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- 23.01.2008
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Blaulicht
Er träumte. Ein Feuerwehrauto raste brennend vorbei. Mit heulender Sirene.
Schweißgebadet wachte er auf. Aber die Sirene heulte weiter. Alarm!
Jamie sprang aus dem Bett und in die Klamotten. Schlaftrunken taumelte er die Treppe hinunter, fiel fast. Dann startete er sein Auto. Sicherlich wieder ein Fehlalarm, dachte er, während er zum Feuerwehrhaus fuhr.
Marc war schon da. „Was ist los?“, fragte Jamie.
„Unfall.“ Marc schlüpfte in die Jacke während Jamie an seinen Stiefelschäften zog. Gemeinsam rannten sie zum Feuerwehrauto.
Die Zeit verging wie im Fluge, wenn man so müde war. Schon sprang er aus dem Feuerwehrauto.
Und blieb wie angewurzelt stehen. In seinem Kopf regte sich nichts. Die Zeit schien still zu stehen. Als er einatmete, brannte der Schmerz in seiner Lunge. Die Welt stand still und Jamie war zu keinem Gedanken fähig.
Das Blaulicht warf alles in schauriges Licht. Trotzdem, ohne Zweifel. Er hatte das Gefühl, zu ersticken.
„Jamie, das ist doch nicht... das darf doch nicht...“, flüsterte Marc hinter ihm. Vollkommen entsetzt. „Das ist doch nicht... ihr Auto!“
Jamie ballte die Fäuste, bis sich die Fingernägel ins Fleisch bohrten. Aufwachen! Das war nur ein Traum. Ein wahnsinniger Traum! Das konnte nicht wahr sein, es konnte doch gar nicht sein! Er drehte sich zu Marc um und sah das Blaulicht in seinen Augen spiegeln.
Der Notarzt kam auf sie zu. „Nichts zu machen.... ein Insasse, tot. Ein Mädchen, blutjung.“ Er schüttelte den Kopf. „Ihr könnt sie rausschneiden:“
In Jamie stieg etwas auf, das mehr als eine Ahnung war. Es durfte nicht sein!!!
Seine Kollegen hatten schon begonnen, das Wrack aufzuschneiden.
Isabel!
Marc fasste ihn am Arm und wollte ihn wegziehen..
„Isabel!“
„Jamie, komm zu dir!“ Um ihn herum standen die, die Isabel kannten.
„Isabel!!!“
„Er muss hier weg!“ Als ob er nicht da wäre. „Isabel ist nicht tot. Es ist nicht Isabel.“, flüsterte er. Marc legte seinen Hände auf Jamies Oberarme. Jamie riß sich los, rannte zum Wrack. Führte jeden Handgriff wie ein Schlafwandler aus. Sah nichts. Hörte nichts. Fieberhaft. Dachte nichts. Fühlte nichts.
Sah nicht ihren Köprer, hörte nicht, wie die anderen ihn riefen, sich um ihn sorgten. Kein Gefühl, kein Schmerz.
Bis er sie in den Armen hielt. Blutüberströmt. Der Schmerz, oder der Schreck, die er so zurückgedrängt hatte, brachen mit aller Macht durch.
Sie würde es doch schaffen, egal was die sagten!
Er fühlte sich so atemlos.
Sie sollte doch die Augen aufschlagen!
Jemand legte ihm die Hand auf die Schulter, sagte etwas.
„Lass mich in Ruhe!“, brachte er heraus. Was war mit seiner Stimme los? Nur ein heiseres Krächzen war daraus geworden.
Er hielt seine Hand auf ihrem Bauch, der Bauch, den er tausendmal gestreichelt hatte. Den Bauch, den er geküsst hatte, noch vor wenigen Stunden.
Und in seiner Brust bahnte sich etwas an, ein riesiger Kloß, der ihm die Luft abschnürte.
Aber warum sollte er nicht aufhören zu atmen? Sie sollte doch wieder atmen!
Sie sollte doch wieder lachen und ihn küssen, ihn aufziehen. Alles, aber nicht tot in seinen Armen liegen und nie wieder bei ihm sein können!
Langsam quälte sich der Kloß in seinem Hals durch seine Luftröhre und machte das Atmen unerträglich!
Er wollte schreien, doch es ging nicht. Es war so kalt. Isabel! Sie musste doch frieren! Sie...
Ihm fiel nichts mehr ein, seine Gedanken von der Tatsache abzulenken, die so schwer zu fassen war..
Er versuchte, endlich durchzuatmen. Es tat weh, tierisch weh. Aber plötzlich sah er wieder die Blaulichter und die Leute um sich herum.
Seine Kollegen räumten langsam ihre Werkzeuge ein. Aber was zählte das?
Jener Abend, jene Nächte, jene Küsse, alles war ganz verschleiert.
Eine Träne rann an seiner Wange entlang und fiel unendliche langsam herab. Dann tropfte sie auf ihre bleiche Wange, perlte auseinander und rann leise seitlich ihre Wange entlang. Ein Zittern durchlief ihn.
Tränen, Regen. Im Regen hatte alles angefangen. Mit ihnen. Wie der Regen an ihren Wangen entlangperlte, wie aufgeregt er gewesen war, sie gewesen waren.
Warum regnete es heute nacht nicht? Warum endete nicht alles so, wie es begann?
Jemand legte ihm beide Hände auf die Schultern. „Jamie.“ Es war sein Freund Marc. „Es ist vorbei. Komm, wir wollen fahren. Wir haben alles eingeräumt... und so...“ Jamie sah ihn nur hilflos an. Marc berührte seine Wange. „Du bist ja ganz kalt... komm jetzt! Verdammt, sie ist tot!“
Jamies Augen wurden größer. Er atmete jetzt ganz schnell. Der Kloß stieg weiter auf, quetschte sich durch seinen Kehlkopf. Er schrie: „ Sie ist nicht tot! Sie darf nicht tot sein!“
Und mit grausamer Klarheit wurde ihm bewußt, dass es so war. Tot, tot, tot! Heftig atmend lehnte er sich an eine Leuchtpfosten. Um ihn herum blinkten die Blaulichter und er schloss die Augen und wollte auch tot sein.