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Blut und Erde
Blut und Erde
Es war der Tag seines Triumphes. Feuer flackerten überall auf dem kargen Land und vor dem Feldherren Kernos erstreckte sich das grausige Bild eines Sieges, den er mit seinem Heer errungen hatte. Er ließ seine Blicke über das Szenario schweifen und erspähte Krieger seines Volkes, wie sie ihre blutverkrusteten Schwerter in die Leiber jammernder Krüppel stießen, die am Boden lagen und um Gnade flehten. Vielen fehlten Arme oder Beine und ihre Körper waren entstellt durch hässliche Wunden. Oftmals ragten noch Stumpen von Knochen aus den rötlich braunen Resten ihrer Gliedmaßen. Doch waren die gefallenen Gegner Kernos` die einzigen, die zu Recht ihr Schwert erhoben. Sie kämpften für ihre Familien und verteidigten ihr Land. Die Krieger des Feldherren hingegen zogen auf Geheiß des Königs in den Krieg. Sie starben, um den Ruhm eines Mannes zu mehren, den die meisten von ihnen noch nicht einmal gesehen hatten.
Kernos stolperte durch den Morast aus Blut und Erde, stieg über leblose Körper seiner Feinde hinweg und blickte mit trauervollem Blick in die leeren Gesichter seiner gefallenen Verbündeten. "Blut und Erde" flüsterte er für sich. Wie nah diese beiden Dinge doch beeinander liegen. Das Leben ensteht aus der Erde und es kehrt doch stets wieder zu seinem Ursprung zurück und verschmilzt mit ihm zu einem Ganzen.
Ein lautes Klappern von Eisen und Holz ließ ihn aufschrecken und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Auftrag. Er war es ja, der die mordende Horde anführte, die all diese Männer auf dem Gewissen hatte. So erhob er sich langsam von dem Felsbrocken, auf dem er sich niedergelassen hatte und stapfte zu einer kleinen Gruppe von Soldaten hinüber. Sie schlugen mit ihren Schwertern auf Helme oder Schilde und stellten so ihre Freude über den glorreichen Sieg zur Schau. Kernos war heute nicht danach zu Mute. Er sah zu den jubelnden Männern hinüber und als diese ihn erspähten, stimmten sie zu einem lauten Freudengesang an. Der Jubel galt ihm; Kernos, dem Kriegsfürsten und ausgefuchsten Strategen. Dem Mann mit dem Plan, der wusste, was er wollte und für den keine Schlacht aussichtslos war. Er war der Held, den sie sich wünschten und in ihm als lebendige Erscheinung sahen. Niemals hätte er daran gedacht, ihnen diesen Glauben zu nehmen. Er gab ihnen Kraft und die brauchten sie in diesen finsteren Zeiten. Sie sollten nicht wissen, dass ihre glänzende Lichtgestalt das ausführende Organ eines größenwahnsinnigen alten Herrschers geworden war und ihre Gefährten für nichts als ein Stück Land starben.
Also tat er seine Pflicht als deren Anführer, schwang sein Schwert in die Höhe und schmetterte einen Schrei des Triumpfes, der sogleich aus unzähligen Kehlen erwidert wurde.
"Dies ist euer Sieg", begann er schließlich zu seinem Heer zu sprechen. "Jeder Tropfen Blut, der in dieses Feld sickert, möge das Land nähren und es fruchtbar machen, auf dass unserem König Ruhm und Reichtum zu Teil werde. Ja, Krieger. Dies ist euer Sieg, den ihr für unser Vaterland errungen habt. Und die Kadaver zu euren Füßen sind die leeren Hüllen ehrloser Kreaturen, die eine wertlose Sache verteidigt haben. Zu Recht sind diese Feinde unseres Volkes durch eure Klingen gestorben. Denn ihr seid die unschlagbare Kraft unseres geliebten Reiches."
Abschließend warf er erneut sein Schwert in die Höhe. Jedoch jubelten diesmal nur die Krieger, nicht aber ihr Führer. Er wandte sich mit gesenktem Kopfe um und wusch mit seinem Umhang das Blut von seinen Fingern. Tief versanken seine Stiefel in dem Mus, zubereitet aus den Früchten dieses Krieges. In dem Mus aus Blut und Erde.
Ende