eher wenn man weiß wer zu sehen sein sollte.

In der Dienststelle herrsche rege Hektik
herrschte

Lacksplitter eines schwarzen Audi A3
Ich kenne mich nicht aus. Aber ich bezweifle, dass man anhand von Lacksplittern so genau sagen kann um welches Auto es sich handelt. Farbe ganz klar. Marke vielleicht, wenn wirklich alle Marken unterschiedliche Lackierungen verwenden, obwohl ich auch das schon für unwahrscheinlich halte. Ich kann mir aber nun wirklich nicht vorstellen, dass sogar für jedes Modell ein anderer Lack verwendet wird. So genau dürfte sich das Auto allein anhand von Lacksplittern also nicht bestimmen lassen.

„Ja natürlich, da ist eine junge Frau, die andauernd um ihr Haus schleicht.“
wahrscheinlich versucht sie ihnen mittzuteilen wer ihr Mörder ist.
Ist schließlich ihr Geist.
Da sich die beiden siezen, wird 'Ihr' groß geschrieben.

„Ich sag das doch nicht jedem. Die halten mich doch für verrückt.“
Dopplung

Als sich dies bestätigte, musste der Ohrring, den er am Tag seines Krankenhausaufenthaltes in seiner Lederjacke vorfand, womöglich von Julia zum Todeszeitpunkt getragen worden sein.
vorgefunden hatte
Der ganze Satz ließt sich etwas seltsam. Das solltest du dir noch einmal anschauen.

Am Bildrand war ein weißer flauschiger Teppich und ein Eck von einem Holztisch zu erkennen.
'waren' - es handelt sich um zwei Gegenstände.
Zwischen 'weiß' und 'flauschig' gehört ein Komma.

Julia atmete sehr schnell, als der Mann mit dem Messer über ihren nackten Oberkörper strich und sie dabei verletzte schaltete Jürgen Schneider ab.
Das müssten zwei Sätze sein. Den mittleren Nebensatz kannst du sowohl dem ersten, als auch dem zweiten Satz zuordnen. Je nachdem was du aussagen möchtest. Aber Anfang und Ende deines Satzes passen nicht zusammen.

Alle Vier nahmen zum Tatzeitpunkt nachweislich an einer Veranstaltung in Wettstetten teil.
'hatten teilgenommen'

Frau Brunner war alles andere als Begeistert
Kleinschreibung

„Frau Brunner, diese Anschuldigungen bringen doch niemanden weiter.“
„Sie haben mich doch aufgehalten am Friedhof.
Dopplung

kein Ding, sind sie etwa von der Polizei?“
Großschreibung

Während die Sanitäter sich um Marie kümmerten, wartete Kommissar Schneider ungeduldig bis seine Wunde versorgt war. Endlich war der Verband fest und Schneider konnte John nachjagen.
Er verfolgt einen Mörder und Vergewaltiger. Da ist es unglaubwürdig, dass er sich erst versorgen lässt. Er würde den anderen nie wieder einholen. Vor allem bei einer Flucht durch den Wald, wo kein klarer Weg erkennbar ist.

„Die Schlampe hat es doch nicht anders verdient. In der Bar hat sie mich eiskalt abserviert, lieber ist sie mit diesem entstellten Weichei ausgegangen, den sie dort getroffen hat.
Hatte die Mutter nicht gesagt, dass sie sich nicht mit Männern getroffen hat?

Schneider schilderte ihm den Sachverhalt, kurze Zeit später standen seine Kollegen hinter ihm, legten John die Handschellen an und führten ihn ab. Auf dem Freizeitgrund von John
Kellermann fanden sie eine vergrabene Leiche
Hier fehlt wieder ein Absatz.

Als Jürgen Schneider nach Hause kam, lag ein Strauß Wildblumen auf seinem Küchentisch, die Kaffeemaschine lief und füllte seine Tasse. Frau Sommer musste seine Rückkehr beobachtet haben, schon klingelte sie an seiner Haustür. Sie wollte wissen, ob er den Mörder von Julia festnehmen konnte.
Vorher hast du bereits geschrieben, dass der Mörder verurteilt wurde. Aber hier klingt es so, als wäre das alles noch derselbe Tag. Eine Verurteilung würde erst wesentlich später stattfinden. Oder findet diese Begegnung erst später statt? Dann dürfte die Nachbarin aber nicht mehr nach einer Festnahme fragen, sondern nach der Verurteilung.

und verschwand auch schon wieder durch die Tür.
Jürgen Schneider konnte wieder durchatmen,

Ich hoffe, meine Anmerkungen waren soweit nachvollziehbar.

LG
Nele Marie

 

Hallo @Proof,
vielen Dank für dein ausführliches Feedback! Ich werde den Text nochmal bearbeiten. Das stimmt, ich muss noch daran arbeiten konzentrierter zu schreiben, damit ich mich nicht in zu vielen Details verliere. Die Absätze hatte ich eigentlich drin, wurden aber beim Kopieren nicht übernommen, sorry!

Jürgen Schneider fuhr in seinem schwarzen Alfa Romeo über die Landstraße.
Der volle Name schafft Distanz, du möchtest aber Nähe zur Figur. Ich verstehe auch nicht, warum du im kompletten Text Vor- und Nachnamen benutzt. Am Anfang dachte ich, es hätte was mit "Fantasy" zu tun, weil das so nach Märchenerzähler klingt.
Ist das wirklich so störend? Nähe zur Figur kann man auch anders schaffen. Oder ist das nicht gegeben?

als der Wagen am Ende der Böschung endlich zum Stillstand kam
Von wem kommt dieses "endlich"? Wer wertet das?
Meine Hauptfigur, der Fahrer, wertet das.

Sie trug einen kurzen, schwarzen Rock, dazu halblange Stiefel und eine fast durchsichtige, weiße Bluse, ihre langen dunklen Haare flatterten im Wind.
Das brauche ich alles nicht zu wissen und Haare, die im Wind flattern (wehen), sind auch echt ein verbrauchtes Bild.
Ich möchte schon gerne beschreiben, wie der Geist aussieht.

Dabei fiel ihm ein großes, dunkles Muttermal an ihrem linken Handgelenk auf.
Ich weiß nicht, ob man wirklich auf so etwas achtet, wenn man gerade aus einem Auto gekrochen ist, das sich mehrfach überschlagen hat.
Ein Kommissar achtet immer auf Details, das macht er automatisch. :-P

nun endgültig auf das Fahrrad und fuhr davon. Schneider sah ihr hinterher.
Danach kommt ein sehr langer Dialog zwischen den beiden. So wie du es schreibst, brüllen die sich den entgegen, während sie sich mit dem Rad immer weiter von ihm entfernt.
Er spricht nicht mit der Fahrradfahrerin, sondern mit der Frau, die neben ihm steht.

Den Radio so laut zu drehen
Das. An der Stelle habe ich mich gefragt, ob Deutsch vielleicht nicht deine Muttersprache ist.
Ist meine Muttersprache. Ich komme allerdings aus Bayern und bei mir zu Hause hat es immer geheißen: Der Teller, Der Butter, Der Radio... :-)
Das passiert mir halt manchmal...

und Räucherstäbchen interessierte, litt seiner Meinung nach unter Realitätsverlust,
Ich habe auch schon mal ein Räucherstäbchen angemacht, das ist ja wohl ein etwas sehr hartes Urteil.
Das seh ich auch so, allerdings fällt der Kommissar ein härteres Urteil, weil er damit nichts zu tun haben will.


Liebe Grüße
Sonja

 

@SonjaSonnig

Ist das wirklich so störend?
Es ist sehr ungewohnt. Das hat ja einen Grund, warum man's normalerweise anders macht. Das klingt so steril. Peter Müller bitte zum Ausgang drei, Peter Müller bitte. Mit dem Gängigen zu brechen, da kann eine bestimmte Absicht hinter stecken. In einem Spannungstext wie diesem, einem Gruselkrimi, sehe ich die nicht. Hattest du denn eine?

Meine Hauptfigur, der Fahrer, wertet das.
Hast du nicht eher einen allwissenden Erzähler? Ich kann mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern, meine aber, das wäre so. Wenn nicht, kommt dieser Eindruck vllt von Vorname plus Nachname die ganze Zeit = Distanz. Ich bin jedenfalls über das "endlich" gestolpert.

Ich möchte schon gerne beschreiben, wie der Geist aussieht.
Klar. Aber diese Beschreibung klingt wie bei einer Modenschau. Man könnte jetzt auch sagen, er ist halt Polizist und denkt in Zeugenaussagen: Schulterlange, dunkle Haare, zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, schwarze Lederjacke mit einem hellen Fleck an der linken Schulter. Das würde sogar Sinn geben, aber es saugt Stimmung aus der Szene.

Ein Kommissar achtet immer auf Details, das macht er automatisch.
Okay. Ich denke trotzdem, ein Unfall ist ein Unfall und schüttelt dir berufsunabhängig das Hirn durch, aber okay, kann man so sehen.

Er spricht nicht mit der Fahrradfahrerin, sondern mit der Frau, die neben ihm steht.
Ich würde sie kurz irgendwas machen lassen oder nach dem ersten Dialogsatz schreiben "sagte die Frau neben ihm" bzw. etwas in der Richtung. Es ist sonst verwirrend, weil ich im Satz davor bei der Frau auf dem Rad bin und dann kommen mehrere Sätze Dialog ohne Hinweis, wer spricht. Selbst wenn man im Nachhinein weiß, wer redet, stocke zumindest ich da, ich hab das Gesagte zunächst der Fahrradfrau zugeordnet.

Ich komme allerdings aus Bayern
Ah. Das erklärt auch, warum der Kommissar "in die Arbeit" geht und nicht ganz normal "auf Arbeit" wie bei mir zu Hause. War im Sommer ein paar Wochen in der Schweiz, das kam mir gleich so bekannt vor, da gibt's ja durchaus Überschneidungen mit dem Süddeutschen.

Das seh ich auch so, allerdings fällt der Kommissar ein härteres Urteil, weil er damit nichts zu tun haben will.
Ich hatte das eigentlich auf die Reihenfolge Wahrsagen und Räucherstäbchen bezogen. Realitätsverlust bei Wahrsagen, da komme ich noch mit, und dass so ein kerniger Typ Räucherstäbchen für Hippiequatsch hält, ist ja auch glaubwürdig, aber so, wie du es geschrieben hast, leiden für ihn Leute unter Realitätsverlust, die sich Räucherstäbchen anmachen. Das wäre ein bisschen drüber, fast absurd.

Vieles ist Leseeindruck, mögen andere anders sehen. Aber: "Ich komme gleich", sagte er. Kein Punkt.

Schönes Wochenende
JC

 

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