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Blaugoldene Augenblicke

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23.08.2001
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Blaugoldene Augenblicke

Augen, die dich festhalten, eine Begegnung, die dich umwirft. Aufeinander vorbereitet und dennoch völlig überrascht, Nähe, ein irrationales Sich-Kennen, Wiedererkennen aus uralten Zeiten, fremden Welten. In Sekundenbruchteilen der Erstarrung Austausch uralter Erkenntnis: Unsere Seelen sind verwandt. Eine Art Liebe auf den ersten Blick, vorsichtiges sich Annähern, Lächeln, Schweigen.
Ein Gefühl der Verliebtheit, doch du willst dich nicht zu erkennen geben, nicht die erste sein, die das Geheimnis preisgibt, hast Angst vor der Blöße, die du dir geben könntest, obwohl doch längst schon alles klar ist.
Warum die Angst? Ist es nicht ein Geschenk, eine artverwandte Seele zu finden, mit der man noch unbekannte Geheimnisse teilt? Wäre es nicht vielmehr wundervoll, sofort und ohne Zeit zu verlieren "hier" zu rufen und miteinander in einer Ecke zu verschwinden, um auszutauschen, wer man ist und was man noch voneinander weiß - auf diese unerklärliche, geheimnisvolle Art, Dinge im Innersten zu bewahren über Zeiten und Generationen hinweg?
Stattdessen sitzt du nur da und schaust sie an, unfähig, etwas zu sagen, aber gebannt an ihren Lippen hängend, die sich wundervoll kräuseln beim Sprechen und zusammen mit den nicht ganz perfekt stehenden, aber gerade deshalb so reizvollen Zähnen ein Lächeln bilden, welches dich umwirft und auf der ganzen Welt seinesgleichen zu suchen scheint.
Du schaust in ihre Augen, nimmst dieses unglaubliche Blau wahr, welches sich im Kleid wiederholt, siehst den strahlenden Glanz in ihnen, ihre wache Lebendigkeit und bist erstaunt, woher sie kommen mögen.
Und dann die Haare. Vielleicht das Eindrucksvollste an der ganzen Erscheinung, sogar mit Sicherheit das Eindrucksvollste und auch das, was deine Erstarrung zu Beginn vordergründig auslöste. Schulterlange Locken, eine nicht enden wollende Mähne, nur durch einen schmalen Reifen gebändigt. Dezente silbergraue Strähnen im warmen Blond, nicht Alter, sondern Anmut und eine Zerbrechlichkeit ausdrückend, die von anderen Wesenszügen scheinbar Lügen gestraft wird und dennoch immer wieder durchschimmert.
Die Stimme: Warm, freundlich, nie laut, sondern dezent, weich und harmonisch. Du möchtest versinken in dieser Stimme, dich von ihr forttreiben lassen, wie von sanften Meereswogen, möchtest dir Märchen vorlesen lassen wie damals in der Kindheit, als nichts mehr blieb außer Stimme und Phantasiegebilden und wohlig warmer Geborgenheit.
Und dann ist die Begegnung vorbei. Sie geht, und du hast noch immer kaum etwas von dir mitgeteilt, aber du klammerst dich auch nicht fest an der Panik, sie zu verlieren. Du weißt, wo sie ist und wie du sie finden kannst und auch, daß du von dieser Begegnung noch eine Weile zehren wirst. Wann immer du willst, wird sie dich mit Ruhe und Ausgeglichenheit erfüllen, dir ein kleines bißchen Geborgenheit, Wärme, Heimat geben, in welcher Fremde du auch sein magst.
Das Lachen? Versuchst du dich zu erinnern, doch es will dir nicht einfallen. Warm und golden wird es gewesen sein wie die ganze Erscheinung, unmöglich, daß es nicht dazu gepaßt haben soll.
Perfekt in ihrer Unvollkommenheit, denkst du, und daß Unregelmäßigkeiten ein Bild erst schön machen.
Mal wieder scheint ein Engel dein Leben mit einem Flügel gestreift zu haben.

________________
(September 2001)

 

Hallo queen.

Ich weiß, ich sollte jetzt irgentwas tolles schreiben, aber mir fällt nur "schööön" dazu ein.


Abggesehen davon daß nicht- endenwollen glaube ich zusammengeschrieben wird, oder zumindest mit Bindestrich.... ;)

Wie schon von Dir gewohnt, gekonnt formuliert, und lebendig beschrieben...

Lord :)

 

Hi Lord!
Danke für das Lob! :) Das mit dem "nicht enden wollend" ist ein guter Punkt. Ich hab nämlich ausnahmsweise mal keine Ahnung, wie es korrekt geschrieben wird. :sad:
Naja, es gibt (hoffentlich) Schlimmeres!
Gruß,

chaosqueen :queen:

 

Hi chaosqueen!

Ich finde die Beschreibung der Begegnung zweier verwandter Seelen wunderbar gelungen. Es entstehen Bilder und Gefühle beim Lesen, die einen dazu drängen, hinauszugehen und zu hoffen, dass einmal wieder "ein Engel [mein] Leben mit einem Flügel" streifen möchte.
Dadurch, dass die beiden nicht weiter aufeinanderzugehen, nur den Augenblick wirken lassen, bleibt die Geschichte davor bewahrt, ins Kitschige abzudriften.
Was mich gestört hat, ist die Tatsache, dass das Erkennen einer verwandten Seele allein auf das äußere Erscheinungsbild reduziert wird. Vielleicht müßte mehr als das Aussehen dazukommen, damit es möglich ist, noch tiefer in die Begegnung zu sinken.

Noch ein paar Anmerkungen:

Austausch uralter Erkenntnis: Unsere Seelen sind verwandt

Nach dem Doppelpunkt würde ich klein weiterschreiben.

Warum die Angst?

Ja, warum? Wieso Angst davor, auf jemanden zuzugehen, der einem so vertraut ist?
Ich finde es gut, dass Du diese Frage unbeantwortet hast sehen lassen, denn so erhält der Leser die Möglichkeit, sich seine eigenen Gedanken darüber zu machen, weshalb er in so manch einer Situation in seinem Leben geschwiegen hat.

Die Stimme: Warm

Wie oben: klein nach Doppelpunkt.

Versuchst du dich zu erinnern, doch es will dir nicht einfallen

Holpert ein bißchen. Vielleicht besser: "Du versuchst dich zu erinnern, doch es will dir nicht einfallen.".

Alles Liebe,
Sylvia

 

Moin Chaosqueen.

Ein wunderschön locker-leichter Balanceakt über die gnadenlosen Tiefen des Kitsches und den 08/15-Formulierungen. Zum Balancieren, der Stab: Selbsterfahrung, erlebte Momente, die es geschafft haben, nicht vergessen zu werden.

Ich glaube jeder Mensch kann sich an (mindestens eine) solche Situation erinnern. Es gibt sie so oft, Bruchteile von Sekunden die über ein Kennen- oder Nichtkennenlernen entscheiden, (hier: trotz des Gefühl der Seelenverwandtschaft.)

@Sylvia: Ich finde es sehr realistisch, eine (vorläufige, weil man weiß es im Endeffekt ja nicht) Seelenverwendschaft auf das Äußere und einfache Gesten zu beziehen, man weiß im ersten Moment ja auch nicht mehr von dieser Person, außer wie sie aussieht, sich bewegt, spricht, etc, als das Gefühl der "unbekannten" Vertrautheit.

Wundervoller Drahtseilakt, der dir da gelungen ist.

Lieben Gruß
Maya

 

@Kitana:
Danke für das Lob! Wenn die Königin die queen kritisiert.... ;)
Zu Deiner Kritik:
Nachdem ich den Text eben nochmal mit Deinen Worten im Kopf durchgelesen habe, muß ich Dir teilweise zustimmen, daß sich die Begegnung und das Erkennen der Seelenverwandtschaft anscheinend vor allem auf Äußerlichkeiten bezieht, aber das war eigentlich gar nicht so gemeint. Dadurch, daß die Protagonistin in den Augen, der Stimme, dem Erscheinungsbild der anderen versinkt, wollte ich eigentlich das Erkennen ausdrücken, welches keiner weiteren Worte bedarf. Ist mir vielleicht nicht so gut gelungen, wie ich gehofft habe...
Daß ich nach Doppelpunkten groß weiterschreibe, habe ich meinem Deutschlehrer zu verdanken; der hat mir das so beigebracht.
Wenn Du "Das Lachen? versuchst du dich zu erinnern" in einem Satz nimmst (und nach dem Fragezeichen klein weiterschreibst, was ich nicht getan habe), holpert es nicht mehr. Gedacht war es als Gedankengang, der dann kommentiert wird. Ich hätte "Das Lachen?" auch in Anführungszeichen setzen können, aber das mache ich ungerne bei Gedanken.
Danke auf jeden Fall für die detaillierte Kritik! Ich stelle fest, daß ich an dem Text doch noch einiges machen könnte.

@Maya:
Lieben Dank auch für Dein Lob! Wenn der eine oder andere eine eigene Situation in dem Text wiedererkennt, dann ist mir gelungen, wa sich wollte.
Freut mich auch, daß Du sagst, der Drahtseilakt zwischen 08/15 und Kitsch sei mir gelungen. Da plumpst mir doch der eine oder andere Stein vom Herzen! :)

Liebe Grüße,

chaosqueen :queen:

 

@Chaosqueen:

Freut mich auch, daß Du sagst, der Drahtseilakt zwischen 08/15 und Kitsch sei mir gelungen.
hmmh, zwischen 08/15 und Kitsch? Wäre aber eher weniger gut. ;)
"Über", stimmts?

 

Hm, und was liegt dann links und rechts, wenn ich Kitsch und 08/15 unten drunter lasse? :confused:
Aber ich versteh schon, wie Du es meinst! :)
Gruß,

chaosqueen :queen:

 

...Balanceakt über die gnadenlosen Tiefen des Kitsches und den 08/15-Formulierungen.
Nichts links und rechts, nur unten.
;)

 

Aber woran ist das Seil denn dann befestigt, auf dem ich mich bewege? Ich glaube, mir wird schwindelig....

:queen:

[Beitrag editiert von: chaosqueen am 08.04.2002 um 00:51]

 

Hej Bo!

Warum bekomme ich eigentlich keine Benachrichtigung mehr, wenn jemand auf meine Geschichten antwortet? Sorry, dass ich jetzt erst reagiere!
Freut mich, dass Dir der Text gefällt - in meiner Gruppe kreativer Schreiblinge wurde er gnadenlos zerrissen... Und sie hatten aus ihrer Sicht sogar Recht!

Die Musik kenne ich nicht, werde aber bei Gelegenheit mal reinhören!

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hallo,

habe mir einfach gedacht ich schaue mal, was die Moderatoren so schreiben und habe einfach wild eine Geschichte von Dir ausgewählt.

Mir bleibt nichts anderes zu sagen als: "Schön. Wunderschön". Man gleitet sanft dahin, fühlt sich von den Worten getragen. Ich habe mich auch sofort an eine ähnliche Situation erinnert gefühlt.
Meine Angst während des Lesens, dass dieses Gefühl, das Du in die Worte legst, am Ende verpufft oder nicht so aufgelöst wird, wie ich es mir vorstelle, war völlig unbegründet: Ich habe das Lesen bis in die letzte Zeile genossen.

Genug jetzt, nicht dass ich wegen schwülstiger Lobpudelei dem Forum verwiesen werde...

Lieber Gruß
Cassandra

 

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