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Blitzkrieg am frühen Morgen

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25.12.2004
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Blitzkrieg am frühen Morgen

Alles beginnt im Grunde genommen schon am Abend davor. Mit bedrückter Stimmung und knautschiger Miene stelle ich meinen Handy-Wecker auf 06:45 Uhr und lege ihn präventiv auf den Schreibtisch, um sicher zu stellen, dass ich auch aufstehen werde. Jedoch reicht ein einziger Wecker nicht aus, um einen schlafenden Riesen zu wecken. Also greife ich, bereits im Bett liegend nach meinem blauen Standart-Analog-Wecker, dessen widerlich antikes Zifferblatt mir jeden Abend böse ins Gesicht grinst. Sechs Stunden. Obligatorisch prüfe ich die Zeit, in der es mir erlaubt ist ein Stück Siebten Himmels zu kosten und in Frieden, fern von allen Problemen, die das Leben mit sich bringt, zu schlummern. Nur sechs Stunden. Traurig blicke ich zwischen die Ziffern sechs und sieben, deren trennender Strich sofort zum Inbegriff enormen Schmerzes wird; jedoch möchte ich vor dem brüllenden Handy-Wecker gewarnt sein, also nehme ich die Qual - wie jeden Abend - auf mich, und
drücke den Schalter nach oben, um Sekunden später in tiefen Sphären temporären Friedens zu versinken.

Sanft lehne ich am Stamm einer wunderschönen Eiche und genieße die Schatten spendende Obhut ihres Blättergeflechts. Ein warmer Sommerwind streift meine Haut und ich blicke über eine märchenhafte weite Wiese, deren saftiges Grün kleine und große Hügel überzieht und am weiten Horizont mit dem warmen Abendrot der Sonne verschmilzt. Langsam schließe ich, von einer unglaublichen Ruhe beseelt die Augen, um tief einzuatmen und den zwitschernden Vögeln zu lauschen. Im Einklang mit der Natur, greife ich instinktiv nach dem saftig süßen Apfel, der neben mir aus dem Boden wächst. Langsam öffne ich meinen Mund, um in dieses köstliche Göttergeschenk zu beißen, als mich ein ominöses Surren einen Moment lang das Idyll vergessen lässt...
Plötzlich zerreißt explosionsartig über mir der Himmel und ein beißend schriller Ton bohrt sich wie eine spitze heiße Nadel durch mein Trommelfell. Noch einen Moment kann ich meine Augen aufreißen, um zu sehen, wie ein gigantischer Blitz die Eiche in tausend Stücke bersten lässt und den Apfel in meiner Hand zu Asche verwandelt. Von Überall her regnet es Blitze, die Landschaft versinkt von meinen Schreien durchflutet in einem brennenden Chaos.

Ein furchtbarer Schmerz zieht durch meinen Körper und augenblicklich merke ich, wie sich mein Gehirn qualvoll zusammenzieht und mein Körper zusammenzuckt. Sofort öffne ich unter enormer Anstrengung meine Augen und muss an meine weiße Decke blicken, die verschwommen vor sich hin wabert. Der Anblick hält zum Glück nicht lange, denn meine Lider sind schwer wie Blei und fallen langsam wieder zusammen. Erst jetzt bemerke ich den schrillen Tonmatsch, der hauptsächlich auf mein rechtes Ohr drückt. Unkontrolliert tastet meine Hand nach dem Wecker und schmeißt dabei eine Vittel-Flasche vom Nachttisch. Nachdem ich eine Weile herumgetastet habe, erwische ich tatsächlich den Wecker und drücke mit letzter Kraft den Schalter nach unten. Stille. Noch 14 Minuten. Mein Arm wandert zurück unter die Decke und ich verdränge jeden Gedanken ans Aufstehen und zur Schule gehen, um prompt wieder schlafen zu können.
Kaum habe ich mich fester in meine warme Decke gewickelt, kaum bin ich in meiner Matratze versunken, um alles zu vergessen, bohrt mir ein scharfer elektronischer Ton, begleitet von seinem brummenden vibrierenden Tonbruder ein Loch in den Kopf. Ich kenne dieses Geräusch und nichts auf der Welt kann mir diesen abgrundtiefen Hass nehmen. Die schnellsten 14 Minuten des Morgens (sie wiederholen sich täglich, Montag bis Freitag) versetzen mich sofort in Mißstimmung. Mit bester Kotzlaune schleudere ich meine Decke beiseite und mein Körper schüttelt sich unter Schmerzen, als ich merke, wie die kalte Luft mich und mein eben noch warmes Bett in finstere Kälte taucht. Schlaftrunken wanke ich zum Schreibtisch und schalte das Höllengerät aus. Mit halboffenen Augen werfe ich ein letztes Mal für mehrere Stunden einen sehnsuchtsvollen Blick auf mein Bett, das sich nach und nach in eine traurige Eislandschaft verwandelt.
Zitternd greife ich nach meiner Jeanshose und versuche dabei stets die Augen offen zu halten und mich nur auf diese eine Sache zu konzentrieren. Doch es mag mir nicht gelingen. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf und zerfließen in einem geistigen Eintopf, zusammen mit Melodien alter Metallica-Lieder. Ich stolpere, als ich in die Hose schlüpfen möchte und beinahe liege ich auf dem Boden - die Rettungsaktion gelingt, doch ich muß eine Verletzung einbüßen, ich stoße mir den kleinen Zeh an der Kante meiner kleinen Couch. Der Schmerz treibt mich zur Weißglut und ich will Schreien, dass die Scheiben zersplittern – doch ich kann nicht, meine Eltern schlafen im selben Stockwerk.

Nachdem ich hastig und unter Qualen meine Kleidung angezogen habe, streift mein Blick beim Verlassen meines Zimmers die Uhr in der Diele. Natürlich bin ich zu spät dran. Wenigstens der Gedanke daran, dass mir zumindest die Routine keinen Dolch in den Rücken rammt, lässt mich eine Nanosekunde lang glücklich sein. Doch die Zeit drängt und jeder Handgriff muss sitzen. Doch kein Handgriff sitzt. Meine Beine tragen mich ins wohlig warme Badezimmer, in dessen großen Spiegel plötzlich ein grimmiger und kraftloser Mann mit tiefen Augenringen und zerzausten Haaren erscheint.
Da der Anblick abscheulich ist und immer noch die Zeit drängt, putze ich hastig meine Zähne, wobei (wie immer Werktags) die Hälfte der Zahnpaste im Waschbecken landet und unter dem fließenden Wasser ekelhafte Schlieren zieht. Nach erfolgreich abgeschlossener Zahnhygiene ist das Gesicht dran. Literweise kaltes Wasser versteinern die Visage des grimmigen Mannes. Er soll den kraftlosen Ausdruck den ganzen Tag über beibehalten. Um jedoch einigermaßen menschlich zu wirken, verteile ich die halbe Deodose auf beide Achseln, wobei sich auch hier wieder die Hälfte des Gases im Raum verteilt. Ich muss husten, was mir wiederum die zweite Stufe des „zum Mensch werden“ erschwert. Im Kampf mit der Geltube und den kläglichen Resten, die sich noch herauspressen lassen, landet (wer hätte es gedacht) ein Teil des durchsichtigen Glibbers auf meinem Pullover.
Schließlich habe ich es geschafft. Zerschmettert und genervt verlasse ich das Badezimmer, um etwas zu suchen, das meine Müdigkeit möglichst schnell vernichtet. Die Lösung findet sich in der Küche - das Espresso-Pulver lächelt mir freundlich aus der Schublade entgegen. Glücklich greife ich nach meiner Erlösung und empfinde zum ersten Mal an diesem Tag Freude, doch da streift mein Blick das Zifferblatt der Radiouhr - sie lächelt mich hinterhältig an. Grantig feuere ich die Packung zurück in die Schublade, öffne den Kühlschank und greife eine Flasche Wasser heraus, von der ich bereits im Voraus weiß, dass ich einen Teil von ihr, neben das Glas, welches ich anschließend aus dem Schrank nehme, schütten werde. Gesagt – getan. Die Küchenrolle schafft Abhilfe. Nachdem ich das Glas geleert habe, schnappe ich mir eine braune Banane aus der Obstschüssel, die mir als Frühstück dienen soll und begebe mich unglücklich in einen neuen Arbeitstag, um am Abend erschöpft meinen Handy-Wecker zu stellen, der mich nicht aufweckt, sondern nur einen weiteren Albtraum von vorne beginnen lässt.

© kabal 2005

 

Hallo kabal und Willkommen auf KG.de!

Standart-Analog-Wecker
Du meintest bestimmt Standard.

denn meine Lider sind schwer wie Blei und fallen langsam wieder zusammen.
Fallen zusammen? Interessant...

doch ich muß eine Verletzung einbüßen
Hört sich an, als ob du deine Verletzungen hortest und sie bei blöden Gelegenheiten verlierst. Würde ich umformulieren.

und ich will Schreien, dass die Scheiben zersplittern – doch ich kann nicht, meine Eltern schlafen im selben Stockwerk.
Das hätte die große Callas nicht abhalten können. Nee, wirkt unlogisch.

So, leider muß ich dir mitteilen, dass du dich höchstwahrscheinlich in der Rubrik geeirrt hast. Du hast diese KG wohl fälschlicherweise in "Humor" gepostet. Besser wäre jedoch "Alltag". Ich finde keine Stelle zum Lachen.
Es geht vornehmlich um einen Typen, der keinen Bock zum Aufstehen hat. Jeder erlebt das am frühen Morgen, das brauchst du nicht auch noch niederzuschreiben - jedenfalls nicht in solch langweiliger Form. Sprachlich ist es in Ordnung (bis auf einige "Kommafehler"; weniger ist mehr).

Tut mir leid, mir hat es nicht gefallen (jedenfalls für "Humor").

Gruß

 

Moin Kabal

Erstmal willkommen auf KG.de

Ich schließe mich, was deine Geschichte angeht, flashbak teilweise an. Aber nicht ganz. Die Rubrik ist meiner Meinung nach goldrichtig gewählt, denn humorvoll ist die Sache definitiv. Wirklich drüber lachen konnte ich zwar auch nicht - was einfach eine Geschmackssache ist -, aber es war unterhaltsam zu lesen. Letzteres lag sicher an deinem Stil, der mir gut gefallen hat.
Klar, diese Situation kennt wohl jeder (vor allem die Metallica-Lieder), besonders originell war der Plot nicht, aber ich fands nett.

um in dieses köstliche Göttergeschenk zu beißen
VIelleicht besser: um zu kosten
Sofort öffne ich unter enormer Anstrengung meine Augen und muss an meine weiße Decke blicken, die verschwommen vor sich hin wabert.
Zimmer- oder Bettdecke?
Die schnellsten 14 Minuten des Morgens (sie wiederholen sich täglich, Montag bis Freitag) versetzen mich sofort in Mißstimmung
Erst abgrundtiefer Hass und jetzt nur noch eine dezente Mißstimmung? Das ist eine negative Steigerung.
Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf und zerfließen in einem geistigen Eintopf, zusammen mit Melodien alter Metallica-Lieder.
gut
Nachdem ich hastig und unter Qualen meine Kleidung angezogen habe, streift mein Blick beim Verlassen meines Zimmers
Wortwiederholung.
schnappe ich mir eine braune Banane aus der Obstschüssel, die mir als Frühstück dienen soll
Die Schüssel als Frühstück?

 

Greetings Kabal!

Mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen. Okay, zum kranklachen wars nicht aber durchaus witzig. Am besten gefallen haben mir die Traumpassage und der letzte Absatz. :D

Ich fand deine Story wirklich angenehm zu lesen. Hat mich gut unterhalten. :)

Mfg Odin

 

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