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Blinde Erotik
Mir ist heiß. Unruhig wälze ich mich in meinem Bett. Ein Uhr. Ich hasse diese Nächte. Tagsüber 30 Grad, und abends wird es nicht viel kühler. Schon jegliche Kleidung von mir gerissen, Bettdecke nur noch zwischen meine Beine geklemmt. Fenster auf, aber was da herein kommt, erinnert eher an einen gerade geöffneten Ofen. Und die Enge des Zimmers im Studentenwohnheim trägt auch kaum dazu bei, für Durchzug zu sorgen. Ich könnte noch eine Dusche gebrauchen. Gedacht, getan. Lange lasse ich den kalten Wasserstrahl meinen Körper mit Energie versorgen, dann wechsele ich kurz auf heiß, schließlich wieder kalt. Erfrischt steige ich aus der Dusche, trockne mich nur mäßig ab, damit die Kühlung länger hält. Raus aus der Nasszelle, wie das Fachwort für den plastikverkleideten, hellgrünen Quadratmeter mit Toilette, Waschbecken und Dusche lautet. Ich tapse durch das halbdunkle Zimmer, öffne das Fenster und rauche mir erst einmal eine Zigarette – nackt, zwischen Schreibtisch und totenstiller Nacht.
Jetzt habe ich Lust auf Sex – das hat man davon, wenn man um diese Zeit die Lebensgeister weckt. Meine letzte Affäre ist mindestens einen Monat her. Harte Zeiten. Im Appartement neben mir soll eine süße Lady eingezogen sein, sagte mir vorhin Paul, der gegenüber wohnt. Sie hat heute Mittag ihre Sachen – ein paar Bücher, Klamotten und so was - eingeräumt. Eigene Möbel passen in so ein Zimmer sowieso nicht, alles möbliert. Knackarsch in Jeans, lange dunkle Haare und locker 75c wie Paul fachkundig und auf den Punkt berichtete. Nett. Und noch dazu eine Fehlfarbe als Freund, der wohl auch kurz da war. Das Ganze hört sich vielversprechend an. Ein neues Opfer für den Herrn der Flirts. Ich könnte ja klopfen und nach zwei Schlaftabletten fragen. Ein Gespräch in der Nacht, vielleicht ein Glas kühler Weißwein dazu, nur das Flackern zweier Kerzen. Na ja, vielleicht träume ich zumindest davon, wenn ich doch noch zu meinem Schlaf kommen sollte.
Ich schaue in die Nacht und werde langsam wieder ruhiger. Mit diesem Ausblick habe ich es relativ gut getroffen. Nur der riesige Kran zu meiner linken verdirbt die Roman-Atmosphäre. Aber gut – man kann ja nicht alles haben. Mit etwas Phantasie stelle ich mir vor, wie ich in dem kleinen beleuchteten Führerhaus dort oben sitze und weit über Münster hinaus schauen kann. Heute ist Vollmond und ich lasse meinen Blick schweifen über ein kleines Waldstück und den Ostpark. Niemand ist mehr unterwegs, es herrscht absolute Stille. Gäbe es Werwölfe, dann wäre dies ihre Nacht.
Plötzlich höre ich, wie sich ein Riegel löst und das Fenster nebenan aufgeht. Ich schrecke leicht zusammen, strecke dann vorsichtig den Kopf vor und schaue aus meinem Fenster nach rechts. Nichts zu sehen. Ob ich „Hallo“ rufen soll? Lieber nicht. Dafür spitze ich die Ohren. Ich höre das leise patschende Geräusch von nackten Füßen auf PVC. Die erste Begegnung mit meiner neuen Nachbarin – rein akustisch sozusagen. Virtuell sehe ich sie in ihrem Zimmer einige Schritte machen, ihre Fersen, wie sie sich heben, ihre Zehenspitzen, wie sie sich vom Boden lösen. Langsam gleitet mein Blick höher, ich beobachte ihre festen Waden, wie sie sich spannen bei jedem Schritt, schaue hinauf zu ihrer Kniebeuge, die Sehnen an den Seiten. Ihre Oberschenkel betrachte ich, von hinten zuerst, dann drehe ich die Lady im Geiste um, sehe auch hier die Anspannung der Muskeln bei jedem einzelnen Schritt. Durchtrainierte Beine. Dann stockt meine Vision. Was sie wohl nachts trägt? Nichts? Shorts und T-Shirt? Nur ein T-Shirt? Ein langes - fast bis zu den Knien? Oder Wäsche, Spitzenwäsche - gerne auch ohne BH, denke ich lächelnd. Okay, das wäre der Favorit. Sie bleibt stehen. Ich lausche. Das Geräusch hörte sich nach dem Öffnen des Kühlschranks an, die Tür quietscht wie meine. Ein Zischen. Mineralwasser? Coke? Ist das jetzt ihr Schlucken? Wieder Schritte.
Ich drücke die Zigarette im überquellenden Aschenbecher aus, schleiche zu meinem Bett und lege mich vorsichtig darauf. Falls sie mich bemerkt, wird sie sich nicht mehr so unbefangen bewegen. Mein Kopfende befindet sich direkt an der Wand zu ihrem Zimmer. Höre ich sie hier besser? Tatsächlich, die Geräusche ihrer nackten Füße erscheinen jetzt etwas lauter. Oder bilde ich mir das nur ein? Ihr Bett knarrt. Hat sie sich hingesetzt oder liegt sie? Ich stelle mir vor, wie ihre vollen Brüste leicht wippen, wenn sie sich setzt – falls sie tatsächlich keinen BH trägt. Oder liegt sie – dann würden uns nur Zentimeter und die dünne Wand trennen. Bei diesem Gedanken hebe ich den Kopf und schaue nach hinten, als könnte ich durch einen wundersamen Zauber etwas sehen. Doch mein Blick dringt nicht durch, bleibt durch die weiß gekalkte Wand versperrt. Ich lege mich wieder hin und schließe die Augen.
Ich sehe sie von oben, als würde ich mich im Zimmer über ihr befinden und sie durch ein Loch im Boden beobachten. Sie liegt auf der Seite, die Beine leicht angezogen, und ihre Hände verschwinden stützend unter ihrem Kopf. Die langen dunklen Haare verbergen einen Teil ihres Gesichtes, sind weit aufgefächert - welch ein Kontrast zur strahlend weißen Bettwäsche. Die Augen hat sie geschlossen, die geschwungenen Wimpern fallen sofort auf, so wie das kleine Muttermal über ihren Lippen. Ein Lächeln umspielt ihre Züge, so als ob sie etwas Verführerisches träumt. Sie trägt ein Negligee in Weiß mit schmalen Trägern, etwas durchscheinend schmiegt es sich sanft an ihren Körper. Es verrät nicht zuviel.
Wieder Bewegung im Zimmer nebenan. Ich öffne die Augen. Sie steht auf, nur zwei-, dreimal höre ich wie Füße leise aufsetzen. Wo ist sie jetzt? Aha, ich habe sie also auf eine Idee gebracht: Das unverwechselbare Geräusch einer aufgedrehten Dusche dringt aus dem Zimmer meiner neuen Nachbarin. Jetzt wird das Wasser ihren Körper hinablaufen, sich sammeln im Haar ihres Schoßes. Kleine Perlen bilden sich auf ihren Armen, ihren Beinen und Brüsten. Sicher wird sie bei der Hitze kalt duschen, ihre Brustwarzen werden sich aufstellen, ihr Körper von einer erfrischenden Welle überlaufen. Ich sehe, wie sie das Kinn leicht hebt, sich das Wasser ins Gesicht spritzt, um die Kühlung ganz zu genießen. Wie gerne würde ich jetzt mit einem kleinen Schwamm ihren Rücken einseifen, ihren Po, ihren ganzen Körper. Sie dann leicht liebkosen, die Fingerspitzen über ihre Seite laufen lassen, sie mit einem Arm an Bauch und Hüfte umfassen, sie zu mir ziehen, so dass sich mir ihr Knackarsch fest entgegen drückt.
Mein Freund stellt sich auf. Glückwunsch. Ich kann mir kaum schon wieder eine Dusche gönnen, um mich abzukühlen. Ich stehe auf, gehe zum Fenster und stecke mir noch eine an. Ein tiefer, langer Zug und geräuschvolles Ausatmen. „Besser?“, frage ich mich leise und schaue ihn an, wie er die Distanz meines Körpers zum Fensterbrett bestimmt. Nicht wirklich besser. Ich gehe zum Kühlschrank, hole eine angebrochene Flasche Wein heraus und entkorke sie geräuschvoll, da drüben immer noch die Dusche den Ton bestimmt. Einen Moment lang überlege ich, ob ich heute Nacht besser nicht nach Alkohol stinken sollte, dann schimpfe ich mich Idiot, schenke etwas ein und nehme den ersten kühlen, erfrischenden Schluck. Zigarette und Wein – schon besser. Ich setze mich wieder auf mein Bett.
Die Dusche ist aus. Jetzt klatschen die Schritte noch etwas mehr unter ihren nun nassen Füßen. Hat sie sich gar nicht abgetrocknet? Sind ihre Haare auch nass oder wollte sie sich die Arbeit des Trocknens um diese Zeit ersparen? Lächelnd und mit geschlossenen Augen kann ich den einen glänzenden Tropfen vor mir sehen, der ganz langsam an ihrem Rücken hinabläuft, leicht über ihre Bandscheibe gleitet und zwischen den Pobacken zerfließt.
Plötzlich zerreißt nebenan eine laute Männerstimme unsere Stille. Was ist das? Oh, schade, der Fernseher. Stimmen fliegen vorbei, eine laute Musikeinspielung dröhnt, Werbung. Sie zappt. Dann eine Frauenstimme. Hört sich erregt an. Oh, sie stöhnt tatsächlich. Auf welchem Programm ist meine Nachbarin denn da gelandet? Ein Typ dazu. Eine Liebesszene? Scheint eher ein Softporno zu sein. Ich glaube, das war ein „Gib’s mir Baby!“. Das fehlte noch. Ob sie weiter schaltet? Oder ob es sie erregt? Vielleicht hat sie sich wieder auf das Bett gesetzt, noch nass vom Duschen, vielleicht die Beine schon leicht gespreizt. Sie bleibt tatsächlich bei dem Programm.
Ich konzentriere mich, aber außer dem Fernseher kann ich nichts erkennen. Ich stehe auf, gehe wieder zum Fenster. Ich muss doch irgendwie in ihr Zimmer sehen können, denke ich - was natürlich nicht möglich ist. Wieder zurück stelle ich mich aufs Bett, drücke ein Ohr an die Wand. Nichts von ihr zu hören. Jetzt bin ich wirklich erregt. Er ist so hart, dass er schon fast nach ihr schreit. Ich lege mich hin, ziehe - etwas beleidigt, da sie den Kontakt völlig abgebrochen hat - die dünne Decke über meinen Körper. Während die Beiden in ihrem Film immer mehr zur Sache kommen, zeichnet sich die Wölbung vor mir deutlich ab. Was sie wohl tun würde, wenn sie jetzt am Ende meines Bettes stehen und mich hier so erregt betrachten könnte? „Er“ würde sicher vor Freude tanzen, wenn er sie jetzt dort erspähte, nackt und nass, mit wildem Haar, neugierigen Augen und feuchter, ganz zerzauster Scham. Noch einmal versuche ich angestrengt, Geräusche außer dem jetzt äußerst bemühten und zugegebenermaßen erregenden Stöhnen im Fernseher zu vernehmen. Keine Chance.
Ich kann nicht mehr. Mit einem Ruck schlage ich die Decke beiseite, lege eine Hand um meinen prallen Schwanz und beginne, ihn leicht zu massieren. Während die Erregung langsam steigt, überlege ich kurz, ob ich leise bleiben oder laut stöhnen soll, um auch meine Nachbarin zu stimulieren. Dann sehe ich sie dort sitzen, eine Hand in ihrem Schoß, zwei Finger, die sich in ihr bewegen. Wie sie ihren Kopf in den Nacken legt, ihr Oberkörper angespannt, die Brustwarzen noch weit härter als beim Duschen scheinen.
Dann schweigen die Stimmen im Fernseher – noch vor dem allseitigen Orgasmus: dem der Schauspiellaien, meinem und auch ihrem. Ich halte inne. Plötzliche Stille und Bewegungslosigkeit. Ein leises Geräusch dringt aus ihrem Zimmer durch die Wand. Oder von ihrem Bett, zum Fenster, hinaus in die Nacht und zu mir hinein, in meine Ohren und meinen Körper. Eine leichte rhythmische, schmatzende Bewegung. Ob es das ist, was ich glaube, hoffe, mir erträume? Ist sie immer noch nass vom Duschen oder ist sie etwa so ganz nass? Ich denke den Gedanken nicht zu Ende, bewege aber wieder langsam meine eigene Hand. Warum hat sie den Fernseher abgeschaltet oder ganz leise gedreht, schießt es kurz in meine Gedanken. Dann wieder stelle ich sie mir vor, wie sie dort liegt, nur ein, zwei Meter von mir entfernt. Mit geschlossenen Augen, leicht geröteten Wangen, schnelleren und härteren Bewegungen. Meine Hand massiert im Takt zu ihr, ich spüre, wie meine Erregung hochsteigt. Jetzt höre ich deutlich das leichte Knarren ihres Bettes im Fluss ihrer Bewegungen. Ich spüre, wie es zum Finale kommt, wie ich es nicht mehr halten kann, nicht mehr halten will. Ich spanne jeden Muskel an, unterdrücke ein lautes Stöhnen und gebe mich für einige Sekunden den erlösenden Gefühlen hin.
Nach zwei Minuten in leichter Trance lausche ich wieder. Nichts mehr zu hören, denke ich, während ich befriedigt und selig trotz Hitze in den Schlaf sinke. „Gute Nacht und danke dir, Lady“, murmele ich noch.
Der Wecker reißt mich aus meinen schönsten Träumen. Aber das Aufstehen klappt bei mir immer ziemlich gut. Frühstück lockt. Fünf Minuten später stehe ich dann auch mit Espresso und Zigaretten an meinem Fenster, fülle mein Nikotindepot und schaue der aufgehenden Sonne zu.
„Guten Morgen Nachbar“, erklingt es. Und noch bevor ich meinen Kopf zur Seite drehe - frohlocke ich, und in derselben Sekunde sagt mir mein Instinkt, dass mit dieser Stimme irgendetwas eindeutig nicht stimmt. Die Bestätigung folgt sehenden Auges. Ich schaue in ein arg garstiges, unrasiertes, fast glatzköpfiges Männergesicht. Glubschaugen, dicke Nase - das ganze Programm. Die Fehlfarbe. Natürlich steht mein Mund offen.
„Bin gestern eingezogen“, sind seine nächsten Worte, „hast du auch die ganze Nacht kein Auge zugetan bei dieser Hitze?“